Time Hollow

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Adven
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Time Hollow

Beitrag von Adven »

Time Hollow - Der Nintendo DS segnet das Zeitliche


In die Vergangenheit reisen und Unglücke ungeschehen machen - eine interessante Idee, in der Realität aber leider (?) noch (?) nicht (?) möglich. Aber wozu gibt es die spannende Welt der Fiktion? Filme, Bücher und auch Videospiele haben diesen Gedanken aufgegriffen und uns vor Augen geführt, was alles möglich wäre, aber auch, welchen Schaden man unwissentlich anrichten könnte, selbst wenn man nur Kleinigkeiten in der Vergangenheit änderte.

Nun schickt sich also “Time Hollow” an, uns zur Vorsicht im Umgang mit der Vergangenheit zu ermahnen. Als geistiger Nachfolger des durchaus gelungenen “Shadow Of Memories” ist die Messlatte natürlich schon etwas hoch. Kann Time Hollow diese Qualität erreichen oder gar überbieten?


Story:

Ausgangslage ist das Verschwinden der Eltern des Schülers Ethan Kairos. Das Ungewöhnliche hierbei ist allerdings, dass sie nicht einfach nur von heute auf morgen nicht mehr da sind, sondern dass sie auch die ganzen letzten Jahre nicht da gewesen sind, dass heißt, die Vergangenheit hat sich geändert und (zunächst) niemand außer ihrem Sohnemann bemerkt es. Klar, dass der nun versucht, Licht in die Angelegenheit und seine Eltern zurück zu bringen.

Zuhilfe kommt ihm dabei der sogenannte Hollow Pen, ein Stift, der immer dann aufleuchtet, wenn ein Eingriff in die Vergangenheit möglich ist. Man zeichnet dann ein “Loch” ins Raumzeitgefüge und kann die dahinter liegende Version der Vergangenheit manipulieren. Schließt man das Loch wieder, hat sich die Gegenwart entsprechend verändert. Und so versucht sich Ethan immer wieder darin, schreckliche Ereignisse zum Besseren zu wenden, wobei allerdings die wenigsten dieser Angelegenheiten überhaupt etwas mit seinen Eltern zu tun haben.

Meiner Meinung nach holt die relativ kurze Handlung trotz der tollen Grundidee nicht allzu viel aus dem Thema heraus. Natürlich kann man gewisse Logiklücken und ähnliches bei einer Story, die sich mehr oder weniger um Zeitreisen und deren Auswirkungen dreht, nicht ganz ausschließen, was für gewöhnlich auch nicht wirklich stört, aber etliche Ereignisse hier erscheinen recht unzusammenhängend und vieles wirkt auch einfach unglaubwürdig.

Die grundsätzliche Auflösung der Haupthandlung, also wie und warum Ethans Eltern damals verschwunden sind, ist zwar sehr, sehr raffiniert, aber auch das wird kaum entwickelt. Es wäre viel schöner gewesen, wenn man nach und nach mehr über die Umstände erfahren hätte, statt dessen ist man fast das ganze Spiel über damit beschäftigt, größtenteils davon unabhängige Ereignisse zu ändern oder ganz ungeschehen zu machen, um dann im letzten Kapitel Schlag auf Schlag alles serviert zu bekommen.

Noch dazu ist ausgerechnet das letzte Kapitel extrem zäh gestaltet und man rennt ständig zwischen zwei der Orte auf der Karte hin und her, so dass man sich irgendwie wünscht, es ginge dann mal langsam zu Ende, was sicherlich nicht das ist, was ein feines Adventurespielchen in einem hervor rufen sollte.

Lobend erwähnen sollte man allerdings noch, dass das Spiel größtenteils sehr ernsthaft gehalten ist, denn überdrehten Humor und ähnliches wird man hier nicht finden, und die wenigen Stellen, die lustig gemeint sind, sind eher zum kurzen Schmunzeln und wirken daher weder deplaziert noch aufdringlich.


