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Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 00:23
von Dead
realchris hat geschrieben:Nein Gefühl und Verstand sind zwei unterschiedliche Kategorien. Seit 2500 Jahren versuchen Menschen die Ratio mit der Libido klarzukriegen und alle sind daran gescheitert. Vernunft und Gefühl sind Gegenspieler. Gefühl hat in der politischen Theorie nichts zu suchen. Da musst Du mit der Vernunft arbeiten. Alle Entscheidungen, die Du triffst sind entweder vernünftig (und damit auch logisch) abgewägt oder impulsiv.
Moral hat nichts mit Vernunft zu tun. Und somit sind moralische Entscheidungen auch nicht vernünftig. Was für mich moralisch ist, hängt von meiner Erziehung ab. Wenn ich etwas als unmoralisch empfinde und dennoch so handle, habe ich ein schlechtes Gefühl (Gewissen). Werte und Moral haben mehr mit Gefühl als mit Vernunft zu tun. Auf Grundlage des eigenen Gefühls wird eine logisches Konstrukt gebaut ja, aber das war's auch schon. Jede Ideologie bzw. Weltanschauung basiert auf Gefühl und Glauben, nicht auf Vernunft: Man empfindet etwas als ungerecht, man glaubt, das und das ist gerecht, etc..
Was vernünftig ist, hängt davon ab, welche Ziele man verfolgt und wie die eigene Weltanschauung (die jeder hat und die letztlich auf Glauben beruht) aussieht. Man kann keine politische Theorie haben, ohne auf gewisse Axiome zurückzugreifen - ob dieses Axiom nun Gott ist oder das eigenen Empfinden bzw. das Empfinden einer Gruppe/Gesellschaft, spielt dabei eine nur untergeordnete Rolle.

Für mich ist es unvernünftig an dem momentanen Wirtschaftssystem festzuhalten. Zumindest in Teilen, wie dem momentanen Aktienmarkt. Spätestens, wenn die wichtigsten (u.a. fossilen) Rohstoffe mal aufgebraucht sind, muss es zwangsläufig zu einem Crash kommen, da kein Wachstum mehr möglich.

Das meiste, was einfach als "Natur des Menschen" und damit als unabänderlich gilt, ist doch in Wahrheit nur gesellschaftlich bedingt. Der Mensch ändert sich nicht, aber man kann die Rahmebedingungen, in denen der Mensch lebt, ändern. Und die lassen doch schon einen nicht kleinen Spielraum.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 01:45
von pyronero
Hatte jetzt leider nicht die Zeit hier alles durchzulesen.

Aber wir haben dieses Jahr im Saarland auch Kommunal- und am 30. August Landtagswahlen.

Und ich habe das Gefühl das hier im Saarland eine gewisse Unsicherheit in den Parteien herscht was Die Linken betrifft. Will es jetzt nicht gerade als Angst bezeichnen, aber eine Anspannung ist da wohl vorhanden. Wohl auch, weil Herr Lafontain noch sehr viele Sympatisanten hier besitzt. Gerade in den ehemaligen Bergbau- und Hüttenregionen des Landes könnte es passieren das die SPD Stimmen an Die Linken verliert. Was natürlich auch nicht unbedingt postiv für die derzeit regierende CDU sein muss.

Generell bin ich der Meinung das in der Politik ein Generationenwechsel erfolgen müsste, mir persönlich sind die meisten Leute einfach zu alt und zu eingeschliffen um einfach mal eine Bresche zu schlagen und neue Wege zu beschreiten. Man nehme mal die Grünen in den Achtzigern, die saßen mit Norweger Pullovern im Bundestag und fuhren mit dem Fahrad vor. Und was machen die Damen und Herren heute, tragen Designeranzüge und lassen sich auch in spritfressenden, CO2 ausstoßenden Limos, durch die Gegend chaufieren. Aber wem haben wir die Ökosteuer zu verdanken? Sicherlich brauchen wir gebildetete und erfahrene Menschen in der Regierung, aber muss ein Großteil derer die Fünfzig bereits überschritten haben.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 10:27
von Dead
pyronero hat geschrieben:Hatte jetzt leider nicht die Zeit hier alles durchzulesen.

Aber wir haben dieses Jahr im Saarland auch Kommunal- und am 30. August Landtagswahlen.

