Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

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Fightmeyer
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Re: Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

Beitrag von Fightmeyer »

Kruttan hat geschrieben: Der ideelle Gläubige ist sich aber der Vorläufigkeit all seiner Ansichten bewusst und er ist sich auch bewusst, dass es Dinge gibt, an die er glaubt, die andere nicht glauben und ihre Gründe dafür haben. Unter diesen Voraussetzungen ist Pluralität möglich. Man kann den anderen Menschen annehmen, ihn ernst nehmen und Erfurcht vor den Dingen bewahren, die ihm heilig sind.
Das klingt zwar alles sehr schön und harmonisch und mit dem Blick durch eine Rosa-Sonnebrille, aber es hat doch mit der Realität wenig bis gar nichts gemein.

Frage ich den Papst, ob er sich "der Vorläuffigkeit seiner Ansichten" bewußt ist, werde ich wahrscheinlich aus dem Petersdom geworfen... :D

Für mich klingt das irgendwie nach "Ich glaub da zwar dran, aber ich weiß, daß es eigentlich Quatsch ist." So jemand ist dann nicht wirklich gläubig oder religiös.
Kruttan
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Re: Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

Beitrag von Kruttan »

Wie sieht denn dann der ideale Gläubige für dich aus?
Zuletzt geändert von Kruttan am 24.06.2008, 00:29, insgesamt 1-mal geändert.
>>Laverne, wie bist du nach oben gekommen?<<
>>Ich bin oben? Ups.<<
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Fightmeyer
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Re: Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

Beitrag von Fightmeyer »

Meinst Du jetzt den "ideellen Gläubigen" oder den "idealen Gläubigen" ?
Kruttan
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Re: Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

Beitrag von Kruttan »

sorry, meinte den "idealen", war eben echt von dir geschockt ;)

Sorry ;)

--- edit ---

Wobei, auch wenn ich als aufgrund meiner Konfession ebenfalls meine Probleme mit dem Papst habe, würde ich selbst diesem Menschen nicht unterstellen, dass er auf jeden Fall auf deine Frage mit einem "nein" antworten würde. Es gibt da schon ganz andere Glaubensführer...

Mich würde auch interessieren, wieso du jemanden den Glauben absprechen würdest, wenn er sich gemäß den von mir dargestellten Verhaltensregeln verhält...

--- edit ---

Weiß grad wieder nicht, wie ich deinen Post von eben auffassen soll... Erläutere bitte doch mal, wie für dich der typische Gläubige aussieht und einmal, wie er sich verhalten sollte.
>>Laverne, wie bist du nach oben gekommen?<<
>>Ich bin oben? Ups.<<
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Fightmeyer
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Re: Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

Beitrag von Fightmeyer »

Kruttan hat geschrieben:sorry, meinte den "idealen", war eben echt von dir geschockt ;)
Wieso? Hab ich was verpaßt?
Kruttan hat geschrieben: Mich würde auch interessieren, wieso du jemanden den Glauben absprechen würdest, wenn er sich gemäß den von mir dargestellten Verhaltensregeln verhält...
Tu ich ja nicht. Es klang halt nur irgendwie unglaubwürdig.
Kruttan hat geschrieben: Weiß grad wieder nicht, wie ich deinen Post von eben auffassen soll... Erläutere bitte doch mal, wie für dich der typische Gläubige aussieht und einmal, wie er sich verhalten sollte.
In meinen Augen gibt es zwei Arten von Gläubigen. Die einen, die irgendeiner Religion angehören (meißtens, weil die Eltern das auch schon waren und das halt einfach fortgeführt wird) und für die die Religion eigentlich mehr ein gesellschaftlicher Treffpunkt ist, denn eine Lebensweise.
Wenn ich mich an meine Kindheit in der Kirche erinner, dann fallen mir viele Familien ein, mit denen wir damals was unternommen haben. Das Thema Gott und Glaube und Religion ist da nie angesprochen worden. Vielmehr hieß es: "Man trifft sich wieder mit den Leuten von Kirchens." Da diente der Glaube also wie gesagt eher als Grund eines Zusammentreffens. (find ich im Grunde gut - aber braucht es dazu extra einen Glauben oder eine Religion?) Man muß sich das so vorstellen, daß die meißten ihre Stunde am Sonntag abgesessen haben und danach dann erst der eigentliche Spaß begann, in dem man sich danach vor dem Kirchenplatz noch ne Stunde unterhalten und ausgetauscht hat. Von tiefer Religiösität war man da weit entfernt. (hat man auch so aus den Gesprächen herausgehört)

Die zweite Art sind dann wiederum das krasse Gegenteil. Gläubige, die nichts auf ihre Religion kommen lassen. Jedwede Kritik im Keim ersticken und für sich die allgemeine Wahrheit gepachtet haben. (das würde ich jetzt im Übrigen auf keine Religion beschränken wollen - das gibt es überall) Bestes Beispiel sind hier die Ausraster bei den Mohammed-Charikaturen...
Das ist jetzt natürlich die extremste Form, aber in abgeschwächter Form gibts das meinem Empfinden nach in breiten Kreisen. Der Pfarrer unserer Gemeinde damals war beispielsweise auch fernab jeder Kritikfähigkeit bzw. Diskussion.

