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Re: Mein Corona

Verfasst: 21.01.2021, 22:26
von Fightmeyer
Mal abgesehen von meiner Tochter und meiner Frau habe ich keine weiteren Kontakte. Und da wird der Ton auch rauher... Außerdem alle paar Tage Mal auf Arbeit.
Aber deswegen würde ich noch lange nicht von vegetieren sprechen. Die Wortwahl ist einfach Mal völlig unangemessen.

Re: Mein Corona

Verfasst: 21.01.2021, 22:27
von JohnLemon
Fightmeyer hat geschrieben: 21.01.2021, 22:13
Hexenjohanna hat geschrieben: 21.01.2021, 21:18
Mein Leben kommt mir augenblicklich nur noch wie "vegetieren" vor.
Ein toller Vergleich. Das spielt in der selben Liga wie die Sophie Scholl oder Anne Frank-Vergleiche.
Klingt für mich nach typischen 1.-Welt-Problemen...
Wo hat sich Hexenjohanna denn den Märtyrer-Schuh angezogen? :shock: [-X
Im Ernstfall braucht die gar keine Schuhe, die kann doch fliegen.
Außerdem: was mach' ich hier? Als könnte die Hexe sich nicht selbst verteidigen - oder dich mit einem Spruch für im lockdownen... :x

Edit: OOps, eh' zu spät... :?

Re: Mein Corona

Verfasst: 21.01.2021, 22:30
von Kikimora
Geht es um Quantität oder Qualität? Ist ein Mensch nur lebensfähig und hat sein Leben nur dann einen Sinn oder gar Wert, wenn er (wie viele auch immer) persönliche, menschliche Kontakte hat? Für sich allein nicht?

Es gab immer schon Menschen, die ganz gut mit sich alleine zurechtgekommen sind, "selbstzufrieden". Ich lese und höre das zumindest immer wieder von Künstlern oder Autoren oder auch Musikern, die aus sich heraus Geschichten in Worten, Bildern oder Musik erzählen können, ohne dafür persönliche Kontakte zu benötigen. Die kommunizieren auf andere Weise mit den Menschen, ohne ihnen dabei persönlich begegnen zu müssen. Sie nutzen ihr Medium.
Und wir müssen alle keine Künstler sein, um die modernen Kommunikationsmittel, die wir haben, als solches Medium zu nutzen.

Ich denke wir können uns ganz glücklich schätzen, vor allem wir hier, die lesen und schreiben können und weitgehend uneingeschränkten Internetzugriff haben. Man muss natürlich für sich selbst auch individuelle Ideen haben, wie man seine persönlichen Möglichkeiten nutzen kann. Kann mir schon vorstellen, dass das nicht jedem liegt.

Re: Mein Corona

Verfasst: 21.01.2021, 22:37
von JohnLemon
Kikimora hat geschrieben: 21.01.2021, 22:30 Geht es um Quantität oder Qualität? Ist ein Mensch nur lebensfähig und hat sein Leben nur dann einen Sinn oder gar Wert, wenn er (wie viele auch immer) persönliche, menschliche Kontakte hat? Für sich allein nicht?
(...)

Ich denke wir können uns ganz glücklich schätzen, vor allem wir hier, die lesen und schreiben können und weitgehend uneingeschränkten Internetzugriff haben. Man muss natürlich für sich selbst auch individuelle Ideen haben, wie man seine persönlichen Möglichkeiten nutzen kann.
=D>