Und ich habe das Gefühl das hier im Saarland eine gewisse Unsicherheit in den Parteien herscht was Die Linken betrifft. Will es jetzt nicht gerade als Angst bezeichnen, aber eine Anspannung ist da wohl vorhanden. Wohl auch, weil Herr Lafontain noch sehr viele Sympatisanten hier besitzt. Gerade in den ehemaligen Bergbau- und Hüttenregionen des Landes könnte es passieren das die SPD Stimmen an Die Linken verliert. Was natürlich auch nicht unbedingt postiv für die derzeit regierende CDU sein muss.
Naja, mittlerweile ist die Linke weit hinter der SPD (Linke ca. 16% und die SPD bei 26%). Ich werde wohl SPD wählen - ich hätte nicht mal was gegen eine rot-rote oder rot-rot-grüne Regierung einzuwenden, aber mit der Linken als stärkste Partei - das muss auch nicht unbedingt sein. Abgesehen davon, dass ich ohnehin für den Kohleausstieg bin.

Große Koalition wäre wohl auch noch in Ordnung.

Allerdings ist Heiko Maas wohl nicht gerade der beste Spitzenkandidat - von der Sympathie her hat er keine Chance gegen Peter Müller. Aber ich wähle ja auch in der Regel nicht nach Sympathie. Die Bildungspolitik der CDU ist aber mal sowas von fehlgeschlagen. Andauernd neue Reformen und Veränderungen, die nicht am eigentlichen Problem ansetzen. Hinzu kommen Studiengebühren.
pyronero hat geschrieben:Generell bin ich der Meinung das in der Politik ein Generationenwechsel erfolgen müsste, mir persönlich sind die meisten Leute einfach zu alt und zu eingeschliffen um einfach mal eine Bresche zu schlagen und neue Wege zu beschreiten. Man nehme mal die Grünen in den Achtzigern, die saßen mit Norweger Pullovern im Bundestag und fuhren mit dem Fahrad vor. Und was machen die Damen und Herren heute, tragen Designeranzüge und lassen sich auch in spritfressenden, CO2 ausstoßenden Limos, durch die Gegend chaufieren. Aber wem haben wir die Ökosteuer zu verdanken? Sicherlich brauchen wir gebildetete und erfahrene Menschen in der Regierung, aber muss ein Großteil derer die Fünfzig bereits überschritten haben.
Ich wäre dafür, dass man nur zwei oder drei Mal Abgeordneter im Bundes- oder Landtag werden kann. Dann wären die Partein gezwungen, ständig für Nachwuchs zu sorgen und niemand sitzt mehr 16 oder 20 Jahre im Parlament und ist als Berufspolitiker gezwungen, ja nicht anzuecken, da er nur so seinen Lebensunterhalt verdienen kann.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 12:30
von Fightmeyer
Dead hat geschrieben:
Ich wäre dafür, dass man nur zwei oder drei Mal Abgeordneter im Bundes- oder Landtag werden kann. Dann wären die Partein gezwungen, ständig für Nachwuchs zu sorgen und niemand sitzt mehr 16 oder 20 Jahre im Parlament und ist als Berufspolitiker gezwungen, ja nicht anzuecken, da er nur so seinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Das hätte dann allerdings den Nachteil, daß die Lobbiisten noch viiieeel größeren Einfluss hätten, als sie ihn ohnehin schon haben. Denn dann würde jeder Politiker versuchen nur noch seinen Aufsichtsratjob nach der politischen Karriere zu sichern...
(aber im Grunde machen die meißten das ja bereits jetzt schon)

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 12:35
von Leonaru
Man braucht auch Politiker mit Erfahrung. Es ist nur schwer, die Balance zwischen "erfahren" und "festgefahren" zu erreichen.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 12:42
von Dead
Fightmeyer hat geschrieben:
Dead hat geschrieben:
Ich wäre dafür, dass man nur zwei oder drei Mal Abgeordneter im Bundes- oder Landtag werden kann. Dann wären die Partein gezwungen, ständig für Nachwuchs zu sorgen und niemand sitzt mehr 16 oder 20 Jahre im Parlament und ist als Berufspolitiker gezwungen, ja nicht anzuecken, da er nur so seinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Das hätte dann allerdings den Nachteil, daß die Lobbiisten noch viiieeel größeren Einfluss hätten, als sie ihn ohnehin schon haben. Denn dann würde jeder Politiker versuchen nur noch seinen Aufsichtsratjob nach der politischen Karriere zu sichern...
(aber im Grunde machen die meißten das ja bereits jetzt schon)
In den USA gibt es eine Regelung, die es den Abegeordneten untersagt, ich glaube 2 Jahre lang nach Arbeordnetenzeit keine Aufsichtsratjobs etc. anzunehmen.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 15:21
von realchris
.......

