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EGX Rezzed 2017
Auch 2017 waren wir wieder auf der EGX Rezzed in London vertreten, dem kleinen Indie-Ableger der größten britischen Games-Veranstaltung EGX.
Der erste Titel, der uns über den Weg gelaufen ist, war The Occupation des britischen Entwicklers White Paper Games. Diese dürften Adventure-Spielern schon durch ihren vorherigen Titel Ether One bekannt sein. In The Occupation schlüpft der Spieler in die Rolle eines Reporters, der an brisante Informationen kommt. Kurz nach einem Terroranschlag in den 1980er Jahren möchte die Regierung einen Gesetzesentwurf durchprügeln, der die Menschenrechte massiv beschneiden soll. Wie der Spieler nun mit den geleakten Informationen umgeht, steht ihm frei - sein Verhalten hat in jedem Fall Einfluss auf den Gesetzentwurf.
Wir haben ein Stück weit hineingespielt und sowohl die Grafik als auch die Sprachausgabe können überzeugen. Etwas kompliziert gestaltete sich das Inventar, denn Gegenstände können entweder in der Hand gehalten oder im Aktenkoffer abgelegt werden. Um an die Objekte im Aktenkoffer wieder heranzukommen, muss der Koffer auf den Boden gestellt und geöffnet werden, was sehr gewöhnungsbedürftig ist. Der Titel soll noch 2017 für Windows erscheinen. Es bleibt also noch Zeit, das gewonnene Feedback umzusetzen und an dieser Stelle Verbesserungen vorzunehmen.
Tequila Works aus Spanien hatten gleich zwei Titel am Start. RiME hat sich dabei mehr als Puzzle-Plattformer herausgestellt. Zwar sind vor allem Umgebungsrätsel verbaut, der Adventure-Anteil scheint allerdings ein wenig in den Hintergrund zu rücken. So kann man zum Beispiel von Plattformen stürzen und dabei sterben. Optisch macht das Spiel einen guten Eindruck. Näheres werden wir im Mai wissen, wenn das Spiel für Windows, Playstation 4 und Xbox One erscheint. Auch eine Version für Nintendo Switch wurde vor kurzem angekündigt.
Das zweite Spiel der Spanier ist The Sexy Brutale, welches bereits am 11. April erscheint. Das recht interessant aussehende Spiel aus der isometrischen Perspektive, die ein wenig an Sanitarium erinnert, durften wir auf der Xbox One anspielen. Das Intro enthält eine Sequenz, in der wir uns durch ein Casino bewegen und an Türen lauschen konnten. Storyseitig ist der Titel bereits vielversprechend. Auch die Sprachausgabe ist professionell umgesetzt. Wir sind gespannt, was das Spiel sonst noch zu bieten hat.
Eine echte Überraschung war für uns Forgotton Anne des dänischen Entwicklers Throughline Games. Der Sidescroller ist komplett handgezeichnet und seit 2014 in Entwicklung. Besonders schön sind hier die Animationen anzusehen. Auch die Story klingt interessant, denn wir bekommen es hier mit einer durch Rebellion gebeutelten dystopischen Welt zu tun, in der alle vergessenen und verlorenen Dinge landen. So sind einige Kreaturen zum Beispiel verlorene Kleidungsstücke, mit denen wir uns auch unterhalten können. Optisch erinnert das Spiel eher an einen Plattformer, spielerisch soll es jedoch keine Geschicklichkeitseinlagen geben. Wir haben in die ersten 10 Minuten der aktuellen Version gespielt und können diese Aussage bisher bestätigen. Die Musik wurde vom Philharmonieorchester Kopenhagen eingespielt. Das Spiel soll noch 2017 für Windows, Xbox One und Playstation 4 erscheinen und wird englische Sprachausgabe und deutsche Untertitel enthalten. Ob es deutsche Sprachausgabe geben wird, diskutiert das Team derzeit noch.