Grafik:

Die Grafik beinhaltet hauptsächlich recht leblose Standbilder der Örtlichkeiten mal mit, mal ohne Charaktere. Zwar sind sie alle, wie überhaupt das gesamte Spiel, sehr schön gezeichnet, aber ein bisschen mehr Leben hätte es schon ein können. Insbesondere wenn die Standbilder der Charaktere völlig unpassend im Bild stehen, fällt das störend auf. Wenn man etwa auf dem Schulhof ein paar Schüler stehen sieht und man sie anspricht, dann aber als Rückmeldung bekommt, dass alle schon nach Hause gegangen sind, fragt man sich , ob die Entwickler irgendwie schon selber nicht mehr wussten, in welcher Zeit sie sich befanden. Oder wenn man mit dem Onkel einen hitzigen Dialog führt und der am Ausflippen ist, er aber im Bild das ganze Gespräch über seelenruhig und unbeweglich am Tisch sitzt und seine Zeitung liest, erscheint das ebenfalls nicht allzu zeitgemäß. Gegen Ende heißt es dann, Ethan sei als Nebenwirkung des Stiftes spürbar gealtert, aber er sieht immer noch genauso aus wie am Anfang.

Ansonsten gibt es aber nichts zu meckern, da die Bilder alle sehr schön anzusehen sind. Drei oder vier etwas längere Animesequenzen sind auch enthalten, die ebenfalls sehr gelungen aussehen.


Klang:

Während dieser beiden Filmchen gibt es sogar gute (englische) Sprachausgabe, ansonsten ist alles nur Text zum Lesen. Die Musik reißt niemanden vom Hocker, sie ist aber zumindest gut und auch nicht so langweilig, wie man es von anderen japanischen Adventures so kennt. Ich würde sie als gelungen und passend bezeichnen. Hintergrundgeräusche und weitere Klänge sind auch okay, so viel gibt es davon auch nicht.


Rätsel und Spielablauf:

Klassische Adventurerätsel braucht man hier nicht zu erwarten, denn es dreht sich alles um das Manipulieren von Kleinigkeiten durch die mit dem Stift gemalten Zeitlöcher. Leider ist auch dieser an sich sehr interessante Aspekt eher unterdurchschnittlich gestaltet. (Und dafür, dass es das einzige Gameplayelement ist, kommt es auch erschreckend selten vor.)

Zunächst einmal kann man nicht nach Belieben in der Vergangenheit wühlen, sondern immer nur an im Spiel fest vorgeschriebenen Stellen. Man kann dann auch immer nur eine Sache tun und es ist immer viel zu offensichtlich, was man machen muss. Im Endeffekt verkommt Time Hollow dadurch zu einem Zeichentrickfilm zum Durchklicken, insbesondere da man größtenteils automatisch ablaufende Gespräche führt. Viel zu “tun” hat man also nicht.

Desweiteren schwächelt Time Hollow darin, einem den weiteren Verlauf nahe zu legen. Entweder man bekommt direkt gesagt, wo man als nächstes hin muss und was man zu tun hat, muss also kein bisschen nachdenken, oder man bekommt überhaupt keinen Hinweis und muss sich statt dessen wahllos durch sämtliche Örtlichkeiten klicken, um die willkürlich darüber verstreuten Charaktere zu finden und zu befragen oder das nächste Ereignis auszulösen. Wieder muss man dazu nicht selber denken.

Am irrsinnigsten empfand ich das Inventar. Richtig voll wird es nie und viele der Gegenstände darin hat man eigentlich auch gar nicht dabei und werden nie benötigt. Etliche Briefe und Zeitungsartikel finden ihren Weg hinein, aber man kann sie weder lesen noch kann oder muss man jemals nachgucken, was überhaupt darin stand, sie dienen also, wenn überhaupt, lediglich dem Zweck, den Spieler daran zu erinnern, dass er diese Information gefunden hat. Da man aber auch das nie überprüfen muss, weil die enthaltenen Informationen automatisch angewandt werden, stellt sich die Frage, wozu der ganze Papierkram überhaupt ins Inventar wandert.