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 17:07
von Dead
realchris hat geschrieben:Dass Moral ein anerzogenes Gefühl ist, ist auch meine Auffasung. David Hume hat eine Moral konstruiert, die völlig ohne Gott oder andere ünernatürliche Entitäten auskommt. Das Gewissen ist übrigens auch eine Erfindung des Menschen. In der Antike kannte man kein Wort dafür.
Auch die Griechen werden wohl das Gefühl gekannt haben, sich "falsch verhalten zu haben". Ob man das nun Gewissen oder wie auch immer nennt, ist doch gleichtgültig. Oder ob man's eben gar nicht benennt.
realchris hat geschrieben:Politische Theorien gehen aber immer von einem Menschenbild aus und konstruieren dann logisch ein Systen. Da hat Gefühl nichts zu suchen. Besonders in der Philosophie, außer bei den Franzosen momentan, hat das Gefühl, zu mindest beim Mainstream, nichts zu suchen bzw. werden sie problematisiert. Gerade beim Erstellen von Systemen brauchst Du Vernunft.
Auf Grundlage eines Menschenbildes ein logisches System zu schaffen ist doch kein Problem. Aber das Menschenbild selbst logisch zu begründen, ist schon etwas schwieriger.
realchris hat geschrieben:Für mich gibt es z.B. keinen Gott, keine unsterbliche Seele oder ein Leben nach dem Tod.
Für mich auch nicht.
realchris hat geschrieben:Ein politisches System kann so nur über den Nutzen definiert werden und diesen kann man sogar in Zahlen ausdrücken.
Was bedeutet Nutzen? Angenommen man hat ein politisches System, in dem gesellschaftliche Konflikte auf friedliche Art gelöst werden können. Da muss man aber auch fragen: Wieso sollte man Konflikte auf friedliche Art lösen wollen? Dem liegt doch wieder eine gewisse Weltanschauung zu Grunde.
Oder auf die Demokratie bezogen: Demokratie soll u.a. Unterdrückung des Volkes durch einen Herrscher verhindern. Aber auch Absolutistische Herrschaftsformen und Diktaturen haben "Vorteile" gegenüber Demokratien. Welche man bevorzugt, ist wiederum von der Weltanschauung und vom Menschenbild abhängig. Wenn man also als (gemeinsame) Grundlage eine Weltanschauung hat, kann man damit vernünftige Konstrukte aufbauen, die z.B. innerhalb einer Gesellschaft allgemein akzeptiert sind und jedem vernünftig erscheinen. Aber für jemanden mit einer grundlegend anderen Weltanschauung muss das nicht zwingend vernünftig erscheinen. Wenn man dagegen ein auf der Weltanschauung basierendes Ziel hat - z.B. Gleichberechtigung - kann man sagen: Das und das ist vernünftig, da es dem Erreichen des Ziels dient.
realchris hat geschrieben:Einen Gott oder eine Moral oder ein das soll so sein ist dagegen nicht belegbar.
Da stimme ich zu.
realchris hat geschrieben:In der Philosophie entscheidet man nach dem Wissen und nicht nach dem Gefühl. Zumindest hofft man das immer zu tun und strebt es an. Glauben und Gefühl sind auch zwei unterschiedliche Kategorien. Du kannst durch Vernunft, Erfahrung sowie durch ein anerzogenes Gefühl glauben. Bei den ersten beiden Gründen weißt Du wenigstens warum Du glaubst. Die letztere Art ist zutiefst unvernünftig. Bei der Vernunft kommst Du durch überlegung zu Deinem Glauben. Bei der Erfahrung durch Wahrscheinlichkeit und beim Gefühl einfach so.
Ich habe nie etwas andere behauptet. Mir geht's darum: Wenn ich zwei Handlungsalternativen habe, entscheide ich nicht zwangsläufig nach Vernunft. Ich kann nach Gefühl entscheiden oder nach Vernunft, die ich aber letztlich auf meiner Weltanschauung konstruiert habe. Und eine bestimmte Weltanschauung habe ich nicht, weil diese doch so vernünftig ist, sondern weil ich sie im Laufe der Erziehung internalisiert habe (unter Weltanschauung fasse ich die Werte, das Menschenbild, etc. zusammen). Auf Grundlage dieser Weltanschauung gehe ich und entscheide: Das und das ist vernünftig.

Angenommen, ich bin Fabrikbesitzer im 19. Jhd.: Ich kann entweder meine Arbeiter ausbeuten und damit einen enormen Gewinn machen oder die Arbeiter (ohne Zwang) angemessen bezahlen lassen. Angenommen, die Arbeiter haben keine Möglichkeit, meinen Wohlstand zu gefährden, wenn ich sie ausbeute, wäre Ausbeutung doch die vernünftigere Lösung? Sind die Arbeiter aber bereit und haben die Möglichkeit, eine Revolution anzuzetteln, die erfolgreich sein könnte, wäre es vernünftig, sie besser zu bezahlen.
Aber warum sollte ich mich in dieser Situation nicht unvernünftig verhalten? Also die Arbeiter besser bezahlen, obwohl sie keine Möglichkeit hätten, meinen Wohlstand zu gefährden? Wobei es wohl schon so ist, dass die breite Masse der Fabrikbesitzer sich vernünftig (nach der oben beschriebenen Weise) Verhalten würde.

Du hattest die Frage ob ein Behinderter oder Arbeitsloser nützlich sind. Wenn Du nur nach dem Nutzen für die Allgemeinheit fragst, nicht. Der Begriff Nutzen ist immer etwas kühl gerechnetes.

Du könntest aber sagen, dass er Menschenrechte bzw. Menschenwürde hat. Aber Menschen würde und Menschenrechte sind auch wieder etwas künstliches.
realchris hat geschrieben:Sagen wir, dass der Mensch, zumindest in der Mehrheit, alles Menschenleben schützt, da er sich selbst in dem anderen erkennt. Also durch Empathie. So funktioniert z.B. das Gesetz. Die Menschen halten sich nur daran, weil es ihnen nützt und weil es andere auch müssen. Wenn Menschen die Möglichkeit haben, ungestraft etwas böses zu tun, wird eine Mehrheit das tun. Da bin ich mir sicher. Bei Schwerverbrechern funktioniert z.B. die Empathie nicht.
Was ist böse? Das ist doch wohl auch wieder etwas hoch Künstliches, meinst du nicht? Ich würde sagen: Der Mensch will das beste für sich selbst oder für die Gruppe, in der er lebt. Die Gruppe kann aber durchaus auch groß sein, z.B. eine Nation, solang es andere Nationen zum Abgrenzen gibt. Mit Moral beschreibt man ja nur ein real existierendes Verhalten - also nichts Künstliches. Nehmen wir z.B. Delphine: Wenn Delphine in einer Gruppe sind und ein Tier aus der Gruppe verletzt wird, bleiben die anderen bei diesem Tier. Delphinfänger machen sich das zu Nutze, indem sie ein Tier verletzen und so problemlos die ganze Gruppe töten können. Das Verhalten der Delphine würden wir wohl als moralisch beschreiben. Aber im Grunde verhalten sie sich wohl nur so, weil es im Laufe der Evolution ein Vorteil, wenn die Gruppe bei einem verletzten Tier blieb.
Das gleiche gilt wohl für uns Menschen: Wenn z.B. eine Mutter für ihr Kind auf Nahrung verzichtet, war das im Laufe der Evolution wohl von Vorteil - das Kind hat überlebt und damit auch die Veranlagung, sich in solch einer Situation eben so zu verhalten, wie die Mutter es tat.
realchris hat geschrieben:Ich würde meinen Lebensstandard nicht senken wollen, damit irgendwo 10000 Kilometer weiter das Leben besser läuft. Eine Mehrheit der Menschen auch nicht. Also wirst Du für eine politische Veränderung in diese Richtung auch nie die Mehrheiten finden.
[/quote]

Die Mehrheit der Bevölkerung nicht unbedingt. Aber was interessiert die Parlamentarier schon die Mehrheit des Volkes? ;)

Allerdings: Wenn die Bevölkerung die Wahlt hat zwischen:

1. dem Versuch, den Lebensstandard beizubehalten, aber schließlich durch (gewaltsamen) Protest der absolut Armen in der Welt alles zu verlieren

oder

2. ein wenig Lebensstandard "abzugeben", dafür aber die Gefahr, alles zu verlieren, gemindert wird

würden sich eine Mehrheit wohl für letzteres entscheiden. Ich denke, dass es letztlich auch in unserem Interesse gibt, die globale Verteilungsungerechtigkeit zu bekämpfen. Zunächst würde ich aber mal Wege denen, die unseren Lebensstandard nicht merkbar beeinflussen: Ich würde die Subsistenzwirtschaft der afrikanischen Staaten fördern. Zunächst sollen die sich selbst ernähren könne. Zudem würde ich die afrikanischen Staaten vom globalen Freihandel weitgehend ausnehmen, sodass z.B. Nahrungsmittelimporte aus der EU, die die Entstehung einer dortigen Subsistenzwirtschaft verhindern, nicht mehr möglich wären (oder nur noch eingeschränkt, sollte es z.B. zu Hungersnöten kommen). Damit verbunden wäre natürlich auch eine Abschaffung der Subventionen der Landwirtschaft durch die EU.
Dadurch würden sicherlich europäische Bauern pleite gehen, keine Frage. Aber den allgemeinen Lebensstandard würde das nicht merklich beeinflussen. Letztlich würde es sich vielleicht sogar besser halten lassen: Die EU benötigt weniger Geld (40% des EU-Haushaltes gehen in die Landwirtschaft), was vor allem Deutschland als größtem Nettozahler zugute kommt - und man würde mittel- bis langfristig etwas gegen die Flüchtlingsströme aus Afrika unternehmen. Zwar haben damit noch eher die südeuropäischen Staaten zu kämpfen, aber für uns wird das wohl auch zu einem Problem werden. Und zwar einem Problem, das teuer wird- dagegen sind die paar Landwirte, die ohne EU-Subventionen bankrott gehen, nichts.

Kurz: Die Armut anderer wird uns mittel- bis langfristig teuer zu stehen kommen. Das wäre mal ganz egoistisch/vernünftig gedacht, oder?

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 20:14
von realchris
.......

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 21:29
von Floyd
realchris hat geschrieben:Wenn Menschen die Möglichkeit haben, ungestraft etwas böses zu tun, wird eine Mehrheit das tun.
...
Ich meine damit, dass jemand der sich in einem Umfeld befindet, dass sein Tun als böse bezeichnen würden, und er die Möglichkeit hat zu seinem Vorteil ohne Strafe dieses "böse" zu tun, er es auch tun würde.
Dein Konzept von "Vorteil" ist reichlich undifferenziert. Für 1000 € und die Gewissheit, nicht dafür belangt (bzw. gesellschaftlich geächtet) zu werden, werden die meisten Menschen trotzdem keine andere Person töten, da die tatsächliche Kosten/Nutzen-Rechnung nicht nur aus dem Abwägen der Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung besteht.
Wenn man davon ausgeht, dass das Töten eines Artgenossen in einer Gemeinschaft in der frühen Menschheitsgeschichte eher zum Nachteil gereichte (die Dezimierung der eigenen Gruppe verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese durchsetzt und langfristig in den Genpool einbringt), dann wäre es widersinnig, wenn der heutige Mensch bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Mörder würde, unabhängig davon, ob ihm oberflächlich betrachtet nur Vorteile entstehen würden. Ein Mord ist eine psychische Belastung und die meisten Menschen besitzen eine gewisse Hemmschwelle. Daher kann man zumindest daran zweifeln, dass die westliche Welt tatsächlich nichts von ihrem Lebensstandard aufgeben würde, käme es zu dem von dir vorhergesagten Massensterben (mit welcher Gewissheit du solche Thesen aufstellst, finde ich bemerkenswert).

Das obige Beispiel zeigt meiner Meinung nach auch, dass "Moral" nicht vollkommen anerzogen, sondern auch (oder sogar letzlich immer) evolutionär bedingt ist.
realchris hat geschrieben:Manchmal müssen irgendwo ein paar Lämpchen ausgehen, damit 1 hell leuchten kann. Das ist hart und kann uns alle Treffen. Aber so ist das Leben.
Und das leitest du wiederum woraus ab? "Erfahrung"? Survival of the fittest? "So war es, so ist es, so wird es immer sein" kann richtig sein, muss es aber nicht.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 21:31
von Dead
realchris hat geschrieben:
Auch die Griechen werden wohl das Gefühl gekannt haben, sich "falsch verhalten zu haben". Ob man das nun Gewissen oder wie auch immer nennt, ist doch gleichtgültig. Oder ob man's eben gar nicht benennt.
Falsch. Das Konzept des Gewissen ist erst mit der Vorstellung von der monotheistischen Sünde in die Welt gekommen. Die Antike hat so nicht argumentiert. Gewissen ist kulturell anerzogen. Damals hat man mit der Vernunft argumentiert und vor Platon sogar gerne mit dem Nutzen. Es gab kein Gewissen. Das ist eine neuzeitliche Erfindung.
Wenn einem Griechen anerzogen wurde, dass man nicht stiehlt, hatte er kein schlechtes Gefühl dabei, wenn er doch mal etwas stahl?
realchris hat geschrieben:
"Delphinfänger machen sich das zu Nutze, indem sie ein Tier verletzen und so problemlos die ganze Gruppe töten können."


