Anzeige

gamescom 2019 - Das war der Donnerstag

Geschrieben von Sebastian 'basti007' Grünwald. Veröffentlicht in Einzelseiten

Memorrha

Memorrha (Website) des Freiburger Sticky Stone Studio präsentiert sich eher als Rätselspiel denn als Adventure. Eine Hintergrundgeschichte gibt es kaum, stattdessen laufen wir ähnlich wie beispielsweise in The Witness oder The Talos Principle  in kreativ gestalteten Szenen herum und finden Rätsel, die einem festen Schema folgen.

Im Fall von Memorrha basieren diese Knobeleien auf Boolescher Logik: Abstrakte Symbole auf Steintafeln stehen für Verknüpfungen wie “und”, “oder” oder “entweder oder” und durch das Einsetzen von schimmernden Kristallen können diese mit “ja”- oder “nein”-Eingaben gefüttert werden. Werden mehrere solcher Symbole zusammengeschaltet, ist es gar nicht mehr so leicht, herauszubekommen, in welche Inputs Kristalle eingesetzt werden müssen und in welche nicht. Ein zweiter Rätseltyp verwendet dann dieselben Symbole, um ganze Bilder visuell miteinander zu kombinieren.

Ein Scanner kann verwendet werden, um gefundene Erklärungen und Symbole zu katalogisieren. Ist das einmal gemacht, darf man ihn permanent im unteren linken Bildbereich einblenden, um nicht ständig die gelernten Symbole nachschlagen zu müssen. Insgesamt wird das Spiel, das reichlich von diesen Aufgaben bereithalten soll, 7-10 Stunden in Anspruch nehmen. Erscheinen wird es bereits Ende September.

 

Siebenstreich

Von Golden Orb, die uns im letzten Jahr das Kinder-Adventure Aschenputtel - Ein interaktives Märchen gezeigt hatten, konnten wir dieses Jahr bereits das nächste Projekt anspielen. Auch wenn der Titel Siebenstreich wieder auf eine Märchenadaption für Kinder schließen lässt, ist der Anspruch und der Umfang des neuen Spiels deutlich ambitionierter. Während wir Cinderella noch auf der Messe innerhalb von einer halben Stunde durchgespielt hatten, soll Siebenstreich eine Spielzeit von 5-7 Stunden bieten. Dadurch soll nun auch eine deutlich größere Zielgruppe angesprochen werden. 

Wir spielen den namensgebenden Siebenstreich (wie er zu diesem Namen kommt, spielen wir in den ersten Spielminuten nach), einen jungen Schneider, der von einer fleischfressenden Topfpflanze begleitet wird, die eigentlich Vegetarier ist. Deren besondere Fähigkeit ist es, Dinge zu craften. Was letztendlich bedeutet, das man die Gegenstände nicht im Inventar miteinander kombiniert, sondern indem man sie mit Trudie verwendet und sie dann daraus den neuen Gegenstand herstellt. Items gibt es im Spiel übrigens eine Menge, schon nach wenigen Spielminuten hat man zig Dinge eingesammelt. Trudie dient nicht nur als Item-Kombiniermaschine, sondern gibt, wenn man sich mit ihr unterhält, Tipps zu Rätseln und zu den nächsten Aufgaben. Zur Steuerung wird hier auf der Gamescom ein Gamepad verwendet, eine klassische Point-and-Click-Steuerung soll aber auch implementiert sein.

Humor wird groß geschrieben, zahlreiche Anspielungen auf allerlei Märchen, Klischees und andere popkulturelle Werke (u.a. andere Adventures, Per Anhalter durch die Galaxis und vielen mehr) durchziehen die Welt und Kommentare der Charaktere. Das Spiel, das bereits in den Publikumshallen anspielbar ist, ist noch im Prototypenstatus. Viele Grafiken und vor allem die Animationen sind noch nicht final. Als Releasezeitraum peilt Golden Orb das zweite Quartal 2020 an, als Plattformen will man PC und Nintendo Switch bedienen.

