Heute mal ein paar erwachsene Gedanken von mir:
Ich habe gerade auf web.de einige Kommentare zur neuen Biene Maja gelesen. Den meisten Leuten scheint sie nicht zu gefallen. Und einige Eltern schrieben, dass sogar ihre Kinder, die die alte Serie schonmal gesehen haben, die neue doof finden. Wenn sogar einige Kinder das sagen, dann meint man doch das Recht über diesen Schrott zu meckern zu haben. Überhaupt: Wie sieht denn das Kinderprogramm heute aus? Überall schrille, grelle Reizüberflutung und nur noch Müll.
Oder?
Vor einer Weile sah ich einen Comic im Internet. Die Enkel und ihr Großvater standen in der Videothek. Opa hielt den Kindern eine DVD hin und sie fragten: "Is that a real Cartoon or just a drawing of a cartoon?"
("Ist das ein echter Cartoon oder eine Zeichnung von einem Cartoon?")
Das machte mich traurig, weil mir klar ist, dass der gute, alte Zeichentrick tatsächlich mehr und mehr von diese unsäglich seelenlosen, hässlichen 3D-Animationsserien verdrängt wird. Die können doch niemals so gut sein wie diese ganzen liebevoll gezeichneten Klassiker mit denen wir aufgewachsen sind. Da kaufen wir am besten die alten Klassiker auf DVD und füttern die Kleinen damit, statt sie mit dem heutigen Fernsehprogramm zu verdummen. Dann werden sie wenigstens intelligent und anspruchsvoll.
Oder?
Vor einigen Tagen sah ich einen anderen Comicstrip im Internet. Ein Vater versuchte, seinem Kind etwas von seinen alten Helden zu erzählen, aber das Kind konnte damit nichts anfangen. Der genaue Inhalt des Comics ist mir entfallen. Aber ein Satz aus einem der Leserkommentare hat sich mir eingeprägt: "They have their own heroes."
("Sie haben ihre eigenen Helden.")
Ist das nicht genau das, was wir früher auch hatten?
Ein Beispiel: Auch, wenn es vor meiner Zeit war, weiß ich, dass einige Schulen ihre Schüler bei der Erstausstrahlung vor Captain Future gewarnt haben. Dieser brutale Müll wäre nicht gut für sie. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - gilt Captain Future heute als Kult. Ich selbst habe ihn bei einer der vielen Wiederholungen kennen und lieben gelernt. Wobei ich die Dialoge heute teilweise unerträglich flach finde. Aber Kinder sehen eben viele Dinge anders. Was ein Erwachsener furchtbar flach und einfallslos findet, wirkt auf ein Kind tiefsinnig, neu und beeindruckend.
Ich mag keine Pokemon. Das ist für mich Tierkampfpropaganda. Zu meiner Zeit haben sich die Helden noch todesmutig selbst in die Schlacht geworfen und Leib und Leben riskiert. Und in Serien wie den Galaxy Rangers oder Saber Rider wurde dann auch tatsächlich mal ein Held verletzt. Bei den Pokemon leiden höchstens die Tiere.
Oder nehmen wir Yu-Gi-Oh. Kommentare wie "Jetzt kann dich niemand mehr retten." oder "Ihr könnt mich nicht aufhalten." verlieren irgendwie ihre Wirkung, wenn statt zu kämpfen eine Runde Karten gespielt wird.
Aber dann kommen mir die pseudo-coolen Dialoge aus Saber Rider in den Sinn. Für eine Erwachsene Person, nein, schon für die Teenagerin, die vor Jahren eine Wiederholung auf RTL II sah, ist da pures Fremdschämen angesagt.
Oder nehmen wir Captain Future, der sich gerade mit seiner Crew und Joan auf der Flucht vor übermächtigen Gegnern in einen Raum geflüchtet hat, in dem er auf ein altes Tagebuch stößt:
"Hier steht, dass sie nur durch ultraviolettes Licht vernichtet werden können."
"Sehen sie mal, Captain! Was ist denn das da in der Ecke?"
"Eine ultraviolette Strahlenkanone! Sie haben wirklich gute Augen, Joan!"
Nicht mehr so cool, oder? Kinder haben eine andere Sicht der Dinge als Erwachsene. Das sollten wir niemals vergessen, auch nicht, wenn es um so triviale Dinge wie Fernsehsendungen geht.
Das heißt nicht, dass ich nicht mehr wehmütig an die alten Zeiten und an meine Helden von einst denken werde. Aber dieser eine Kommentar hat mich trotzdem zum Nachdenken gebracht. Natürlich liebe ich die Dauerbrenner wie Batman, Spiderman & Co noch, die im Laufe der Zeit sogar erwachsenere Serien bekommen haben. Und ebenso natürlich werde ich immer an das Gefühl denken, das ich beim ansehen von He-Man oder zeitlosen Klassikern wie der alten Biene Maja oder Marco hatte. Aber ich werde versuchen, wenn ich mit dem neuen Kram konfrontiert bin, das Ganze eher mit den Augen eines Kindes zu beurteilen. Dann sehe ich vielleicht, was sie an den neuen Serien so toll finden.
Jede Generation hat ihre eigenen Helden. Und ich gelobe hiermit feierlich, das bei Büchern, Filmen, Serien und Comics in Zukunft zu respektieren. Nur bei der Musik entscheide ich immer noch von Fall zu Fall.
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"She's doing the baby equivalent of adventurers using everything in your inventory." (Aus dem Textadventure Child's Play von Stephen Granade)
"A book is a device to ignite imagination" (Aus der Satire "The Uncommon Reader" von Alan Bennett)