Mic hat geschrieben:Da ich nicht unbegrenzt über Zeit verfüge bleibt mir hin und wieder nichts anderes übrig. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Du Dich schon des öfteren "verteidigen" musstest, also bin ich nicht so gut vorbereitet wie Du und kann nicht aus dem Stand Quellen, Zitate oder sonstiges Hintergrundmaterial nennen. Liebend gern würde ich mich ja eingehender damit befassen, aber ich muss mein Wissensdurst in gewissen Bahnen lenken, bzw. einschränken, damit ich noch zum Geldverdienen komme.
Merkst du was: Du interpretierst meine Übersicht in dem Themenbereich als Ergebnis einer ständigen Verteidigung gegen Außenstehende. Das könntest du am ehesten nachvollziehen. Tatsächlich beschäftige ich mich unabhängig davon mit diesen Dingen und das viele "Wissen" ist also zum Teil Ergebnis meiner Verteidigung "gegen mich selbst" - also des Ringens um meine Überzeugung, die ich selbst immer noch am wirkungsvollsten Anzweifeln kann, da ich sie auch am genauesten kenne.
Ich habe den Eindruck, daß du zuviele Quellenangaben und Zitate als etwas unfair betrachtest, da dir die Zeit fehlt diese "durchzuarbeiten" und ich das inzwischen schließlich wissen müßte. Ich versuche das zu berücksichtigen.
Mic hat geschrieben:Naja, das ist natürlich Ansichtssache. Ich fand ihn dagegen konkreter, direkter, ehrlicher.
Glaub mir, dass ich mir nicht nur ein paar Minuten Zeit für eine Antwort nehme. Wenn dem so wäre, würde nicht soviel Zeit zwischen den Beiträgen liegen. Das Schreiben an sich geht zwar recht zügig, aber ich mache mir zuvor ja auch Gedanken, reflektiere, versuche Deinen Standpunkt nachzuvollziehen, gehe in mich (Boah, hört sich das schrecklich an).
Schön, daß du dir weiterhin Zeit nimmst. Die nehme ich mir auch in ganz erheblichem Maße
Ich fand den Post nicht ehrlicher und direkter, es sein denn in der Weise, dass er durchscheinen ließ, dass dir die Geduld und die Lust ausging, dich mit meiner Ansicht zu beschäftigen. Sag lieber
das direkt, bevor du wieder lospolterst

Mag natürlich auch an unserer unterschiedlichen Mentalität liegen, dass ich deine Ausdrucksweise so empfinde
Mic hat geschrieben:Als ich heute auf einem offenen Parkdeck stand und mir die Welt anschaute versuchte ich sie zu erklären - so wie sie jetzt ist. Die Wissenschaft kann es annähernd, die Kirche gar nicht.
Die
Religion versucht auch nicht die materielle Welt zu "erklären" wie die Wissenschaft. Sie beschäftigt sich mit dem Zusammenleben der Menschen und dem Menschen als Person, dem Geist, der Seele, wie du's nennen willst.
Mic hat geschrieben:Und so nebenbei, der Begriff "Toleranz" wird mir zu inflationär benutzt und häufig missbraucht.
Ich hoffe du hast gemerkt, daß ich diesen Begriff nicht mißbraucht habe. Wenn du willst kann ich meine Definition des Begriffs nachliefern, aber ich glaube du willst nicht
Mic hat geschrieben:Das mit dem "um die Ohren knallen"war bildlich gemeint, ich dachte das wäre klar. Was die stille Toleranz angeht, habe ich mich ja ein paar Zeilen weiter oben zu geäußert.
Nun, Toleranz ist in diesem Fall aber angebracht, da dies immer noch besser ist, als das was nicht der eigenen Meinung entspricht schlichtweg als unbegründbar, und sogar als etwas das man jemandem allenfalls "weismachen" könnte, zu bezeichnen. Hier ist die Bitte um Toleranz wirklich absolut passend.
Mic hat geschrieben:Nun, ich will mich (unter anderem) mit Dir unterhalten, nicht mit Philosophen, Würdenträgern oder anderen Zeitgenossen. Irgendwann würde man doch nur noch rezitieren und die Diskussion würde auf eine ich-aber-habe-gelesen-Schlacht reduziert werden.
Nun - "ich" das ist vor allem die Summe meiner Erfahrungen, oder? Und wenn ich mir wünsche, daß du meine Ansichten besser verstehst glaube ich naturgemäß, das ähnliche Erfahrungen wie die meinen (lesen eines Textes von besagten Zeitgenossen) dir dabei helfen könnten. Ich bin aber wie gesagt bemüht, das einzuschränken.