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 08:25
von Joey
Natürlich bringt so eine Isolation auch Möglichkeiten mit sich. Man könnte z.B. eine neue Sprache lernen oder ein Musikinstrument zu spielen. Oder man könnte all die Bücher lesen, die man schon immer lesen wolle, aber nie die Zeit dafür hatte, weil die sozialen Kontakte immer so viel davon verbraucht haben.
Aber die gesamte Situation ist eben nicht für alle gleich leicht zu ertragen. Ich merke auch, daß ich, trotz eigentlich theoretisch genug Zeit, nicht mal dazu komme, ein Buch zu lesen oder ein Adventure zu spielen oder sonst etwas Schönes zu machen letztlich.
Je nach persönlicher Situation und Veranlagung geht einem halt vielleicht auch mittlerweile irgendwie die Kraft aus, sich noch produktiv zu betätigen, abgesehen von dem, was eben nötig ist.
Und dann besteht das Leben eben einfach nur noch hauptsächlich aus Pflichten, die man erfüllen muß, aber der Spaß bleibt auf der Strecke. Und ja, da muß ich Hexenjohanna zustimmen, gerade als Single, der nicht einen Partner hat, mit dem man auch mal seine Frustration teilen kann oder den man noch ohne Gewissensbisse mal umarmen darf, hat das Leben gerade wirklich etwas von "einfach nur vor sich hinvegetieren".
Bei Kindern wird da ja auch immer gesagt, wie sehr sie leiden. Aber ich tippe mal, daß die meisten, die Kinder haben, diese auch in Pandemiezeiten mal in den Arm nehmen und trösten, wenn sie traurig sind. Aber es gibt eben auch Personen, welche die Kontaktbeschränkungen ernst nehmen und nun schon seit Monaten keinen anderen Menschen mehr auch nur berührt haben, es sei denn aus Versehen. Sich über die Probleme dieser Menschen dann lustig zu machen oder sie herabzuspielen, finde ich jetzt auch nicht wirklich fair.

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 08:31
von Kikimora
Ich habe mich nicht darüber lustig gemacht - was ich schrieb, war ganz ernst gemeint. Wir wissen ja grundsätzlich nur begrenzt, auf Basis welcher Lebenserfahrung die Teilnehmer sich hier äußern. Ich kenne eben beide Seiten - die, die in dieser Situation geradezu aufblühen, weil sie die Zeit für ihre eigene Entwicklung oder eigene Projekte genutzt haben (ich habe im vergangenen Jahr 5 Spiele (mit)entwickelt und zwei Bücher illustriert + weitere Projekte in Angriff genommen), aber auch die, die sich eingesperrt und eingeschränkt fühlen.

Und ich finde schon, dass es durchaus etwas Lernenswertes wäre, auch ganz unabhängig von der Coronasituation, mit sich selbst glücklich sein zu können und sich mal ernsthaft damit auseinander zu setzen, wie man selbst das erreichen kann. Irgendwann kann auch ein Partner an Altersschwäche (oder früher, an Schlimmerem) sterben, oder die Kinder verlassen das Haus, oder man bricht sich ein Bein oder ist sonstwie krank und kann nicht raus, da wäre es besser, man hat irgendwelche Hobbies. Das gilt doch ein Leben lang, nicht bloß jetzt.

Es stellt sich ja unter Umständen auch die Frage, wer bist du und was machst du, wenn du mal nicht mehr arbeiten kannst oder musst. Ersteres betrifft besonders aktuell natürlich auch einige, und es wäre nur gesund, sich damit zu beschäftigen, wie sie damit umgehen. Einige finden kreative Lösungen (Buch-Lieferungen, Blumen-Abholung), mit denen sie trotzdem arbeiten können, einige mögen sich beruflich auch ganz anders orientieren und vielleicht dadurch auch sinnhaftere Arbeit finden, um das Leben auch für andere Menschen zu erleichtern. Das ist natürlich jetzt vielleicht etwas idealisiert - aber möglich. :)

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 11:52
von Möwe
Da hier ist ein Versuch, die zu trösten, die sich momentan ziemlich schlecht fühlen. Ich schaue dabei dich an, liebe Hexe.
Ich persönlich habe mich durch Corona nicht wesentlich eingeschränkt gefühlt.
Deshalb kann ich auch nicht beurteilen, wie schlimm diese Situation für andere Menschen sein kann.
Ich höre vom beiden Extremen: es gibt Leute, die regelrecht aufblühen und andere, die kurz vor dem Wahn stehen.
Leider wird es noch einige Zeit dauern, bevor wir verlässliche Daten bekommen, inwieweit welche der Gruppe überwiegt und ob "Lanzeitschäden" zurück bleiben.
In meinem persönlichen Umkreis geht es allen gut und sie sind zufrieden oder kommen zumindest mit der Situation klar, auch wenn sie mehr Streß bedeutet.

