Nach einem Wochenendmarathon durch das London des 19. Jahrhunderts ist der Fall gelöst. Meisterdetektiv Sherlock Holmes und sein treuer Begleiter Dr. Watson dürfen sich jetzt schlafen legen, genau wie ich. Aber erst möchte ich noch meine Meinung kundtun.
Getestet habe ich die gerade frisch erschienene Special Edition, welche zum äußerst fairen Preis von 19,99 Euro in allen gut sortierten Spieleläden und Onlineshops zu haben ist.
Holmes und Watson besuchen einen Empfang des Großindustriellen Bromsby, der diesen zu Ehren seiner nach 6 Jahren aus einem Mädcheninternat zurückgekehrten Tochter gibt, und auf dem er eine wohl sehr wichtige Ankündigung machen will. So wichtig offensichtlich, daß er während der Rede aus dem Hinterhalt mit einem gezielten Schuß aus dieser Welt befördert wird. Die Ermittlungen ergeben überraschende Wendungen, zumindest für den Spieler. Herr Holmes selbst nimmt dies mit der für ihn typischen leicht arroganten Gelassenheit auf, wodurch die Geschichte den typischen Holmes-Flair bekommt.
Die Grafik des Spiels hat mich fasziniert. Zwar war ich zuerst von den etwas nüchternen Tapeten des ersten Tatortes enttäuscht, das legte sich aber relativ schnell. Die Hintergründe passen sehr gut zur Thematik und sind schön gezeichnet. Die Figuren wirkten anfangs etwas steif, aber so sind die Engländer nunmal, zumindest sagt man ihnen das nach. Das wird aber durch die ausgezeichnete Gesichteranimation und die fast perfekte Lippensynchronität durchaus wettgemacht.
Die deutsche Umsetzung des Spiels ist sehr gut gelungen. Die Synchronsprecher haben einen unglaublich guten Job gemacht, man hat wirklich das Gefühl, mitten im London des vorletzten Jahrhundert zu sein. Daß sich ein paar kleine Rechtschreibfehler in die Untertitel geschlichen haben, kann man daher ohne weiteres verzeihen.
Die Story ist erfrischend verzwickt, wie wir es schon von den Holmes-Filmen kennen. Liebhaber englischer Kriminalliteratur kommen hier voll auf ihre Kosten und Holmes-Fans werden ihre wahre Freude haben. Jeder ist irgendwie verdächtig, es gibt immer wieder neue Motive für die Morde, und erst am Ende wird wirklich klar, welche Tragweite das Ganze doch hat.
Was die musikalische Untermalung angeht, war ich anfangs ein wenig enttäuscht. Musik gibt es kaum zu hören, außer ein wenig Klassik am Ende kann ich mich im Nachhinein nicht großartig erinnern, viel davon gehört zu haben. Die Hintergrundgeräusche sind eher unauffällig und beschränken sich meist auf Gemurmel anwesender Personen. Allerdings fällt mir auf Anhieb auch keine Musik ein, die man guten Gewissens zu diesem Thema laufen lassen könnte. EDIT: Ich muß mich selbst mal korrigieren, nachdem ich mir über diesen Punkt nicht mehr sicher war, habe ich nochmal ein paar Spielstände geladen. Es gibt doch eine Menge klassischer Musik im Spiel, sie ist mir nur kaum aufgefallen. Das liegt zum einen daran, daß mich Klassik nicht besonders interessiert, zum anderen daran, daß sie Musik sich recht gut in die Szenen einpaßt und mir persönlich deshalb nicht besonders aufgefallen ist.
Großer Schwachpunkt des Spiels ist die Steuerung. Die Ausgänge sind ungenau platziert, und manchmal nur mit Anlauf zu begehen. Es kommt vor, daß man direkt am Bildrand steht und auf den Ausgang klickt, Holmes sich aber keinen Zentimeter weiterbewegt. Da heißt es dann, ein Stück zurückgehen und nochmal probieren. Desweiteren werden viele Räume aus verschiedenen, manchmal nicht ganz logisch ineinandergreifenden Perspektiven gezeigt, was für Verwirrung sorgen kann.
