Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

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Loma
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Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von Loma »

„Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müßte, daß ich nicht gelebt hatte."
(H. D. Thoreau, Walden)

Da "Walden" zu den von mir sehr geschätzten Büchern gehört, habe ich mich durchaus gefreut, die hehre Kunde zu vernehmen, dass eine spielerische Umsetzung erscheinen wird:
https://www.nytimes.com/2017/02/24/arts ... .html?_r=0
http://www.smithsonianmag.com/arts-cult ... 180962125/

Die Frage, die sich für mich jedoch daraus gebiert, ist: Kann das funktionieren?
Inhaltlich zielt Walden ja darauf ab, sich in die Natur/in die Einfachheit zurückzuziehen und so dem "wirklichen Leben näherzutreten". Das heißt, am PC spielend, begibt man sich eigentlich arg deutlich in Widerspruch zum gespielten Inhalt.

Die Möglichkeit "dem wirklichen Leben näherzutreten" am PC zu substituieren, scheint im Grunde absurd.
Aber da, meines Erachtens, beispielsweise Firewatch zumindest teilweise durchaus auch als Wandersimulation funktioniert hat, schließe ich mich in diesem Fall auch jener Sicht an, die dieses Experiment überwiegend positiv bewertet. Ob die amerikanischen Naturalisten selbst das ebenfalls so sähen oder eher im Grab rotieren würden, weiß ich nicht so recht, aber ich sehe kein Hindernis darin, dass ein Spiel nicht ähnlich motiveren und inspirieren können sollte wie das Buch.

(Wenn es bei dem Spiel tatsächlich mehr um Stille als um Herumlaufen von A nach B geht, scheint mir allerdings die ohnehin beknackte Genrebezeichnung für diese Sorte Spiele noch unpassender als sie es sowieso schon ist, weshalb ich sie hiermit übrigens auch hartnäckig und konsequent verweigere niederzuschreiben ;) ).

Und damit wurde die hiesige Tube Senf leer gedrückt (und wir stellen weitere der Geschmacksrichtungen "Eh klar" und "Das kann man natürlich alles ganz anders sehen" zur Verfügung).
Sie lasen (aßen oder saßen aus) das Wort zum Sonntag. Und aus!
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Möwe
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Re: Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von Möwe »

Irengdwie müsig, zu einem Spiel, das noch nicht erschienen ist, eine Tube Senf auszuleeren.
Trotzdem möchte ich meine Geschmacksrichtung dazu geben.
Ein Gedicht kann einem einen wundervolle Erfahrung und Ispiration sein. Ebenso kann es jedes andere Kunstwerk.
Warum nicht ein Spiel?
Sich in den Wald zurückzuziehen scheint erstmal auch eine seltsame Art zu sein, den Menschen und der Gesellschaft näher zu kommen. Und trotzdem hat's geklappt.
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Haruspex
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Re: Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von Haruspex »

bin eigentlich derselben meinung wie du Loma. logisch schließt es sich schon aus, dass man das "natürliche" leben dadurch verfolgt, dass man es durch menschliche technik und menschliche aufbereitung verfolgt. wird die natur nicht schon genug durch die eigene wahrnehmung verfälscht?
unsinniges konzept.

aber was mir zu dem thema einfällt: wenn man das "echte" leben sehen möchte, kann man das oft sehr gut an seinen haustieren verfolgen....an ihrem gefühlsaudruck ist meistens sehr viel wahreres dran als an dem seiner mitmenschen. womit ich nicht menschenfeindlich sein will - das bin ich nicht - aber tiere (egal ob domestiziert oder nicht) wissen meistens besser darüber bescheid was im leben wichtig ist.
Sei aber nicht gar zu sehr ein Sclave der Meinungen, welche Andere von Dir hegen. Sei selbstständig. Was kümmert Dich am Ende das Urtheil der ganzen Welt, wenn Du thust, was Du nach Pflicht und Gewissen und nach Deiner redlichen Ueberzeugung thun sollst?