Mic hat geschrieben:Metaphysik ist die philosophische Lehre von den Ursachen des Seins, die über das Erfahrbare und Wahrnehmbare hinausgehen. Ich wollte das nur noch mal klar stellen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Ich finde, dieser Satz spricht für sich.
Kein Einspruch, du glaubst offensichtlich in keiner Weise, das metaphysisches intuitiv erahnbar ist, ich schon. Damit müssen wir wohl leben
Mic hat geschrieben:Nun, Religion nicht, aber Wissenschaft doch schon. Der Planet Pluto wurde z.B. mathematisch bereits bewiesen, bevor man ihn tatsächlich entdeckt hat (fiel mir gerade spontan ein, da ich vorhin ein wenig über derartige Dinge gelesen habe).
Wissen und Gewissheit sind in dem Kontext den ich mit dem Bezug auf Popper gesetzt habe nicht das selbe. Gewissheit bedeutet die objektive oder absolute Wahrheit über etwas zu erkennen und das ist eben unmöglich.
Wenn wir Pluto schließlich selbst erreichen und "anfassen" weicht das Problem einfach aus zu der Frage wie objektiv wahr unsere
Wahrnehmung von der Umwelt ist. Bei anhand unserer Wahrnehmung überprüfbaren Sachverhalten wird das natürlich etwas akademisch, da wir dort grundsätzlich von einer objektiven Wahrheit ausgehen müssen um überhaupt Schlüsse ziehen und in der Welt agieren zu können. Dadurch, dass diese Prämisse für uns notwendig ist wird sie aber nicht "wahr".
Die Mathematik kann uns also Informationen liefern, die sich als praktisch erweisen und damit als ausreichend wahr und darüber hinaus ist sie wohl
die Disziplin die besonders viele
theoretisch wahre Aussagen macht, nämlich durch strenge Verknüpfung bekannter und innerhalb der Mathematik bewiesener Sätze. Wenn wir aber hoffen z.B. über die Mathematik einen Blick auf eine objektive Wahrheit erhaschen zu können, werden wir auch enttäuscht: Die Wiederspruchsfreiheit der Mathemathik selbst ist unbeweisbar (ist durch einen Mathematiker bewiesen worden

) und damit werden eindrucksvoll die Grenzen objektiver Erkenntnis und die Unmöglichkeit von Gewissheit in diesem Sinne aufgezeigt.
Mic hat geschrieben:Shodan hat geschrieben:- Wissenschaft schafft lediglich Wissen und eine gute Religion ein Gewissen
lediglich ist gut. Das sag mal einem kranken Menschen, der ohne wissenschaftliche Erkenntnisse nicht mehr gesund werden würde.
Das ist nur ein Mißverständnis. Lass das "lediglich" weg, dann hast du was ich meinte. Ich hab das wohl beim Korrekturlesen übersehen.
Mic hat geschrieben:Sicherlich hat Wissenschaft vordergründig nichts mit Ethik zu tun. Ich finde aber auch, dass man beides nicht voneinander trennen sollte, was leider schon des öfteren passiert ist (ich denke mal an die Nazis).
Eigentlich hat die Anwendung von Wissenschaft auf die Ethik die schlimmsten Verbrechen der Nazis geprägt.
Nur rein
wissenschaftlich gesehen kann man sich dazu versteigen
- dass Todkranke und Schwachsinnige nutzlos und "objektiv" gesehen am besten von ihrem Leiden zu erlösen sind
- dass man Massenmord ebensogut effizient lösen kann, wenn man schon mal dabei ist
- die Anzahl der potentiell Heilbaren aufzurechnen gegen die Anzahl der Opfer die die Forschung fordert
- ...
Wie kannst du da von einer Ursache der Verbrechen in der
Trennung von Wissenschaft und Ethik sprechen? Je eher die (Natur-)Wissenschaft erkennt, daß sie im Bereich der Ethik keinen Beitrag leisten kann und darf, desto eher sind wir vor einem guten Teil der wirklich schlimmen Unmenschlichkeiten sicher!
Wenn du allerdings meintest, daß man die Ethik auf die Wissenschaft anwenden sollte, z.B. auf die Anwendung der Ergebnisse, dann gebe ich dir Recht. Aber oft genug haben wir eben Unmenschliches erlebt, daß schockierend "rational" begründet wurde...
Mic hat geschrieben:Auch wenn ich mich nicht als typischen gläubigen Kirchengänger bezeichnen würde, so lasse ich mir doch ein Gewissen und eine vertretbare ethische Moralvorstellung nicht absprechen. Dazu reicht mein Menschenverstand, ich brauche keine Kirche dafür.