Gutes Beispiel für meine Position. Für den Delphin ist es ein Nachteil sich so zu verhalten und die Evolution wird ihn deswegen rauskicken. Wenn die Ressourcen knapp werden ist es auch ein Nachteil, dass wir unsere potentiellen Feinde der Zukunft stärken. Beim Überleben ist jeder sich selbst der nächste und der es nicht ist, wird aussterben
Sehe ich genauso.
realchris hat geschrieben:Du wechselst übrigens Deine Positionen. Oben hast Du die Vernunft noch von der Moral getrennt!
Also ich denke, dass man bestimmte Wertvorstellungen und ein Moralempfinden nicht hat, weil es vernünftig ist. Es wird einem anerzogen und man ist von bestimmten Grundprinzipien überzeugt - erst im Nachhinein konstruiert man eine anscheindend (scheinbar?) vernünftige Begründung dafür. Nehmen wir Kants kategorischen Imperativ. Eine Person, die die diesen befolgt, könnte es damit begründen, dass sie die Fähigkeit zur Empathie hat und sich somit in andere Personen hineinversetzen kann - da wären wir allerdings wieder im Bereich der Empfindungen/Emotionen (die Person kann nachempfinden, was eine andere Person erleidet und leidet dadurch mit, also fühlt Mitleid). Grundlage der vernunftmäßig begründeten Moral ist also eine Empfindung, in diesem Fall eine ausgeprägte Empathiefähigkeit. Das eine bedingt das andere, da ist für mich keine strikte Trennung möglich.
realchris hat geschrieben:Aber zu der Invasion der Armen:

Realistisch gesehen, können die Armen dieser Welt nichts ausrichten. Sie haben nicht mal das Geld genügend Waffen zu sammeln, um die Nordhalbkugel zu besiegen bzw. nicht genügend Kraft zu kämpfen. Im Endeffekt werden sie in 50 jahren alle verhungern. Also ich habe keine Angst davor. Ich fürchte mich mehr vor dem Aufstand der Bauern, wenn Dein Vorschlag umgesetzt würde. Dafür wird es keine politischen Mehrheiten geben.
Das würde ich so nicht sehen. Während die Menschen in Wohlstandsgesellschaften zur Dekadenz neigen, können ärmere Gesellschaften doch schon enorme Kräfte aufbringen, ist erst mal das Bedürfnis nach besseren Lebensbedingungen stark genug. Wie sind wir denn zu unserem Sozialsystem gekommen? Die Bourgeoisie, um mal marxistisches Vokabular zu nutzen, wollte das Erstarken der sozialistischen Bewegungen mit ihrem Verbalradikalismus und (großteils nur scheinbarem) Revolutionsbestreben eindämmen - um die Gesellschaft zu erhalten, mussten Zugeständnisse an das Proletariat gemacht werden. Im Falle einer kommunistischen Revolution hätte das Besitzbürgertum alles verloren.

Sie brauchen nicht mal Waffen. Ein Flüchtlingsstrom aus Afrika kann man nicht aufhalten. Nicht mal die USA können die Latinos an ihrem Grenzzaun aufhalten, die Latinos werden bald die größte ethnische Minderheit im Land sein, und vielleicht schon in einem Jahrzehnt die Zahl der Weißen übersteigen.
Selbst wenn man mal die Menschenrechte außen vor lässt und jeden, der beim illegalen Grenzübertritt erwischt wird, erschießen lässt: Das würde den Flüchtlingsstrom nicht unterbrechen, erst recht nicht, wenn die Folgen des Klimawandels so extrem sind, wie erwartet. Was haben die denn noch zu verlieren? Ob sie nun hoffnungslos verhungern
oder vorher noch mal schnell versuchen, nach Europa zu kommen - bei letzterem besteht zumindest noch etwas Hoffnung. Die brauchen keine Waffen, die Kosten werden auch so enorm sein. Entweder man unterstützt alle Flüchtlinge finanziell - was wohl kaum finanzierbar sein dürfte - oder man hat bald ein enormes Kriminalitätsproblem - wenn keine Möglichkeit hat, sich seinen Lebensunterhalt legal zu erarbeiten, macht man's eben auf die illegale Tour. Schon jetzt gibt's in den südeuropäischen Ländern mehr als genug afrikanische Taschendiebe und Drogendealer.

Jetzt mal ganz abgesehen von innenpolitischen Entwicklungen von afrikanischen Ländern. Auch der Islam ist in Afrika auf der Vormarsch. Grundlage ist der Frust aufgrund der Armut. Ein Afrika voll mit islamistischen Staaten, vielleicht eines Tages Atommächte, können wir uns nicht leisten. Und auch der Westen ist militärisch nicht stark genug, als dass er Kriege in Afrika und dem Nahen Osten führen könnte. Die USA erreichen mit den derzeitigen zwei Kriegen ja schon ihr Limit. Auch darfst du nicht vergessen, dass China sich zunehmend in Afrika engagiert - ein Konflikt mit afrikanischen Staaten könnte daher auch gleich ein Konflikt mit China bedeuten - und ein Konflikt mit der nächsten Weltmacht dürfte schwierig werden, wenn nicht gar in einen Dritten Weltkrieg ausarten.
Die ganze Sache ist zu komplex, als dass man einfach sagen könnte: Die Armen können eh nix ausrichten.