Ich hatte vor Jahren eine ziemlich schlimme Krankheit, die ich gut überstanden habe, nach der ich aber nie wieder richtig fit geworden bin. Das war viel härter als das hier, finde ich. Hier ist man nicht alleine in der Situation, es gibt viele Menschen denen es ähnlich geht und mit denen man Kontakt aufnehmen kann. Klar, die Situation ist ungewiss, aber nicht direkt lebensgefährlich (für die meisten). Es gibt für die meisten Geld, wenn auch schleppend und nicht viel. Immerhin hat man, wenn man kein Geld hat, mehr freie Zeit - ist doch schön. Und das Beste von Allem: man durch die Situation körperlich nicht völlig eingeschränkt - außer man beschließt jetzt, sich nicht mehr zu bewegen (aber das liegt in der eigenen Hand und kann von einem selbst gesteuert werden). Das letzte ist eindeutig eine wunderbare Sache, die man nicht zu hoch einschätzen kann.
Ich denke immer: die meisten, die jetzt jammern, sind noch nie wirklich krank geweßen oder hatten einen schlimmen persönlichen Schicksalsschlag. So viele Leute, die ich kenne und die in der Vergangenheit echt dicke Kacke hatten, gehen mit der Situation sehr gelassen um. Vielleicht liegt es an der gemachten Erfahrung. Vielleicht kenne ich einfach nur die richtigen Leute. ;-)
Von der weltweiten Situation will ich erst gar nicht reden. Uns geht es gut, bei uns gibt es sogar schon Impfungen, es wird dafür gesorgt, dass niemand verhungert und wir haben freien Zugang zu allem.

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 12:36
von JohnLemon
@Kikimora
Klar hast du das ernstgemeint - deswegen habe ich deiner wohltuenden Akzentsetzung völlig unironisch und zustimmend applaudiert. =D>

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 12:44
von Kikimora
Leider wird es noch einige Zeit dauern, bevor wir verlässliche Daten bekommen, inwieweit welche der Gruppe überwiegt und ob "Lanzeitschäden" zurück bleiben.
Auch wenn die Gruppe derer, die Probleme mit der Situation haben (unabhängig davon, ob Single, mit oder ohne Kind, reich oder arm), eine Minderheit sein sollte (was ich für unwahrscheinlich halte): Es wäre schön, wenn man diesen Leuten einen Weg zeigen könnte, damit umzugehen, wenn sie ihn selbst nicht sehen, und sie vielleicht soweit möglich dabei zu unterstützen, wenn auch nur aus der Ferne. Ist gar nicht so einfach. Ich habe auch solche Menschen in meinem Bekanntenkreis und versuche es mit Ideen und Vorschlägen, aber jeder Mensch ist eben anders gestrickt. :/
Man kann auch schlecht anderen dabei helfen, sich einen passenden Beruf fürs Leben auszusuchen, finde ich. Oder etwas, wofür sie sich begeistern sollen ... und ich finde, gerade letzteres braucht man.


Edit:
Man kann ja zur Abwechslung auch mal gute Nachrichten verlinken: https://www.tagesschau.de/inland/feiert ... a-101.html :)

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 14:24
von westernstar
Ja, ich glaube, dass es mein "Vorteil" ist, dass ich in der Situation von Möwe auch schon war und aktuell auch noch bin (1x durch Krankheit, 1x durch Unfall). Das Leben geht für das Umfeld einfach weiter und man selbst muss es komplett zurückfahren und sämtliche Pläne über den Haufen werfen, wobei man einen Teil ggf. nie nachholen kann. Das ist nochmal anders, als wenn es jetzt alle betrifft. Und ich kann mich daher auch ganz gut zu Hause beschäftigen. Wobei man ja trotzdem rausgehen darf, wie Möwe richtig gesagt hat.

Zu dem Link: Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es aber auch an den hohen Todeszahlen liegt, dass die Intensivstationen leerer werden.

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 15:35
von Möwe
Kikimora hat geschrieben: 22.01.2021, 12:44 Es wäre schön, wenn man diesen Leuten einen Weg zeigen könnte, damit umzugehen, wenn sie ihn selbst nicht sehen, und sie vielleicht soweit möglich dabei zu unterstützen, wenn auch nur aus der Ferne. Ist gar nicht so einfach. Ich habe auch solche Menschen in meinem Bekanntenkreis und versuche es mit Ideen und Vorschlägen, aber jeder Mensch ist eben anders gestrickt. :/
Ja, so geht es mir auch. Zu sagen (wie ich es oben getan habe) es könnte viel schlechter sein, ist nicht wirklich eine Hilfe. :?