Wie gesagt, das sind nur meine Erfahrungen. Sicherlich gibt es noch eine Dritte Gruppe, die aus Hoffnung, Trauer oder Verzweiflung wirklich glaubt oder versucht zu glauben.
Gerade bei der älteren Generation sieht man das noch. Obwohl da jede Form des selbstkritischen Hinterfragens völlig Flöten gegangen ist. Getreu nach dem Motto: "Wenn der Pfarrer das sagt, dann muß es ja stimmen."

Auf Deine Frage, wie er sich verhalten sollte, möchte ich eigentlich nciht antworten, da das in höchstem Maße spekulativ ist und solche was-wäre-wenn-Spielchen nichts bringen.
Da halte ich es für sinnvoller, sich erstmal über den aktuellen Zustand zu verständigen.
Kruttan
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Re: Der 'Ehrenmord' und die Volksseele

Beitrag von Kruttan »

Fightmeyer hat geschrieben:In meinen Augen gibt es zwei Arten von Gläubigen. Die einen, die irgendeiner Religion angehören (meißtens, weil die Eltern das auch schon waren und das halt einfach fortgeführt wird) und für die die Religion eigentlich mehr ein gesellschaftlicher Treffpunkt ist, denn eine Lebensweise.

[...]

Die zweite Art sind dann wiederum das krasse Gegenteil. Gläubige, die nichts auf ihre Religion kommen lassen. Jedwede Kritik im Keim ersticken und für sich die allgemeine Wahrheit gepachtet haben.

[...]

Sicherlich gibt es noch eine Dritte Gruppe, die aus Hoffnung, Trauer oder Verzweiflung wirklich glaubt oder versucht zu glauben. [...] Obwohl da jede Form des selbstkritischen Hinterfragens völlig Flöten gegangen ist.

Ich würde sagen, dass Gruppe 1 tatsächlich den Löwenanteil der meisten religiösen Menschen ausmacht. Wobei dies meiner Erfahrung nach bei jeder Gruppe auftritt, die ein bestimmtes Weltbild oder eine bestimmte Ideologie gemeinsam haben. Genauso wie die meisten sich keine Gedanken über ihren Glauben in der christlichen Szene machen, werden auch die meisten, die sich als nicht-gläubig bezeichnen, bloß deshalb nicht an einen Gott glauben, weil Gedanken über diese Materie keinen dominanten Platz in ihrem Leben haben.

Und diese zweite Art von Religiosität stellt dann die andere Extreme dar (das wären im Vergleich dann jene Atheisten, die zu einem öffentlichen Treffen christlicher Teenager gehen und diese mit Glasflaschen bewerfen).

Ich denke, dass dies immer die Gruppen sind, die am meisten auffallen, wenn man sich nicht innerhalb der eigentlichen Szene befindet. Entweder der Löwenanteil, der völlig oberflächlich ist, oder der extreme Kern, der halt auffällt, da positives Verhalten für gewöhnlich als selbstverständlich gilt und daher übergangen wird.

Dennoch halte ich dies für ein verzerrtes Bild, da es immer noch einen großen Teil gibt, den man nicht erfasst. Auch deine dritte Gruppe finde ich da unbefriedigend, solche gibt es sicher auch, aber das auch dort die Selbstreflexion fehlt, zeichnet schon ein Bild von Religion, dass selbstkritisches Hinterfragen ausschließt (da Selbstkrik für Gruppe 1 unwichtig und bei Gruppe 2 nicht vorhanden ist), was imho nicht richtig ist. Denn ist gibt in jeder Gruppe Leute, die keine Selbstkritik auf sich kommen lassen.

Ich würde sagen, dass ich viele Menschen kenne, von denen ich sagen würde, dass sie einerseits selbstreflektiert, andererseits aber auch authentisch glauben und Kritik ernst nehmen. (Wobei ich aber aus einem protestantischen Akademikerghetto komme und solche Leute weniger in einem texanischen Dorf nebst einer vor drei Jahren gegründeten Megachurch finden würde)

Vielleicht könnte man verschiedene Skalen einführen. Das sich Gläubige in ihrem Grad an (1) Selbstreflexion und Kritikfähigkeit und (2) dem persönlichen Stellenwert ihrer Religion unterscheiden.

