Übersetzung des Interviews mit Jonathan Boakes (Dark Fall)

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Wintermute
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Übersetzung des Interviews mit Jonathan Boakes (Dark Fall)

Beitrag von Wintermute »

Und wieder ist es mal Zeit für ein Interview. :wink:

Diesmal habe ich das Interview von Harriet Gurganus mit Jonathan Boakes übersetzt, das auf JustAdventure veröffentlicht wurde:
http://www.justadventure.com/Interviews ... oakes.shtm

Kritik ist übrigens erwünscht. Ich habe versucht, die teilweise umgangssprachlichen Formulierungen entsprechend zu übersetzen, wenn aber jemand meint, das ich etwas falsch formuliert hätte oder der Stil schlecht wäre, sollte er das ruhig äußern.

Außerdem eine allgemeine Frage:
Seid ihr im Allgemeinen an deutschen Übersetzungen von englischen Interviews interessiert oder eher nicht? (Vielleicht lest ihr Infos lieber im englischen Original?)

Für mich ist nämlich das Übersetzen selbst noch relativ aufwendig (Das nächste Projekt wird wahrscheinlich auch eine andere Sprache sein.)
Wintermute
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Beitrag von Wintermute »

Interview: Jonathan Boakes über "Dark Fall"

Vor einigen Jahren hatte ich die großartige Gelegenheit, Jonathan Boakes zu interviewen. Das war noch vor dem Erfolg seines Spiels: Dark Fall. Sein Name war noch kein bekannter Begriff in der Welt der Computerspiele. Aber Zeit vergeht und die Dinge ändern sich. Heute wissen die meisten Adventure-Spieler, wer Jonathan ist - in Bezug auf seine Spiele -, aber die meisten von uns wissen fast nichts über ihn als Person. Deshalb konzentriert sich das folgende Interview auf Jonathan Boakes und darauf, wer er wirklich ist.

Jonathan, vielen Dank, daß Sie uns diesen Einblick in ihre private Sphäre geben. Ich erwarte mit Spannung, wie sich ihre weitere Karriere entwickeln wird und hoffe, daß ihre Spiele das Publikum finden, das sie verdienen.

1. Die Häufigkeit, in der man ihren Namen liest und auch dessen Wiedererkennungswert sind seit dem Erscheinen und dem Erfolg ihres ersten kommerziell vertriebenen Spieles sprunghaft angestiegen. Wie hat dies ihr Leben verändert? Sind Sie glücklich über die Änderungen? Was würden Sie jetzt ändern, wenn Sie könnten?

Einfach mehr Zeit, bitte! Ich würde liebend gerne einen Adventure-Titel pro Jahr herausbringen, aber das ist nicht möglich. Ich hänge zu sehr an meiner Arbeit, als daß ich sie einfach in aller Hetze abarbeiten möchte - ohne Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Aber das alles braucht Zeit und ich würde wahnsinnig gerne mehr davon haben; es ist das wertvollste Gut. Glücklicherweise muß ich nur mich selber organisieren und habe kein Team herumzukommandieren. Ich bin nicht sicher, ob ich dazu besonders gut geeignet wäre.

Auf der persönlichen Seite hat sich mein Leben überhaupt nicht geändert. Ich habe bereits nach dem Verlassen der Universität die Entscheidung getroffen, daß ich für den Rest meines Arbeitslebens lieber etwas ungewöhnlichere Arbeitsverhältnisse anstreben würde; der Autor von Dark Fall zu sein, paßt da ganz gut ins Bild.

Ich lese immer noch die gleichen Bücher, schaue mir die gleichen Filme an, esse die gleichen Butterbrote (Sandwichs) usw., aber die Tatsache, offiziell verlegt zu werden, ändert meine Perspektive zu den Spielen total. Dark Fall hat als kleines privates Projekt angefangen, dessen Status immer weiter angewachsen ist, wohingegen ich jetzt für eine Zielgruppe schreibe. Das hat seine Höhen und Tiefen, aber es ist auf jeden Fall ein positives Ergebnis.


2. Wann haben sie angefangen, am PC zu spielen? Wann haben sie sich dazu entschlossen, daß sie Spiele entwerfen und entwickeln wollten? Haben sie einen pädagogischen Hintergrund in grafischen Künsten, Programmierung usw. oder sind sie ein autodidaktisches Genie?

Ich bin kein Genie, ich bin einfach nur ein Computer-Fanatiker mit viel zu viel freier Zeit.

Meine Ausbildung war anfangs eine reine Katastrophe. Ein furchtbares und selbstzerstörerisches Schulleben hat mich mit nur zwei Fähigkeiten ausgestattet: Kunst und Englisch (auf einem lächerlichen Niveau). Ich hatte ein paar aufgeschlossene Betreuer, die erkannten, daß ich unter einem Haufen persönlicher Probleme begraben lag, und sie ermutigten mich, meine Gefühle durch Schreiben und durch Kunst auszudrücken. Das Letztere erwies sich als Lebensretter und so ging ich hin, Kunst und Medien auf einer höheren Ebene zu studieren. Ich machte verlorene Zeit und Erfahrung wieder gut und steigerte meine Fähigkeiten über einen Zeitraum von zwei Jahren bis zu 300%. Mein Lieblingsfach war Kunstgeschichte und dies nicht nur wegen der Augenweide der Bilder. Es hat mir offenbart, daß ich nicht die einzige Person war, die Probleme hatte, mit ihren Gleichaltrigen umzugehen, und daß ich Gefühle durch künstlerisches Schaffen erforschen konnte. Das hat eine Menge geholfen.

Ich habe das College mit dem Traum verlassen, Fotograf zu werden und organisierte ein paar Ausstellungen in London. Eine Sache führte zur nächsten und ich begann, digital zu arbeiten. Neben dem Arbeiten an Montagen fand ich ein erneutes Interesse an Spielen. Ich hatte schon seit 1984 am Computer gespielt, als meine Mutter und meine Schwester einen Spectrum ZX gekauft hatten. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er eigentlich für pädagogische Zwecke angeschafft wurde, ich aber benutzte ihn ausschließlich für Spiele! Ein Höhepunkt bot "The Mystery of Arkham Manor" (Das Geheimnis des Arkham-Anwesens), daß Online verfügbar ist. Ich war fasziniert von der Möglichkeit, eine fiktive Welt zu erforschen und mit Objekten und Leuten umzugehen. Man könnte sagen, daß es eine Art Wirklichkeitsflucht war. Und als Jahre später Myst erschien, wurde ich versessen darauf. Ich habe so ziemlich jedes Adventure gespielt, daß seitdem in Großbritannien erschienen ist, und die meisten US-Titel ebenfalls. Einige Leute waren so nett, mir seltene Spiele zu leihen und so bin ich ziemlich stolz auf meine gesammelte Spielerfahrung.

Ich wußte nichts von Programmierung und 3D-Erstellung, als ich Dark Fall angefangen habe. Ich hatte gerade genug Wissen, ein Spiel zusammenzusetzen und die Ideen in meinem Kopf irgendwie umzusetzen, aber ich hatte noch einen langen Weg vor mir.


3. Arbeiten Sie noch alleine oder haben sie ein Entwickler-Team zusammengestellt? Wieviele Stunden braucht die Entwicklung Ihrer Spiele grob geschätzt? Haben Sie festgesetzte Arbeitsstunden oder arbeiten sie, wenn Lust und Eingebung sie dazu bewegt? Was inspiriert sie?

Ich arbeite auf viele unterschiedliche Arten mehr oder weniger ständig während meiner wachen Stunden (und wahrscheinlich auch während meines Schlafs!). Ich nehme mir selten Zeit, um gehirnentspannende Aktivitäten zu unternehmen (Ich schreibe dies gerade an einem Sonntag morgen.) Ich bin mir im Klaren, daß ich eine Menge Zeit aufzuholen habe, und so versuche ich wann immer möglich mein Wissen und meine Erfahrungen zu erweitern. Ich habe stets einen Notizblock (aus Papier, keinen elektronischen Palmtop (PDA)) bei mir, um so die Ideen, die mir durch den Kopf gehen, sofort aufschreiben zu können, unabhängig davon, ob sie spieleorientiert oder völlig abstrakt sind.

Ich arbeite alleine, was sowohl ein Fluch wie ein Segen sein kann. Ich brauche keine Arbeitskräfte zu führen, aber nur mir selber kann ich die Schuld geben, wenn etwas schief läuft. Ich habe keine Angst vor Verantwortung, aber es kann manchmal doch sehr einsam werden. Selbstzweifel und albtraumhafte Unsicherheiten können sehr zerstörerische Kräfte sein, aber ich habe inzwischen größere Kontrolle und Selbstvertrauen als heute vor zwei Jahren.

Bezüglich der Inspiration: sie kommt von verschieden Quellen ("Ist dort irgendjemand da?" fragt das Medium.) Dies kann alles sein, vom Anschauen eines Films (ziemlich offensichtlich, wenn man sich die Geschichten ansieht, die ich schreibe) bis zum Backen eines komplizierten Kuchens. Während ich arbeite, höre ich den Sender "BBC Radio 4", was ebenfalls stets sehr inspirierend wirkt. Er ist der "Gebrauchtwarenladen" unter den Radiosendern, da man nie genau weiß, was man dort finden wird. Um 2:15 morgens höre ich mir das Nachmittagsstück an und 45 Minuten später notiere ich mir Ratschläge, was man mit Steckrüben anstellen soll. Dies ist alles ziemlich abstrakt, und somit wird ein Großteil der Information unbewußt verarbeitet. Ich bin ziemlich sicher, daß Charaktere wie George Crabtree auf realen Personen basieren, auf die ich über das Radio gestoßen bin. Radio ist billig und nicht standardisiert im Gegensatz zu TV und Film. Somit gibt es viel Raum zum Experimentieren. Ich hasse wirklich die Einstellung, daß "man nur etwas macht, wenn es Berge von Geld einbringt", die in den Britischen Medien vorherrscht. Märkte in Übersee (Anm.d.Übersetzers: Für die Briten ist das auch Rest-Europa!) beeinflussen jetzt alles, was gemacht wird. Das ist ein stetiger Verfall und unterdrückt die Inspiration und Kreativität.


4. Wer ist Ihr bester Kritiker?

Ich habe nicht die geringste Idee. Ich schätzte, ich sollte sagen "Ich selber", aber das wäre wohl sehr anmaßend. In Bezug auf die "Dark Fall"-Spiele sind die einzigen Kritiker, die von Bedeutung sind, die Spieler. Sie zahlen dafür und investieren ihre Zeit. Das Spiel existiert nur, um gespielt zu werden, also nehme ich an, daß es ihre Meinung ist, die am meisten zählt. Das Machen von mausgesteuerten (Point&Click-)Spielen ist eine Leidenschaft, ich liebe dieses Genre, aber wenn man die alten Klassiker betrachtet, kann es eine harte Herausforderung sein, ihnen nachzufolgen.


5. Welches System benutzen Sie für das Erstellen von Spielen?

Ich habe momentan drei Computer. Es gibt einen Desktop-PC zum E-Mailen, Nachforschen und für andere Aufgaben, und dieser wurde dafür benutzt, das erste Spiel zu erstellen. Dann gibt es den "Dark Fall"-PC zum Rendern (was Stunden dauern kann) und Programmieren (was sogar noch länger dauern kann!). Letztendlich habe ich einen etwas betagten Laptop, den ich unterwegs benutze oder zwischen meinen Wohnungen. Die Szenen vom nächsten Spiel wurden an so verschiedenen Örtlichkeiten zusammengesetzt wie dem einsamen Strand von Cornwall, dem Schlafwagen von London nach Schottland und in einem japanischen Karaoke-Restaurant. Behalten Sie das im Kopf, wenn Sie es spielen (ich bin völlig dreist), denn sie werden sehen, wie diese Orte den Inhalt beeinflußt haben.


6. Wie entwickeln sie den Ablauf ihrer Geschichten? Die Hintergrundgeschichte zuerst? Einen Teil davon? Alles davon? Oder einfach aus dem Bauch heraus, indem sie den Ablauf entwickeln, während sie vorankommen?

Haha! Alles davon.

Es gibt immer eine ursprüngliche Idee - in diesem Fall ein Leuchtturm, in dem es spukt -, die zusammen mit dem Spiel weiterentwickelt wird. Während dem Erstellen der Räume bin ich oft dabei, mir Nebenhandlungen, zusätzliche Personen und geisterhafte Erscheinungen auszudenken. Man könnte sagen, daß die Handlung sich organisch entwickelt, was in dem nicht-linearen Spielablauf fortgeführt wird. Ich mag die Vorstellung, daß ich nur hier und da Hinweise hinterlasse und der Spieler sich die Reihenfolge aussucht, in der er die Information und Erzählungen aufnimmt. Das ist ein Bonus dieses Mediums, das oft übersehen wird.


7. Haben Sie Pläne, andere Sachen als Adventure-Spiele zu entwickeln?

Ja, ich hoffe, daß ich mich selbst weiterentwickle! Ich möchte nicht immer 30 bleiben ;-)

In Bezug auf Adventure-Spiele: ich habe Pläne für ein drittes Spiel, aber ich fühle mich nicht zuversichtlich genug, sie jetzt schon zu besprechen. Neben Spielen arbeite ich immer noch an Filmen und ich mag Gartengestaltung! Alles, was mich von der Bildröhre wegbringt, muß eine gute Sache sein.


8. Spielen Sie andere Spiele außer Adventure-Spiele?

Ja, natürlich. Bevor ich meine gesamte Zeit Dark Fall II gewidmet habe, habe ich Morrorwind und Call of Duty gespielt. Interessanterweise habe ich gerade eben eine Liste aller Spiele, die ich besitze, aufgestellt, die Sie vielleicht interessant finden könnten. Sie ist zu finden auf http://www.xxvproductions.co.uk/mygames, wenn jemand mal einen Blick darauf werfen möchte.

Ich besitze keine selbstaufgezwungen Kriterien über das, was ich spiele. Ich möchte hoffen, daß ich alles einmal ausprobiere und sehe, ob es mich vielleicht überrascht. Ich würde ansonsten den paranoiden Gedanken bekommen, etwas zu verpassen. Es gibt einen privaten Club im Spielbereich und ich empfinde eine limitierte Klasseneinteilung als klaustrophobisch.

Ich habe aber eine Liste meiner 20 besten Spielerlebnisse, mit Spielen, die so unterschiedlich sind wie "Half Life: Counter Strike", "Thief: The Metal Age" und "Zork: Nemesis". Hm, also alle Spiele mit einem 'Doppelpunkt", wie es scheint. Die sind momentan der letzte Schrei!

Ich würde sagen, daß 30% meiner Spiele zu den sogenannten "reinen" Adventuren gehören.


9. Was für eine Rolle spielt vergangene Geschichte in Ihren Szenarien? Sind ihre Orte real oder erfunden? Wieviel Nachforschung setzen Sie in das geschichtliche Umfeld Ihrer Spiele?

Forschung ist immer ein Vergnügen. Im gleichen Maße wie das Erweitern des Spiels, erlaubt es es mir, mein Wissen zu vertiefen. Ich versuche, es immer so witzig wie möglich zu machen (wie z.B. die ekligen Keksrezepte aus Dark Fall), aber einige akademische Grundsätze müssen eingehalten werden. <Ähem>.

Ich hatte Glück bei Dark Fall II, daß ich bereits einiges Wissen über das Mysterium der Flannan-Insel hatte und zwar aus der Folge "Dr. Who and The Horror of Fang Rock" (Dr. Who und der Schrecken vom Reißzahnfelsen) von 1977. Angesichts dessen, daß ich damals erst fünf war, hatte die Folge mich schon etwas geschockt (Untertreibung!) Diese Science-fiction-Geschichte ist von einer wahren Begebenheit abgeleitet: Drei 'Wärter' verschwanden um 1900 von einem Inselleuchtturm auf den schottischen Hebriden. Dieses Mysterium wurde nie aufgedeckt und hat mich jahrelang fasziniert. Und so benutze ich das als einen Startpunkt für das Spiel und habe es dann um mögliche Gründe und Ursachen erweitert. Die "Alle Lichter aus" Handlung zieht und wendet sich durch viele unterschiedliche Zeitalter, aber sie benutzt den Leuchtturm als Angelpunkt. Ich kann mir keine bessere Umgebung für die guten alten mausgesteuerten Adventure vorstellen. Es scheint als hätte Ptolemy Soter uns im Auge gehabt, als er die Pharaonen 290 v.Chr. bevollmächtigt hat.


10. Glauben Sie, daß das Adventure-Genre jemals den Respekt in der Industrie bekommen wird, den es verdient?

Es braucht keinen "Respekt" von der Industrie, es braucht Kunden. Die Industrie (wer auch immer diese Leute sind) ist nur an Geld interessiert. Adventure verkaufen sich weiterhin, ansonsten würde ich jetzt nicht hier sein, oder?

Natürlich gibt es diejenigen, die jammern "Die Adventures sind tot" und zwar immer wieder und wieder und wieder und wieder. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin inzwischen entsetzlich gelangweilt, diesem kindischen Gerede zuzuhören. Wenn es so tot ist, wie sie vorgeben, warum schreiben sie dann immer noch darüber? Einige Leute wollen einfach nicht, daß diese Spiele existieren und daß sie erfolgreich sind, aber diese weigern sich zu verschwinden und das aus einem gutem Grund. Wir mögen sie. Wir zahlen für sie. Wir spielen sie. Ich schere mich keinen Deut darum, ob die Industrie voranschreitet oder nicht. Ein Scheitelpunkt wurde in der Spieltechnologie erreicht und ein paar Sensationshungrige streiten sich darum, der "größte Erneuerer" zu sein. Und während sie sich förmlich aufblasen und Depeschen austauschen über die Großartigkeit ihrer Programme (Engines), schlendere ich weiterhin durch die Seitenstraßen der mausgesteuerten Spiele.


11. Was, denken Sie, wird die allgemeine Berechtigung von Adventures auf dem Spielemarkt insgesamt erhöhen?

Geld, würde ich mir vorstellen. Das ist ein bißchen traurig, aber so ist es nun einmal, wie die Dinge von den höheren Mächten bestimmt werden.

Ich persönlich denke, daß die Anerkennung des Publikums sehr lange andauert. Ein solides, gutgemachtes und interessantes Spiel wird all die langweiligen 2.-Weltkriegs-Klone überleben. Die meisten 2D-Adventure laufen immer noch auf XP (mit ein bißchen Bastelei) genauso wie die Spiele der anderen Richtungen. "Shivers" ist immer noch optisch interessant, aber sehr wenige würden heute noch ein 3D-Ballerspiel (FPS) von 1997 spielen ohne sich innerlich zu krümmen. Die Grafikadventures sind so zeitlos wie ein gutes Buch. Die "mottenzerfressene" antike Optik kann sehr reizvoll sein.


12. Glauben Sie, daß die Erwartungshaltung der Leute zu hoch oder zu unrealistisch ist? Bewerten die Leute ein Spiel zu schnell negativ?

Ja. Die meisten Leute, die sich an (unaufgefordertem) Schlechtmachen von Spielen beteiligen, sind gewöhnlich selber Möchtegern-Entwickler, die nicht den Mut aufgebracht haben, sich einer persönlichen Produktion zu widmen. Also ist es für sie stattdessen amüsanter, sich aufzuspielen und die Arbeit anderer Leute auseinanderzunehmen. Natürlich ist nicht alle negative Kritik sinnlos. Ich müßte ein Psychopath sein, um das zu behaupten. Ich beziehe mich hier auf die Leute, die sich kopfüber auf ein Forumsthema stürzen und eine Demo schlechtmachen, bevor irgendjemand anderer die Gelegenheit hat, seine Meinung zu äußern. In den meisten Fällen gibt es mindestens eine Äußerung, die die Existenz des Materials selbst in Frage stellt. Na schön, dann geh einfach und spiel Postal 2. Du wirst feststellen, daß deine Opfer dir dort keine Widerworte geben.


13. Was, denken Sie, ist wichtiger in einem guten Spiel? Handlung? Grafik? Rätsel? Die Eingliederung von all dem? Etwas anderes?

Alles. Grafik und Ton sollten die Handlung unterstützen und erweitern. Die Rätsel sind dazu da, um die Spielzeit zu erhöhen und dem Publikum die Handlungsmöglichkeiten zu bieten. Rätsel müssen nicht frustrieren, wenn genug Informationen geboten werden. Die Beliebtheit von Musterlösungen hat die guten Rätsel zerstört. Einige Spieler (mich selber eingeschlossen) haben ihre Geduld verloren, und wenn etwas nicht zu funktionieren scheint, denken sie sofort: "Es ist ein Programmfehler." Das ist ein bißchen schade, denn die Befriedigung geht verloren, wenn das Rätsel für uns gelöst wird. Es gibt eine Anschuldigung, daß Adventure kürzer werden, aber sind sie es wirklich? Vielleicht ist es einfach nur der Fall, daß wir sie zu schnell konsumieren. Ich habe vier Monate gebraucht, um "Zork: Nemesis" zu beenden und habe gewisse Puzzle gehaßt, aber gerade deswegen wird es mich immer begeleiten.

Irgendjemand hatte mir kürzlich eine E-Mail geschickt, um mir zu sagen: "Bitte füge deinem nächsten Spiel eine Musterlösung bei, sonst werde ich es nicht kaufen." Das hat mich schockiert. Seit wann ist völlige Bequemlichkeit eine gute Sache? Ich rede nicht von Benutzerfreundlichkeit, ich rede von Faulheit.


14. Sie haben mir vor einigen Jahren erzählt (als Sie noch an DF1 gearbeitet haben), daß sie DF2 und DF3 in Gedanken schon langfristig eingeplant haben. Ist der dritte Teil noch aktuell?

Ja. Ich habe bis jetzt nicht sehr viele Gedanken darauf verwandt, aber ich weiß, daß es den Spieler zurück nach Dowerton und den Bahnhof versetzen wird. Ich möchte dabei dem Spiel mehr Macht geben, indem ich ihm erlaube, zu beobachten, was der Spieler sich 'ansieht', an wem er das meiste Interesse zeigt und die Geschwindigkeit, in der er die Gegend erkundet. Eine weitere Besonderheit wird sein, dem PC zu erlauben, herauszufinden, zu welcher Tageszeit man am Spielen ist. Übernatürliche Aktivitäten am Tag werden anders sein als die üblen Geschöpfe, auf die man nachts stoßen wird. Das wird ein Riesenspaß werden.


15. Haben Sie selber ein Auge auf das Fertigstellungsdatum von DF2?

Ja und Nein. Ich mußte dem Herausgeber einige Angaben machen, da sie hinter den Kulissen stark daran arbeiten, daß das Spiel Anerkenung bekommt, aber ich habe kein definitives Datum. Ich werde wissen, welcher Tag es ist, wenn dieser Tag anbricht. Es tut mir leid, so geheimnisvoll zu bleiben.


16. Was können sie uns über die Hintergrundgeschichte sagen, das wir nicht auf Ihrer Webseite finden könnten?

Ich könnte jetzt einige Details verraten, aber das würde den Spaß verderben. Die Webseite gibt nur den ersten Teil des Spiels wieder, aber es gibt viele Aspekte der Umgebung, die vorgestellt wird. Zeitreisen durch alternative Zeitlinien, wandernde Geister und das persönliche Dasein hinter dem "Hier und Jetzt" werden alle angesprochen. Ist eine Person wirklich die Summe ihrer Erinnerungen? OK, ich belasse es dabei!
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Beitrag von silly »

Hallo Wintermute,

mensch, das hast du dir aber Arbeit gemacht. Respekt!
Wieso übersetzt du eigentlich englische Artikel oder Interviews, ist das reines Interesse oder brauchst du das für Schule/Studium?

Es ist in der Tat sehr sehr aufwändig solch eine lange Textpassage zu übersetzen. Ich finde, dass dir das auch weitestgehend gut gelungen ist, einige Passagen klingen aber ziemlich hölzern und einige Wörter sind nicht richtig übersetzt. Teilweise fehlt der Sprachfluss, der in dem englischen Original vorhanden ist.

http://dict.leo.org/
kennst du wahrscheinlich schon, aber ich finde die Site immer sehr hilfreich, wenn ich mal etwas übersetzen muss.


LG
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Beitrag von Wintermute »

@Silly: Erst einmal vielen Dank, daß du dir die Mühe des Vergleichs gemacht hast.
silly hat geschrieben:Wieso übersetzt du eigentlich englische Artikel oder Interviews, ist das reines Interesse oder brauchst du das für Schule/Studium?
Das hat indirekt etwas mit meinem Studium zu tun, für meine kommende Diplomarbeit werde ich auch mit mehreren Sprachen umgehen müssen. (keine Übersetzung :wink: )
Es ist in der Tat sehr sehr aufwändig solch eine lange Textpassage zu übersetzen. Ich finde, dass dir das auch weitestgehend gut gelungen ist, einige Passagen klingen aber ziemlich hölzern und einige Wörter sind nicht richtig übersetzt. Teilweise fehlt der Sprachfluss, der in dem englischen Original vorhanden ist.
Könntest du Beispiele bringen? So ist es etwas schwer nachzuvollziehen, weil ich einige Worte manchmal absichtlich etwas anders übersetzt habe, da die wörtliche Übersetzung nicht immer den gleichen Gesamtsinn bringt.

Im Nachhineingesehen hätte ich den Text besser in die Du-Form setzen sollen, das das Interview doch eher persönlich war. Wahrscheinlich wirkt es u.a. auch deswegen ein bißchen hölzern.
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Beitrag von galador1 »

Seid ihr im Allgemeinen an deutschen Übersetzungen von englischen Interviews interessiert oder eher nicht? (Vielleicht lest ihr Infos lieber im englischen Original?)
ich bin sehr daran interessiert und finde es gut das du das machst. gut an diesem typ bin ich nicht sehr interessiert, da seine spiele hier wohl auch nur untertitel bekommen, aber ansonsten doch sehr. danke für die mühe die du dir machst.
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Beitrag von Mic »

Wintermute hat geschrieben:Seid ihr im Allgemeinen an deutschen Übersetzungen von englischen Interviews interessiert oder eher nicht? (Vielleicht lest ihr Infos lieber im englischen Original?)
Durchaus, immer her damit. :)
Ich finde es schön, dass Du Dir solche Mühe machst und ich belohne sie damit, dass ich die Übersetzungen dann auch lese. Naja, ich gebe es zu, ist nicht wirklich eine Belohnung. ;)
Ich habe das Original nicht gelesen und meine Kenntnisse in Englisch würden eine Kritik meinerseits nicht rechtfertigen.
Jonathan Boakes hat geschrieben:Na schön, dann geh einfach und spiel Postal 2. Du wirst feststellen, daß deine Opfer dir dort keine Widerworte geben.
Hehehe, ich bin nicht allein. ;)
Wenn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nichts weiter sind als verlorene Ideen aus einer anderen Ära,
etwa wie Boote auf einem ausgetrockneten See, dann ist die Beendigung eines Prozesses nie zu definieren.
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Beitrag von Wintermute »

galador1 hat geschrieben:[gut an diesem typ bin ich nicht sehr interessiert, da seine spiele hier wohl auch nur untertitel bekommen, aber ansonsten doch sehr.
Warte einfach einmal ab!
Da der erste Teil wesentlich erfolgreicher war, als Dreamcatcher Europe erwartet hatte, könnte es ja sein, daß sie dem zweiten Teil mehr Aufmerksamkeit widmen und ihm auch eine deutsche Sprachausgabe geben (bei Salammbo haben sie es ja auch gemacht.)
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Beitrag von galador1 »

ja, aber bestimmt nicht weil salammbo so erfolgreich war. (war es ja leider nicht) eher wegen den vielen protesten nach amenophis und thorgal die ja beide nur untertitel hatten. hoffe zumindest das dieses auch ein grund war. zumindest haben sie mal was in der richtung geschrieben. ich hoffe ja auch das sie dark fall 2 übersetzten. glaub aber nicht recht daran.
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