@ westernstar: ich würde ja gerne sagen "Was uns nicht umbringt, macht uns stärker", aber das scheint nicht für alle Bereiche zu gelten. Bei manchen Sachen bin ich inzwischen total gelassen, bei anderen habe ich nun näher am Wasser gebaut als vor meiner Krankheit. :lol:

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 18:55
von Loma
JohnLemon hat geschrieben: 21.01.2021, 21:48 Eine Frau war noch nicht als Staatsoberhaupt im Krieg bisher, oder? Von antiken (Halb-)Göttinnen abgesehen. :wink:
Thatcher-Falkland-Gehüstel ist in diesem Zusammenhang vermutlich nicht ganz unpassend... :-" :wink:

Ich habe zuletzt gelesen, dass das Bedrohungsgefühl durch eine Pandemie im Grunde für jeden einzelnen Menschen höher ist, als bei einem Krieg. Die Pandemie ist eben unmittelbarer an den Menschen dran, der Krieg findet mit "Glück" an einer etwas entfernten Grenze statt.

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 19:58
von Uncoolman
Das finde ich nicht. Die Bombennächte waren schon ziemlich direkt nahe dran...

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 21:05
von Hexenjohanna
An oder @Fightmeyer, da ich diesen Vergleich sehr daneben fand, hier eine Definition von Anführungszeichen
https://de.wikipedia.org/wiki/Anführungszeichen

@Kikimora: Die Umgangsweise mit dem Alleinsein, auf die Du abhebst, bestimmt sich aus Deiner Lebenssituation und klar, auch aus Deinem Willen, etwas dagegen zu unternehmen. Ein bisschen las sich das jedoch für mich so: Da ich (Kikimora) momentan super klarkomme (X-Projekte am Laufen, ich "meete" viele Leute), nehme ich Personen, die ihre Situation anders wahrnehmen als ich, als solche an, die eher defizitär sind bzw. sage "die sind selbst schuld". Ziemlich sicher wird sich eine solche Annahme von selbst relativieren, im Laufe Deines Lebens.
Ich hab' übrigens auch schon viel "hippen Scheiß" gemacht, extrem viele Leute dabei kennengelernt und langweile mich eigentlich nie. Das ist nicht das Ding, augenblicklich geht's mir um was Elementareres.

@Joey: Danke für den Aspekt des "mit keinem reden können bzw. sehr lange niemand auch nur berührt zu haben". Ich finde, man kann, selbst wenn man eher misanthropisch oder soziophob veranlagt ist, das ziemlich gut kompensieren, wenn man sich zumindest noch ab und zu mal wenigstens mit einem "Knuffelkontakt" näher austauschen kann. Weil wir ja letztlich doch Herdentiere sind, selbst wenn wir das überhaupt nicht sein möchten.

@Möwe: Tat gut, gerade Dein Mitgefühl zu lesen. Ich mag jetzt nicht beim allgemeinen Aufzählen von Schicksalsschlägen mitmachen, aber ich kann mittlerweile auch vieles aus persönlicher Erfahrung nachvollziehen. Da muss man jedoch trotzdem allein durch, selbst wenn andere einem Hilfe anbieten.

Was mich augenblicklich an unserer Gesellschaft entsetzt ist, wie viele offenbar nach irgendeiner Führerschaft zu suchen scheinen und für diesen Seelenfrieden mal ganz fest ihre Scheuklappen dichtmachen, sobald kein harmonisiertes, vorgegebenes Gesamtbild im Sichtfeld ist.

Ich habe echt vor C-19 bei weitem nicht so viel Angst, wie vor dem, was das anrichten kann.

Re: Mein Corona

Verfasst: 22.01.2021, 21:41
von JohnLemon
Loma hat geschrieben: 22.01.2021, 18:55
JohnLemon hat geschrieben: 21.01.2021, 21:48 Eine Frau war noch nicht als Staatsoberhaupt im Krieg bisher, oder? Von antiken (Halb-)Göttinnen abgesehen. :wink:
Thatcher-Falkland-Gehüstel ist in diesem Zusammenhang vermutlich nicht ganz unpassend... :-" :wink:
Thatcher war eine Frau? :shock: :shock: *innere Genderwahrnehmung neu justiert* :wink: