Shard of Truth hat geschrieben:Aber letztendlich ist der Betrachter verantwortlich, ob das Gezeigte jetzt in einen Sexismus umgesetzt wird oder nicht, nur sollte man das doch dann bitte nicht auf den Rest der Menschheit projezieren.
Hans hat geschrieben:Bin ich Sexist, nur weil ich Spiele spiele, in denen Sexismus vorkommt (z.B. GTA)?
Das ist Gamergates Strohmann schlechthin. Die Antwort ist schlicht "nein". Es geht um
Sexismus in Spielen, nicht um
Spiele für Sexisten. Es liegt in der Medienkritik keine Kritik am Konsumenten begründet. Siehe oben von wegen "
beleidigt fühlen wollen".
Das bedeutet nicht, dass ich persönlich die Zielgruppe eines ganzen Haufens von angeblich für Erwachsene konzipierten Spielen nicht in 14-jährigen, pubertierenden Jungs sehe.
Hans hat geschrieben:Ist Hitchcocks Psycho dann auch sexistisch?
Oh, das Rollenbild der Frau in den 1960er Jahren, zumal den frühen, trägt sexistische Züge, aber selbstveroberfreilich. Und Hitchcocks
Panoptikum weiblicher Charaktere reicht_nicht_weit. Davon lasse ich Hitchcocks Genius jedoch weitgehend unbefleckt, ebenso wie z. B. Hemingways. Um den Geist Sarkeesians nochmal zu wiederholen (weil er so oft ignoriert wird): Eine Kritik an Teilen eines medialen Werks bedeutet nicht, das Gesamtkunstwerk zu verdammen.
Hans hat geschrieben:Wäre es genau so sexistisch, wenn die Geschlechter hier vertauscht wären?
Das geht etwas tiefer in die Theorie der Geschlechterrollen und das angestrebte
Gleichgewicht in der Darstellung, was ich hier allerhöchstens anreißen kann, und dann brächte dir eine Antwort ('jein') vermutlich nicht viel. Es lohnt sich allerdings, das tiefschürfender zu erforschen, da fällt unter Umständen so mancher Groschen. Sarkeesian sammelt – und das ist keineswegs ein neuer Ansatz – erkennbare weibliche Stereotypen in kulturell besonders relevanten Spielen. Die Protestschreie jeweils 'beleidigter' Spieler dürften als Maß für die kulturelle Relevanz dieser Spiele gelten; da selbstverständlich jedes Beispiel irgendwo diskutierbar ist, kann ein zwingender "Beweis" für das Überwiegen bestimmter Stereotypen, bei aller Offensichtlichkeit, nicht erbracht werden – das muss ergo als Fundament der Untersuchung gelten und kann nicht ein angestrebtes Untersuchungsziel sein.
Wie in der Literatur und im Film gehen wir davon aus, dass ein Charakter, weiblich wie männlich, schwarz wie weiß, eine Reihe positiver wie negativer Eigenschaften haben kann. Überwiegen klar ersichtlich die negativ-stereotypen Eigenschaften bei weiblichen Charakteren, kratzen wir uns am Kopf. Tun sie es nicht, geht essenziell alles:
Screw writing “strong” women. Write interesting women. Write well-rounded women. Write complicated women. Write a woman who kicks ass, write a woman who cowers in a corner. Write a woman who’s desperate for a husband. Write a woman who doesn’t need a man. Write women who cry, women who rant, women who are shy, women who don’t take no shit, women who need validation and women who don’t care what anybody thinks. THEY ARE ALL OKAY, and all those things could exist in THE SAME WOMAN. Women shouldn’t be valued because we are strong, or kick-ass, but because we are people. So don’t focus on writing characters who are strong. Write characters who are people.
(Zitat immer wieder gerne geklaut von Bloggerin Madlori)
Und jetzt beantworte ich noch nicht mal die Frage: "Wäre es genau so sexistisch, wenn die Geschlechter hier vertauscht wären". Ich stelle eher die Frage: Ist es nicht ebenso stereotyp, abwertend, "sexistisch"
gegenüber Männern, wenn diese in Spielen beinahe durch die Bank als kaltherzige, brutale, wortkarge Killer dargestellt werden?
Und da ist die Antwort selbstverständlich, insbesondere auch von Seiten Sarkeesians: "Ja, aber selbstverständlich ist es das". Das ist ihr Konzept der "toxischen Männlichkeit", das von Gamergate-Unterstützern ebenso falsch wie routiniert auf die gesamte Männerwelt angewendet wird, real wie fiktiv.
