Anglizismen - top oder Flop?

oder neudeutsch: Off-Topic
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Wintermute
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Beitrag von Wintermute »

DasJan hat geschrieben:Ich glaube, dieser Thread ist deshalb so lang, weil viele die deutsche Sprache für ein "schützenswertes Kulturgut" halten und andere (z.B. ich) für etwas, was sich schon immer verändert hat und weiter verändern wird. Keiner wird wohl seine Position ändern...
Tja, darum geht es wohl, die einen finden die eigene Sprache schön, und finden es schade, wenn sie verloren geht, den anderen ist es irgendwie egal. Was solls!
Es gibt halt momentan eine Tendenz (ob es wirklich dazu kommt, ist eine andere Sache) der deutschen Sprache in Richtung einer Sprache mit englischem Grundwortschatz und deutscher Grammatik, ein typisches "Pidgin" Englisch eben.

Diese Tendenz kann man übrigens auch an Titeln von Kinofilmen sehen.
Ganz früher waren alle Titel (außer Eigennamen) auf Deutsch, dann gab es eine Zeitlang die Doppeltitel (Englisches Original-Deutsche Übersetzung) und inzwischen sind die meisten Titel nur noch auf Englisch.
Ob dies bei englischen Filmen gut oder schlecht ist, darum kann man sich streiten, aber das wird merkwürdigerweise auch bei anderen Filmen so gemacht.
Der Film mit dem schönen deutschen Titel "The Others" z.B. wurde in Spanien gedreht (mit Unterstützung von Frankreich und USA) und trägt den Originaltitel "Los Otros". Warum er dann in Deutschland einen englischen Titel haben muß, wobei "Die anderen" auch nicht schlechter klingt, ist mir ein Rätsel.
Anderes Beispiel: Der Film "Miss Congeniality" bekam in Deutschland die deutsche Bezeichnung "Miss Undercover". Die Marketing Leute haben wohl eingesehen, daß der Durchschnitts-Deutsche doch nur über einen englischen Wortschatz von 20 Wörtern (Achtung: Ironie) verfügt und den Original-Titel eh nicht kapiert, wollten aber dann doch nicht auf so einen wahnsinnig coolen englischen Titel verzichten!
Merlin813
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Beitrag von Merlin813 »

wintermute74 hat geschrieben:Der Film "Miss Congeniality" bekam in Deutschland die deutsche Bezeichnung "Miss Undercover". Die Marketing Leute haben wohl eingesehen, daß der Durchschnitts-Deutsche doch nur über einen englischen Wortschatz von 20 Wörtern (Achtung: Ironie) verfügt und den Original-Titel eh nicht kapiert, wollten aber dann doch nicht auf so einen wahnsinnig coolen englischen Titel verzichten!
Gute Beispiele, die du genannt hast. Ist mir auch schon seit geraumer Zeit aufgefallen. Bei "Miss Congeniality" kommt jedoch noch erschwerend hinzu, dass keiner so richtig gewusst hätte, wie man das überhaupt ausspricht. Selbst ich, der mit Englisch eigentlich keine nennenswerten Probleme hat (der Englisch-LK lässt grüßen), tue mich mit diesem Wort schwer. :wink:
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mausebaer
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Beitrag von mausebaer »

Ich selbst mag das übermäßige Benutzen von Anglizismen auch nicht. Vor allem in der Werbung nervt es mich tierisch. Ich arbeite nebenberuflich als ...ähm... "Hupfdohle" in einem Fitness-Studio, und mußte da feststellen, daß ein "Bodyforming-Kurs" bei weitem besser besucht wird, als eine "Bauch-Beine-Po-Stunde" obwohl beides völlig identisch ist. Weiterhin gibt es da auch keine Grundschritte mehr, sondern nur noch Basic-Steps, Turn-Steps statt Drehungen und Stepper statt Treppensteigern. Jedes deutsche Wort wird dort rigoros durch einen möglichst "cool" klingendenden Anglizismus ersetzt... und das Schlimme ist, es gehen dann auch viel mehr Leute hin! :shock: Soweit mal dazu.

Aber nun zu meinem Hauptanliegen, eine Frage, über die ihr hoffentlich nicht böse sein werdet, weil sie irgendwie doch, und irgendwie auch nicht zum Thema gehört.

Ich bin ja eine bekennende und gebürtige Baden-Würrtembergerin :wink: , und somit wie viele andere von einem heftigen Sprach-Dialekt befallen. Es ist nicht ganz schwäbisch, was ich rede, eher so ein breites Badnerisch...

Am Wochenende hab ich auf einer Geburtstagsfeier "zwangsweise" an einem "Badnerisch"-Test teilnehmen dürfen, und habe festgestellt, daß ich davon zwar noch viele Wörter kenne, diese aber nicht mehr benutze. Kartoffeln beispielsweise, sind bei mir schon lange keine "Grombiere" mehr :lol:
Einige kannte ich aber gar nicht. Meine Oma hat noch so geredet, und meine Eltern kannten auch alle Wörter, reden aber auch schon etwas "gemäßigter".

Ich hab mir das mal zum Anlaß genommen, darüber nachzudenken, ob es nicht tatsächlich schade ist, daß mein Dialekt am Aussterben ist. Denn wenn ich so hochrechne, werden die Generationen nach mir viele badische Wörter gar nicht mehr lernen, weil sie tatsächlich keiner mehr kennt. Dialekte werden ja in den meisten Fällen nur mündlich weitergegeben, man schreibt ja Hochdeutsch...

Wie seht ihr das? Ich meine im Gegensatz zu Denglisch-Anglizismen haben Dialekte ja eine lange Tradition und gehören ja gewissermaßen auch zum deutschen Sprachschatz? Ist es nicht schade, daß Kinder aufgrund eines Dialektes augelacht bzw. dumm angeschaut werden? Ich meine, ich hab mir viele der ganz großen "Hämmer" abgewöhnt, nur weil andere darüber gelacht haben... so ein badischer Fuß beispielsweise geht sprachlich genau in den Rumpf über... "Beine" gibt es bei uns nicht, nur "Füß"... ich habe mir das dann aber relativ schnell abgewöhnt, als ich auf das Kommando "Füß durchstrecke" nur Gelächter erntete :mrgreen: Heute habe ich auch Beine, Knie und Knöchel... der Begriff "Füß" beschränkt sich mittlerweile auf das anatomisch richtige Körperteil :wink: Trotzdem hat mich das Durchlesen des Testes auch irgendwie traurig gestimmt, stirbt der Dialekt doch offensichtlich einfach so aus...

Grüße,

Tina
Wintermute
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Beitrag von Wintermute »

mausebaer hat geschrieben:Ich arbeite nebenberuflich als ...ähm... "Hupfdohle" in einem Fitness-Studio,
Und tief und hoch und tief und hoch und.... :D
und mußte da feststellen, daß ein "Bodyforming-Kurs" bei weitem besser besucht wird, als eine "Bauch-Beine-Po-Stunde" obwohl beides völlig identisch ist. Weiterhin gibt es da auch keine Grundschritte mehr, sondern nur noch Basic-Steps, Turn-Steps statt Drehungen und Stepper statt Treppensteigern. Jedes deutsche Wort wird dort rigoros durch einen möglichst "cool" klingendenden Anglizismus ersetzt... und das Schlimme ist, es gehen dann auch viel mehr Leute hin! :shock: Soweit mal dazu
Tja, so ist das leider überall in der Werbung, man kann die Leute mit schön klingenden Ausdrücken anlocken, die sie nicht auf Anhieb intuitiv verstehen. Dazu braucht man nicht unbedingt Anglizismen, möglichst komplizierte Fremdworte funktionieren da auch sehr gut.
Kartoffeln beispielsweise, sind bei mir schon lange keine "Grombiere" mehr :lol:
Tja, Kartoffeln heißen bei uns "Ärpel" (von Erdäpfel). Als mal bei uns mal ein Bekannter aus Westfalen zu Besuch war und jemanand meinte: "Da hint'n lieren de Ärpel.", hat er sich nachher gewundert, warum es keine gebratene Ente gab. :-)
Es ist manchmal schon ganz witzig, wie verschiedene Sachen in einigen Regionen heißen, z.B. ein kleines Schneidemesser (Pflücksken, Pitterken) oder ein Putzlappen zum Wischen des Fußbodens (Aufnehmer, Putzlumpen).
Einige kannte ich aber gar nicht. Meine Oma hat noch so geredet, und meine Eltern kannten auch alle Wörter, reden aber auch schon etwas "gemäßigter".
Das ist bei mir ähnlich, ich komme zwar aus dem Rheinland (nein nicht aus Köln, aber wahrscheinlich könntest du meinen Dialekt genausowenig vom Kölsch unterscheiden, wie ich Deinen vom Schwäbischen ;-)), kann aber den lokalen Dialekt nur verstehen und nicht wirklich sprechen. Mein Vater kann es zwar, spricht aber normalerweise nur Hochdeutsch.
Ich hab mir das mal zum Anlaß genommen, darüber nachzudenken, ob es nicht tatsächlich schade ist, daß mein Dialekt am Aussterben ist. Denn wenn ich so hochrechne, werden die Generationen nach mir viele badische Wörter gar nicht mehr lernen, weil sie tatsächlich keiner mehr kennt. Dialekte werden ja in den meisten Fällen nur mündlich weitergegeben, man schreibt ja Hochdeutsch...
Dieses Aussterben von Dialekten ist aber nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern ist überall in Europa (wahrscheinlich auch woanders) anzutreffen. Es gibt an vielen Stellen Leute, die dem entgegenwirken wollen und teilweise Wörterbücher oder "Sprach"kurse anbieten. Naja, ob das was nützt? :(
In unserem Zeitalter der Medien kann man in ganz Deutschland im Fernsehen die gleiche Sprache hören, was natürlich zu einer Gleichheit der Sprache führt, den Dialekten entgegenwirkt (und nebenbei auch die Anglizismen stark fördert).
"Beine" gibt es bei uns nicht, nur "Füß"...
Das ist aber schade. Gerade eine Frau sollte doch ganz ansehnliche Beine haben, noch dazu wenn sie in einem Fitness-Studio arbeitet, oder? :mrgreen: ;-)
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Beitrag von Merlin813 »

wintermute74 hat geschrieben: Tja, so ist das leider überall in der Werbung, man kann die Leute mit schön klingenden Ausdrücken anlocken, die sie nicht auf Anhieb intuitiv verstehen. Dazu braucht man nicht unbedingt Anglizismen, möglichst komplizierte Fremdworte funktionieren da auch sehr gut.
Da fällt mir etwas Lustiges zu ein: Ich habe vor Längerem mal von einer Studie gelesen, in der herausgefunden werden sollte, wie Werbeslogans auf die Kunden wirken und ankommen. Der Slogan von Douglas "come in and find out" wurde von der Mehrheit der Befragten als "komme herein und finde wieder heraus" übersetzt und verstanden. :lol:
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Beitrag von galador1 »

In unserem Zeitalter der Medien kann man in ganz Deutschland im Fernsehen die gleiche Sprache hören, was natürlich zu einer Gleichheit der Sprache führt, den Dialekten entgegenwirkt (und nebenbei auch die Anglizismen stark fördert).
ich denke das dies der springende punkt ist. früher waren die leute mehr unter sich und sind wohl kaum aus ihren dorf rausgekommen und sprachen so ihren dialekt und keinen fand es komisch. heute bekommst du es doch schon in der schule abgewöhnt.

mein beitrag zur kartoffel. hier heißen sie Apern und irgendwie benutze ich das sogar täglichen gebrauch.
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Beitrag von Rech »

Nichts zum THeman nur :

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Beitrag von Persisteus »

nehme ich mal an daß es Sternchen war, die nur vergessen hat, sich einzuloggen.
Ups... Sternchen (*) sind doch normalerweise Platzhalter, oder? :wink:

Und wo wir gerade beim Fernsehen sind: Sat 1 - powered by emotion = Sat 1 - Kraft durch Freude :twisted:

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Beitrag von galador1 »

emotionen müßen doch nicht nur freude sein., oder?
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Beitrag von Wintermute »

Persisteus hat geschrieben:Und wo wir gerade beim Fernsehen sind: Sat 1 - powered by emotion = Sat 1 - Kraft durch Freude :twisted:
Nee, wat is dat fies! 8) :wink:
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Beitrag von Zoldoron »

Persisteus hat geschrieben:Kraft durch Freude

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Saft durch Räude :mrgreen:
Zuletzt geändert von Zoldoron am 11.03.2004, 21:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Hexenjohanna »

@ Mausebaer:

Auch wenn ich Deinen Accountnamen echt "greislich" finde *upsnajameineristauchnichtsotoll*, macht Dich mir doch Dein Beitrag total sympathisch, weil ich mich auch mit einem plattdeutschen und regional gefärbtem Spracherbe rumschleppe, das kaum noch jemand in meiner Generation mitangetreten hat. Ich finde das total schade, aber die Generation meiner Eltern empfand es halt total rückständig, wenn man als Dorfkind wie ein Dorfkind redete :-(
Ich hab von meiner Oma noch sehr viele plattdeutsche Ausdrücke im Kopf, ich kann auch das hiesige Platt perfekt lesen, aber leider nicht mehr gut sprechen. Ich würde das so gern können.
Ich finde, viele Begriffe aus dem Plattdeutschen bzw. den Dialekten treffen die Sache einfach besser, ausserdem ist der Satzbau viel sinnlicher und ehrlicher, wobei aber auch komplizierte Sachverhalte ganz gut ausgedrückt werden können.

Ein schönes Beispiel:

Hochdeutsch, sinngemäß:

"Ich möchte Ihnen heute erzählen, was mein Vater mir einst erzählte. Ich gebe es nicht aus meiner Erinnerung wieder, sondern erzähle hier, was mein Vater mir erzählt hat."

Plattdeutsch (Viärlsch Platt):

"Hèier votelle ik, wat min Papa votellt häf. Sölwer säien hä ik et nich."

Ist das nicht cool? Das erfüllt alle "Rationalisierungszwecke", die man am Englischen so klasse findet und ist genauso supereinfach ausgedrückt. Trotzdem wird dasselbe ausgesagt wie im Hochdeutschen.

Ich finde den Niedergang aller unserer traditionellen "Sprachbuntheiten" gar nicht gut. Aber es ist wohl ein nicht aufzuhaltender Prozess.

Naja, in hundert Jahren werden unsere Nachfolger vermutlich unserer, vermeintlich kulturell hochstehenden Sprache hinterherjammern. :shock:
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Beitrag von Zoldoron »

@Mausebaer ... da schließe ich mich meiner Vorrednerin an... (hab aber selbst kein plattes kulturerbe ... nur einen leicht hamburgischen Akzent ;--).



Aber dass die Frauen bei Euch keine Beine haben... :shock: :o :shock:
Die Straße gleitet fort und fort, weg von der Tür wo sie begann,
weit überland von Ort zu Ort, ich folge ihr so gut ich kann.
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DasJan
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Beitrag von DasJan »

Gaybra Threepwood hat geschrieben:Das erfüllt alle "Rationalisierungszwecke", die man am Englischen so klasse findet und ist genauso supereinfach ausgedrückt.
Nur versteht es keiner... ;)

Das Jan
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Beitrag von Hexenjohanna »

DasJan hat geschrieben:
Gaybra Threepwood hat geschrieben:Das erfüllt alle "Rationalisierungszwecke", die man am Englischen so klasse findet und ist genauso supereinfach ausgedrückt.
Nur versteht es keiner... ;)

Das Jan
Na ja...das ist halt regional beschränkt, trotzdem kann ich viele Plattabartigkeiten verstehen ;-)

Wie hèit dat in Bonn?
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