 

Mosaic

In der Mitte des Indie Village haben Krilbite Studio ihr experimentelles narratives Spiel Mosaic gezeigt. Es handelt von einem Mann in einer dystopischen Stadt, der von Depressionen angesichts seines tristen Alltags geplagt ist. In der kurzen Demo haben wir ihn vom Aufstehen bis auf seinen Weg zur Arbeit begleitet. Das Spiel arbeitet mit einem ungewöhnlichen, sehr tristen Grafikstil, ergänzt durch Figuren, die stilistisch in etwa mit denen von Unforeseen Incidents oder Dead Synchronicity vergleichbar sind.

Es ist noch schwer abzusehen, wie sich der Titel spielerisch entwickelt. Bisher durften wir in der Wohnung des Protagonisten Zähne putzen und einige SMS auf dem Smartphone lesen. Im Außenbereich schwenkt das Spiel dann um und wir können einen Schmetterling durch die triste Landschaft steuern. Unterlegt wird die Szenerie von düsterer Musik. Insgesamt macht der Titel bisher atmosphärisch einen guten Eindruck.

Mosaic soll noch in diesem Jahr über Publisher Raw Fury auf Steam erscheinen. Die Entwickler rechnen mit einer Spielzeit von fünf bis sechs Stunden. Bereits jetzt hat die fiktionale Corporation Mosaic eine eigene Website, und sie hat sogar ein eigenes Spiel “BlipBlop” entwickelt, das im realen App Store und Play Store herunterladbar ist.

 

Chicken Police

Das gleich auf den ersten Blick bizarr wirkende Chicken Police vermischt Elemente klassischer Adventures mit Dialogen im Visual-Novel-Stil. Die Crime-Noir-Geschichte über zwei Hähne, die als anthropomorphe Detektive Fälle lösen, kommt schon optisch sehr eigen daher. Ganz in schwarz-weiß gehalten arbeitet das Spiel mit Tiefenunschärfe und seitlich schwenkbaren Hintergründen sowie cineastisch inszenierten Zwischensequenzen. Hinzu entsteht viel Humor durch Dialoge und ein eingängiger originaler Jazz-Soundtrack sorgt für dichte 50er-Jahre-Atmosphäre. Der von uns gespielte Teil enthielt vorwiegend Dialogrätsel, anspruchsvolle Adventure-Knobeleien sind in dem narrativ fokussierten Titel nicht zu erwarten, lediglich kleinere Rätsel und Minispiele will man einbauen.

Chicken Police beginnt damit, dass das Protagonisten-Duo mit einem neuen Fall beauftragt wird: Model und lokale Berühmtheit Natasha, die außerdem Freundin eines gefährlichen Gangster-Bosses ist, hat anonyme Morddrohungen erhalten, und möchte herausfinden, wer dahintersteckt. Damit beginnt ein komplexer Fall voller Lügen, Korruption, und Mord, der etwa 7-8 Stunden Spielzeit in Anspruch nimmt. Immer wieder gibt es optionalen Content, der über Dialoge erspielt oder in bereits besuchten Örtlichkeiten entdeckt werden und die Spielzeit nochmal um mehrere Stunden ergänzen kann.

Die Entwickler sind sich bewusst, dass mit Blacksad ein anderer Crime-Noir-Thriller mit anthropomorphen Tieren auf den Release-Listen steht, doch sind beide Titel spielerisch so weit voneinander entfernt, dass das wenig Sorgen bereitet. Im Gegenteil, man hat gleich ein ganzes Franchise im Kopf mit mehreren Sequels, Spin-offs, Merchandising, und einem Brettspiel. Auch visuell sind beide Titel sehr verschieden: Chicken Police wird aus Fotos, die die Entwickler von sich selber, den Locations und im Tierpark aufnehmen, erstellt..

Als Inspiration wurde auch Grim Fandango vorgebracht, wobei der LucasArts-Klassiker eher Klamauk als Noir war und Chicken Police, ganz bewusst, mehr Noir als Klamauk ist. Zwar bietet letzteres auch orwellsche Satire und zotige Tier-Wortspiele, die Handlung ist aber definitiv erwachsen und zuweilen brutal. Erscheinen soll das Spiel im März für PC und anschließend auf PS4, Xbox One, Switch und Apple TV.