Was die Bauern angeht: Wir befinden uns in einem Strukturwandel. Die Landwirtschaft ist im Begriff, an Bedeutung zu verlieren. Die Subventionen verzögern das doch nur. Ich sehe das nicht als großes Problem an, sondern schlicht als eine normale Entwicklung in einer freien (und auch sozialen) Marktwirtschaft. Das ist schon mit anderen Bereichen passiert.
realchris hat geschrieben:Frieden, Freude und Eierkuchen gibt es nur in einem Lebensraum, wo die Rohstoffe und Nahrungsmittel langfristig ausgeglichen verteilt sind und die Population stabil bleibt.
Das ist doch mein Bestreben. Wobei ich mich nicht mal so sehr auf die Rohstoffe, sondern vor allem auf die Nahrungsmittel (+Wasser) und die Stabilität der Population beziehen würde. China versucht die Überbevölkerung ja mit der Ein-Kind-Politik anzugehen - allerdings gibt's dort viele Ausnahmen bezüglich Minderheiten. Hinzu kommt der kulturelle Hintergrund (Chinesen wollen lieber einen Jungen als ein Mädchen - jetzt haben sie das Problem, dass die Männer kaum noch Frauen finden) und die agrarisch geprägten Gebiete, in denen die Kinder als Arbeitskraft notwendig sind. Das wird sich aber ändern: In allen Industrieländern sind die Geburtenzahlen am Sinken. China ist noch ein Schwellenland, aber auch dort werden die Geburten auf westliches Niveau abfallen. Daher wäre Industrialisierung eine Möglichkeit, gegen Überbevölkerung vorzugehen. Das würde aber ein anderes Problem verursachen: Wir haben nicht genug Rohstoffe, als dass auch noch alle afrikanischen Länder industrialisiert werden könnten.
Die Nahrung sehe ich noch als das geringste Problem an.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 22:53
von realchris
.......

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 01.06.2009, 23:38
von Floyd
realchris hat geschrieben:Wir haben Momentan noch Bedingungen, wo Moral nützlich ist. Es wird aber immer Situationen geben, die für Moral keinen Platz lassen.
Das klingt für mich so, als wärst du der Ansicht, man könne "Moral" beliebig an- und ausschalten, je nach Situation. Wenn "alles Evolution" ist, dann kann das nicht stimmen (siehe das Mord-Beispiel). Es ist demnach zunächst unerheblich, ob für Moral kein Platz ist. Wenn der Mensch daran zugrunde geht, dass seine generelle Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren zu groß ist, dann ist das eben auch eine "evolutive Fehlentwicklung".

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 02.06.2009, 11:30
von Dead
Floyd hat geschrieben:
realchris hat geschrieben:Wir haben Momentan noch Bedingungen, wo Moral nützlich ist. Es wird aber immer Situationen geben, die für Moral keinen Platz lassen.
Das klingt für mich so, als wärst du der Ansicht, man könne "Moral" beliebig an- und ausschalten, je nach Situation. Wenn "alles Evolution" ist, dann kann das nicht stimmen (siehe das Mord-Beispiel). Es ist demnach zunächst unerheblich, ob für Moral kein Platz ist. Wenn der Mensch daran zugrunde geht, dass seine generelle Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren zu groß ist, dann ist das eben auch eine "evolutive Fehlentwicklung".
Keine Fehlentwicklung. Das würde implizieren, dass es eine richtige Entwicklung gibt, was wiederum bedeuten würde, dass die Evolution ein Ziel hat.
Aber wenn der Mensch an seiner Hilfsbereitschaft zugrunde gehen würde, wie du es ausdrückst, wäre es eben Selektion. Es wäre ein Verhalten, dass in bestimmten Situationen nicht der Arterhaltung dient. Also haben wir drei Möglichkeiten:

1. wir sterben aus.

2. diejenigen, die die Moral ernst nehmen und es für sie ein Nachteil im Überleben ist, sterben aus und diejenigen mit einer "flexiblen Moral" bleiben am Leben und vererben diese Eigenschaft weiter

3. Moral ist auch in Krisenzeiten ein Überlebensvorteil und sie wird sich weiter durchsetzen

Der Mensch geht ja nicht hin und sagt: Das und das ist ein Überlebensvorteil für, deswegen verhalte ich mich so und so. Letztlich ist dieses Verhalten aber - ob moralisch oder nicht - (zumindest teils) evolutionär bestimmt.