Ein weiteres Manko ist das Inventar, welches mit einem Rechtsklick geöffnet und geschlossen wird. Nimmt man Gegenstände aus dem Inventar, bleiben sie auf dem Cursor hängen. Um sie wieder loszuwerden, muß man das Inventar öffnen und sie wieder an eine freie Stelle legen. Das war manchmal etwas nervig, vor allem beim Untersuchen von Objekten in Holmes' Haus an seinem Arbeitstisch, wo man doch mit recht vielen Objekten gleichzeitig arbeiten muß. Bis ich mich an diese etwas umständliche Handhabung gewöhnt hatte, war das Spiel schon halb zuende. Außerdem werden Gegenstände im Inventar mit zwei Pfeilbuttons nach links und rechts durchgescrollt, und gerade am Anfang, wenn man sich noch nicht daran gewöhnt hat, sind da doch recht viele Gegenstände drin. Zum Glück trägt man später weniger mit sich rum.
Eine feines Feature hat das Inventar dann aber doch zu bieten, nämlich das recht pfiffige Notizbuch, in dem alle Entdeckungen in drei Kategorien abgelegt werden, nämlich Gespräche, Spuren und schriftliche Hinweise. Zum einen gibt das dem Spieler jederzeit einen sehr guten Überblick über die doch recht umfangreichen Indizien, zum anderen braucht man dieses für die Tests, die am Ende eines jeden Kapitels dafür sorgen, daß man die wichtigsten Hinweise noch einmal Revue passieren läßt. Dadurch fällt es einem einfacher, dem komplizierten Handlungsfaden zu folgen.
Die Rätsel im Spiel sind halbwegs vielfältig, hauptsächlich dreht es sich um das Sammeln und Untersuchen von Spuren. Es gibt aber auch zwei bis drei knackige Logikrätsel und zwei Szenen, die Adventurern wohl etwas Unbehagen bereiten könnten. Zum einen eine Schleicheinlage, die dank der ungenauen Steuerung vorheriges Abspeichern empfiehlt, zum anderen eine Laufeinlage auf Zeit. Wer diese umgehen möchte, sollte sich Spielstände besorgen. Danke an dieser Stelle an http://www.gamepad.de . Alles in allem ist es aber nicht unbedingt ein Spiel für Leute, die nach Shizm-Art von Rätsel zu Rätsel hechten wollen.
Insgesamt hat der silberne Ohrring bei mir einen recht guten Eindruck hinterlassen, vor allem weil es zu den wenigen Adventures der letzten Zeit gehört, die eine wirklich gelungene Schlußsequenz aufweisen können. Hier kann man sich am Ende genüßlich zurücklehnen und Holmes bei seinen Ausführungen lauschen.
Wen die etwas hakelige Steuerung nicht abschreckt, dem sei dieses Spiel wärmstens ans Herz gelegt.
+ Schöne Hintergründe
+ Ausgezeichnete deutsche Sprachausgabe
+ Gelungene Mimik der Charaktere
+ Sehr gute Story
+ Innovative Tests am Kapitelende
+ Gute Atmosphäre
+ Gut in Szene gesetzter Abschluß
- Hakelige Steuerung
- Gewöhnungsbedürftiges Inventar
- Wenige echte Rätsel
Meine Wertung: 8 von 10
Sherlock Holmes - Das Geheimnis des silbernen Ohrrings
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Sherlock Holmes - Das Geheimnis des silbernen Ohrrings
"Ich habe mich so gefühlt, wie Sie sich fühlen würden, wenn sie auf einer Rakete sitzen, die aus zwei Millionen Einzelteilen besteht - die alle von Firmen stammen, die bei der Regierungsausschreibung das niedrigste Angebot abgegeben haben"
- John Glenn nach der ersten Erdumrundung 1962
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Re: Sherlock Holmes - Das Geheimnis des silbernen Ohrrings
Hier meine Sicht als "Gelegenheitsspieler nach der Arbeit, der keine schweren Rätsel mag"
Graphik: sehr gut
Hotspots: nicht immer leicht zu finden
Inventory: sehr übersichtlich
Rätsel: ganz okay
Sound: deutsche Version ist sehr gut
Steuerung: passt
Story: spannend bis zum Schluss
Tagesabschlussrätsel: ein bisserl nervig, aber zu schaffen
Ich kann diese Spiel als mittel-schwere Krimikost jederzeit empfehlen.

Graphik: sehr gut
Hotspots: nicht immer leicht zu finden
Inventory: sehr übersichtlich
Rätsel: ganz okay
Sound: deutsche Version ist sehr gut
Steuerung: passt
Story: spannend bis zum Schluss
Tagesabschlussrätsel: ein bisserl nervig, aber zu schaffen
Ich kann diese Spiel als mittel-schwere Krimikost jederzeit empfehlen.