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Interviews

Sebastian Baehr
Gesprächspartner: Marco 'Masterofclay' Rosenberg
Sprache:
Vom: 25.11.2007

Über

Sebastian Baehr gehört zu den Hauptverantwortlichen für die Umsetzung des Tell-Adventures. Wir haben mit ihm darüber geredet, wie es ist, ein Adventure parallel zu einem Film zu entwickeln.



Adventure-Treff: "Die gute alte Einstiegsfrage: Wer bist du und welche Rolle hattest du bei der Entwicklung von Tell?"

Sebastian Baehr: "Hallo, mein Name ist Sebastian Baehr. Ich war als Game Designer quasi für das Herz und die Seele von TELL - Das Spiel zum Film verantwortlich. Neben dem Rätseldesign stammen unter anderem Story und Dialoge von mir."

A-T: "Hat an Tell das Everlight-Team gearbeitet oder wurde da ein zweites Team gebildet? Wie groß war das Tell-Team?"

S.B.: "Das TGC-eigene Entwicklungsstudio Silver Style Entertainment, also die Macher von Everlight, waren an TELL nicht beteiligt. Für TELL haben wir intern ein neues Team gebildet, das aus einem Dutzend Leute bestand."

A-T: "Wie viel von der Original-Legende steckt überhaupt noch im Spiel?"

S.B.: "So einiges! Zum Beispiel die Charaktere, die Schauplätze, die Epoche, der Apfel, die Armbrust, Gesslers Hut und und und. Selbst Schiller taucht im Spiel auf. Da wir aber die Gamer nicht mit einer Romanversoftung langweilen wollten, haben wir uns für eine zeitgemäße Neuinterpretation des Mythos Wilhelm Tell entschieden und diese mit einer gehörigen Portion Humor gewürzt. Für den Schulunterricht mag die Story vielleicht nicht gerade dienen, dafür ist sie aber umso unterhaltsamer."

A-T: "Wie eng ist die Story des Spiels an den Film angelehnt?"

S.B.: "Mal unter uns, wer will schon exakt die Story eines Films nachspielen? Wo bleibt da die Spannung, wenn man ganz genau weiß, was in der nächsten Szene passiert? TELL - Das Spiel zum Film besitzt zwar die Original-Charaktere und -Schauplätze des Films, erzählt aber eine andere Geschichte. Sicherlich trifft man immer wieder auf Parallelen, etwa dass der fiese Gessler in seiner Burg eine Jauchegrube aufgestellt oder Heidi eine Schönheits-OP hinter sich hat, alles in allem erlebt der Gamer aber ein neues, spannendes Abenteuer."

A-T: "Basieren die Schauplätze auf den Sets des Films oder habt ihr eigene gebaut?"

S.B.: "Wir haben die Schauplätze den Film-Sets nachempfunden."

A-T: "Eigentlich eher eine Frage für den Regisseur des Films, aber: Wie fühlt man sich, wenn man einen Nationalhelden, eine Legende, durch den Kakao zieht?"

S.B.: "Was heißt hier durch den Kakao ziehen? Irgendwann musste doch mal jemand die ungeschönte Wahrheit über Wilhelm Tell ans Licht bringen. ;-) Im Ernst, für mich war es schon etwas ganz Besonderes, den Mythos Tell aus einer völlig neuen, humoristischen Perspektive darzustellen."

A-T: "Wie unterscheidet sich die Produktion eines eigenständigen Spiels von so einer Lizenz-Produktion? Ist da für den Spieleentwickler alles wie sonst auch oder gibt es da Unterschiede?"

S.B.: "Glücklicherweise haben uns die Filmemacher große Freiheiten bei der Entwicklung gelassen, so dass wir unserer Kreativität weitestgehend freien Lauf lassen durften. Bei vielen Film-Umsetzungen muss man sich so eng an die Vorlage halten, dass sich die Künstler überhaupt nicht austoben können.

Natürlich gab es auch gewisse Auflagen zu beachten, um uns nicht zu weit vom Film zu entfernen. Besonders bei Charakteren und Schauplätzen haben wir uns eng mit Universal und Zodiac Pictures abgestimmt."

A-T: "Auf der Games Convention gab es noch nicht viel vom Spiel zu sehen. Wir konnten uns damals kaum vorstellen, dass Tell dieses Jahr noch fertig wird. Wie eng war euer Zeitplan für das Projekt?"

S.B.: "Die Entwicklung dauerte über sechs Monate. Zur Games Convention hatten wir bereits nahezu alle wichtigen Komponenten des Spiels fertig. Also Grafiken, Dialoge oder Rätseldesign. Der letzte und zugleich aufregendste Schritt, alle Puzzleteile zu einem großen Ganzen zu verbinden, war für die Zeit nach der Games Convention eingeplant, weshalb ihr damals noch nichts Spielbares gesehen habt."

A-T: "Welcher Aspekt wurde am stärksten vom Zeitdruck beeinflusst?"

S.B.: "Dank unseres erfahrenen Projektmanagements sind wir nie so stark unter Zeitdruck geraten, dass wir einen Teilbereich hätten vernachlässigen müssen. Wir konnten Tell also wie geplant fertigstellen."

A-T: "Vermutlich ist Tell auch kürzer als Everlight. Wie schätzt du die Spiellänge im Verhältnis zu Everlight ein."

S.B.: "TELL war von Anfang an als attraktiver Midprice-Titel für Casual Gamer geplant, weshalb ein Vergleich mit einer großen und deutlich teureren Produktion wie Everlight schwer möglich ist. Adventure-Cracks werden sicherlich schneller auf die Lösung kommen als Gelegenheitsspieler. Bei letzteren gehen wir von einer Spielzeit von wenigstens 5 Stunden aus."

A-T: "Wie wurden die Animationen realisiert, Keyframe- oder Motioncapture-Animation?"

S.B.: "Die Bewegungsabläufe wurden mittels Motion Capturing ins Spiel übertragen."

A-T: "Habt ihr als Sprecher auch die entsprechenden Schauspieler gewinnen können?"

S.B.: "Wenn wir gewollt hätten, sicherlich. Aus Erfahrung haben wir aber bereits vor Entwicklungsbeginn entschieden, darauf zu verzichten. Es ist illusorisch, so gefragte Schauspieler wie Axel Stein, Christian Tramitz oder Udo Kier an denselben Tagen ins Tonstudio zu bekommen. Deshalb haben wir lieber gleich hauptberufliche Synchronsprecher engagiert."

A-T: "Everlight ist erschienen, Tell ist erschienen. Da kann man sich leicht ausmalen, dass ihr längst am nächsten Spiel sitzt. Wird es wieder ein Adventure? Kannst du schon was verraten?"

S.B.: "Wie bereits Anfangs erwähnt, steckt hinter Tell ein anderes Entwicklungsteam als hinter Everlight. Ich kann dir nur so viel verraten, dass die kreativen Köpfe von Everlight bereits an einem neuen Geheimprojekt sitzen. Ob dies wieder ein Adventure wird – wartet's ab. :-) In der Vergangenheit hat Silver Style mit The Fall oder Soldiers of Anarchy ja bewiesen, dass Sie auch in anderen Genres was drauf haben."

A-T: "Vielen Dank für das Interview!"