Werner1612 hat geschrieben: ↑07.01.2018, 18:04
Zum Thema " Roman" sehe ich auch einen gewissen Zeigeist. Gehen wir von Klassiken mal weg. Das sehe ich bei Musik oder Games ähnlich. Ein gewisser Zeitgeist bestimmt in fast allen Dingen, was trendig oder modern ist. Aber halt immer nur innerhalb dieser Periode, da der Zeitgeist sich weiterentwickelt. Man kann daran festhalten, ist damit aber nicht mehr zeitgemäß. Aber ist das Zeitgemäße immer besser?
Zeitgeist betrifft alles, von Schlaghosen über HiFi-Geräte bis Auto. Also gehören auch Spiele dazu, und da sie Vertreter der Freizeit- und Pop-Kultur sind, umso mehr. Heute wird auf eine - möglichst nichtlineare - Story mehr Wert gelegt als noch vor 10 Jahren. Konsolenspiele liefern inzwischen Avatar-Bastelmöglichkeiten für die Figur meiner Wahl. Totaler Realismus einerseits, aber auch skurrile Grafik-Explosionen sind möglich. Aber durch Sach- und Marktzwänge wird im Mainstream nicht mehr soviel riskiert; das übernehmen jetzt Indie-Spiele - aber die gab es zu den besten AGS- und Textadventure-Zeiten auch schon. Zeitgeist fällt ja nicht aus dem leeren Raum, sondern wird geprägt durch die vorherrschende Denk- und Empfindungsrichtung. Einerseits wird offen provoziert, und andererseits traut man sich kaum, Tabus anzufassen, um "politische Inkorrektheit" zu vermeiden. Aber auch die beste Provokation nutzt sich irgendwann ab, so dass z.B. "Mad" oder "Titanik" ihre Satire anders aufziehen (müssen) als noch vor zig Jahren. Dadurch, dass alles sofort und billig verfügbar sein soll, ist jede grassierende Provokationswelle irgendwann nur ein leiser Lufthauch. Ideen müssen am Fließband rausgequetscht wwrden, weil die Leute einfach weniger bescheiden und ungeduldiger geworden sind. Ein Spiel, das drei Jahre Entwicklungszeit braucht, ist genau genommen bei Fertigstellung schon veraltet, das gilt fast noch mehr für Filme. Deshalb ist es immer sicherer, auf soliden Füßen stehen zu bleiben und Spiele zu produzieren, die in drei Jahren noch verkauft werden. Bei "Säulen der Erde" scheint sich jemand gedacht zu haben: Bestseller, gut verkauft, wird immer viel gelesen, ich mach ein Spiel draus, weniger Risiko, kann ja nicht schiefgehen. Kann es aber.
Ob zeitgemäß "besser" oder "schlechter" ist, steht nicht auf der Tagesordnung. Besser ist vielleicht etwas, das mit denselben Maßstäben verglichen werden kann und dabei mehr Punkte erzielt. Aber wenigstens was Technik betrifft, lässt sich das nicht bewerkstelligen; da sind die Fortschritte einfach zu dominant. Handwerk kann man immerhin vergleichen, also z.B. brauchbare Spielführung. Aber schon beim Begriff "gute Story" hapert es, denn auch gute Storys sind zeitabhängig. Eine heutige Story baut auf den Erfahrungen der letzten Jahrhunderte auf und hat deshalb andere Schwerpunkte und Themen als vor 100 Jahren. Nicht, weil es bestimmte Dinge noch nicht gab, sondern weil die Menschen andere Dinge beschäftigten als heute. Ein "Monkey Island" ist also ein geniales Kind seiner Zeit und nicht reproduzierbar. Deshalb lutschen sich Themen zwangsläufig ab, so dass Alien VIII oder Syberia 4 einfach groteske Fehlentscheidungen wären. Statt dessen sollte man versuchen, den Zeitgeist adäquat umzusetzen - interessante Spiele und gute Geschichten gibt es immer, nur eben anders gelagerte. Vielleicht tun die Adventure-Entwickler das ja just bei "Gehsimulatoren" und wir merken es bloß nicht, weil wir Dinosaurier sind.
z10 schreibt:
Bei Adventures bei mir hauptsächlich Story und interessante Inszenierung. Rätsel will ich eigentlich gar nicht mehr wirklich, kann man von mir aus weg lassen oder relativ simpel halten. Wenn ich Kopfnüsse will, spiele ich eher Puzzle-Games. Leider fallen nicht viele Adventures in mein aktuelle Schema, hab ich das Gefühl.
Bei der vielgescholtenen Zunahme von "interaktiven Filmen" müssten doch gerade viel davon da sein, oder?