Armut in Deutschland

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BENDET
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Armut in Deutschland

Beitrag von BENDET »

Klick

Mir ist wohl bewußt, dass das nicht unbedingt die beste Quelle ist, aber ich bin über folgenden Abschnitt gestolpert.
Als armutsgefährdet gelten Menschen, die pro Monat weniger als 856 Euro hatten, das sind 60 Prozent des mittleren Einkommens von 1427 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern ist demnach armutsgefährdet, wenn ihr weniger als 1798 Euro zur Verfügung stehen.
Und nun muss ich feststellen, dass ich zu den armutsgefährdeten Menschen in Deutschland gehöre.
Bin ich arm? Fühle ich mich arm?
Wie seht ihr das? Armut in Deutschland (oder Österrreich bzw. Südafrika).
Selber betroffen? Wie fühlt ihr euch dabei? Auswege?
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Fightmeyer
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Beitrag von Fightmeyer »

Ich kapier die Rechnung irgendwie nicht. Wie kommen die auf 1798 Euro???

Im übrigen würde mich mal interessieren, ob das netto oder Bruttobeträge sind, von denen da gesprochen wird.

Ich persönlich kann mich momentan, nicht beklagen. Ich verdiene in meinem Beruf recht gut (wir kriegen sogar noch Urlaubs und Weihnachtsgeld) und kann auch gut was auf die hohe Kante legen.
Ich hab aber auch Leute in meinem Umkreis, die da wesentlich mehr zu knabbern haben und bei denen große Sprünge nicht möglich sind. Vorrausgesetzt, das sind netto-Angaben da oben, dann dürften einige von denen auch schon knapp an der Grenze liegen, wobei die sich selbst wohl kaum als "arm" einstufen würden. Was aber wohl auch daran liegt, daß diese Definition wohl den wenigsten bekannt sein dürfte.
Ich kenn zumindest niemanden persönlich, der in Deutschland Hunger und Kälte leiden müßte. Dafür halte ich unsere sozialen Systeme momentan noch für relativ gut. Wobei damit natürlich auch viel Schindluder getrieben wird und in vielen Fällen, leute, die auf dieses System angewiesen sind, in die Röhre gucken.
Zuletzt geändert von Fightmeyer am 06.12.2006, 13:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Mic
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Beitrag von Mic »

Ich vermute mal, es handelt sich um Nettobeträge. Wobei ich diese Rechnung auch nicht ganz verstehe. Schließlich sind die Lebensunterhaltungskosten von Region zu Region auch unterschiedlich.
Ob jemand arm ist, hängt wohl mehr vom jeweiligen selbst ab, ob er sich auch arm fühlt. Als ich meine erste eigene Wohnung (ein möbliertes Zimmer) bezog, bekam ich 499,83 DM Lehrlingsgehalt (faszinierend, den Betrag werde ich wohl nie vergessen *s*). Davon gingen 210,- DM für die Miete, 30,- DM für das Wasser, 37,- DM für den Strom, 34,- DM für die Monatskarte und circa 40,- DM für den Telefonanschluss ab. Ich musste also von knapp 150,00 DM leben (und rauchen). Arm kam ich mir aber trotzdem nicht vor, das Freiheitsgefühl überwiegte alles.

Die letzten Jahre waren mit Aufs und Abs bei mir versehen. Als ich als Webentwickler in Bielefeld gearbeitet habe, bekam ich eigentlich ein recht gutes Gehalt. Als ich mich dann selbständig gemacht habe, habe ich eine Zeitlang sehr viel Geld verdient (Och, mir ist nach einem Laptop, ich hebe mal kurz 4.000,- DM ab). Dann hat es sich auf das Niveau meiner Festeinstellung eingependelt und plötzlich haben ein paar Kunden nicht m,ehr bezahlen wollen, ein paar sind pleite gegangen und andere haben ihre Aufträge in Polen abwickeln lassen. Sprich, die Kunden waren plötzlich weg, ich musste teilweise mein Geld erklagen, bzw. mich schlichten lassen und mein Geschäftsgirokonto rutschte binnen kürzester Zeit in die roten Zahlen.
Also, Notbremse gezogen, Hartz 4 beantragt und nun auf Jobsuche. Und diesmal fühle ich mich arm. ;)
Wenn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nichts weiter sind als verlorene Ideen aus einer anderen Ära,
etwa wie Boote auf einem ausgetrockneten See, dann ist die Beendigung eines Prozesses nie zu definieren.
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Fightmeyer
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Beitrag von Fightmeyer »

