Fightmeyer hat geschrieben:Ich habe gesagt ein religiöser Mensch ist beschränkt darin, seine Religion völlig wertungsfrei einem Publikum (Schüler) vorzustellen. Und dazu stehe ich. Er ist deswegen nicht dümmer oder sonstewas. Das hast Du gesagt.
[...]
Sie sind nur im Vergleich zu anderen schlechter geeignet bestimmte Dinge objektiv zu vermitteln oder vorzustellen.
Sie haben, wie man so schön sagt: "einen verklärten Blick" auf eben jene Themen.
Also hast du Relilehrer mit Kinderschändern eher in dem SInne gleichgesetzt, dass diese Pädophilen eher schlechter für die Erziehung von Kindergartenkindern geeignet sind und sie nicht primär als Gefahr darstellen wollen - hatte irgendwie bei dem Beispiel gleich Bedrohung für die Kinder assoziiert (potentielle Kinderschändung ist für mich eben eine Bedrohung...) und daher deinen Vergleich übertragen (ich verbinde mit dem Wort Kinderschänder eben die Worte "Kinder" und Schändung", mag ja sein, dass das für dich unüblich ist oder du anders zum Kinderschänden stehst als ich, aber du kannst mir keinen Vorwurf machen, wenn ich auf ein solches Beispiel eingehe, du hast es ja zu einem gewissen Zweck verwendet). Selbiges beim Coca-Cola-Beispiel, die sind imho beide dahingehend ziemlich schief und laufen in starke Gefahr, total missverstanden zu werden.
Ich denke aber, dass schlechte Pädagogen, primär Leute, die den Jugendlichen keinen reflektierten Umgang mit Religion nahebringen können, ungeeignet für den Reli-Unterricht sind - und dies nicht mit dem Vorhandensein einer gewissen Einstellung zu einer Religion korreliert.
Jemand, der Religionen verabscheut oder ihnen gleichgültig gegenüber steht, muss nicht automatisch ein besserer Religionslehrer sein. Dein Argument macht überhaupt keinen Sinn! Er kann genauso seine Einstellungen auf die Schüler übertragen. Außerdem halte ich es für ziemlich schwer, eine blutige Maya-Opferung mit den gleichen Gefühlen zu betrachten wie den Bau von Schulen in Paraguay. Jeder Mensch wird seine eigenen Urteile zu den Sachverhalten bilden, wieso sollte nun jemand, der nicht religiös ist, besser diese Urteile unterdrücken können. Gerade im modernen Atheismus hat sich ja (auch zum Leidwesen vieler anderer Atheisten) eine sehr aggressive Front gebildet, die heftig antireligiöse Propaganda proklamiert und ihre Weltanschauung auch schon durch entsprechende Literatur ins Kinderzimmer bringen will. Die sehe ich auch nicht als besser geeignet an, neutraler zu handeln...
Wichtig ist für mich, ob ein Lehrer die Schüler auch selbst urteilen lässt und sie ernst nimmt. Dies hat nichts mit seinem Glauben zu tun. Man kann auch alle Vergleiche, die du angestellt hast, auf die von dir präferierten nicht-gläubigen Religionslehrer übertragen.
Drehen wir doch das ganze einfach um und sagen, dass jemand der glaubt vielleicht mehr Verständnis dafür hat, wenn seine Schüler was anderes glauben, als jemand, der dies nicht tut.
Komme darauf unten noch mal zurück...
DasJan hat geschrieben:"Glauben" heißt für mich "mutmaßen", "vermuten". Ich kann nicht wissen, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, also muss ich es glauben (oder auch nicht). Ich kann nicht wissen, dass es einen Gott, also muss ich daran glauben (oder nicht). Ich glaube aber nicht, dass ich mir eine harmonisch zusammenlebende Gesellschaft wünsche, ich weiß es.
