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Lange war ich dem Adventure-Genre abstinent, eine dicke Grippe und jede Menge Langeweile trieben mich dazu, ein paar alte Klassiker aus der Mottenkiste zu entlassen. "Simon The Sorcerer II" hat den Zuschlag bekommen - der erste Teil ist mir abhanden gekommen - und wurde von mir gepflegt durch gespielt. Etwas, was mir damals nicht gelang. Hier ein kleiner Erfahrungsbericht:
In seinem zweiten Abenteuer wird Simon, ein spätpubertierender Halbstarker, mittels eines Wandschrankes vom wiedergekehrten, mächtig bösen Magier Sordid zurück in die Märchenwelt verschleppt. Doch anstatt in Sordids Festung, stilecht in einem Vulkan gelegen, landet Simon auf der Schwelle von Calypsos Zauberladen. Calypso, Simons Mentor aus dem ersten Abenteuer, würde den Heranwachsenden liebend gerne zurück in seine angestammte Dimenson verfrachten, doch es gibt ein Problem: Der Wandschrank läuft nur mit BedFull - ein Kraftstoff, den es nicht einfach so beim Alchimisten "umme Ecke" zu kaufen gibt.
Soviel zum Prolog des neuerlichen Ausritts in die verdrehte Märchenwelt, bis Simon das BedFull gefunden hat, müssen so einige abstruse Bekanntschaften gemacht und das eine oder andere Schlamassel durchlebt werden. Und wenn der Möchtegernzauberer das Objekt der Begierde mal in seinem Inventar verstauen darf, wird es ihm auch direkt wieder entrissen.
Die Story verkommt zu einer aberwitzigen Odyssee durch eine durch den Fleischwolf gedrehte abendländische Märchen- und Sagenwelt, die von Währungsreformen, Kommerz und skrupellosen Schuldeneintreibern nicht gefeit ist. Das witzige ist: Der Stoff und die Figuren sind bekannt, werden aber neu interpretiert und durch den Kakao gezogen: Göldlöckchen ist auf einmal eine verruchte Meisterdiebin, Vater Bär Polizeichef und Wolfgang Schäuble in einer Person und Mister T nur ein kläglicher Schatten seiner Selbst, der tatenlos ertragen muss, wie er von dillettantischen Süßwasserpiraten verschleppt wird. Auch die Mechanismen eines Adventures und die Referenzprodukte der Konkurrenz werden gerne mal auf Korn genommen. Oder wusstet ihr, dass Simon die Luft unter Wasser für zehn Minuten anhalten kann ("Gehört zur Standardausbildung eines Adventure-Helden") und diese tollen Lederjacken verkauft?
Dementsprechend wird "Simon The Sorcerer" - zumindest fast - niemals langweilig. Immer wieder gibt es etwas zu entdecken. Nur gegen Ende nimmt die Rätseldichte ab, der Showdown spielt sich fast wie von selbst. Auch das Ende des Plots selbst enttäuscht, liefert aber den Cliffhanger für die weiteren Teile. Doch bis es dazu kommt, müssen zahlreiche Rätsel geknackt werden, einen halben Tag (natürlich nicht am Stück) sollte es schon dauern, bis der Abspann zum ersten Mal abfährt. Die Rätsel auf dem Weg dahin sind genau so absurd-komisch, wie der Plot selbst, aber im Großen und Ganzen logisch. Meist müssen Gegenstände gefunden oder getauscht werden, um sie anderorts einsetzen zu können, oftmals sind auch Gegenstände aus dem recht übersichtlichen Inventar zu kombinieren. Zwischendruch platzt das Inventar aus allen Nähten, so dass die Kombinationsmöglichkeiten mannigfaltig sind, aber ab und zu bekommt Simon sein Zeug "abgeknöpft", damit die Anzahl der Gegenstände auf ein überschaubares Maß begrenzt wird. Der Schwierigkeitsrad der Rätsel ist eher durchschnittlich, richtig dicke Kopfnüsse sind selten. Ich als Wiedereinstieger (Wenig Adventure-Erfahrung) hab's mit meiner Freundin (Null Adventure-Erfahrung) ohne Blick in die Komplettlösung geschafft, also schafft ihr das auch !
Allerdings gibt es zwischendruch ein paar Logikaussetzer, bei denen nur das gute, alte Try&Error-Prinzip hilft, vor allem gegen Ende häufen sich die Schnitzer (Ziehe Hund an!), die sich aber letztendlich an einer Hand abzählen lassen.
Das mit dem Try&Error geht aber wiederum ganz fix, das Interface ist schließlich leicht zu bedienen, wenn auch erstmal die acht Symbole, die für die jeweiligen Interkationsmöglichkeiten wie Benutzen, Öffnen, Reden etc. einstehen, erstmal entschlüsselt werden müssen. Auch hilfreich ist die Hotspot-Funktion, die verwendbare Gegenstände auf Tastendruck anzeigt. Zwar sind die Gegenstände alle deutlich zu erkennen (Pixelhunting muss nicht gefürchtet werden), aber es ist doch sinnvoll, wenn man nach Absuchen des Bildschirmes noch mal kontrollieren kann, ob man nicht doch etwas übersehen wurde. Auch wenn die Laufwege nicht wahnsinnig lang sind.
Graphisch ist "Simon The Sorcerer II" natürlich schon längst überholt, versprüht aber immer noch Charme. Die Schauplätze sind detailverliebt gestaltet und immer noch wert, abgesucht zu werden. Die Soundausgabe steckt noch in den Kinderschuhen und klingt dementsprechend blechern, stört aber nicht wirklich.
Fazit: Ein Klassiker, den man gespielt haben sollte, denn "Simon The Sorcerer" kann in Sachen Aufmachung, Spielspaß und Humor locker den LucasArts-Adventures das Wasser reichen. Auch übertrifft der zweite Teil das erste Abenteuer (soweit ich mich erinnern kann): Die Rätsel sind durchdachter, Simons Sprüche bissiger. Auch gut: Der zweite Teil kann ohne Kenntnis des Vorgängers gespielt werden. Zwar tauchen alte Bekannte wie Calypso, der Sumpfling oder die erfolglosen Dämonen auf, aber das Adenventure-Genre aufs Korn nehmend werden die Sachverhalte schnell geklärt. Einzig und allein das etwas vermurkste letzte Viertel der Geschichte stößt sauer auf.
Wer die ersten Simon-Spiele also nicht gespielt hat: (3&4 hab ich mir noch nicht angeschaut, von daher keine Wertung) Nachholen!
8 von 10 Punkten!
Simon The Sorcerer II
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