Am Xbox-Stand durften wir ein Stück weit in Blackwood Crossing spielen, einem First-Person-Adventure über ein Geschwisterpaar, welches sich auf einer traumartigen Zugreise befindet. Das Spiel ist inzwischen erschienen und unser Testbericht online.
Bei Double Fine hatten wir Gelegenheit, eine Demo zu Full Throttle Remastered zu spielen. Dabei handelte es sich um den Anfang des Spiels, der bis in die erste Action-Szene reichte. Inhaltlich hat sich an der Story nichts geändert. Allerdings wurden alle Grafiken, der Sound und die Sprachausgabe überarbeitet. Das Spiel kommt also mit der bekannten Story und den gleichen Rätseln wie das bereits 20 Jahre alte Original, aber im modernen Gewand. Die Überarbeitung ist gelungen, fügt dem Spiel mit ihrem 1:1-Ansatz aber nichts hinzu. Erscheinen wird das Remake am 18. April und ist bereits bei GoG vorbestellbar.
In der Leftfield Collection, einer Auswahl von Indie-Titel in einem eigenen Bereich, haben wir Joe Richardson getroffen, welcher an seiner Anspielstation das durch Kickstarter finanzierte und bereits erschienene Four Last Things präsentierte. In dem klassischen Point-and-Click-Adventure, das aus Ausschnitten klassischer Renaissance-Gemälde zusammengesetzt wurde, möchte man alle sieben Sünden in der örtlichen Kirche beichten, um dort die Absolution zu erhalten. Die Sünden wurden aber in einem anderen Bezirk begangen, für den die Kirche nicht zuständig ist, und so ist das Ziel des Spiels, alle sieben Sünden erneut zu begehen, um dann eine gültige Absolution erhalten zu können. Ein Folgeprojekt ist derzeit nicht in Sicht.
Im gleichen Raum haben wir uns auch mit Mattis Folkestad, dem Entwickler von Milkmaid of the Milky Way getroffen. Auch dieser Titel ist bereits erschienen und hier stehen derzeit Textübersetzungen in die französische und norwegische Sprache an. Auch eine deutsche Textversion würde Mattis gerne machen, bei rund 15.000 Worten in Reimform ist allerdings nicht sicher, ob dies aufgrund der nicht gerade üppigen Verkäufe finanziell umsetzbar ist. Gut zu laufen scheint das Spiel übrigens in China. Eine Übersetzung in die chinesische Sprache wird jedoch technisch schwierig.
Solitude wurde in der Leftfield Collection von Rat King vorgestellt, Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch. Das kleine Projekt, das in 15 bis 30 Minuten durchgespielt ist, entstand mit Hilfe einer Kunstförderung, die das Team für sich gewinnen konnte. Im Spiel startet die Protagonistin in einer Büroumgebung und flüchtet sich Raum für Raum in eine immer weiter entfremdete Traumwelt, in der sie eine Schäferin ist, die die Charaktere, denen sie auf dem Weg begegnet, als Schafe hütet. Erhältlich ist Solitude bereits auf itch.io, andere Plattformen folgen in Kürze. Das nächste Projekt, das sich die Entwickler vorgenommen haben, wird eine Mischung aus Dungeon Crawler und Adventure, das den Fokus aber auf das Erzählen der Geschichte legt. Wir sind gespannt.
Einen Blick wert war auch das zauberhaft gezeichnete Old Man’s Journey des Wiener Entwicklers Broken Rules. In dem langsamen, fast meditativen Spiel steuert man einen alten Mann durch eine Geschichte über “Leben, Verlust und Hoffnung”. Dabei schaut man von der Seite auf eine 2D-Welt, in der man nicht nur die Hauptfigur herumlaufen lassen kann, sondern auch in Point-and-Click-Manier die Umgebung direkt beeinflussen darf. Beispielsweise kann man die Hügel, über die man wandert, anheben oder absenken, um so neue Übergänge zu schaffen, über die vorher unzugängliche Gebiete erreichbar werden.