Aus der Wahrheitssuche der Religion resultierte in der Geschichte ein unschätzbarer Zugewinn an Werten und Maßstäben. Daß diese Maßstäbe heute ohne weiteres dem "gesunden Menschenverstand" zugeschrieben werden ist ermutigend. Sie wären aber ohne die Entwicklung dieser Ideen über Jahrhunderte, und die Befruchtung der Philosophie durch die Religion und umgekehrt, heute gar nicht
denkbar.
Mit Kirche meinst du wahrscheinlich schon wieder ausschließlich die Institution oder sogar nur die äußere Erscheinungsform derselben. Setze für Kirche einfach Religion ein und du brauchst sie sehr wohl damit dein "Menschenverstand" überhaupt auf die Idee kommen
kann alle Menschen
sollten als gleichwertig gelten und sich als Brüder und Schwester behandeln. Das ist ein völlig revolutionäres und heute bei uns zum Glück selbstverständliches (?) Gedankengut.
Mic hat geschrieben:Ui, daraus könnte man ein neues Thema machen. Wissenschaft ist für mich immer rational. Ist sie es nicht, dann ist sie in meinen Augen auch keine Wissenschaft. Das ist aber wohl eine reine Definitionssache. Natürlich gibt es Bereiche, die mehr subjektive als objektive Elemente enthalten. Das liegt aber immer an der jeweiligen Thematik.
Ok, belassen wir es hier dabei.
Mic hat geschrieben:Shodan hat geschrieben:- beide können die absolute Wahrheit nie erreichen, aber mit einiger Berechtigung von ihrer Existenz ausgehen und sie darum als "Leuchtfeuer" auf ihrem Weg verwenden
Hängt davon ab, was man unter der absoluten Wahrheit versteht. Für mich entwickelt sich die Wissenschaft immer weiter, die Religion nicht. Das eine bedeutet Fortschritt, das andere Stillstand. Ob das fort schreiten immer richtig ist, ist eine andere Sache.
"Mumpitz", die Religion entwickelt sich rasant weiter. Sonst wäre das Überleben beispielsweise des Christentums über 2000 Jahre gar nicht denkbar. Außerdem hätte ich dich ohne eine Fortentwicklung der Religionslehre wohl schon längst bei der Inquisition anzeigen müssen (und mich auch), was übrigens zu den meisten Zeiten in einer Verhandlung und Wiederrufung oder einer Strafe mündete - und zwar nicht der Todesstrafe. Diese Praxis hatte nie eine Mehrheit unter den Kirchengelehrten und -herren, wohl gab es aber eine Zeit in der diese Praxis wie ein Buschfeuer um sich Griff. Am schlimmsten zur Zeit der Aufklärung, wo alles kräftig mitmachte, aber das ist ein anderes Thema.
Das was die meisten Christen heute als untrennbaren Bestandteil ihrer Religion ansehen stammt zu großen Teilen aus den letzten 30 Jahren. Alleine die starken Unterschiede zwischen den katholischen Landeskirchen zeigen dies schon sehr stark. Wir haben in Deutschland eben einen "deutschen Katholizismus".
Die äußere Form des Katholizismus unterschied sich früher davon und unterscheidet sich anderswo heute davon und wird sich auch in Zukunft stark wandeln. Das ist nicht weiter neu in der Kirchengeschichte. Alleine die Reformen die die Kirche in der Vergangenheit bei einem einzigen Konzil auf den Weg brachte, wären von ihrer Durchschlagskraft und ihrem Umfang für eine Bundesregierung undenkbar (leider).
Das geschieht alles natürlich nur in Abständen und Zeiträumen von Jahrzehnten und mehr, aber alles andere würde zu einer sehr kurzlebigen Lehre führen die kaum zu Positionen kommen könnte, die eben nicht dem Zeitgeist entsprechen, sondern echte Orientierung bieten.
Mic hat geschrieben:Was ich momentan beobachte ist, dass religiöse Gruppen gegen die Wissenschaft und natürlich auch untereinander intervenieren. Bei der Wissenschaft habe ich noch nie etwas in der Richtung "Wir beweisen jetzt mal, dass es Gott nicht gibt" gehört.
Du meintest wohl "intrigieren"? Bekleben von Schulbüchern mit "Achtung Evolution" und so?

Nun religiöse Gruppen sind in diesem Fall wohl diverse "Freikirchen", Sekten, fundamentale Strömungen und wer-weiß-was-noch. Die evangelische Kirche, die katholische Kirche und viele andere jedenfalls nicht. Diese haben die Trennung von
Naturwissenschaft und Religion zum Glück schon lange offiziell festgeschrieben und würde sich dort nicht mehr einmischen, es sei denn mit ethischen Bedenken, aber das meinst du hier ja wohl nicht.