"Skandalfotos" aus Afghanistan

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Mic
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"Skandalfotos" aus Afghanistan

Beitrag von Mic »

Die meisten werden es in der einen oder anderen Weise bereits durch die mediale Landschaft mitbekommen haben, dass deutsche Bundeswehrsoldaten sich in Afghanistan mit Totenköpfen haben ablichten lassen.

Ich frage mich, warum das so aufgebauscht wird. Vorausgesetzt, es wurden keine Gräber geschändet (und wie ich heute hörte, stammen die Gebeine tatsächlich aus einer Kiesgrube) sehe ich da kein verwerfliches Halten.
Um ehrlich zu sein, wenn ich da gewesen wäre, meine Runde machend und ich würde einen Totenschädel finden, dann würde ich ihn aus Neugierde in die Hand nehmen. Wenn jetzt ein anderer Soldat mir sagen würde "Hey, lass uns doch ein Foto schießen." wüsste ich nicht, ob ich das nicht einfach auch tun würde.

Zum anderen brauche ich mich nicht zu fragen, warum die BILD die Fotos veröffentlicht hat. Natürlich um die Auflage zu steigern, also um Geld zu verdienen. Da man sich sicher sein kann, dass radikale Organisationen in Afghanistan das nur zu gern für sich ausschlachten werden, sind deutsche Soldaten mehr als zuvor in der Schusslinie. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die BILD veröffentlicht also Fotos um Geld zu verdienen und nimmt damit in Kauf, dass dadurch Menschen sterben. Sich auf die Pressefreiheit zu berufen halte ich für Hohn. Denn niemand ist mit der Veröffentlichung geholfen. Es wird nur Schaden angerichtet.

In Schulen stehen Skelette aus China, Ötzi wird ausgestellt und von denen wurde auch niemand gefragt.
Wenn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nichts weiter sind als verlorene Ideen aus einer anderen Ära,
etwa wie Boote auf einem ausgetrockneten See, dann ist die Beendigung eines Prozesses nie zu definieren.
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DieFüchsin
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Beitrag von DieFüchsin »

http://www.bildblog.de

das sagt wohl schon alles über die BILD ;)
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Silvi
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Beitrag von Silvi »

Ich bin auch der Ansicht dass der Verwesungsprozess eines Menschen nie so weit fortgeschritten sein kann, in der kurzen Präsenz der D-Truppen und der NATO Truppen in Afghanistan.

Silvi
TentakelTommy
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Beitrag von TentakelTommy »

Man muß ja keine Gräber schänden, um die Totenruhe zu stören. Wenn in der Kiesgrube Gebeine von russischen Soldaten liegen, kippt man halt mit seinem Klappspaten eine Schaufel Sand drüber und hält nicht seinen Schwanz daneben.

Und die Veröffentlichung kannst du weder Bild noch RTL vorwerfen. Oder sollen die in Internetforen/Tauschbörsen analog zu den Folterbildern rumschwirren? Jeder das Recht, die zu sehen.
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subbitus
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Beitrag von subbitus »

Mic du sprichst mir aus der Seele. Was hab ich mich schon über diese unsinnige Diskussion aufgeregt. Anscheinend herrschte gerade eine riesen Flaute in der Medienlandschaft, sonst kann ich mir nicht erklären, warum sich gerade alle auf dieses harmlose Thema stürzen.
Das als Leichenschändung zu bezeichnen ist doch lächerlich.
Ich weiß auch gar nicht, wie sich einige das Leben als Soldat im Kriegsgebiet so vorstellen. Das täglich Erlebte mit etwas Sarkasmus zu verarbeiten, ist ein für mich nachvollziehbares Mittel.

Die Leute sollten mal ein paar Tage im Krankenhaus hinter den Ärzten herlaufen, dann sehen sie, wie dort teilweise gegenüber Verstorbenen (=Leichen) mit Witzen und Anspielungen umsich geworfen wird. Ist auch lediglich eine Form der Verarbeitung, nur dass dort kein Tonbandgerät mitläuft.
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Mic
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Beitrag von Mic »

Pass auf, was du schreibst, vielleicht liest die BILD mit und im nächsten Loch haben wir Schlagzeilen à la "Skandalmitschnitte: Deutsche Ärzte verunglimpfen todkranke Patienten!" ;)

Was mich ehrlich gesagt nicht unbedingt wundern würde. Seitdem die BILD ihre Leser aufruft, selbst zu Reportern zu werden, indem sie mit ihrem Handy alles abfotografieren und mitschneiden, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Datenschutz ade und willkommen bei der Stasi sag ich da nur.
tomhog hat geschrieben:Jeder das Recht, die zu sehen.
Auf welches Recht berufst du dich?
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Beitrag von TentakelTommy »

