Stuttgart 21

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realchris
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von realchris »

Es geht wirklich um die Bäume und die Umwelt. Ich glaub es nicht. Es gab doch einen Entscheid. Sie dürfen gerne protestieren. Eine Mehrheit haz sich aber schon lange dafür für etwas anderes entschieden.

Sie können die Bäume auch ausheben lassen und an den Stadtrand stellen. Wäre mein Vorschlag.
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Simon
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von Simon »

realchris hat geschrieben:Sie können die Bäume auch ausheben lassen und an den Stadtrand stellen. Wäre mein Vorschlag.
Wer weiß, am Ende wäre das sogar billiger, als der Polizeieinsatz. ;)
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gff
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von gff »

Ich war noch nie in Stuttgart, kenne also die örtlichen Begebenheiten nicht.
Mir erscheint dieses Projekt wie ein Dinosaurier- kein Wunder, geplant wurde ja seit 1995.
Es hätte aber auch ins Jahr 1975 gepasst, da wurde einfach platt gemacht ohne Rücksicht auf Verluste.

Weiterhin gab es Stimmen die sich darüber aufregten, daß man dort Schüler in die erste Reihe gestellt habe.
Und was denn den Lehrern einfiele mit ihren Klassen dort hinzugehen wo sie nichts zu suchen hätten.
Dazu ich: Genau, genau. Passt wohl nicht, daß sich Schüler zu Themen engagieren. Da könnte man die ja gleich, ähm, wählen lassen, z.B. bei der Europawahl.
Interessant auch: die Demonstranten hatten Kinder in der ersten Reihe um das ganze friedlich zu halten. Denn; so der geriffelte Plan; Wer verprügelt schon Kinder?
Davon ließen sich die führenden Politiker natürlich nicht reinlegen und reagierten per Wasser/Pfefferpsychologie.
Die können ja alles. außer Hochdeutsch.

Außenminister Westerwelle beklagt, daß nun die BRD zu einem Nichts-geht-mehr-Land werden könnte und dies die Industrie abschrecken würde, was Arbeitsplatzverluste zur Folge hätte.
Naja, möglich war die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Da hat man ja die Kaffekasse der Strahlemänner ordenstlich zu einem schmerzenden Bruchteil geplündert(hier Westerwelle lachend im Piratenkostüm denken).

Und Arbeitsplätze gehen sowieso verloren, die feindliche Übernahme Hoch-Tiefs durch die Spanier findet die Politik ja nicht so ganz böse.

Wenn ich an Industrie denke, dann sehe ich meine Heimat, das Ruhrgebiet, vor Augen. Hier hat die Industrie eiegentlich IMMER getan was sie wollte. Die Menschen standen immer hinten an, wurden nicht gefragt. Man brauchte nur ihre Existens zu bedrohen, dann wurde es still.

Ein weiteres Bild für die Industrie habe ich in einer Ausstellung von Bernd und Hilla Becher gesehen. Zwar eine Aufnahme aus Fronkreisch, aber egal.
Ein kleines, putziges Haus. Und darüber, direkt ÜBER das Haus!, geht eine breite Fließbandanlage einer Fabrik. Und wirft einen permanenten Schatten auf Haus und Gärtchen.

Sowas mag die Politik, denn es verspricht Aufsichtsratsposten, Geld, PR und Wiederwahl. Fragt sich jur warum sie auf letzteres immer noch so abfahren.
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King Mango
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von King Mango »

Vorweg: Ich bin gebürtiger Stuttgarter, lebe bis heute in dieser Stadt und bin überzeugter Projektgegner.

Mir liegt es am Herzen, hier auf ein paar Punkte einzugehen, die im Verlauf des Threads angesprochen worden sind.

Warum demonstrieren wir erst jetzt?
S21 hat schon immer die Gemüter erhitzt. Allerdings war es lange Zeit gar nicht klar, ob das Projekt überhaupt kommen würde. Zeitweise war die ganze Geschichte sogar offiziell eingestellt worden. Darüber hinaus wurde vor ein paar Jahren das erforderliche Quorum erreicht, um das Verfahren eines Bürgerbegehrens in Gang zu bringen - nur um dann mit juristischen Kniffen ausgehebelt zu werden. Der gegenwärtige OB Wolfgang Schuster (CDU) hatte außerdem bei der OB-Wahl versprochen, ab einer bestimmten finanziellen Belastung einen Bürgerentscheid durchzuführen - dreimal dürft ihr raten, ob es dazu gekommen ist. Die CDU sprach in letzter Zeit immer wieder davon, S21 wäre rechtlich unumkehrbar und ein Bürgerentscheid verfassungswidrig (soviel Verfassungstreue traut man den Leuten, die Kinder und Rentner von der Polizei haben aus dem Park prügeln lassen, gar nicht zu) - bis der wissenschaftliche Dienst des Bundestags dem Spuk endlich ein Ende machte und in beiden Punkten widersprach. Mittlerweile sieht es eher so aus, als wäre die Finanzierung von S21 verfassungswidrig - aber das scheint die Verantwortlichen nicht zu interessieren.


