Die Welt in Empathy – Path of Whispers wurde aus Emotionen und Erinnerungen erschaffen. Doch irgendetwas hat alles Leben und die einstige Schönheit aus ihr entfernt. Ein Versuch, das Gleichgewicht wiederherzustellen, scheitert. Einsam erkundet der Spieler deshalb in Empathy wunderschöne, aber verlassene Schauplätze. Als klassisches Explorationsadventure wird die Hintergrundgeschichte dabei hauptsächlich durch Audiobotschaften transportiert. Zudem startet der Titel mit dem klassischen "Ich weiß nicht wer oder wo ich bin"-Setting. Es ist nicht viel, was das Adventure dem Spieler zu Beginn mit auf den Weg gibt. Während ein Erzähler scheibchenweise Informationen zu der merkwürdigen Welt und ihrer Geschichte abgibt, erzählen gefundene Objekte kurze Ausschnitte aus dem Leben ihrer Besitzer. Das wirkt vor allem anfangs sehr verwirrend, denn zum einen gibt es sehr viele Charaktere, zum anderen gestaltet es sich zunächst schwierig, eine Struktur in das Ganze zu bekommen. Damit verlangt der Titel dem Spieler ähnlich viel ab wie Dear Esther oder Everybody’s Gone to the Rapture. Mit der Zeit fügen sich die einzelnen Puzzlestücke zusammen und es entfaltet sich eine insgesamt recht spannende Hintergrundgeschichte, die sich jedoch hin und wieder selbst etwas im Weg zu stehen scheint. Zu viele Nebenstränge werden angerissen, die Schicksale der einzelnen Personen wirken zum Teil überdramatisiert. Zudem bleiben zu viele Dinge zu vage, auch nach einer aus drei Einzelbildern und kurzen Sätzen bestehenden Zwischensequenz am Ende des Spiels. Das ist schade, denn in der Atmosphäre und dem Aufbau des Spiels hätte deutlich mehr Potential gelegen.
Die Erinnerungen der Nebencharaktere werden zum Großteil mit einem speziellen Gerät in die Welt geholt. Dabei muss jedes Mal eine Audiowelle korrekt eingestellt werden. Amplitude, Frequenz und Wellenlänge werden mit dem Scrollrad der Maus so lange verschoben, bis ein vorgegebener Zustand erreicht ist. Was anfangs noch ganz nett ist, entwickelt sich schnell zu einem nervigen Minispiel, das schlicht Zeit kostet. Das Gerät dient darüber hinaus auch als Hotspot-Anzeige – allerdings längst nicht für alle Objekte, die gefunden werden können. Einige Elemente liegen ohne weitere Hinweise in den riesigen Arealen. Ob sie gefunden werden, ist vom Erkundungsdrang des Spielers abhängig. Diese Gegenstände sind jedoch auch nicht spielentscheidend. Da das Diagnosegerät immer nur eine begrenzte Zahl an Objekten anzeigt und nach dem Auffinden dieser Reihe neue Gegenstände erscheinen, ist das Spiel stark linear. Oftmals wird dann eine Rückkehr an bereits besuchte Orte notwendig, was den Titel unnötig in die Länge zieht. An seine Grenzen stößt das System, wenn eines der wenigen Rätsel gelöst und dadurch ein bestimmter Weg gefunden werden muss. Stoisch werden die nächsten Objekte angezeigt, nur fehlt die Information, wie der Spieler dorthin kommen soll.
Der größte Pluspunkt des Spiels sind die riesigen, detailreich gestalteten Schauplätze, die tatsächlich zum Erkunden einladen. Neben beeindruckenden Hauptmotiven wie einer riesigen Atlas-Statue, die einen ganzen Park auf dem Rücken trägt, gibt es auch viele kleine Details zu entdecken. Die insgesamt fünf Spielabschnitte sind abwechslungsreich gestaltet, kleinere Animationen machen die an sich leblose Welt etwas aktiver. Es gibt zwar hin und wieder Schwächen bei konkreten Ausprägungen von Objekten, wie etwa niedrigere Texturenqualität und Wiederverwendung von Objekten, insgesamt ist die virtuelle Welt in Empathy aber ein echter Hingucker.
In Empathy können auch einige wenige Gegenstände in ein einfaches Inventar übernommen und an anderer Stelle eingesetzt werden. Hinzu kommen drei Minispiele, bei denen der allseits bekannte Stromkreis durch drehende Platten geschlossen werden muss und sich mitdrehende Ventile korrekt ausgerichtet werden. Der Titel fokussiert sich ganz klar auf die Erkundung der Spielwelt und das Auffinden von Erinnerungsfragmenten.
Eines der wichtigsten Elemente eines Explorationsadventures ist die Audioqualität. Während der Erzähler seinen Part souverän meistert, klingen vor allem einige Nebenrollen sehr hölzern und unglaubwürdig. Die zahlreichen Akzente (wie etwa russisch und französisch) in der nur auf Englisch verfügbaren Sprachausgabe machen diesen Umstand nicht besser. Die deutsche Übersetzung per Untertitel ist nicht immer ganz akkurat, aber insgesamt gut. Durchweg gelungen ist der atmosphärische Soundtrack, der viel zum Spielerlebnis beiträgt. Die Geräusche sind passend gesetztes Mittelmaß.
Empathy bietet eine sehr schöne Grafik und abwechslungsreiche, liebevoll gestaltete Schauplätze. Die allgemeine Hintergrundgeschichte ist ausreichend spannend, verliert sich aber in überdramatischen Nebensträngen, die sich der Spieler über die Zeit selbst zusammensetzen muss. Im Gegensatz zu anderen Vertretern des Genres bleibt der große Aha-Moment aus, bei dem alle Stränge logisch ineinander laufen und ein lückenloses Ganzes ergeben – oder zumindest die Basis für weitere Interpretationen liefern. Das ständige Einstellen von Audiowellen, um Objekte zu finden und weiter fortzuschreiten, wirkt schnell repetitiv und nervig. Zusätzlich schickt der Titel den Spieler durch sein lineares Design immer wieder zurück an bereits besuchte Orte des aktuellen Schauplatzes, was sich ebenfalls negativ auf die Atmosphäre auswirkt. Hinzu kommt die durchwachsene Sprachausgabe. Was bleibt, ist ein an sich interessanter Titel mit einigen Stärken, aber auch deutlichen Schwächen. Ein lohnendes Erlebnis ist Empathy aber trotz allem immer noch, wenn auch hauptsächlich für Fans des Explorationsadventures.
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