 

Oniria Crimes

Am spanischen Gemeinschaftsstand konnten wir das noch recht früh in der Entwicklung befindliche Oniria Crimes: Dreams Can Be Deadly (Website) antesten, bei dem der Name Programm ist. In der Welt von Oniria Crimes treibt nämlich ein Serienkiller in der Welt der Träume sein Unwesen, was problematisch ist, da die im Traum Getöteten auch in der Realität dahinscheiden.

In ungewöhnlicher 3D-Pixel-Optik, die ein wenig an ein sehr hochauflösendes Minecraft erinnert, ergründen wir nun als Ermittlergespann Detective Santos und Inspector Torres die Mordfälle. Dabei befragen wir keine Zeugen, sondern direkt die Objekte am Tatort, denn im Traum haben auch Objekte ein Bewusstsein. Infos zu den Verdächtigen werden in entsprechenden Akten gesammelt, und am Ende der Untersuchung muss man pro Akte zwei wichtige Kernfakten hervorheben und entscheiden, ob die Person schuldig ist oder nicht. Bis zum Release der Vollversion dauert es wohl noch mindestens ein Jahr.

 

Verne - The Shape of Fantasy

Ebenfalls am spanischen Stand durften wir einen Blick auf Verne - The Shape of Fantasy von Gametopia Studios werfen. Das Pixel-Adventure im Sidescroller-Stil behandelt die Bücher von Jules Verne. Mehrere seiner Werke, unter anderem 20.000 Meilen unter dem Meer, wurden hier zu einem Spiel zusammengefasst. Neben einem klassischen Point-and-Click Gameplay mit Inventar und leichten Rätseln wird hier auch einiges über die Geschichte des Autors erzählt.

Erscheinen soll der Titel 2020 für PC, eine Switch-Version würden die Entwickler gerne machen, sofern sie einen Publisher finden, der sie dabei unterstützt. Das Spiel soll eine Spielzeit von 4-6 Stunden haben und ähnlich wie Life is Strange die Möglichkeit bieten, ein kleines Stück in die Vergangenheit zu reisen und Entscheidungen zu revidieren, um so zu einem anderen Ausgang der Geschichte zu gelangen.

 

Gamechuck

Aus Kroatien kommt das Team von Gamechuck, das uns gleich mehrere interessante Titel vorgestellt hat. Neben Informationen zu einem Adventure, über welches wir allerdings erst in circa zwei Wochen berichten dürfen, gab es Neuigkeiten zu einer Serie interaktiver Comics, von denen zwei bereits seit einiger Zeit auf dem Markt sind: All you can eat und vApe Escape. Während es letzteres ganz normal auf Steam für ungefähr 2 Euro zu kaufen gibt, ist Vape Escape als Humble Original veröffentlicht worden und ist kostenlos bei Steam erhältlich. Beides sind sehr kurze interaktive Comics mit einer Spielzeit von unter 30 Minuten, bei denen man durch Entscheidungen selbst den Verlauf der Geschichte beeinflussen kann.

Nun soll diese Serie an Spielen durch mindestens vier weitere, zum Teil deutlich umfangreichere Titel ergänzt werden. Alle werden ihr eigenes Genre und ihren eigenen Stil haben. Hierzu arbeitet man mit verschiedenen Comic-Künstlern zusammen, teilweise sind die Panels monochrom, andere sind komplett koloriert. 

The Lot ist eine Comedy-Mystery und The Heist ein Cyberpunk-Noir-Thriller, welcher in Zusammenarbeit mit Munzesky Game Studio entwickelt wird und ein Spin-Off zu deren Adventure-Projekt Sol Invictus darstellt. Weitere Titel, die uns genannt wurden, sind Cosmonaut’s Construct und Sidekick. Ein Feature, das alle diese Titel gemein haben, ist, dass nach Abschluss der Geschichte eine PDF-Datei mit genau dem Verlauf generiert wird, den ihr im Spiel erlebt habt.