Warum sind wir gegen das Projekt?
Derzeit laufen die Schlichtungsgespräche zwischen Projektgegnern und -befürwortern, die live in TV und Internet übertragen werden. Dabei kamen folgende Punkte ans Tageslicht: Die Bahn arbeitet seit 16 Jahren mit international renommierten Experten an dem Projekt und hat bereits um die 300 Millionen Euro in die Planung gesteckt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Der neue Bahnhof soll um 30% leistungsfähiger sein als der alte, aber beweisen kann das niemand. Die Bahn kann nicht einmal beweisen, dass der neue Bahnhof das derzeitige Zugaufkommen wird stemmen können. Im Rahmen des aktuellsten Fahrplans für S21 stapeln sich die Züge praktisch auf den Gleisen - es gibt keinen Puffer für den Fall, dass ein Zug mal nicht auf die Millisekunde genau einfährt. Und dass in den Zügen ja noch Leute sitzen, die ganz gerne einen Anschluss erwischen würden, scheint noch gar nicht berücksichtigt worden zu sein. Innerhalb von Sekundenbruchteilen sollen sich die Leute über Rolltreppen und Aufzüge auf die "Verteilerebene" über den Gleisen schwingen und auf demselben Weg wieder hinunter in ihren Anschlusszug gelangen - falls dieser nicht schon abgefahren ist, bevor sie den Bahnhof erreicht haben, um Platz für den Folgezug zu machen.

Bei den "demokratischen Beschlüssen" lagen den demokratischen Gremien wichtige Unterlagen und Gutachten nicht vor. "Aufgrund der Brisanz der Ergebnisse" (=Bestätigung vieler Kritikpunkte der Projektgegner) seit absolutes Stillschweigen vor der Öffentlichkeit zu bewahren - mit so einer Aufschrift versehen ist das vernichtende Gutachten der schweizer Bahnexperten von SMA, die im Auftrag der Bahn S21 begutachtet hatten, im Giftschrank verschwunden. Als der Grüne Boris Palmer die Bahn während der Schlichtungsrunde mit dieser Aussage konfrontierte, ist ihm nicht widersprochen worden. Nicht einmal CDU-Minister Tanja Gönner, die um jedes Komma feilscht, hat Einspruch erhoben. Ebenso kam heraus, dass sich der Verwaltungsgerichtshof, der sich für S21 ausgesprochen hatte, diesem Urteil die Aussagen dreier Gutachter zugrunde gelegt hatte, die alle drei bei der Bahn angestellt sind/waren und S21 mitentwickelt haben. Im Klartext: Die Projektverantwortlichen haben ihr eigenes Projekt und das Gegenprojekt K21 begutachtet und kamen - oh Wunder - zu dem einstimmigen Beschluss, dass ihr Projekt besser ist.

Daneben kommt es einfach nicht seriös, wenn die CDU davon predigt, Deutschland müsse ein guter Standort für Investoren sein und man dürfe diese nicht durch plötzliche Kehrtwendungen vor den Kopf stoßen, im selben Atemzug aber aus dem beschlossenen Atomausstieg aussteigt. Ebenso ist es doch verwunderlich, wenn führende CDU-Politiker in der ECE-Stiftung sitzen, die auf dem freiwerdenden Gelände ein gigantisches Kaufhaus hochziehen will. Davon, dass sämtliche schwäbischen Medien zu einer Holding gehören, die sich mit dem Kauf der Süddeutschen Zeitung etwas übernommen hat, deswegen einen Kredit der Landesbank nicht zurückzahlen konnte und nun von einem mächtigen Bankhaus abhängig ist, in dessen Aufsichtsrat wieder altbekannte CDU-Gestalten sitzen, will ich gar nicht anfangen. Ich muss immer lachen, wenn man über die Berlusconi-Presse in Italien lästert, während im "Musterländle" dasselbe in Grün abläuft. Bis wir es geschafft hatten, den Protest über die Landesgrenzen auf Bundeseben zu hieven, wo dann in ARD, ZDF, Spiegel und Co. seriöser berichtet wurde, wurden wir hier gleichzeitig als wohlstandsverwöhnte Arbeitslose und linksradikale Rentner aus der Halbhöhenlage (=die als besonders wohlhabend geltenden Gegenden Stuttgarts) diffamiert.

Was die Kosten angeht, so spricht die Bahn von 7 Mrd. Euro. Der Bundesrechnungshof geht von 9 Mrd. aus. Die Bahn selbst hat die Kosten in den letzten Monaten immer weiter nach oben korrigieren müssen und von ehemaligen Versprechungen wie "bei mehr als 4,5 Mrd. steigen wir aus" will die Landesregierung mittlerweile nichts mehr wissen. Seit der Protest so stark geworden ist, verzichtet die Bahn auf die Nennung neuer Zahlen - letztlich macht man die Büchse der Pandora auf, wenn man damit beginnt, die halbe Stadt umzugraben und ähnliche Bauprojekte haben in anderen europäischen Ländern ein Vielfaches der veranschlagten Kosten verschlungen.

Außerdem liegt das Wirtschaftswunder, dass mit S21 einher gehen soll, bei gerade einmal 0,2% unserer bisherigen Wirtschaftsleistung - aber auch hier musste der Schlichter Heiner Geißler mehrfach nachbohren, bis die Pro-Fraktion damit herausgerückt hat. Andere Unterlagen, welche die Sicherheit des Bahnhofs betreffen, will die Bahn bis heute nicht rausrücken. Abgesehen von der ganzen Planungszeit wirkt das Ganze umso peinlicher, wenn man bedenkt, dass S21 laut offiziellen Angaben das "bestgeplanteste Projekt Europas" sein soll. Wäre das der Fall, müssten die Projektverantwortlichen uns im Rahmen der Schlichtungsgespräche regelrecht wegballern - aber bislang ist ihnen das nur im Schloßgarten mithilfe von Wasserwerfern gelungen.