Dann haben wir ein völlig anderes Verständnis von dem Wort Glauben. Für dich bedeutet Glauben eher ein naives, unreflektiertes Mutmaßen. So etwas will ich dir nicht unterstellen, wenn ich meine, dass jeder Mensch an irgendetwas glaubt.
Dass du weißt, was du dir wünscht, nehme ich dir ab. Die Frage ist, warum du es dir wünscht. Da ich dir nix mehr unterstellen will, rede ich mal von mir: Ich wünsche mir eine harmonisch zusammenlebende Gesellschaft, weil ich denke, dass eine solche Gesellschaft besser ist als eine, die sich ständig bekriegt. Dies kann ich daraus herleiten, dass ich Streit, gegenseitige Gewaltanwendung etc. für etwas Schlechtes halte. Darin liegt zumindest mein Glaubensaxiom. Ich kann nicht beweisen, dass manche Sachen schlecht sind. Ich kann bestenfalls anführen, dass Verbrechen z.B. Unwohlsein bei anderen Menschen herbeiführen. Warum sollte es aber gut sein, das Wohl der anderen zu beachten (vor allem in einem speziellen Fall, der so gelagert ist, dass dieses Unwohlsein mir nur Vorteile bringt und nicht auf mich zurückfällt)? Hier würde ich ein Glaubensaxiom meinerseits vermuten, weil ich denke, dass ich das Richtige tue, wenn ich nicht zur Verschlechterung der Situation meiner Mitmenschen beitrage.
Ich lasse mir immer noch keinen "Glauben" andichten. Ich halte mich an Dinge, die ich weiß, weil sie hinreichend belegt sind, und glaube nichts, nur weil es in einem alten Buch steht.
An etwas glauben, weil es in einem alten Buch steht, das tue ich auch nicht. Aber ich denke, wir kommen der Sache näher. Ob man nun sagt, dass religiöse Menschen nur mutmaßen, ob man sagt, dass sie einen "verklärten Blick" haben, dass sie etwas annehmen, nur weil es irgendwo schwarz auf weiß steht, dies deutet auf eine gewisse Definition von Glaube hin, den ich dir nicht unterstellen oder andichten will. Ich halte dich durchaus für einen reflektiert denkenden Menschen. Wenn du denkst, dass ich dir so etwas andichten möchte, dann tut es mir Leid, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt habe.
Denn diese Definition von Glaube ist nicht das, was ich unter Glaube verstehe. Zunächst einmal glauben Christen nicht an ihre Glaubensinhalte, bloß weil sie in der Bibel stehen. Spätestens die Zuschreibung eines (wie auch immer gearteten) Wahrheitsgehalt der Bibel kann nicht durch diese begründet werden, da es ja ein Zirkelschluss wäre. Es gibt biblizistische Gruppierungen, die einen sehr krassen Umgang mit der Bibel pflegen. Nur hat dieser nicht den Begriff Glaube für sich gepachtet.
In der Regel haben sich zumindest in unserer Gesellschaft die meisten Gläubigen nicht blind entschieden. Sie meinen auch, dass ihre Ansichten hinreichend belegt sind, nur die Art der Belegung ist nicht zwangsläufig eine empirische oder naturwissenschaftlich methodische.
Lass uns aber bitte im Folgenden das Christentum verlassen und über Glauben allgemein sprechen. Wir haben diesbezüglich wahrscheinlich viel zu entgegengesetzte Erfahrungen gemacht und schweifen sonst wieder nur auf den christlichen Glauben ab, der erstens nicht einheitlich ist und zweitens nur ein Glaube unter vielen ist.
DasJan hat geschrieben:
"Glauben" heißt für mich "mutmaßen", "vermuten". [..]. Ich kann nicht wissen, dass es einen Gott, also muss ich daran glauben (oder nicht).