Na diese Dienstreise wurde von dir mitbezahlt - oder willst du nicht wissen, was die da unten so machen?
Schließlich will ich wissen, warum mir bald ein ICE um die Ohren fliegen wird :)
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DieFüchsin
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Beitrag von DieFüchsin »

Ich muss grade an diese eine Simpsonsfolge denken, wo einer in der Springfield-Shopper Redaktion fragt: "Wer kann ein Ereignis überdimensional aufbauschen?"
Danke, Adventuretreff! <3
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Mic
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Beitrag von Mic »

tomhog hat geschrieben:Na diese Dienstreise wurde von dir mitbezahlt - oder willst du nicht wissen, was die da unten so machen?
Nö, so was nicht. Warum auch?
tomhog hat geschrieben:Schließlich will ich wissen, warum mir bald ein ICE um die Ohren fliegen wird :)
http://www.bild.de - Und du kannst dir sicher sein, dass die BILD auch dieses Ereignis ausschlachten wird und natürlich nicht im geringsten irgendeine Form von Verantwortung übernimmt.
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Fightmeyer
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Beitrag von Fightmeyer »

Ich weiß nicht, ob man der Bild da irgendwelche Vorwürfe machen kann. Die wollen nun mal Auflage machen und alles was irgendwie polarisieren oder provozieren kann wird da natürlich für genutzt.

Ich hab damals in nem Krankenhaus Zivi gemacht und auch die verstorbenen aus den Betten in die Leichenhalle gebracht. Wir Zivis haben da Strichlisten geführt und auch regelmäßig unsere Scherze gemacht. Wir haben uns dabei aber nicht erwischen lassen. Selber Schuld, wenn die Bundis da drüben sich n Gaudi machen und dann nicht dicht halten können. Ich find dabei jetzt auch nicht wirklich was verwerfliches. Aber ich kann auch verstehen, daß man gerade bei religiösen Gruppen damit anecken kann. Deswegen: Wenn man's macht, dann wenigstens so, daß es keiner mitkriegt.

Wenn die Bild daraus jetzt ne MegaSchlagzeile macht ist das nur die logische Konsequenz.
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Grappa11
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Beitrag von Grappa11 »

tomhog hat geschrieben:Na diese Dienstreise wurde von dir mitbezahlt - oder willst du nicht wissen, was die da unten so machen?
Schließlich will ich wissen, warum mir bald ein ICE um die Ohren fliegen wird :)
solche unwitzigen Aussagen sind mindestens genauso dämlich wie "coole" Fotos mit irgendwelchen Leichenteilen zu machen. Ich kenne jetzt nur die Fotos die man so im Netz findet. N-Tv hat zum Beispiel einige auf ihrer Seite. Ich finde es zwar auch primitiv und glaube kaum, dass ich das gemacht hätte, egal was meine "Kameraden" dann über mich sagen. Verpfiffen hätte ich sie aber wohl nicht. Es ist zwar makaber und zeigt wenig Respekt vor dem Tod (unabhängig davon, dass wohl niemand wissen wird wie die umgekommen sind), aber so extrem dramatisch finde ich das auch nicht. Da hätte eine Geldstrafe und eine gleichzeitige Degradierung ganz sicher ausgereicht. Denn ein Bundeswehrsoldat der rausgeworfen wird, hat damit auch sämtliche Rentenansprüche für die gesamte Bundeswehrzeit verloren. Das ist also schon eine sehr, sehr harte Strafe. Natürlich sollte man von einem Bundeswehrsoldaten, wobei ja scheinbar auch keine Offiziere, also Leute von denen man ein etwas höheres Bildungsniveau erwarten könnte, dabei waren, etwas mehr Weitsicht erwarten können. Allerdings denkte in einer solchen Situation sicher kaum jemand genauer an die Konsequenzen. So wie der eine Soldat im Interview gesagt hat. Die Einheimischen pflegten einen ziemlich seltsamen Umgang mit den menschlichen Überresten, auch deshalb hat man sich dabei nichts gedacht. Und dass das schlechte Gewissen dabei war, spricht ja auch nicht gegen die Soldaten.
Ich wil hier nicht wieder mit alten Diskussionen anfangen, aber wer sich nach dem Abi für den Bund entschieden hat (und noch dazu im Osten der Republik gelandet ist wie ich), weiß dass die Bundeswehr ein Problem mit Rechten hat. Es ist da in der Vergangenheit sicher etwas übertrieben worden, aber so ganz koscher waren meine Vorgesetzten damals nicht, insbesondere die in niedrigeren Dienstgraden. Ich sage das nur, weil viele sicher wieder damit anfangen werden oder beides versuchen werden miteinander zu vermengen. Aber ich denke das muss man losgelöst voneinander betrachten. Wenn Verteidigungsminister Jung von "Ausnahmen" spricht, so trifft dies sicherlich den Kern. Blöd angestellt haben sie sich, aber der gesellschaftliche Druck der da von RTL und Bildzeitung und anderen aufgebaut und aufgebauscht wird, ist wesentlich unsäglicher als das was die Soldaten da gemacht haben. Ich kenne natürlich nicht alle Fotos, aber die die ich gesehen haben sind meiner Meinung nach eher als harmlos einzustufen.
Doreau: "I've worked with Sledge Hammer a long time. Granted, Sledge is irresponsible, undependable, egotistical, insensitive, chauvinistic, sadistic and cruel, but other than that he's a terrific guy."
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Beitrag von Mic »