Wer sind "wir"?
"Wir" sind eine Protestbewegung aus allen sozialen Schichten, Altersklassen und politischen Überzeugungen. Und viele von uns, u.a. auch ich selbst und meine Family, haben eines gemeinsam: Wir haben noch nie demonstriert. Natürlich haben wir einen "linken Flügel" und profitieren von der Organisation und dem Know-How der linken Protestkultur, aber wir sind alles andere als die "üblichen Verdächtigen", die, wenn man nach der CDU geht, immer und aus Prinzip gegen alles sind. Im Gegenteil: Viele von uns dachten bislang, dass "nur die linken Chaoten" was auf die Mütze bekommen würden. Wenn wir "ehrliche und gesittete Bürger" mal von unseren demokratischen Rechten Gebrauch machen und auf die Straße gehen würden, dann würde man uns mit Samthandschuhen begegnen - in dieser Hinsicht war die Polizeirandale im Park für so Manchen ein bitteres Erwachen.

Das "Beweisvideo", mit dem die Polizei nachweisen wollte, dass die Gewalt von uns ausgegangen war, kann man letztlich in die Tonne kloppen, insbesondere nachdem die Polizei selbst einräumen musste, dass die Zeitangaben auf dem Videoband nicht den tatsächlichen Zeiten der dargestellten Ereignisse entsprechen - dieses Bekenntnis kam allerdings auch erst, nachdem sich herausgestellt hatte, dass nicht ein vermummter Demonstrant (Zeit: Etwa 14 Uhr) als erster Pfefferspray eingesetzt hatte, sondern die Projektgegner beweisen konnten, dass bereits gegen 11 Uhr die Polizei zum Spray gegriffen hatte. Als dann auch noch der Verband der kritischen Polizisten besagten vermummten Demonstranten als eingeschleusten Polizisten entlarvt hat, war der Kuchen sowieso gegessen. Panne natürlich auch, wenn sich die CDU im Anschluss vehement gegen einen Untersuchungsaussschuss stemmt und sämtliche Verantwortliche des Gemetzels weiterhin im Amt bleiben.
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von realchris »

Also, ich habe mir den langen Text durchgelesen. Dort steht, dass die Gründe erklärt werden sollen. Unter dem betreffenden Menüpunkt stehen aber Dinge, die erst nach den Protesten im Fernsehen genannt wurden und vor Allem nicht zur Motivation der Protestler gehören. Sehr viel Text, einige Fakten aus dem Schlichtungsgespräch. Ich habe das verfolgt. Aber eine Erklärung, warum protestiert wird, fehlt. Der Atomausstieg und die Glaubwürdigkeit der CDU haben damit nichts zu tun. Ich wähle übrigens nicht Gelbschwarz. Es liest sich gut, jedoch beantwortet der Text nicht die Motivation der Protestler. Weil man einen Zug verpassen könnte, wird doch nicht der Auslöser sein.
Und dass in den Zügen ja noch Leute sitzen, die ganz gerne einen Anschluss erwischen würden, scheint noch gar nicht berücksichtigt worden zu sein. Innerhalb von Sekundenbruchteilen sollen sich die Leute über Rolltreppen und Aufzüge auf die "Verteilerebene" über den Gleisen schwingen und auf demselben Weg wieder hinunter in ihren Anschlusszug gelangen - falls dieser nicht schon abgefahren ist, bevor sie den Bahnhof erreicht haben, um Platz für den Folgezug zu machen.

Bei den "demokratischen Beschlüssen" lagen den demokratischen Gremien wichtige Unterlagen und Gutachten nicht vor.

Daneben kommt es einfach nicht seriös, wenn die CDU davon predigt, Deutschland müsse ein guter Standort für Investoren sein und man dürfe diese nicht durch plötzliche Kehrtwendungen vor den Kopf stoßen, im selben Atemzug aber aus dem beschlossenen Atomausstieg aussteigt.

Was die Kosten angeht, so spricht die Bahn von 7 Mrd. Euro. Der Bundesrechnungshof geht von 9 Mrd. aus. Die Bahn selbst hat die Kosten in den letzten Monaten immer weiter nach oben korrigieren müssen und von ehemaligen Versprechungen wie "bei mehr als 4,5 Mrd. steigen wir aus" will die Landesregierung mittlerweile nichts mehr wissen. Seit der Protest so stark geworden ist, verzichtet die Bahn auf die Nennung neuer Zahlen - letztlich macht man die Büchse der Pandora auf, wenn man damit beginnt, die halbe Stadt umzugraben und ähnliche Bauprojekte haben in anderen europäischen Ländern ein Vielfaches der veranschlagten Kosten verschlungen.


Außerdem liegt das Wirtschaftswunder, dass mit S21 einher gehen soll, bei gerade einmal 0,2% unserer bisherigen Wirtschaftsleistung


Fazit. Außer die Sache mit dem Umsteigen und den Kosten, kann ich in dem Text kein Argument gegen Stuttgard 21 ableiten. Ich sage nicht, dass ich dafür bin. Die Erklärung, die der Text verspricht, sehe ich aber nicht.
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King Mango
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von King Mango »

Die Kritikpunkte waren bereits vor den Schlichtungsgesprächen bekannt. Allerdings musste man über einen längeren Zeitraum aufmerksam Zeitung lesen, um jedes Detail zu erfahren - es wäre mir jetzt nicht möglich, für jede Aussage den entsprechenden Link parat zu haben. Die Schlichtungsgespräche eignen sich sehr gut, um Leuten, die an unseren Argumenten zweifeln, die Kritikpunkte plus Ausflüchte der Bahn auf einem Blick zu liefern.

Inwieweit diese Punkte zur Motivation der Demonstranten gehören, kann wohl keiner von uns beiden fundiert beurteilen. Für mich und Demonstranten in meinem Bekanntenkreis sind diese Aspekte ausschlaggebend.