Du sagst selbst, dass sowohl jemand, der an einen Gott glaubt, als auch (im logischen Schluss) jemand, der nicht an einen Gott glaubt, gläubig ist. Da ich es nicht wissen kann, muss ich glauben oder nicht. Das heißt, ich glaube entweder, dass es ihn gibt, oder ich glaube daran, dass es ihn nicht gibt. In beiden Fällen bin ich gläubig und "mutmaße" vielleicht auch über die Existenz, weil ich ja nicht um die Existenz wissen kann.
Bei jedem Menschen, der sich nun für das eine oder andere entscheidet, werden aber persönliche Erfahrungen und Überlegungen zu dieser Annahme führen. Jemand kann z.B. bei all dem Leid dieser Welt nicht an eine höhere Gerechtigkeit glauben und entscheidet sich dagegen. Ein anderer wird durch philosophische Überlegungen vom Theismus überzeugt und entscheidet sich für eine spezifische Religion. Ein anderer macht Erfahrungen in der bereits vorhandenen kindlichen Gottesbeziehung und entscheidet sich dann irgendwann dafür oder dagegen, je nachdem wie diese Erfahrungen nun aussahen. Selbst Dawkins führt eine Definition an, gemäß der ein Atheist an etwas glaubt "An atheist in this sense of philosophical naturalist is somebody who believes there is nothing beyond the natural, physical world world ... (u.s.w.)" (God Delusion, S.14).
All diese Glaubensüberzeugungen sind meist nicht willkürlich geraten. Die Überzeugung, dieser Glaube, resultiert aus einem Prozess, der zur Findung einer Entscheidung geführt hat. In dem Falle, dass jemand eine solche Entscheidung trifft, würde ich auf jeden Fall von Glaube sprechen.
Glaube heißt für mich, auf etwas oder jemandem zu vertrauen. Glaube ist das Überzeugt-Sein von der Gültigkeit bestimmter nicht verifizierbarer Sachverhalte, welches aufgrund von Indizien, Erfahrungen, Beobachtungen etc. zustande gekommen ist. Glaube bedeutet auch, dass diese speziellen Überzeugungen das Fundament für meine weiteren Handlungen und Überzeugungen sind.
Wissen kann ich nichts ohne einen vorhergehenden Glauben. Wenn ich meine, etwas zu wissen, dann z.B. auf der Glaubensgrundlage, dass mein Physikbuch nicht lügt, dass mich meine Mitmenschen (aber auch meine Sinne!) nicht belügen etc.
Auch Empirie und die Naturwissenschaft bringen mich nicht überall weiter. Sie gehören mit zu den wichtigsten Zugängen zur Wirklichkeit, aber decken viele Bereiche nicht ab (erst wenn ich sage, dass nur die Sachen existieren, die im Rahmen dieser Methodik erfassbar sind, tun sie das. Hier wird aber an die Allumfassendheit einer spezifischen Methodik geglaubt - und damit sind wir schon sehr nahe am Fundamentalismus). Der Verstand kann nicht alles erfassen, der Bauch ist unzuverlässig und unsere Erfahrungen können uns manchmal täuschen. Alle Bereiche haben ihre Grenzen und Wirkungsbereiche.
Ich behaupte, dass jeder Mensch in diesem obigen Sinne glaubt. Selbst wenn er noch keine Ansicht über die Frage seiner Religion gefunden hat, so gibt es doch dutzende andere Bereiche, wie die der Ehtik, Ästhetik, des sozialen Miteinanders, in denen er glaubt.
Ich würde als Konsequenz einen Menschen, der sich als gläubig bezeichnet, sogar nicht nur als nicht verschränkter gegenüber jemanden bezeichnen, der meint, er glaube nicht, sondern ich würde die Sache umdrehen: Wer glaubt und sich dessen bewusst ist, weiß dann mehr: nämlich dass er glaubt und dass sein Wissen nicht vollständig und nur vorläufig ist.
Deshalb halte ich einen solchen Menschen häufig eher dafür geeignet, sich mit den Glaubensvorstellungen anderer auseinanderzusetzen, als jemanden, der meint, er würde ausschließlich über Wissen verfügen.