Deine erste Gruppe hätte in (2) einen sehr niedrigen Wert, egal was für einen Wert (1) nun hat. Sie passt archetypisch in unsere Konsumgesellschaft. Dann haben andere einen sehr niedrigen Grad an (1) und einen sehr hohen an (2), was dann deiner zweiten Gruppe entsprechen würde. Die Gruppe Nummer drei hat dann einen höheren Grad an (1), der sie zwar bereits sozialfähig macht, aber in einem naiven Glauben belässt, was aber eventuell aufgrund der intellektuellen Möglichkeiten bei jenen Individuen vielleicht auch nicht besser geht.

Dass ein niedriger Grad an (2) nicht unbedingt zur Authentizität beiträgt und, dass man da eventuell auch nicht mehr von einem religiösen Menschen sprechen würde, sehe ich ein.

Dennoch würde ich sagen, dass ein hoher Wert bei (1) nicht zwangläufig einen niedrigen bei (2) bedingt. Nur dass der Wert (1) in unserer Welt bei den meisten Menschen ruhig höher sein dürfte (unabhängig von ihrem Glauben) und Religiösität nicht mit einem niedrigen Wert in (1) korreliert.

Ein hoher Grad an (1) sorgt dafür, dass man eben nicht annimmt, die Wahrheit für sich allein gepachtet zu haben und aufgrund der eigenen Fehlbarkeit auch Menschen anderer Glaubensrichtungen respektieren kann, dennoch seine Glaubensüberzeugung als wahr ansieht (auch mit der Bereitschaft, sie im Falle neuer Erkenntnisse zu modifizieren).

Wenn ich dich richtig verstehe, hältst du es für unglaubwürdig, dass ein religiöser Mensch hohe Werte in (1) haben kann, zumindest betrachtest eine solche Gruppe nicht bzw. aufgrund deiner Kommentare zu meiner Gruppe idealer Gläubiger (die sich durch ein hohes Maß an 1 und 2 auszeichnen) scheinst du ihre Existenz für utopisch zu halten.
Ich würde aufgrund meiner Erfahrung aber sagen, dass es aber solche Menschen gibt und nicht wenige. Diese "vierte Gruppe" dürfte zusammen mit deinen Gruppen eins und drei auf jeden Fall haushoch über deine Gruppe 2 dominieren. In unserem Kulturkreis dürfte Gruppe 2 sogar ziemlich klein, fast schon vernachlässigbar sein.

Nur ist es eben so, dass aggressive und äußerst dumme Verhaltensweisen hervorstechen, während man einen halbwegs zumutbaren Grad an (1) schon für selbstverständlich hält und daher nicht wahrnimmt.

Für die Gesellschaft problematisch sind meines Erachtens nur jene, die sehr niedrig in (1) und gleichzeitig seht hoch in (2) sind. Also deine Gruppe Nummer 2.
Allerdings umfasst sie nur einen kleinen Ausschnitt der religiösen Menschen und man muss auch betrachten, dass aggressives und zerstörerisches Verhalten nicht unbedingt aus der Religion gewonnen wird, diese aber super daraufgesetzt werden kann. Und man muss festhalten, dass bei einem hohen Grad von (1) vielleicht die Chance besteht, dieses Verhalten zu hinterfragen und zu ändern.

Daher verstehe ich es nicht, warum man gegen die Religion generell kämpft, anstatt sich für eine höhere Kompetenz im Bereich (1) einzusetzen. Warum sollen wir christlichen Religionslehrern Unterrichtsverbot erteilen, in der Hoffnung, dass sich nicht deren Weltanschauung auf die Schüler überträgt (was aber gleichzeitig impliziert, dass sich das Nicht-Überzeugtsein der Alternativlehrkräfte auf die Schüler übertragen soll), anstatt Lehrer zu fordern, die generell über ein hohes Maß an Kompetenz in (1) verfügen, unabhängig ihrer Religiosität? Da es generell ein Ziel der Schule sein sollte, die Schüler zur Kritik und Selbstreflexion zu erziehen, wäre dies doch viel angebrachter - außerdem kann man an den Universitäten dahingehend auch die Ansprüche bei der Lehrerausbildung legen. In jedem Fach ist ein Lehrer mit einem geringen Grad an (1) nicht zu gebrauchen. Auch ein Politiklehrer, der die Schüler die ganze Zeit von der Unfehlbarkeit eines "linksorientierten Anarchismus" überzeugen will, ist fehl am Platz.

Natürlich nur unter der Prämisse, dass (1) und (2) unabhängig voneinander sind und sich nicht ausschließen. Aber davon gehe ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen aus.
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