Kradath: Klassische Science-Fiction hat immer die Weiterentwicklung der Menschheit zum Thema. Und zwar technisch, gesellschaftlich und biologisch. Transhumanismus ist SF. Cyberpunk ist SF. Expeditionen und Besiedelung des Weltalls sind SF. Und in der Regel gibt es bei SF keine übernatürlichen Kräfte wie Magie oder Psikräfte, weil SF nur die in den Augen ihrer Autoren logische Weiterentwicklung unserer Welt darstellt. Von daher sind viele Serien, die übernatürliche Elemente enthalten, ein Genremix. Ich würde dabei aber niemals sagen, Star Trek, Babylon 5 oder Wing Commander seien keine Science Fiction. Die übernatürlichen Phänomene machen die Geschichte spannend und geben einen Antrieb, zu den Sternen aufzubrechen. So wie die Geschichten vom Jungbrunnen oder El Dorado einst die Konquistadoren nach Amerika lockten, so sind rätselhafte Welten und ihre Geheimnisse der Antrieb der SF-Geschichten. Wäre doch langweilig, wenn da draußen nichts als Dunkelheit wäre.
Das von Dir erwähnte BSG stellt eine Besonderheit dar. Zwar spielt die Serie in der Vergangenheit, aber mit der bewussten Auswahl von heutiger Technik und Kleidung sowie dem expliziten Hinweis auf die griechische Mythologie, in der sich alles immer wieder und wieder wiederholt, wird ein ganz klarer Bezug zu uns heute hergestellt. H. G. Wells wählte einen anderen Weg: in der Zeitmaschine und in Things to Come macht die Menschheit in der Zukunft ganz bewusst einen Rückschritt in eine mittelalterliche Welt. So kommt es auch im Planet der Affen und sogar in Babylon 5 vor. Doch während viele Zukunftsvisionen dieses postapokalyptische Trauma als eine Endstufe ansehen, der Punkt, an dem die Menschheit endgültig versagt hat, ist es anderenorts nur ein Zwischentief, aus dem die Menschheit umso produktiver wieder hervor geht.
Star Wars ist nichts von alledem. Chris hat da völlig recht, es ist ein Märchen, das in einer eigenen Welt spielt. Nicht umsonst redet man von der Star-Wars-"Saga" (nicht zu verwechseln mit einer Sage). Es spielt in einer eigenen Welt mit eigenen Gesetzen (z. B. mit einer omnipräsenten übernatürlichen "Macht"). Die Tatsache, dass es dort Technik gibt, die unserer überlegen ist, ist für die Einordnung völlig unerheblich, da es sich um ein Universum handelt, das sich völlig anders entwickelt hat. Und damit bildet Star Wars nicht die Zukunft der Menschheit ab, was eins der Kerncharakteristika von Science-Fiction ist. Es gibt bei Star Wars natürlich Menschen, aber die gibt es bei Tolkien auch. Die Menschen, die bei Star Wars vorkommen, kommen nicht von der Erde, sind also evolutionstechnishc wahrscheinlich ganz anders entstanden. Die Menschen in Star Trek, Raumschiff Orion, Perry Rhodan oder Babylon 5 hingegen sind Erdlinge und haben einen klaren Heimatbezug zur Erde. Star Wars hingegen wird wegen der Raumschlachten gern als Science-Fiction bezeichnet, erfüllt deren Grundsätze nicht und bleibt deswegen ein Märchen im Weltall. Typische Märchen- oder Fantasy-Elemente, die in Star Wars präsent sind, sind übernatürliche Kräfte, ein Dualismus von Gut und Böse, archaische Gesellschaftsstrukturen, klassisches Heldentum (Schwertkampf einer gegen einen) etc.
Kradath hat geschrieben:Herr der Ringe ist low fantasy, auch wenn sie gerne als high fantasy angesehen wird, weil sie sehr weit entfernt von unserer Welt wirkt, Tolkien sah das aber, wie du schriebst, ganz anders.
Äh, was der Unterschied zwischen Low Fantasy und High Fantasy ist, weißt Du aber schon, oder? Ich würde den Herrn der Ringe nun wirklich nicht in der Nähe von Conan ansiedeln. Der Herr der Ringe ist eindeutig kein Pulp-Roman. Beim HdR gibt es einen epischen Handlungsfaden: den Ringkrieg, in dem sich das Shicksal der Welt entscheidet. Bei Howard hingegen geht es darum, wie Conan mit Kampfeskraft und Verstand das Problem der Woche beseitigt. Würde man die Definition auf SF anwenden, dann wären BSG und B5 High SF, während Star Trek oder Stargate Low SF wären.