Und wie lange hält dieser Zustand nun schon an?
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Mic
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Beitrag von Mic »

Hm, ein knappes Jahr ungefähr.
Anfänglich habe ich noch nach Jobs gesucht, die mir persönlich gefallen, mich also nicht auf jeden Mist beworben. Flexibel war ich, was den Ort anging, zumindest so flexibel, dass ich bis zwei Stunden Anreise in Kauf genommen hätte. Da ich aber ein Seiteneinsteiger bin, also keine "richtige" Ausbildung genossen habe, ist es relativ schwer, sich zu verkaufen. Man merkt, dass die Deutschen offizielle Papiere lieben. Eine Umschulung in diese Richtung wird aber auch nicht mehr finanziert.
Mittlerweile werde ich aber, was die Tätigkeit angeht, immer flexibler. Dafür sollte die Stelle sich innerhalb von Bielefeld befinden.
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KhrisMUC
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Beitrag von KhrisMUC »

Nur mal kurz: Die Definition der Armutsgrenze (oder der Armutsgefährdet-Grenze) ist Bullshit.

Die Anzahl der Leute, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen, bleibt nämlich immer gleich.

Angenommen, jeder würde plötzlich doppelt so viel verdienen wie vorher. Das Durchschnittseinkommen würde auf 2854 Euro steigen, 60 Prozent davon sind 1712 Euro. Also würde jemand, der vorher 850 Euro verdient hat (der also per Definition armutsgefährdet ist), jetzt 1700 Euro verdienen. Trotzdem wäre er nach der Definition immer noch armutsgefährdet.

Die Armutsgrenze darf sich nicht nach dem Durchschnittseinkommen richten, sie müsste sich nach tatsächlichen Kosten im jeweiligen Gebiet für Wohnung, Kleidung, Essen, etc. richten.

Also bitte gebt nichts auf solche Milchmädchenrechnungen, die leider viel zu fest verankert sind, als dass sie selbst von einer seriösen Berichterstattung durchschaut werden.
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BENDET
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Beitrag von BENDET »

Naja, khrismuc,
so ist das auch nicht korrekt.
Armut richtet sich danach wer verhältnismäßig weniger verdient als die anderen bzw die Mehrheit. Schließlich richten sich die Preise nicht nur nach den Produktionskosten die auf dem Mark sowieso meist vernachläßigt werden, sondern nach der Nachfrage und der Nachfragekraft der Konsument. Sprich deren zur verfügungstehenden Geldmittel.

Mal ein Theoretisches Beispiel. Würden alle gleichviel verdienen, gäbe es keine Armut. Der Markt würde sich entsprechend anpassen und jeder wäre in der Lage, gleich viel zu kaufen. Was durchaus der Beudeutung von gleich arm bzw gleich reich nahe kommt.

Würden sich alle Menschen in einem Bereich zwischen 60 % Mittelwert und etwas darüber bewegen, wäre dieser Mittelwert immernoch möglich. Ohne dass irgendjemand als arm zu bezeichnen wäre. Zumindest nicht nach gegebener Definition.

Also gibt die Armutsdefinition nur ein Verdienstverhältnis an? Weit gefehlt. Die Preise der Produkte auf dem Markt richten sich einfach nach der Kaufkraft der Konsumenten und durchschnittlich verdient ein Konsument eben den Durchschnittsverdienst.
Damit kann einer, der weniger als 60% verdient weit weniger kaufen als ein Durchschnittsverdiener. Er wird deswegen nicht verhungern müssen. Aber er kann nicht in dem Maße an der Gesellschaft teilnehmen, wie es eventuell wünschenswert wäre und von unserer Gesellschaft propagiert wird. (Kino, Clubs, Theater, Shopping, Freizeitparks, Auto, ....) Das ist auch eine Form von Armut.