Filz-Verdacht der führenden Verantwortlichen, Manipulation der demokratisch gewählten Gremien, ein neuer Bahnhof, der nicht funktioniert aber dessen Kosten nicht absehbar sind, der Verweis auf öffentliche Anhörungen, die jedoch lediglich darin bestanden, dass man sich erklären lassen durfte, warum S21 genial sei und es keine Alternativen gäbe, ohne dass man selbst hätte kritische Fragen stellen können, systematisches Pfeifen auf den Bürgerwillen obgleich das Quorum für ein Bürgerbegehren erreicht worden ist, nicht eingehaltene Wahlversprechen, Lügengeschichten über wirtschaftlichen Aufschwung und nicht existierende juristische Ausstiegshürden... all das ist für dich keine Erklärung, weshalb wir protestieren?
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von realchris »

Ich habe die Gespräche mit Geißler auf Phoenix an zwei Tagen komplett mitverfolgt. Die Diskussion um Birnen und Äpfel, dem vorläufigen Fahrplan, der aber jetzt noch nicht funktioniert, einigen komischen Äußerungen von der Pressesprecherin und ebenso komische Äußerung von unserem gelockten Freund der Parkschützer. Ich bin ganz ehrlich. Den richtigen Grund für die Proteste sucht man. Protestiert Ihr gegen die Verfahrensweise bzw. die Schritte davor. Für die Bäume im Park. Weil die Regierung generell gerade böse ist. Das ist alles sehr nebelig. Zwischendrin nutzt die Opposition das für eine Grundsatzdiskussion. Ich habe mehr das Gefühl, dass einfach gegen die momentane Regierung protestiert wird oder sich da was verselbstständigt hat.

Wenn ich esse, kann ich auch einen Grund nennen. Ich habe zum Beispiel Hunger oder Appetit. Wenn ich gegen den Krieg am Golf protestiere, kann ich sagen, weil ich Schulfrei möchte, weil ich gegen einen Krieg für Öl bin oder weil ich gegen Krieg bin. Doch was sagt der Stuttgart 21 Gegner? Ich meine einen Grund und kein diffuses Drumherum bzw. rhetorisches bzw. polemisches Geplänkel. Wir protestieren, weil wir die Bäume retten wollen, weil wir gerne protestieren, weil die CDU doof ist, weil wir das Geld in die Kunst oder Bildung stecken wollen, weil ich meinen Anschlusszug verpassen könnte, weil ich prinzipiell davor eine Volksentscheidung möchte oder zum Selbstzweck.
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King Mango
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von King Mango »

Falls es sich aus meinen vorherigen Postings nicht ableiten lassen sollte: Der S21-Gegner sagt: Ich protestiere gegen die Art und Weise, in der den Bürgern das Projekt aufgedrückt worden ist, gegen die ganzen unsauberen Geschichten im Hintergrund und gegen das sinnlose Projekt an sich sowie die Unmengen an Geld, die damit verschwendet werden, die woanders besser aufgehoben wären. Ich protestiere für die Umsetzung der Alternative K21 oder zumindest für einen Volksentscheid in dieser Angelegenheit sowie für mehr Bürgerbeteiligung bei Großprojekten im Allgemeinen.

Die Gründe, die ich bisher genannt habe, basieren alle auf Fakten, die jeder nachprüfen kann - da ist nichts rhetorisch oder polemisch. Für den einen oder anderen mögen es außerdem auch die Bäume sein, die einem am Herzen liegen - es ist schlicht unmöglich bei so einer Masse an Menschen hundertprozentige Übereinstimmung der Interessen herzustellen. Die oben genannten Punkte dürften jedoch die zentralen Anliegen des Protests darstellen, die auch immer wieder im Rahmen der Kundgebungen thematisiert werden.
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von Bastlwastl »

Schwieriges Thema. Den Protest halte ich in der Sache für teilweise gerechtfertigt und das harte Vorgehen der Polizei am sog. schwarzen Donnerstag für überzogen. Dass durch die Proteste die Diskussion nun vor einer breiteren Öffentlichkeit ausgetragen wird finde ich begrüßenswert.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass S21 ganz erheblich instrumentalisiert wird um sich einmal allgemein Luft gegen "die da oben" zu machen. Atomausstieg und mehr oder weniger verbrämte Nazivergleiche (von beiden Seiten) haben in der Diskussion meiner Meinung nach nichts zu suchen.
Die Behinderung der Bauarbeiten war keineswegs ein demokratisches Recht. Das Volk ist nunmal nicht die Exekutive.
Kinder als "Unmündige" sollten hierfür nicht von ihren Erziehungsberechtigten instrumentalisiert werden. Das ist entweder unverantwortlich und/oder vollkommen weltfremd. Das kann jeder nur für sich selber entscheiden, ob er sich da hinsetzen will.
Trotzdem denke ich, dass das Land hier mit dem plötzlichen harten Vorgehen einen Fehler gemacht hat und dass der Vorgang sowohl auf Ebene der Einsatzkräfte als auch was die politische Verantwortung angeht untersucht werden muss, mit allen sich daraus ergebenden strafrechtlichen Konsequenzen.
Schade dass hier nach dem geduldigen Vorgehen der Vortage anscheinend ein Exempel statuiert werden sollte.
Als dann auch noch der Verband der kritischen Polizisten besagten vermummten Demonstranten als eingeschleusten Polizisten entlarvt hat, war der Kuchen sowieso gegessen.
Das ist bislang alles andere als bewiesen und die PM´s der kritischen Polizisten zu S21 sind meiner Meinung nach allesamt extrem ideologisch gefärbtes Geschwafel aus der Ferne. Dahinter mögen ehrenwerte Personen mit guten Absichten stehen, die schon viele Anfeindungen ertragen mussten. Aber erstnehmen kann ich die PMs in dieser Form nicht.
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King Mango
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von King Mango »

