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Das Leben
Für mich ist das Spiel im Grunde eine Ode an das Leben. (so gesehen sind die Ähnlichkeiten zu 2001 - Odyssee im Weltraum nicht ganz von der Hand zu weisen) Deutlich wird das für mich durch die Kristalle und das Leiden der Außerirdischen, die sozusagen in der Sternzeit 6 gefangen sind. Leben ist, aus astronomischer Sicht, aufgrund der Kraftgesetze nur im drei-dimensionalen Raum möglich. Die Lichtbrücken und das damit beschworene Auge sowie der misslungene Versuch der Aliens, ihre Welt in die Sternzeit 6 zu holen, weisen auf die Unmöglichkeit hin, das Leben als solches darüber hinaus in der Unendlichkeit erhalten zu können. Der Alien-Botschafter, also jenes Wesen, das wir wie Schneewittchen aus dem Jahrhundertschlaf erwecken, liefert auch selber eine Beschreibung über das "das Unmögliche sehende" Auge, das die drei Dimensionen der Zeit ebenso wie die drei Dimensionen des Raums sehen kann. Alles zusammen recht deutliche Verweise auf die Quantenphysik und die spezielle Relativitätstheorie und der für Menschen (bislang) bestehenden Unmöglichkeit zu deren Vereinigung. Wäre unser Alien-Freund der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman gewesen, hätte er wohl stattdessen gesagt: "Wer behauptet, unser Schaffen verstanden zu haben, der hat es nicht verstanden.", um schließlich mit seinen letzten Worten "Gut, dass man nur einmal sterben muss, es ist so langweilig.“ wieder in seiner Pyramide zu verschwinden. ^
Der Mensch
Der Naturwissenschaftler Brink und seine Alterung kann wohl als eine Art Bürde angesehen werden. Ich fühle mich jedenfalls ein wenig an Frodo oder Bilbo aus der Herr der Ringe erinnert, die durch den Einen Ring ebenfalls bleibende "Erinnerungen" behalten, oder bei Brinks Tod und seiner späterer Besessenheit auch an Boromir, der der Versuchung (des Rings) nicht widerstehen kann. Er stellt, wie auch die beiden anderen menschlichen Hauptdarsteller, ganz bewusst einen (zugegeben etwas klischeehaften) Stereotyp dar, der sich auch auf der Oberfläche unserer Erde wiederfindet. Dennoch empfinde ich die Protagonisten - gerade auch durch die Dialoge unter und über der Oberfläche des Alien-Planeten - nicht als flach, denn sie sind eher als Spiegel unserer selbst zu verstehen und jeder dürfte sich ein Stück weit selber in ihnen wiederfinden. Das Spiel geht also gleichzeitig auch auf all die Charakteristika ein, die uns zum Menschen machen, und zeigt uns ebenfalls, wie unmenschlich hingegen eigentlich die Zeit ist. Man könnte auch sagen, in The Dig wird der Weltraumaffe namens Mensch zu Schrödingers Katze (Achtung, harter Stoff für Tierliebhaber!), die (eine etwas seichtere "Erklärung") vermutlich deshalb auch in den Credits aufgeführt wird. (mehr dazu weiter unten)
Die Welt(en)
Und dann hätten wir da noch den Planeten selber, im Buch Cocytus genannt, der in der (oder bei aller?) Tat ebenfalls einer der Hauptdarsteller ist. Die Parallelen zur Erde sind allzu deutlich, als dass man sie von der Hand weisen könnte: einen zu grössten Teilen von Wasser bedeckter Planet, der von einem Mond umkreist wird, der (von der Darstellung im Planetarium abgeleitet) proportional so ziemlich unserem eigenen entsprechend dürfte. Mit dem kleineren Mond wird symbolisch indirekt ein (Achtung Wortwitz) weit hergeholtes Weltenraumschiff dargestellt, zwischenzeitlich war ich tatsächlich der Ansicht, es könnte sich dabei um das Asteroiden-Raumschiff handeln. (schließlich muss das nach unserer Ankunft ja irgendwo geparkt worden sein!) Zumindest erwähnt Herr Alien-Botschafter den "sinnlosen Wunsch an ein nicht existentes Zuhause" und dass "jede Intelligenz ohne Rast fortschreiten muss". Wenn man sich deren Sonne oder viel mehr deren Farbe anschaut, wird sich diese ebenso wie die unsere gemäß der Klassifizierung von Sternen irgendwann in einen roten Stern verwandeln und erlischen. Auch auf der Erde gibt es daher (bereits schon jetzt) Gedanken und Pläne zu einer Art Generationen-Raumschiff, um den Fortbestand der Menschheit zu retten. Cocytus ist gewissermaßen als Allegorie zu sehen, mit unserem eigenen Planeten und seinen vorhandenen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen.
Das Restaurant (am Ende des Universums)
Zeit für die letzte Bestellung: das Fazit. The Dig schafft mit seinen damaligen grafischen und musikalischen Mitteln eine ganz besondere Atmosphäre, die wohl selten wieder so erreicht wurde. Die verschiedenen, im möglichen Rahmen der 3rd-Person-Ansicht, dargestellten Sichtweisen tragen dazu nicht unwesentlich bei. Schade ist hierbei, dass die Perspektiven scheinbar nicht immer so ganz übereinstimmen wollen und auch das Farbspektrum nicht immer eine gute Orientierung gewährleistet. Dafür gleicht das die relativ metaphysisch angelegte Story wieder mehr als aus. Sehr anschaulich wurde hier die Natur des Lebens mit der unnatürlich wirkenden Unendlichkeit des Seins verwoben. Bobbin wäre sicher stolz gewesen. Auch wenn das Spiel gewiss nicht das Rad neu erfindet, so erzählt bzw. interpretiert es doch verdammt gut, was die Welt im Einzelnen zusammenhält. Oder wie Maggie, die sich vermutlich immer noch "tierisch darüber aufregt", dass "irgend jemand anders die Geschichte schreiben müssen wird", fragen würde: "Richtig, aber wird es auch GUT werden?" Nun, wir werden sehen, Maggie, aber zumindest das Spiel ist mehr als das geworden. Ein zeitloser Stern im Adventure-Himmel! Was am Ende übrig bleibt, ist vielleicht ein etwas lahmes Ende, wenn man sich Antworten gewünscht hat, die The Dig aber unmöglich liefern konnte. Mir hat es bis auf die Darstellung der Sternzeit 6, die im Vergleich zu den geradezu phantastischen Darstellungen des Alien-Repräsentanten eher unspektakulär daher kommt, gemessen an der Schwere der Thematik jedoch ausgesprochen gut gefallen.
Sehr sympathisch finde ich zudem, dass in der Endsequenz die Locations der vorherigen Version von The Dig (auch Brian-Moriarty-Version genannt) gezeigt werden, sowie im Abspann an deren Entwickler als "Geister der Vergangenheit" erinnert wird. Selbst der zum Glück (da relativ unlogisch) aus dem Spiel entfernte vierte Hauptcharakter Toshi Olema, einem japanischen Finanzier der NASA-Mission, wurde mit der Beibehaltung seines Firmenlogos am Kommunikations-Pad entsprechend gewürdigt. Monkey, die Katze, verstehe ich (neben o.a. Deutung) übrigens als eine Anspielung auf den ersten Weltraumaffen und Maggie Robbins als eine Art Memorial an Christa McAuliffe (ähnlich wie schon fünf Jahre zuvor in Wing Commander), die meines Wissens nach als erste Zivilistin (sie war eigentlich Lehrerin) bei einer Space-Shuttle-Mission 1986 mit samt der kompletten Besatzung bereits kurz nach dem Start ums Leben kam. Ihr Motto war: "Ich berühre die Zukunft. Ich unterrichte." Möge "The Dig" also niemals enden!
-- Crow
(entschuldigt sich für den langen Text. Bitte als Wertschätzung gegenüber dem Spiel verstehen.
