Uff, da sind jetzt viele Töpfe offen. Hoffe, dass das nicht ins Uferlose ausartet.
Floyd hat geschrieben:Eine Nichtexistenz ist prinzipiell nicht beweisbar, klar. Der Schluss allerdings, dass die Existenz damit genauso wahrscheinlich wird wie die Nichtexistenz, ist nicht unbedingt einsichtig. Du sagst mir, dass (zugespitzt) jemand, der die Existenz von Feen für unwahrscheinlich hält, irrationaler denkt als jemand, der die Existenz als gleichwahrscheinlich erachtet?
Wobei wir hier bei der Annahme der Existenz eines Nicht-Beweisbaren auf transzendenter Ebene sind. Wenn du Wesen wie Feen nimmst, die prinzipiell auf eine ganz andere Art und Weise in Erscheinung treten, ist die Sache mit der Wahrscheinlichkeit etwas ganz anderes. Die Frage nach Gott ist zunächst an die Frage gekoppelt, ob es eine Dimension des Übersinnlichen, des Nicht-Weltlichen, gibt.
Es ist unvernünftig, die Existenz von Feen anzunehmen, da wir sie in der Regel in fiktiven Erzählungen finden und niemand eine Fee gesehen hat. Dies gilt aber nicht im gleichen Sinne für das Transzendente. Diesem kann sich die Naturwissenschaft nicht annehmen. Die zentrale Frage sehe ich in der Beschaffenheit der Erfahrbarkeit Gottes.
Floyd hat geschrieben:Wenn z.B. jemand zu reinem Menschen sagt "Ich glaube an dich" meint er damit ja nicht "ich tue einfach so als ob es dich gibt, weil ich zu dumm bin, zu prüfen, ob es dich wirklich gibt". Das englische Wort, dass auch "Vertrauen" bedeutet, kommt dem, was mit "Glaube" in religiöser Sprache bezeichnet wird, deutlich näher.
Gehen wir mal davon aus, Person A sagt "Ich glaube an dich" zu Person B und meint es auch tatsächlich so (A redet B also nicht nur gut zu, sondern ist von dessen Erfolg überzeugt). Warum sagt A das? Rational wäre die Aussage, wenn A aufgrund von
Erfahrung wüsste, dass B bereits ähnliche Situationen gemeistert hat oder zumindest die Fähigkeiten besitzt, derartige Situationen zu meistern. Wenn beides nicht gegeben ist, ist die Aussage in meinen Augen entweder irrational oder eben doch nicht aufrichtig. Und wenn ich das auf den religiösen Glauben übertrage, frage ich mich, woher die Erfahrung kommen soll.
Zur Frage der Gotteserfahrbarkeit: Ob die Aussage "Ich glaube an dich" nun rational ist, hängt ja, wie du schon sagst, auch von den Erfahrungen ab. Wir haben es mit der Frage nach der zu tun. Wenngleich Gott nicht im Labor nachweisbar ist (was aber per definitionem auch nicht geht), so erweist er sich ja im Leben vieler Glaubenden trotzdem als durchaus tauglich. Diese machen also auf eine bestimmte Weise Erfahrungen mit diesem Gott.
Sich dieser Sache anzunähern ist aber schwierig. Es gibt nämlich ein ziemliches Problem für einen Nicht-Gläubigen, sich in einen Gläubigen Menschen hineinzuversetzen. Versuche das mal so zu verdeutlichen: Zu einer fremden Person würde man den Satz "Ich glaube an dich" nicht sagen. Dies trifft auch auf den Nicht-Gläubigen in Bezug auf Gott zu. Ein gläubiger Christ, Jude oder Moslem würde aber sagen, dass er Gott kennt - allerdings auf eine andere Art und Weise als er seine Mitmenschen kennt. Viele Gläubige können von den Erfahrungen berichten, die sie mit ihrem Gott gemacht haben. Damit meinen sie nicht, dass es Dinge gibt, die sie sich ohne Gott nicht erklären können, sondern Erfahrungen, die sie mit Gott als persönlichen Begleiter gemacht haben. Ob dies nun Hirngespinste sind, die Trost spenden und Plazebo-Wirkung haben - oder ob da nun wirklich eine höhere Macht dran ist, lässt sich eben nicht sagen. Dies ist einfach eine Frage der Perspektive. Und der Glaube an Gott beeinflusst eben auch die Blickrichtung auf diese Dinge.
Nehmen wir das Beispiel mit dem Menschen auf der Straße:
Floyd hat geschrieben:Wenn derjenige glaubt, ein Wunder gesehen zu haben, dem aber nicht so war, dann trifft keins von beidem zu.
Das "dem aber nicht so war" ist eventuell nämlich lediglich abhängig von der Blickrichtung.
An konkreten Beispielen wird die Sache mit der Blickrichtung vllt klarer:
Angenommen, der Mensch erzählt dir, er habe einen hartnäckigen Krebs besiegt. Seine Familie und Freunde haben für ihn gebetet. Jetzt werden die Gläubigen dies als eine Gebetserhöhung ansehen. Dabei muss nicht einmal etwas passiert sein, das die physikalischen Gesetze verletzt hat. Allein die Tatsache, dass alles gut gelaufen ist, bestätigt ihr Vertrauen in Gott. Der Nicht-Gläubige erklärt sich dies nun durch die Expertise der Ärzte sowie eventuell durch den heilenden Trost und die Zuversicht dieses Menschen.
Aus der einen Blickrichtung mag ein Wunder vorliegen, aus der anderen bildet es sich der Mensch auf der Straße nur ein. Aber selbst bei "krasseren" Wundern besteht immer die Möglichkeit einfach das Geschehnis nicht zu glauben oder sich zu sagen: "selbst wenn ich jetzt keine Erklärung dafür habe, ich werde eine finden, ohne dafür das Wirken Gottes annehmen zu müssen". Dies ist ein Ansatz, den wohl viele zur Widerlegung eines göttlichen Wirken verwenden. Der Typ muss sich irren, etwas falsch wahrgenommen haben... Allerdings sehe ich hier einen großen Denkfehler.
Ich bezeichne mich schon als gläubigen Menschen. Aber ich hab auch schon Stories von extrem krassen Wundern gehört, wo ich diesen Gedanken auch habe. Da denke ich mir dann: irgendeine andere Erklärung muss es dafür auch geben. Und ich bin auch der Überzeugung, dass es diese in der Regel auch zusätzlich gibt.
Nur ist das kein Widerspruch. Wenn man das gegeneinander ausspielen will, so macht man einen fatalen Fehler. Dieser fällt nach dem Beispiel sicher auf: Gottes Wirken als bloßes Erklärungsmodell für ein Phänomen zu sehen, greift einfach zu kurz... selbst wenn eine Sache ohne ihn erklärbar ist, heißt das nicht, dass er nix damit zu tun hat.
--kleiner Bruch--
Floyd hat geschrieben:Kruttan hat geschrieben:Ein gesunder Glaube schaltet den Verstand nicht aus.
Wonach bemisst sich ein gesunder Glaube?
So wie ich es sehe: Ein gesunder Glaube schließt die Einsicht mit ein, dass man nicht allwissend ist. Man ist sich bewusst, dass man nicht alles an Gott versteht und das eigene Gottesbild auch Lücken und Fehler aufweisen kann. Man sieht sich im Glauben immer als noch Lernender.
Ein gesunder Glaube blendet auch auch die Wissenschaft nicht aus bzw. hält sich aber auch nicht für Wissenschaft oder einen Wissenschaftsersatz:
SeltsamMitHut hat geschrieben:Man kann Wissenschaft und Glaube nicht gleich setzen. Sonst kommt nur so ein Schund wie der Kreationismus dabei raus.
Das ist denke ich sehr wichtig. Und dieser Fehler wird imho auf beiden Seiten der Fronten gemacht. Diejenigen, die Gott mit wissenschaftlichen Argumenten widerlegen wollen begehen den selben Fehler wie jene, die ihn damit belegen wollen. Glaube hat nichts mit dem Wirklichkeitszugang zu tun, den die Naturwissenschaften wählen.
Wie es hoffentlich schon bei den Wundern rübergekommen ist: Gott ist kein Kausalfaktor in wissenschaftlichen Hypothesen. Er ist eine Macht oder Wesen im Transzendenten, zu dem der Gläubige eine Beziehung aufbaut.
Das macht es schwierig, auf Diskussionsebene überhaupt Argumente für Gott zu liefern. Es bedarf einer anderen Form des "Experiments", hier können nicht wie in Wissenschaften die Erkenntnisse anderer Menschen einfach übernommen werden - der Zugang muss selbst gefunden werden.
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Uff, ist viel zu lang geworden.