Bastlwastl hat geschrieben:Die Behinderung der Bauarbeiten war keineswegs ein demokratisches Recht. Das Volk ist nunmal nicht die Exekutive.
Meinst du jetzt die Sitzblockaden im Park, gegen die die Polizei so hart vorgegangen ist? Das ist rechtlich betrachtet nicht so eindeutig. Schließlich hatte das Eisenbahnbundesamt aufgrund von Vorschriften über den Artenschutz die Baumrodung untersagt. Dieses Dokument hat die Bahn dem Gericht vorenthalten, das zur selben Zeit auf Antrag des B.U.N.D. über eine einstweilige Verfügung zum Stopp der Baumrodung zu entscheiden hatte. Das Gericht hat die Verfügung nicht erlassen, urteilte hinterher allerdings, als dem Aktionsbündnis gegen S21 das EBA-Dokument zugespielt worden war, dass es, in Kenntnis des Schreibens, mit hoher Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte. Man kann sich streiten, inwiefern in einer solchen Situation die Behinderung der Baumrodung legal/illegal, moralisch geboten oder was auch immer ist - aber man kann von den Bürgern nicht verlangen, sich an Regeln zu halten, auf die sowohl die Bahn als auch die Regierung pfeifen.

Bastlwastl hat geschrieben:Kinder als "Unmündige" sollten hierfür nicht von ihren Erziehungsberechtigten instrumentalisiert werden. Das ist entweder unverantwortlich und/oder vollkommen weltfremd.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich betrachte eher die Aussagen von Seiten der CDU und der Polizei, nach denen die Demonstranten mehr oder weniger ihre Kinder in den Strahl der Wasserwerfer gehalten haben sollen, für weltfremd. Abgesehen davon, dass ich ein wenig vorsichtig damit wäre, Kindern nur aufgrund ihres jungen Alters die Fähigkeit zu eigenständigem Denken und Entscheiden abzusprechen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Kids von ihren Eltern manipuliert worden sind: Niemand hat damit gerechnet, dass die Polizei derart in die Vollen gehen würde. Seit der Protest am Laufen ist, hat in unseren Reihen auch immer junges Gemüse herumgewuselt, weil es bis zum "schwarzen Donnerstag" eigentlich immer klar war, dass man nichts zu befürchten hat, wenn man die Polizei nicht aktiv angreift. Wer sich hinsetzt wird weggetragen - und das war das Schlimmste, was passieren konnte. Dieses unkoordinierte Gehacke von unseren Freunden und Helfern war eine völlig neue Schiene.

Bastlwastl hat geschrieben:
Als dann auch noch der Verband der kritischen Polizisten besagten vermummten Demonstranten als eingeschleusten Polizisten entlarvt hat, war der Kuchen sowieso gegessen.
Das ist bislang alles andere als bewiesen und die PM´s der kritischen Polizisten zu S21 sind meiner Meinung nach allesamt extrem ideologisch gefärbtes Geschwafel aus der Ferne. Dahinter mögen ehrenwerte Personen mit guten Absichten stehen, die schon viele Anfeindungen ertragen mussten. Aber erstnehmen kann ich die PMs in dieser Form nicht.
Nun ja, ob man das jemals wird beweisen können, ist so eine Sache. Dennoch fällt der vermummte Knabe völlig aus dem Muster und unterscheidet sich von seiner ganzen Erscheinungsform von den anderen Demonstranten. Für solche Fälle hat die Polizei speziell trainierte Einsatztrupps, die etwa Aktivisten des Schwarzen Blocks in der Menschenmasse isolieren und aus dem Pulk zerren. Warum hat man das nicht getan? Letzten Endes kann der Typ auch tatsächlich ein radikaler Demonstrant gewesen sein - an der Peinlichkeit des polizeilichen Beweisvideos und der Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens ändert das nichts. Dennoch berufen sich die kritischen Polizisten hier auf Videoaufnahmen aus anderen Blickwinkeln, auf denen zu sehen sei, wie der Vermummte sich hinter die Linien der Polizei zurückzieht. Ganz gleich, wem man nun glauben will: Das grundlegende Problem in diesem Zusammenhang ist, dass sich hier Politik und Polizei auf breiter Front das Vertrauen verspielt haben. Ich selbst hatte bis vor ein paar Wochen Anti-Polizei-Parolen müde belächelt und als linksradikalen Aktivismus abgetan. Aber wenn man mit eigenen Augen sieht, wie ältere Frauen mit dem Wasserwerfer umgeschossen und Rentner von den aufrückenden Polizeilinien fast zertrampelt werden, überdenkt man seine althergebrachten Standpunkte auch gerne ein wenig.
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von axelkothe »

King Mango hat geschrieben:Man kann sich streiten, inwiefern in einer solchen Situation die Behinderung der Baumrodung legal/illegal ist
Nein, kann man nicht. Das ist eine Art Selbstjustiz, und die ist und bleibt bei uns illegal - zum Glück. Egal, ob das nun moralisch vertretbar war oder nicht.

Ich bin kein Freund von S21 (vor allem wegen der fraglichen Sinnhaftigkeit der Pläne und der immens hohen Kosten), aber tatsächlich gehen mir die dummen Pseudo-Argumente der Gegner dermaßen auf den Sack, dass ich inzwischen für die Umsetzung bin.

Es ist nicht so, dass es keine guten Argumente gegen den Bahnhof gibt. Aber leider wird von den Gegnern wirklich auch nur jeder Furz angeführt, das es nicht mehr feierlich ist. Zumal wie realchris schon richtig erkannt hat, es inzwischen kaum noch um den Bahnhof zu gehen scheint, sondern mehr um das drumherum. Mir gefällt da auch vieles nicht, aber das bringt mich in der Diskussion um den Bahnhof nicht einen Schritt weiter.
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von Bastlwastl »

Abgesehen davon, dass ich ein wenig vorsichtig damit wäre, Kindern nur aufgrund ihres jungen Alters die Fähigkeit zu eigenständigem Denken und Entscheiden abzusprechen.
Vor allem auch wenn sie wollen. (Wenn die Eltern den Protest gut finden und da mitmachen, dann ist die Wahrscheinlichkeit jetzt nicht so wahnsinnig klein, dass Sohnemann oder Tochter das auch machen wollen.) Als verantwortungsbewusstes Elternteil darf ich mein Kind einfach nicht an einer Besetzung teilnehmen lassen. Da habe ich wirklich nicht das geringste Verständnis dafür und das ist die Art von Dummheit, über die ich mich wirklich aufregen kann. Und danach dann kuhäugig dastehen und fragen: "Wie, meine Schuld? Ich? unverantwortlich?" :shock:
Und ich habe Verständnis dafür, wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt sich da hinzusetzen, eben weil er für sich beschließt, dass es für ihn moralisch vertretbar oder sogar notwendig ist. Aber bitte auch ganz klar in dem Bewusstsein, dass es ungesetzlich ist. Ein Unrecht, und sei es noch so groß, rechfertigt strafrechtlich eben nicht das andere.
(Genauso wie sich die Polizisten und deren Vorgesetzte verantworten sollten, wenn sie auf die Menge einprügeln, da hast Du völlig recht. Und genauso wie die Winkelzüge der S21-Planer unter die Lupe genommen werden sollten.)

Zu dem angeblichen Agent Provokateur nochmal:
Möglich ist vieles und vermuten darfst Du gern. Nur schreiben, dass er entlarvt wurde, das darfst Du nicht, wenn es nicht der Fall ist. In dem Augenblick präsentierst Du Dich selbst in einem schlechten Licht. Dass Du als direkt Betroffener sehr emotional an das Thema herangehst kann ich verstehen. Ich würde Dir nur empfehlen trotzdem einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren.
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von King Mango »

axelkothe hat geschrieben:
King Mango hat geschrieben:Man kann sich streiten, inwiefern in einer solchen Situation die Behinderung der Baumrodung legal/illegal ist
Nein, kann man nicht. Das ist eine Art Selbstjustiz, und die ist und bleibt bei uns illegal - zum Glück. Egal, ob das nun moralisch vertretbar war oder nicht.
Das ist eben die (wirklich ernst gemeinte) Frage: Ist die Baumrodung durch die Aussagen des Gerichts als illegal zu betrachten? Schon darüber kann man geteilter Meinung sein. Wenn die Baumrodung illegal ist, ist es dann illegal, dagegen mit friedlichen Mitteln vorzugehen? Ich will nicht sagen, dass es legal ist, nur, dass dieser Punkt nicht so eindeutig ist. Vermutlich dürfte es da nicht allzu viele Präzedenzfälle zu geben.

Genauso wäre ich vorsichtig mit dem Begriff Selbstjustiz - du hast ihn zwar ein wenig abgeschwächt, aber das Wort ist einfach zu stark und zu negativ besetzt um damit ein paar Tausend Bürger zu bezeichnen, von denen viele in ihrem ganzen Leben nicht ein Mal strafrechtlich auffällig geworden sind und die sich nun auf einen Weg setzen, um gegen ein alles andere als demokratisch einwandfreies Projekt zu demonstrieren. Hier stellt sich niemand aus niederen Beweggründen gegen geltendes Recht. Man bekämpft mit den wenigen Mitteln, die man hat, eine Regierung und einen Konzern, die Gutachten und Dokumente unterschlagen, um über diese Tricks in einer Art Pseudolegalität zu erscheinen, die es ihnen ermöglicht, Polizeigewalt für ihre persönlichen Ziele zu missbrauchen.

Versteh mich nicht falsch: Ich würde niemals aktive Gewalt gegen Polizeibeamte predigen, aber wenn die Mächtigen mit den angesprochenen Tricksereien das demokratische Regelwerk gegen das Volk verkehren, das eigentlich dadurch geschützt werden soll, ist die Frage nach der Legalität des Vorgehens nicht mehr in einem Satz zu beantworten.

axelkothe hat geschrieben:Ich bin kein Freund von S21 (vor allem wegen der fraglichen Sinnhaftigkeit der Pläne und der immens hohen Kosten), aber tatsächlich gehen mir die dummen Pseudo-Argumente der Gegner dermaßen auf den Sack, dass ich inzwischen für die Umsetzung bin.

Es ist nicht so, dass es keine guten Argumente gegen den Bahnhof gibt. Aber leider wird von den Gegnern wirklich auch nur jeder Furz angeführt, das es nicht mehr feierlich ist. Zumal wie realchris schon richtig erkannt hat, es inzwischen kaum noch um den Bahnhof zu gehen scheint, sondern mehr um das drumherum. Mir gefällt da auch vieles nicht, aber das bringt mich in der Diskussion um den Bahnhof nicht einen Schritt weiter.
Dass du für das Projekt bist und welche Punkte für deine Entscheidung ausschlaggebend sind, ist natürlich deine Sache. Aber der Standpunkt "Wir ballern Milliarden für ein dummes Projekt raus, yeah, dann haben wir's den blöden Demonstranten gezeigt! (Und die CDU kann ungestört weitermachen, wie bisher)" ist auch nicht viel intelligenter als die "dummen Pseudoargumente der Gegner". (Von denen ich gerne mal ein paar hören würde. Derzeit kommen solche Argumente eher von der Pro-Fraktion: "S21 ist besser. S21 ist die Zukunft. Deep Thought hat gesprochen. Dass alle Fakten dagegen sprechen und wir seit Planungsbeginn auf Lügengeschichten und Hochglanzprospekte angewiesen sind, braucht euch dumme kleine Bürger nicht zu interessieren. Wir haben den Durchblick und denken für euch.")

BTW: Hast du dir mal die "dummen Pseudoargumente" der Bahn reingezogen? Denn letzten Endes ist es die Bahn, die in der Pflicht stehen müsste, den neuen Bahnhof zu rechtfertigen - was ja, da das Projekt so unglaublich super ist, auch kein Problem sein dürfte. Aber solange, wie im Moment, die akute Gefahr besteht, dass der neue Bahnhof schlechter funktionieren wird, als der alte, bräuchten wir streng genommen gar keine Argumente, weil es einfach unsinnig ist, Milliarden in einen weniger effizienten Bahnhof zu stecken.

Es mag tatsächlich um mehr als einen Bahnhof gehen. Frage: Ist das in diesem konkreten Fall schlimm? Es ist ja nicht so, dass hier ein wundervolles Überprojekt von ein paar frustrieren Bürgersöhnchen aus Prinzip boykottiert würde. Es geht um ein, laut aktueller Fakten, schlechtes Projekt, das auf undemokratischem Wege durchgeprügelt werden soll. S21 ist das Paradebeispiel in der Bundesrepublik dafür, in welchem Ausmaß die Mächtigen einen Dreck auf das Volk geben (Entscheidungsprozess, der Umgang mit den Demonstranten, Geld in Prestigeprojekte stecken und in wichtigeren Sektoren die Schere ansetzen usw.). Dass sich der Protest dann sowohl gegen den Bahnhof an sich, als auch gegen die Machtstrukturen, die das Projekt ermöglicht haben, richtet, ist weder verwunderlich noch verwerflich.


@Bastiwasti:
Sagen wir's mal so: Hätte ich Kinder unter 18 oder 16, würde ich sie auch nicht an einer Besetzung teilnehmen lassen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass die Leute, aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit der Polizei, die bis zu dem Donnerstag meines Wissen absolut deeskalierend und professionell gearbeitet hat, einfach in tausend Jahren nicht damit gerechnet hätten, dass so etwas passieren würde.

Man kann sich nun streiten, wie verantwortungsbewusst das ist, aber einen weiteren Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang anführen: Die meisten Kids waren die Teilnehmer einer angemeldeten und genehmigten Schülerdemo, die zu dem Zeitpunkt ganz woanders in der Stadt unterwegs war. Dass die Eltern ihren Kindern erlauben, an einer solchen Demo teilzunehmen ist imho absolut nicht verwerflich - im Gegenteil: Ein demokratisches Land kann seine Bürger nicht früh genug daran gewöhnen, für ihre Rechte zu kämpfen. Dass die Regierung ausgerechnet an diesem Tag und zu dieser Zeit die Polizei in den Park schicken würde, damit mussten die Eltern nicht rechnen. Ich würde eher sagen, dass es von den Verantwortlichen äußerst ungeschickt war, im Wissen um die Schülerdemo diesen Tag auszuwählen. Das Projekt ist auf 10 Jahre geplant, was hätte da eine Baumrodung einen Tag später groß ausgemacht?

Was ich damit sagen will: Wieviele Eltern haben tatsächlich ihre Kinder zum Blockieren animiert und wieviele waren einfach nur mit der Teilnahme an der unbedenklichen Schülerdemo einverstanden und konnten anschließend in dem ganzen Tohuwabohu gar nicht mehr Kontakt zu ihren Kindern aufnehmen, um sie zum Blockieren zu motivieren oder davon abzuhalten? An dem Tag hat sich vieles verselbstständigt und ich würde sagen, dass es auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn Zivilisten in einer solchen Grenzsituation ein wenig den Überblick verlieren.

Vielmehr erwarte ich von der Polizei oder einem geschulten Einsatzleiter, dass erkannt wird, dass kein aktives Gefahrenpotential von einem Haufen Kinder ausgeht, die auf einem Fahrzeug sitzen. Da waren Horden von Polizisten in voller Montur im Einsatz gegen Leute, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie nicht weggegangen sind. Es hätte niemandem weh getan und kein weiteres Risiko bedeutet, wenn eine Handvoll Beamter dazu abgestellt worden wäre, die Kids von den Autos zu holen und vom Rest der Masse zu isolieren. Wie gesagt, sowas kriegen die Polizisten mit wesentlich brutaleren und gefährlicheren Gestalten aus dem Schwarzen Block hin - während sie unter Dauerbeschuss von echten Pflastersteinen stehen.

Bastlwastl hat geschrieben:Zu dem angeblichen Agent Provokateur nochmal:
Möglich ist vieles und vermuten darfst Du gern. Nur schreiben, dass er entlarvt wurde, das darfst Du nicht, wenn es nicht der Fall ist. In dem Augenblick präsentierst Du Dich selbst in einem schlechten Licht. Dass Du als direkt Betroffener sehr emotional an das Thema herangehst kann ich verstehen. Ich würde Dir nur empfehlen trotzdem einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren.
Stimmt, das habe ich in der Tat unglücklich formuliert. Meine Absicht war eher die, auf die unseriöse Art der Polizei hinzuweisen. Zuerst: "Ein Demonstrant sprüht Pfefferspray um 14 Uhr. Wir haben nur darauf reagiert." Dann: "Oh, Sie können beweisen, dass wir schon um 11 Uhr Pfefferspray eingesetzt haben? Ach, wissen Sie, die Zeitangaben stimmen sowieso nicht wirklich." Die Krönung des Ganzen ist dann der Verdacht, dass der Pfeffersprayer am Ende sogar ein Polizist gewesen sein könnte. Es geht mir mehr um den Verdacht, der aus den genannten Gründen realistisch erscheint und in das Hintenrum-Schema der Projektverantwortlichen passen würde (Stichwort Innenminister Rech: "Die Deeskalationsteams waren vor der Eskalation an Ort und Stelle und wurden abgewiesen." Jetzt kommt im Untersuchungsausschuss raus: Die Deeskalationsteams sind erst nach dem Gemetzel angerückt.) Aber so, wie ich das formuliert habe, waren die Polizisten nicht die einzigen, die sich eine unseriöse Art vorwerfen lassen müssen, da gebe ich dir Recht. ;)
realchris
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von realchris »

Das ist nicht unglücklich formuliert, sondern schlichtweg eine Falschaussage, solange Du keine Beweise dafür hast. Auch solche Themen wie den Atomausstieg damit zu verbinden, sind argumentativ bezogen aufs Thema unsachlich. Überhaupt ist mir bei einem harten Kern der Demonstranten die typische Ideologierethorik aufgefallen. Geht man z.B. auf die Seite der Parkschützer, findet man vielee polemische Artikel. Davon sind jeweils 10 Zeilen sachlich dem Grund für die Proteste gewidmet. Ich weiß dass z.B einige andere (Viele der älteren) Protestler gegen die hohen Kosten sind und andere gegen die womöglich schlechtere Nahverkehrsanbindung. Die wollten sich zuerst mit der Bahn einigen. Ergebnis war eine Kampagne von Links jetzt nur nicht den Protest aufspalten lassen. Da hängt schon jede Menge Ideologie (Parteiideologie) hinter. Übrigens werden dort auch Kritiker polemisch angefeindet. Ich meine nicht Protestgegner, sondern Leute die einige Aussagen nicht teilen oder die Gesprächsangebote der Bahn annehmen wollten.

http://www.parkschuetzer.de/wissenswertes/aktionsidee
Engagementstufe 'Rot'
Die Ankündigung einer Widerstandstat ist nicht illegal und schon gar nicht strafrechtlich zu belangen.
Wenn sich im Ernstfall Parkschützer reihenweise an Bäume ketten und vor Bagger legen, ist dies noch immer keine Straftat, allenfalls Nötigung; auch wenn Sie nach der ersten expliziten Aufforderung, die Baustelle zu verlassen, an Ort und Stelle bleiben.
Ketten sich jedoch hunderte oder gar tausende Parkschützer an die zu fällenden Bäume oder die Bagger an, ist es praktisch ausgeschlossen, dass Politiker die polizeiliche Anweisung zum Räumen der Baustelle erteilen werden. Dies könnte bei einem derart weithin mit Sympathien behafteten Streitgegenstand wie dem Stuttgarter Schlossgarten nur allzu leicht zu einem karrierezerstörenden Bumerang für sie werden.
Auch mal Phase rot durchlesen
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Re: Stuttgart 21

Beitrag von King Mango »

Ich habe mich auf die PM der kritischen Polizisten bezogen, die wiederum angeben, Videobeweise gesichtet zu haben. Bleib locker. Der Atomausstieg ist nur ein Aspekt einer ganzen Reihe von Gründen, die ich genannt habe und spielt sehr wohl eine Rolle, wenn es darum geht, dass sich die Bürger von der Klientelpolitik und Doppelmoral der Regierung veralbert fühlen. Dass eine Protestbewegung auch einen radikalen Flügel hat, habe ich nie angezweifelt. Den gesamten Protest deshalb zu diffamieren ist jedoch wenig sachlich.

Die von dir zitierten Parkschützer sind dafür ein schönes Beispiel: 2810 Menschen sind auf Stufe "Rot", dagegen gehen 45265 Mitglieder nicht gegen geltendes Recht vor. Von den Zehn- bis Hunderttausenden, die regelmäßig vollkommen friedlich demonstrieren, selbst wenn im Hintergrund die Abrissbirne aktiv ist, ganz zu schweigen. An dem Versuch, uns als Bewegung in die linksradikale Ecke zu schieben sind bereits CDU-Spitzenpolitiker und die IHK gescheitert. Aber natürlich darfst du es gerne weiter versuchen.

Deine Ausführungen lassen sich btw ebenso gut auf die Befürworter münzen. Da ist von "grünem Terror" in Anspielung auf den "braunen Terror" aus dem 3. Reich die Rede und die grölende Menge klatscht Beifall, wenn Galionsfigur Pfarrer Bräuchle davon spricht, man müsse die Schmierfinken (gemeint sind die Gegner von S21, übrigens alles bezahle Berufsdemonstranten) aus der Stadt jagen. Von Facebook-Einträgen, in denen sich die Befürworter organisieren wollen, um "der Polizei beim Aufräumen zu helfen" will ich gar nicht anfangen. Solche Nummern sind mir auf unserer Seite bislang noch nicht begegnet.
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