Wenn man sich aber das Verhalten von KZ-Insassen ansieht, halte ich das zweite für wahrscheinlich. Die KZ-Insassen waren nicht loyal zueinander, sondern haben in der Regel versucht, das eigene Überleben zu sichern, unabhängig, was das für Mitgefangene bedeutete (Diebstahl von Nahrung z.B.). Ausnahmen gab's natürlich auch.
Sicherlich kann man auch hier die Frage stellen: Wäre moralisches Handeln, also das wäre in diesem Fall z.B. Zusammenhalt, Zusammenarbeit und Solidarität, ein Überlebensvorteil gewesen?
realchris hat geschrieben:Wie lange kann ein Mensch ohne Lebensmittel auskommen. 4 Wochen. Es würde keinen Monat dauern und ein Großteil wäre verhungert. Auch in den Westländern gäbe es Hunger. Wenn wir nichts erfinden, dass umweltfreundlich ist und für alle reicht, wird das in 50-100 Jahren kommen. Aber da bin ich schon übern Jordan. :-)
In Europa mag es zwar mehr Dürreperioden geben, allerdings entstehen bei uns keine Wüsten, wie es in Afrika nach derzeitigem Erkenntnisstand der Fall sein wird. D.h. bei uns kann man zur Not eben noch z.B. Tropenfrüchte anbauen.

Und die Bevölkerung wird ja "nur" dezimiert, es ist ja nicht so, als würde ganz Afrika aussterben. Und irgendwann wird ein Punkt erreicht, an dem die Menschen zwar noch hungern, aber nicht verhungern. Und der Islalismus fällt ja wie gesagt jetzt schon auf fruchtbaren Boden, was man wohl nicht unterschätzen. Man darf nicht vergessen: Die meisten Menschen der Welt leben nicht in Europa oder Amerika. Afrika hat ca. so viele Bewohner wie dier Mitgliedländer der EU zusammen mit den USA.

Re: Seid ihr in einer Partei? + Europawahl

Verfasst: 02.06.2009, 15:40
von Floyd
Dead hat geschrieben:Keine Fehlentwicklung. Das würde implizieren, dass es eine richtige Entwicklung gibt, was wiederum bedeuten würde, dass die Evolution ein Ziel hat.
Die "evolutive Fehlentwicklung" ist ein Zitat von realchris (und steht bei mir zudem in Anführungszeichen). Und vom reinen Standpunkt des Fortbestehens einer Art aus betrachtet kann man wohl schon von einer Fehlentwicklung sprechen, wenn die Art aufgrund der Entwicklung einer bestimmten, für sie letztlich letalen Eigenschaft ausstirbt.
Krankheiten sind auch nur Abweichungen von der Norm, also aus einer bestimmten Perspektive aus "schlecht". Im Prinzip ist das wieder die gleiche Diskussion wie zuvor mit dem Wort "böse", von daher wenig zielführend.
Dead hat geschrieben:Aber wenn der Mensch an seiner Hilfsbereitschaft zugrunde gehen würde, wie du es ausdrückst, wäre es eben Selektion. Es wäre ein Verhalten, dass in bestimmten Situationen nicht der Arterhaltung dient.
...
Der Mensch geht ja nicht hin und sagt: Das und das ist ein Überlebensvorteil für, deswegen verhalte ich mich so und so. Letztlich ist dieses Verhalten aber - ob moralisch oder nicht - (zumindest teils) evolutionär bestimmt.
Ja, hier stimmen wir doch 100% überein, nichts anderes habe ich gesagt ;).
Dead hat geschrieben:Wenn man sich aber das Verhalten von KZ-Insassen ansieht, halte ich das zweite für wahrscheinlich.
Schlechtes Beispiel. Wenn in Afrika ein Massensterben einsetzt, dann muss hier zunächst niemand Todesangst haben. Von daher ist die Situation im KZ mit dem Aufgeben seines bisherigen Lebensstandards überhaupt nicht vergleichbar (letzteres ist deutlich einfacher). Die Frage, die sich stellt, ist also eher, wie viel die Menschen der westlichen Welt entbehren können, bevor es für sie tatsächlich vorteilhafter ist (inklusive den "Schuldgefühlen" etc.), die Bewohner der afrikanischen Länder verhungern zu lassen, und hier bin ich der Ansicht, dass die meisten Länder wahrscheinlich bereit wären, bis zu einem gewissen Grad Abstriche bezüglich ihres Lebensstandards zu machen.