Dabei hätte man das alles so interessant gestalten können. Zum Beispiel muss man, um ein Ereignis ändern zu können, genau wissen, wo und wann es stattfand oder ausgelöst wurde. Fast immer reicht es aus, in die Bibliothek zu gehen und sich einen Zeitungsartikel zu dem Ereignis heraus suchen zu lassen. Anstelle dass man diesen Artikel nun lesen kann/muss, um dann Ort und Zeit heraus zu finden, reicht es, dass Ethan den Zeitungsartikel “hat” und alles weitere läuft automatisch ab.

Auch das, was man dann manipuliert, wird einem fast schon vorgekaut. Und selbst wenn man das dann immer noch nicht kapiert hat, kann man nichts falsch machen. Eigentlich hätte sich ja angeboten, dem Spieler mehrere Möglichkeiten zur Veränderung der Zeitlinie zu geben und dann die entsprechenden Resultate zu prüfen, bis man eine zufrieden stellende Situation bewirkt hat. Es gibt aber immer nur eine Handlungsweise und selbst wenn das Ergebnis katastrophal ist, war es richtig, das so zu machen, weil es zur Handlung gehört.

Dadurch kann man sich übrigens den Wiederspielwert durch unterschiedliche Handlungsverläufe und Enden abschminken, alles läuft streng linear und fest vorgegeben ab. Wer hier also von Shadow Of Memories verwöhnt ist mit seinen unzähligen Möglichkeiten und zu berücksichtigenden Kleinigkeiten, die den Verlauf und das Ende bestimmten, wird von Time Hollow völlig zurecht enttäuscht sein. Es gibt zwar eine Art New Game+, dieses bietet allerdings lediglich die Möglichkeit, das Spiel mit einer Aktion, die man eigentlich erst gegen Ende durchführt, sofort nach Beginn zu beenden, was für mich kein “Wiederspielen” ist.

Vermutlich wollte man bezüglich der Schwierigkeit auch wirklich jede Altersklasse ansprechen, obwohl die meisten Teile der Handlung für Kinder eher ungeeignet sind: Morde an Tieren, Kindern und Erwachsenen sowie anderweitige Todes- und Unglücksfälle und noch einige andere Sachen werden thematisiert, die vielleicht nicht “schädlich” sind, zu denen Kinder aber wohl eher wenig Bezug haben dürften und somit auch nicht viel verstehen werden.


Steuerung

Darüber gibt es nicht viel zu sagen. Man klickt alles mit dem Stylus an und erhält Kommentare oder Gespräche. Funktioniert wunderbar. Nervig ist, dass man die Stadtkarte mit den Örtlichkeiten nicht auf Wunsch aufrufen kann, sondern jeden Ort teilweise durch mehrfache Räume erst wieder verlassen muss, aber so schlimm ist das nicht.

Man kann die Örtlichkeiten auch ein ganz kleines bisschen horizontal verschieben, ein Feature, dass man sich eigentlich hätte sparen können. Der Bereich ist sehr klein und im ganzen Spiel gibt es nur eine einzige Stelle, an der man dadurch etwas entdeckt.


Fazit

Time Hollow kann man eigentlich gar nicht als Spiel und erst recht nicht als Adventure bezeichnen, denn man klickt sich fast nur passiv durch einen interaktiven Spielfilm ohne Rätsel oder sonstige Herausforderungen. Die Handlung basiert grundsätzlich auf einer interessanten Idee und die Auflösung des Hauptplots ist auch ziemlich gut und überraschend, wirkt im Nachhinein aber nicht übertrieben weit hergeholt. Der Rest sei mal als “nett aber naja” dahingestellt. Grundsätzlich unterhaltsam ist es schon, aber es bleibt die Frage, warum nicht gleich ein Film draus gemacht wurde, zumal das Spiel auch nicht sonderlich lang geworden ist. Kaufempfehlung für Animefans oder alle, die nur die Geschichte interessiert, ansonsten erstmal nach “richtigen” Adventures umsehen, die man noch nicht gespielt hat.
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