Am Unreal-Stand konnten wir einen Blick auf Tacoma werfen. Der neue Titel von The Fullbright Company, dem Entwickler von Gone Home, macht grafisch eine gute Figur und scheint auch spielerisch interessant zu sein. Leider hatten wir keine Möglichkeit, selbst hineinzuspielen, und die Entwickler waren nicht vor Ort. Wieviel Adventure in dem neuen Spiel steckt, werden wir aber sicher in Kürze erfahren.
Die Serie The Room hat sich vom kleinen Knobelbox-Indie für iPad zur gefeierten, höchst erfolgreichen Multiplattform-Serie entwickelt, die inzwischen über 10 Millionen mal verkauft wurde. Mit The Room - Old Sins hat Fireproof Games nun Teil 4 vorgestellt, der voraussichtlich Ende 2017 erscheint. Wir haben kurz hereinspielen können und den Eindruck gewonnen, dass man am Erfolgsrezept nicht viel ändert. Die 3D-Grafik ist wieder exquisit, die mechanischen Knobeleien laden zum Losrätseln ein (wobei das Niveau am Spielanfang noch auf Tutorial-Level ist) und das Okular, das versteckte Elemente sichtbar macht, ist auch wieder an Bord.
Das niederländische Team Wispfire war mit seinem historischen Adventure Herald vor Ort. Die ersten beiden Kapitel sind vor kurzem erschienen und eine Empfehlung besonders für Freunde historischer Settings. Im Gespräch haben die Entwickler hervorgehoben, dass man mit Synchronsprechern überall auf der Welt gearbeitet hat, um die vielen internationalen Akzente überzeugend einzubinden. Wann die letzten beiden Kapitel als DLC kommen, hängt davon ab, wie zügig man mit den Verkäufen von Teil 1 an ihrer Fertigstellung arbeiten kann.
Einen längeren Plausch hatten wir mit den Entwicklern von The Town of Light, einem psychologischen First-Person-Horror-Adventure aus Italien. Das Spiel ist schon vor einiger Zeit auf dem PC erschienen, wurde aber nun für die Veröffentlichung auf Konsolen weitgehend überarbeitet. Neben aufgehübschter Grafik wurde auch die Sprache neu aufgenommen und das Gameplay erweitert. Diese Änderungen werden auch in eine neue PC-Version übernommen. Die bei The Adventure Game Shop erhältliche Box-Version enthält allerdings noch die alte Version. Ob es zum Update eine neue Box-Version geben wird, ist derzeit nicht bekannt. Erscheinen soll die überarbeitete Variante noch im Frühjahr.
Über 225.000 kanadische Dollar hatte Tokyo Dark im Juni 2015 bei Kickstarter eingenommen. Die Visual Novel bietet gegenüber seinen Genre-Kollegen die Möglichkeit, die Spielfigur tatsächlich zumindest nach links und rechts zu steuern und direkt mit Objekten in der Spielwelt zu interagieren. Damit handelt sich sich nicht um einen reinen Vertreter seines Genres, sondern um einen Mix aus Visual Novel und Point-and-Click-Adventure. Die Steuerung geht flüssig von der Hand und die Atmosphäre des Spiels hat uns gut gefallen. Eigentlich sollte der Titel bereits 2016 erscheinen, ein Veröffentlichungsdatum ist aber bisher nicht bekannt.
Überraschend waren auch Daedalic Entertainment vor Ort, die eine spielbare Version von State of Mind im Gepäck hatten. Gespielt haben wir das Tutorial-Intro, welches gut in das Spiel integriert ist. Die Grafik wirkt trotz des eigenwilligen Stils sehr stimmig und auch die Steuerung mit dem Game-Controller ging gut von der Hand. Wann der neue Titel aus der Feder von Autor Martin Ganteföhr erscheinen wird, ist bisher nicht bekannt. Das Gesehene macht aber schon Lust auf mehr.
Michael Stein
Jan 'DasJan' Schneider