Grappa11 hat geschrieben:Ich finde es zwar auch primitiv und glaube kaum, dass ich das gemacht hätte, egal was meine "Kameraden" dann über mich sagen. Verpfiffen hätte ich sie aber wohl nicht. Es ist zwar makaber und zeigt wenig Respekt vor dem Tod (unabhängig davon, dass wohl niemand wissen wird wie die umgekommen sind), aber so extrem dramatisch finde ich das auch nicht
Ich kenne nur das eine Foto, auf dem ein Soldat ein Totenschädel auf der Schulter trägt. Wüsste nicht, was daran primitiv wäre. Halte es auch nicht für makaber und auch nicht für fehlenden Respekt vor dem Tod. Wobei ich mich beim letzteren frage, warum man Respekt vor dem Tod haben sollte? Wenn, dann doch eher vor dem Toten, oder nicht?
Aber mir ist bekannt, dass andere Menschen andere ethische Grundsätze besitzen und davor habe ich in einem gewissen Rahmen Respekt.

Wenn ich mir aber das Soldatenleben in Afghanistan so vorstelle, wie man Tag ein, Tag aus immer dasselbe macht, dann glaube ich schon, dass so Fundstück eine willkommene Abwechslung darstellt. Wer weiß, vielleicht hätte ich einen Schädel sogar mitgenommen. Mit einer Kerze drin, macht er sich sicher gut. ;)
Fightmeyer hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob man der Bild da irgendwelche Vorwürfe machen kann. Die wollen nun mal Auflage machen und alles was irgendwie polarisieren oder provozieren kann wird da natürlich für genutzt.
Ich finde schon, dass das ein Grund für Vorwürfe ist. Mit deren Macht tragen sie auch eine Verantwortung, der sie nicht gerecht werden. Geld auf das Konto bringen gilt für mich nicht als Entschuldigung für alles.
Aber du hast Recht, überraschend fand ich das nicht.
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Beitrag von Hexenjohanna »

Und die Hälfte der Leute, die sich im Fernsehen darüber aufgeregt hat, sitzt sonst in der Kneipe oder zu Hause selig unter nem ausgestopften Fasan oder nem Rehgehörn und denkt sich dabei rein gar nichts.

Nicht dass das jetzt direkt vergleichbar ist, aber es hat durchaus ähnliche Ursachen, tote Dinge in irgendeiner Form zu konservieren.
Zuletzt geändert von Hexenjohanna am 27.10.2006, 15:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Grappa11
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Beitrag von Grappa11 »

Mic hat geschrieben:Wobei ich mich beim letzteren frage, warum man Respekt vor dem Tod haben sollte? Wenn, dann doch eher vor dem Toten, oder nicht?
mit Respekt vor dem Tod sind zwei Dinge gemeint: 1. Das was Du sagst, Respekt vor dem Menschen dessen Überreste Du da Zweckentfremdest und 2. der Respekt vor dem Umgang mit den Toten wie er im jeweiligen Kulturkreis üblich ist.
Und wie gesagt, man mus Wörter wie "primitiv" ja nicht überbewerten. Was die gemacht haben macht man einfach nicht, wenn man es doch tut, muss man's aber auch nicht übertreiben, wie schlimm das jetzt wäre...
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Beitrag von Mic »

Grappa11 hat geschrieben:1. Das was Du sagst, Respekt vor dem Menschen dessen Überreste Du da Zweckentfremdest und 2. der Respekt vor dem Umgang mit den Toten wie er im jeweiligen Kulturkreis üblicah ist.
Ich verstehe, was du meinst. Nur mein persönlicher Kulturkreis verliert nicht den Respekt vor dem Menschen, wenn er seine Überreste zweckentfremdet. Für mich ist das Abfall, Biomasse und hat nichts mehr mit dem Menschen zu tun, der vormals Besitzer des Schädels war. Ich finde anderes wichtiger, als Gebeine in Ehren zu halten.
Nur würde ich damit nicht hausieren gehen. Ich würde kein Blog erstellen und der Welt meine Errungenschaft unter die Nase halten. Frei nach dem Motto "Sehet her, das könnte Euer Vater, Opa, Tante oder sonst wer sein". Dafür reicht meine soziale Kompetenz doch noch aus.
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