axelkothe hat geschrieben:King Mango hat geschrieben:Man kann sich streiten, inwiefern in einer solchen Situation die Behinderung der Baumrodung legal/illegal ist
Nein, kann man nicht. Das ist eine Art Selbstjustiz, und die ist und bleibt bei uns illegal - zum Glück. Egal, ob das nun moralisch vertretbar war oder nicht.
Das ist eben die (wirklich ernst gemeinte) Frage: Ist die Baumrodung durch die Aussagen des Gerichts als illegal zu betrachten? Schon darüber kann man geteilter Meinung sein. Wenn die Baumrodung illegal ist, ist es dann illegal, dagegen mit friedlichen Mitteln vorzugehen? Ich will nicht sagen, dass es legal ist, nur, dass dieser Punkt nicht so eindeutig ist. Vermutlich dürfte es da nicht allzu viele Präzedenzfälle zu geben.
Genauso wäre ich vorsichtig mit dem Begriff Selbstjustiz - du hast ihn zwar ein wenig abgeschwächt, aber das Wort ist einfach zu stark und zu negativ besetzt um damit ein paar Tausend Bürger zu bezeichnen, von denen viele in ihrem ganzen Leben nicht ein Mal strafrechtlich auffällig geworden sind und die sich nun auf einen Weg setzen, um gegen ein alles andere als demokratisch einwandfreies Projekt zu demonstrieren. Hier stellt sich niemand aus niederen Beweggründen gegen geltendes Recht. Man bekämpft mit den wenigen Mitteln, die man hat, eine Regierung und einen Konzern, die Gutachten und Dokumente unterschlagen, um über diese Tricks in einer Art Pseudolegalität zu erscheinen, die es ihnen ermöglicht, Polizeigewalt für ihre persönlichen Ziele zu missbrauchen.
Versteh mich nicht falsch: Ich würde niemals aktive Gewalt gegen Polizeibeamte predigen, aber wenn die Mächtigen mit den angesprochenen Tricksereien das demokratische Regelwerk gegen das Volk verkehren, das eigentlich dadurch geschützt werden soll, ist die Frage nach der Legalität des Vorgehens nicht mehr in einem Satz zu beantworten.
axelkothe hat geschrieben:Ich bin kein Freund von S21 (vor allem wegen der fraglichen Sinnhaftigkeit der Pläne und der immens hohen Kosten), aber tatsächlich gehen mir die dummen Pseudo-Argumente der Gegner dermaßen auf den Sack, dass ich inzwischen für die Umsetzung bin.
Es ist nicht so, dass es keine guten Argumente gegen den Bahnhof gibt. Aber leider wird von den Gegnern wirklich auch nur jeder Furz angeführt, das es nicht mehr feierlich ist. Zumal wie realchris schon richtig erkannt hat, es inzwischen kaum noch um den Bahnhof zu gehen scheint, sondern mehr um das drumherum. Mir gefällt da auch vieles nicht, aber das bringt mich in der Diskussion um den Bahnhof nicht einen Schritt weiter.
Dass du für das Projekt bist und welche Punkte für deine Entscheidung ausschlaggebend sind, ist natürlich deine Sache. Aber der Standpunkt "Wir ballern Milliarden für ein dummes Projekt raus, yeah, dann haben wir's den blöden Demonstranten gezeigt! (Und die CDU kann ungestört weitermachen, wie bisher)" ist auch nicht viel intelligenter als die "dummen Pseudoargumente der Gegner". (Von denen ich gerne mal ein paar hören würde. Derzeit kommen solche Argumente eher von der Pro-Fraktion: "S21 ist besser. S21 ist die Zukunft. Deep Thought hat gesprochen. Dass alle Fakten dagegen sprechen und wir seit Planungsbeginn auf Lügengeschichten und Hochglanzprospekte angewiesen sind, braucht euch dumme kleine Bürger nicht zu interessieren. Wir haben den Durchblick und denken für euch.")
BTW: Hast du dir mal die "dummen Pseudoargumente" der Bahn reingezogen? Denn letzten Endes ist es die Bahn, die in der Pflicht stehen müsste, den neuen Bahnhof zu rechtfertigen - was ja, da das Projekt so unglaublich super ist, auch kein Problem sein dürfte. Aber solange, wie im Moment, die akute Gefahr besteht, dass der neue Bahnhof schlechter funktionieren wird, als der alte, bräuchten wir streng genommen gar keine Argumente, weil es einfach unsinnig ist, Milliarden in einen weniger effizienten Bahnhof zu stecken.
Es mag tatsächlich um mehr als einen Bahnhof gehen. Frage: Ist das in diesem konkreten Fall schlimm? Es ist ja nicht so, dass hier ein wundervolles Überprojekt von ein paar frustrieren Bürgersöhnchen aus Prinzip boykottiert würde. Es geht um ein, laut aktueller Fakten, schlechtes Projekt, das auf undemokratischem Wege durchgeprügelt werden soll. S21 ist das Paradebeispiel in der Bundesrepublik dafür, in welchem Ausmaß die Mächtigen einen Dreck auf das Volk geben (Entscheidungsprozess, der Umgang mit den Demonstranten, Geld in Prestigeprojekte stecken und in wichtigeren Sektoren die Schere ansetzen usw.). Dass sich der Protest dann sowohl gegen den Bahnhof an sich, als auch gegen die Machtstrukturen, die das Projekt ermöglicht haben, richtet, ist weder verwunderlich noch verwerflich.
@Bastiwasti:
Sagen wir's mal so: Hätte ich Kinder unter 18 oder 16, würde ich sie auch nicht an einer Besetzung teilnehmen lassen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass die Leute, aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit der Polizei, die bis zu dem Donnerstag meines Wissen absolut deeskalierend und professionell gearbeitet hat, einfach in tausend Jahren nicht damit gerechnet hätten, dass so etwas passieren würde.
Man kann sich nun streiten, wie verantwortungsbewusst das ist, aber einen weiteren Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang anführen: Die meisten Kids waren die Teilnehmer einer angemeldeten und genehmigten Schülerdemo, die zu dem Zeitpunkt ganz woanders in der Stadt unterwegs war. Dass die Eltern ihren Kindern erlauben, an einer solchen Demo teilzunehmen ist imho absolut nicht verwerflich - im Gegenteil: Ein demokratisches Land kann seine Bürger nicht früh genug daran gewöhnen, für ihre Rechte zu kämpfen. Dass die Regierung ausgerechnet an diesem Tag und zu dieser Zeit die Polizei in den Park schicken würde, damit mussten die Eltern nicht rechnen. Ich würde eher sagen, dass es von den Verantwortlichen äußerst ungeschickt war, im Wissen um die Schülerdemo diesen Tag auszuwählen. Das Projekt ist auf 10 Jahre geplant, was hätte da eine Baumrodung einen Tag später groß ausgemacht?
Was ich damit sagen will: Wieviele Eltern haben tatsächlich ihre Kinder zum Blockieren animiert und wieviele waren einfach nur mit der Teilnahme an der unbedenklichen Schülerdemo einverstanden und konnten anschließend in dem ganzen Tohuwabohu gar nicht mehr Kontakt zu ihren Kindern aufnehmen, um sie zum Blockieren zu motivieren oder davon abzuhalten? An dem Tag hat sich vieles verselbstständigt und ich würde sagen, dass es auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn Zivilisten in einer solchen Grenzsituation ein wenig den Überblick verlieren.
Vielmehr erwarte ich von der Polizei oder einem geschulten Einsatzleiter, dass erkannt wird, dass kein aktives Gefahrenpotential von einem Haufen Kinder ausgeht, die auf einem Fahrzeug sitzen. Da waren Horden von Polizisten in voller Montur im Einsatz gegen Leute, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie nicht weggegangen sind. Es hätte niemandem weh getan und kein weiteres Risiko bedeutet, wenn eine Handvoll Beamter dazu abgestellt worden wäre, die Kids von den Autos zu holen und vom Rest der Masse zu isolieren. Wie gesagt, sowas kriegen die Polizisten mit wesentlich brutaleren und gefährlicheren Gestalten aus dem Schwarzen Block hin - während sie unter Dauerbeschuss von echten Pflastersteinen stehen.
Bastlwastl hat geschrieben:Zu dem angeblichen Agent Provokateur nochmal:
Möglich ist vieles und vermuten darfst Du gern. Nur schreiben, dass er entlarvt wurde, das darfst Du nicht, wenn es nicht der Fall ist. In dem Augenblick präsentierst Du Dich selbst in einem schlechten Licht. Dass Du als direkt Betroffener sehr emotional an das Thema herangehst kann ich verstehen. Ich würde Dir nur empfehlen trotzdem einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren.
Stimmt, das habe ich in der Tat unglücklich formuliert. Meine Absicht war eher die, auf die unseriöse Art der Polizei hinzuweisen. Zuerst: "Ein Demonstrant sprüht Pfefferspray um 14 Uhr. Wir haben nur darauf reagiert." Dann: "Oh, Sie können beweisen, dass wir schon um 11 Uhr Pfefferspray eingesetzt haben? Ach, wissen Sie, die Zeitangaben stimmen sowieso nicht wirklich." Die Krönung des Ganzen ist dann der Verdacht, dass der Pfeffersprayer am Ende sogar ein Polizist gewesen sein könnte. Es geht mir mehr um den Verdacht, der aus den genannten Gründen realistisch erscheint und in das Hintenrum-Schema der Projektverantwortlichen passen würde (Stichwort Innenminister Rech: "Die Deeskalationsteams waren vor der Eskalation an Ort und Stelle und wurden abgewiesen." Jetzt kommt im Untersuchungsausschuss raus: Die Deeskalationsteams sind erst nach dem Gemetzel angerückt.) Aber so, wie ich das formuliert habe, waren die Polizisten nicht die einzigen, die sich eine unseriöse Art vorwerfen lassen müssen, da gebe ich dir Recht.