 

Jerry McPartlin in The Flute of Anasa

Bereits seit vielen Jahren beobachten wir die Entwicklung von Jerry McPartlin des deutschen Entwicklers Bluebox Interactive. Eigentlich hätte die Geschichte mit der Veröffentlichung von Jerry McPartlin - Rebel Without a Cause beendet sein können, wären da nicht die Streitereien zwischen dem Entwickler und dem Publisher gewesen. Nachdem der Entwickler nach einigem Hin und Her die Rechte am Spiel wieder zurückbekommen hatte, wollte man das Spiel ursprünglich nur minimal überarbeiten und direkt wieder auf Steam veröffentlichen. Doch so richtig glücklich waren weder die Entwickler noch die meisten Kunden mit dem Spiel. Also besann man sich und begann, das Spiel in einem neuen Grafikstil, mit neuen Rätseln und vielen weiteren Verbesserungen komplett neu zu entwickeln. Dazu wollte man gleich den zweiten Teil der Geschichte integrieren, der bisher komplett fehlte. Das war zur letzten gamescom. 

Doch damit ist die Geschichte noch nicht vorbei, denn kurz nach der gamescom kam Industrieveteran Wolfgang Walk (früher bei Blue Byte tätig, wo er unter anderem an deren einzigem Adventure Chewy - ESC from F5 gearbeitet hat) auf Bluebox zu. Ihm gefiel das Konzept, hatte aber viele Ideen, wie man den Titel verbessern konnte und vor allem auch den Rock’n’Roll in das Spiel sinnvoll integrieren könnte, der in der veröffentlichten Version nicht so richtig relevant war. Daraufhin wurde die Entwicklung wieder komplett gestoppt und erst einmal gemeinsam ein stimmiges Konzept entworfen nach dem Motto: Keine Kompromisse mehr.

Das bedeutet unter anderem, dass die bisherige Story des Spiels weitgehend umgeschrieben wurde, bei der nun deutlich stärker Bezug auf die Zeit und die Gesellschaft im Süden der USA in den 50ern genommen wird, mit all den guten (vor allem die Musik) und schlechten Seiten (Rassismus, die Rolle der Frau). Trotz dieser ernsteren Aspekte, soll die Stimmung gut und die Witze zahlreich bleiben. Dazu wird es nun auch einen umfangreichen Soundtrack mit viel Rock’n’Roll und Blues geben, der direkt von Wolfgang Walk zusammen mit Marco Dyziek, dessen Band und Gothic-Komponist Kai Rosenkranz geschrieben und aufgenommen wird.

Spielerisch soll der Titel zwar ein klassisches Point-and-Click-Adventure werden, in Sachen Rätseldesign hat man sich aber ein paar Besonderheiten vorgenommen, die man nicht allerorts sieht. So kommuniziert Jerry mit seiner Schwester in Code, den es zu entschlüsseln gilt, und an einer Stelle muss ein ganzer Song komponiert werden. Beibehalten wird der grafische Stil, der für das Remake ersonnen wurde, sodass die bereits produzierten Assets weiterverwendet werden können. Ein Releasetermin steht noch in den Sternen.

 

Mad Orange

Unser letzter Termin dieser Gamescom war mit dem Team von Mad Orange, die 2013 das Spiel Face Noir (in Deutschland via Daedalic) veröffentlicht haben. Die arbeiten in ihrer Freizeit an dem Spiel Confino, das in der Zeit des zweiten Weltkriegs auf einer italienischen Insel spielt, auf der Regimegegner der Zeit ins Exil geschickt wurden. Viel mehr konnten uns die beiden zum Spiel noch gar nicht erzählen, zumal das Konzept des Spiels noch nicht finalisiert zu sein scheint. 

Uns wurden auf dem Handy ein paar fotorealistisch wirkende Screenshots gezeigt. Auf die Frage nach Face Noir 2, welches die Geschichte des ersten Teils zu Ende bringen sollte, sagte man uns, dass einige Inhalte des Spiels zu nahe an den Ereignissen in der echten Welt waren (Terrorattacken in Frankreich). Zudem war der erste Teil nicht so erfolgreich, dass ein zweiter Teil damit finanziert werden konnte.