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DavidMcNamara
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Re: Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von DavidMcNamara »

"Walden" ist auch eines meiner Lieblingsbücher, die ich bei jedem Umzug mitnehme! Ich habe es damals in der Natur gelesen, um zwischen den Zeilen auch einmal aufblicken zu können, die Beschreibung einer subtilen Farbnuance von Wasser nachzuprüfen oder die eigenartige Form von Sträuchen und Bäumen...

Das Spiel müsste eben diese Muße zum Beobachten und Genauer-Hinschauen-Wollen fördern, die Thoreau so sehr kultiviert. Das haben vielleicht drei Spiele bisher (annähernd) bei mir erreichen können: Zunächst "Syberia" und "Dear Esther" - mit sehr ruhigem Spieltempo und poetischem Erzählstil - und dann "Eidolon" (nach dem Whitman-Gedicht benannt) durch seine epische Länge. Firewatch hatte auch seine Momente, stimmt (insbesondere der See).

Die Trailer zeigen Survival-Elemente (z.B. Fischen) und Crafting-Elemente, mit der Zugabe, dass man nicht zu aktiv werden soll, da ansonsten die Naturdarstellung kärger wird (wohl, um den Mangel an Aufmerksamkeit widerzuspiegeln). Auf jeden Fall ein spannendes Experiment! Vielleicht ein wenig zuviel Gameplay...? Wenn es hier und da Spielerinnen oder Spieler dazu motiviert, mit einem neuen Blick raus in die Natur zu gehen - dann wäre ja schon einiges erreicht!
Bin grundsätzlich - wie Loma und Möwe - optimistisch, teile aber auch den Standpunkt von Haruspex: Das Spiel sollte eher einer Hinführung zum Sonntagmorgenspaziergang sein, kein Ersatz dafür.

So, das war meine Tube Senf am Montag Morgen :-)
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Loma
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Re: Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von Loma »

Danke für eure schmackhaften Senfsorten.

Es wird auf alle Fälle davon abhängen, wie die Umsetzung gelingt. Nicht zu viel handeln, um die Walden-Stimmung nicht zu ruinieren, nicht zu wenig handeln, um Spieler nicht zu langweilen, könnte sich als schmaler Grat erweisen.
Ich bin gespannt.
DavidMcNamara hat geschrieben:Zunächst "Syberia" und "Dear Esther" - mit sehr ruhigem Spieltempo und poetischem Erzählstil - und dann "Eidolon" (nach dem Whitman-Gedicht benannt) durch seine epische Länge. Firewatch hatte auch seine Momente, stimmt (insbesondere der See).
Da ich dir bei Syberia und Dear Esther vollends zustimme, muss ich jetzt wohl recherchieren, was es mit dem mir bisher als Spiel nicht bekannten Eidolon auf sich hat. ;)

Edit: Ein etwas kritisch gehaltener Kommentar zum Thema: https://www.piqd.de/games/der-walden-si ... er_sharing
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Möwe
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Re: Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von Möwe »

Doch schließlich war auch Thoreaus Leben am Walden Pond eine große Mogelpackung. Er war regelmäßig im Nachbardorf, um sich von seiner Mutter Kekse und frische Wäsche zu besorgen oder lud Freunde zur Party am Teich. Einsame Naturerfahrung geht anders.
Ist das nicht immer so, dass eine Erfahrung auch zu einem großen Teil auf Fantasie beruht? Und auf Vorannahmen?
Letzlich ist es bei Computerspielen genau so: wo der eine nur eine langweilige Laufsimulation sieht, wird der andere durch etwas im Spiel berührt, was schon vorhandene Saiten in ihm zum Klingen bringt.
Deshalb kann ein Adventure, dass jemand völlig flach und nichtssagend findet, für eine andere Person sehr tiefgründig sein.
Es kommt nun bei "Walden" darauf an, ob die Macher etwas gefunden haben, was bei vielen Menschen Saiten zum Klingen bringt. Aber das ist ja immer das Problem mit Kunst, oder?
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Re: Walden: das Spiel - eine kontradiktorische Angelegenheit?

Beitrag von Loma »

Möwe hat geschrieben:Aber das ist ja immer das Problem mit Kunst, oder?
Vermutlich nicht nur mir der Kunst, sondern im Umgang mit dem irrationalen Wesen Mensch überhaupt. ;)
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