Shard of Truth hat geschrieben:Über Milo Yiannopoulos brauchen wir nicht zu reden, der Kerl ist eine Lachnummer.
Wir sprachen und sprechen über
Gamergate; Yiannopoulos ist derzeit noch so ziemlich der unangefochten populärste Fürsprecher für den Kult. Darum geht es in diesem Thread.
Shard of Truth hat geschrieben:Wieso darf ich sowas von Sarkeesian nicht behaupten, nur weil sie eine Frau ist?
Richtig gestellte Frage: "Wieso behaupte ich sowas von Sarkeesian, nur weil sie eine Frau ist?"
Shard of Truth hat geschrieben:Das ist eine selbsterfüllende Propheiung oder ein logischer Zirkelschluss, such es dir aus. Nur weil sie sich hinstellt und behauptet, das zu sein, was sie vorgibt und gleichzeitig behauptet, jeder würde ihr diese Kompetenzen absprechen, ist es noch lange nicht wahr, wenn es genauso passiert.
Die Reihenfolge ist entscheidend. Nicht Sarkeesians Betonung der Kompetenzen kam zuerst. Das Absprechen kam zuerst. Dezidiert, organisiert und indiskutabel beleidigend.
Shard of Truth hat geschrieben:Aber weil bei Sarkeesian alles "doppelt und dreifach" gecheckt wurde, sind natürlich keine Fehler möglich, Schach und Matt. Das ist einfach ein unmögliches Benehmen und führt viel eher zu einer "kultischen Argumentationsstruktur".
Ich muss dir an dieser Stelle abermals Gamergate-Strohmänner unterstellen. Selbstverständlich gibt es in jeder komplexen Argumentationskette, die nicht auf mathematischen Prinzipien fußt, "Fehler" im weitesten Sinn, in jedem Fall jedoch ein subjektives Empfinden. Das ist ganz generell der Witz bei einer
Interpretation von Daten, insbesondere bei der
Interpretation von Erzählmedien. Das Gros der Argumentation von Seiten Gamergates und seiner Vorläufer war und ist jedoch nun mal: Es gibt von vorneherein schonmal kein Problem, wir brauchen keine Lösungen, sie spielt keine Spiele, sie trägt doch Makeup, kuck doch die Ohrringe, mann ist die hässlich, die ist doch unterfickt, sie wird von einem Mann ferngesteuert, das ist Zensur, ihr geht's doch nur um Geld, die Videos sind doch einfach schlecht gemacht, die Backer sind übrigens betrogen worden und nooiiiiiiiiiiiin Hitman trägt doch keine sexistischen Züge. Sacre bleu.
Shard of Truth hat geschrieben:Muss ich alles gut finden, was konsumiert wird? Nein. Darf ich es trotzdem kritisieren? Ja. Muss sich irgendwer meine Kritik wiederspruchlos anhören? Wieder nein.
Um Oliver Kalkofe im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte zu zitieren:
Die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten war übrigens auch keine Literaturkritik, die Scheiterhaufen der Hexenverbrennung kein friedlicher Diskussionsbeitrag zur Okkultismus-Debatte und der Ku-Klux-Klan auch keine freundliche Gesprächsgruppe besorgter weißer Bürger mit Zipfelmützen.
Zum letzten Mal:
Gamergate ist kein Beitrag zur Sexismus-Debatte in Videospielen. Bei Gamergate geht es, Verzeihung, um die Endlösung für die SJW-Frage. Zu deutsch: Die "Gutmenschen" müssen weg, die ruinieren unsere Spiele.
Shard of Truth hat geschrieben:Hier geht es um Spiele, nicht um die Realität, aber das scheinen viele nicht in den Kopf zu bekommen.
Richtig. Und zwar jene, die eine stinknormale Medienkritik sehen, so wie wir sie seit fast 100 Jahren im Film und seit 200 Jahren in der Literatur haben, und glauben, das Ende der Welt sei gekommen, jemand nähme Ihnen ihre Spiele weg, und sie müssten mit Trillerpfeifen und bedrohlichen Transparenten auf die virtuelle Straße ziehen. DAS ist Gamergate. Eine Diskussion dieser Thematik, wie vernünftige Menschen sie sich vorstellen – durchaus auch diejenigen, die Haare in der Suppe von Sarkeesians de facto Argumentation sehen – ist derzeit praktisch unmöglich. Unter dem Gamergate-Banner geht da nichts.