Zugegebenermaßen sagt pauschal 60 % nicht sonderlich viel aus. Aber deine Argumentation, dass es immer Leute geben muss, die nach gegebener Armutsdefinition arm sind, ist nicht richtig. Dies ist dann nicht der Fall, wenn maximale und minimale Gehälter sowie die Gehaltsverteilung dazwischen in einer vernünftigen Relation zueinader stehen. Und genau das, ist eigentlich das erstrebenswerte.
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neon
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Beitrag von neon »

Mic hat geschrieben:Da ich aber ein Seiteneinsteiger bin, also keine "richtige" Ausbildung genossen habe, ist es relativ schwer, sich zu verkaufen. Man merkt, dass die Deutschen offizielle Papiere lieben. Eine Umschulung in diese Richtung wird aber auch nicht mehr finanziert.
Ja, Deutschland ist leider ein Scheineland. Ich hatte noch Glück, ich bin 1999 als Quereinsteiger in der EDV gelandet. Meines Wissens war ich damit einer der letzten in meinem Bekanntenkreis. Inzwischen sind die guten Stellen beetzt und für die einfachen gibt es keine Festverträge mehr.

Mittlerweile werde ich aber, was die Tätigkeit angeht, immer flexibler. Dafür sollte die Stelle sich innerhalb von Bielefeld befinden.
Stelle ich mir schwer vor, in einer nichtexistenten Stadt einen Job zu suchen ;-)[/quote]
"Ich habe mich so gefühlt, wie Sie sich fühlen würden, wenn sie auf einer Rakete sitzen, die aus zwei Millionen Einzelteilen besteht - die alle von Firmen stammen, die bei der Regierungsausschreibung das niedrigste Angebot abgegeben haben"

- John Glenn nach der ersten Erdumrundung 1962
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Beitrag von Mic »

neon hat geschrieben:Stelle ich mir schwer vor, in einer nichtexistenten Stadt einen Job zu suchen ;-)
Och, die Kunst dabei ist, besonders transparent zu wirken. ;)
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Beitrag von Mr. Woodroffe »

Armut. Ich würde sagen hier in Deutschland kann man nich von Armut sprechen. Man sollte mal andere Länder anschauen wo´s dennen noch schlechter geht.

Also ist die Frage ob es "armut" in deutschland wircklich geben kann? oder :?:
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BENDET
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Beitrag von BENDET »

Vielleicht ist auch die Frage, wovon wir sprechen, wenn wir von Armut in Deutschland sprechen.
Oder vielleicht auch nur, wenn wir von Armut überhaupt sprechen.
Das zu erörtern bleibt bei euch. Könnte aber sehr interessant werden.

EDIT: hatte im ersten Satz ein "in Deutschland" nach "Armut" vergessen.
Zuletzt geändert von BENDET am 06.12.2006, 19:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Mr. Woodroffe »

Ich denke Bendet hat recht.

Was ist eigentlich Armut?
Sprechen wir von Armut wenn man einfach nur wenig Geld hat.
Oder sprechen wir erst von Armut wenns einem richtig dreckig geht und man gar nicht´s mehr hat. z.B kein Dach überm kopf?
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Mic
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Beitrag von Mic »

Zumindest ist ein Vergleich mit Drittweltländern unsinnig.
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Mr. Woodroffe
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Beitrag von Mr. Woodroffe »

Mmh...
das stimmt, ja.
Aber ich mein wenn jemand nen job hat und ein dach überm kopf hat kann man doch nicht wirklich von armut sprech, oder?
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Sven
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Beitrag von Sven »

Ist doch nix neues mehr bei dem blöden Zustand momentan.
Und btw:
Ich will die D-Mark zurück!! :twisted: :mrgreen:
Der Erste und Einzige hier im Forum, der die englische Version von Tungi hat.
Der Zweite, der eine von Poki handsignierte englische Version von Edna & Harvey the Breakout hat. Mit gezeichnetem Harvey auf der Rückseite!
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