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Eurydike
Vom: 02.11.2017


Mit O.R.pheus legte die Künstlerin Evelyn Hriberschek 2012 in München ein Live-Erlebnis vor, das bis heute seinesgleichen sucht. Die Besucher streiften darin allein und nur mit einem Handy für AR-Inhalte bewaffnet durch einen mehr als unheimlichen Bunker, der zu einer verlassenen Schönheitsklinik umgebaut worden war. Mit einer spannenden Hintergrundgeschichte und einem enorm gruseligen Aufbau war das eine echte Grenzerfahrung, die in nachhaltiger und guter Erinnerung geblieben ist.

Nach fünf Jahren ist nun ein zweiter Teil namens Eurydike an den Start gegangen und derzeit in München erlebbar. Die Erwartungen an den erneuten Abstieg in eine unheimliche Welt waren groß.

Fantastisches Intro, stabiler Hauptteil

Über das Erlebnis selbst und seine Inhalte darf nichts verraten werden. Eurydike beginnt mit einem äußerst gelungenen Intro, das sehr gut auf die folgende Live-Experience einstimmt. Der Teilnehmer stößt dabei auf eine liebevoll und detailreich ausgestattete Umgebung. Ebenso gelungen ist der 30 Minuten später folgende Ausklang. Im Mittelteil erwartet unterdessen wieder die Erkundung einer Szenerie den Besucher. Diese fällt deutlich kleiner aus, als in O.R.pheus, ist aber ähnlich gut ausgestattet. Neu ist ein spielerisches Element, das der Teilnehmer optional mitverfolgen kann. Dieses ist jedoch trotz eines Tutorials nicht ganz einfach zu verstehen, sodass es keinem der fünf Teilnehmer aus der Adventure-Treff-Redaktion und ihrem Umfeld gelungen ist, die Aufgabe zu lösen.
Stand bei O.R.pheus die Geschichte noch massiv im Mittelpunkt, rückt diese bei Eurydike offenbar durch das Gameplay stark in den Hintergrund. Keinem der Teilnehmer erschloss sich eine tiefergehende Erzählung, es blieb bei Andeutungen auf die Sage und den vorherigen Teil.
Der subjektive Gruselfaktor wurde von allen fünf Teilnehmern niedriger eingeschätzt als beim Vorgänger, auch wenn die generelle Atmosphäre und einzelne Elemente durchaus sehr unheimlich sind und einige kalte Schauer über den Rücken gejagt haben.

Stolperstein Technik

Im Gegensatz zum Vorgänger nutzt Eurydike eine VR-/AR-Brille und schafft so direkt eine Distanz zwischen dem Teilnehmer und der Welt, mit der er interagiert. Zusätzliche Inhalte der Welt werden also nicht mehr auf einem Handydisplay, sondern direkt im Sichtfeld des Besuchers angezeigt. Was gut klingt und insgesamt auch recht stabil funktioniert, bringt einige Probleme mit sich. So sollte der Besucher auf jeden Fall Kontaktlinsen und keine Brille tragen, da das Sichtfeld sonst schnell beschlagen und das Erlebnis empfindlich stören kann. Zudem hatten einige Teilnehmer häufiger mit leichten Latenzen bei der Bildübertragung und einem übereifrigen Autofokus zu kämpfen, der die Schärfe hin und wieder erst nach einer Weile auf gewünschte Objekte eingestellt hat. In einem Fall führte das zu leichter Übelkeit, die auch nach dem Spiel anhielt. Letztlich konnte zwar aus künstlerischer Sicht nachvollzogen werden, warum nicht die bewährte Technik von O.R.pheus zum Einsatz kam, aus spielerischer Sicht machte es das Ganze aber gefühlt umständlicher.

Fazit

Auch Eurydike ist eine Live-Erfahrung, die deutschlandweit ihresgleichen sucht. Allerdings gibt es einige Einschränkungen. Die Hintergrundgeschichte steht nicht so stark im Vordergrund wie bei O.R.pheus, das Gelände ist nicht besonders groß, bei der Technik gibt es das Brillen- und Latenzproblem zu beachten und die spielerischen Elemente sind durch die kryptische Erklärung recht komplex geraten. Gerade mit den hohen Erwartungen durch den Vorgänger wirkt die Installation daher etwas schwächer. Blendet man diese jedoch aus, erhält man ein gut gemachtes, unheimliches bis gruseliges Liveadventure, das die Reise nach München durchaus wert sein kann und das man so sonst nirgends erlebt.

Hans Pieper

Kommentar von Sebastian "Basti" Grünwald

Während man in O.R.pheus noch in eine unbekannte und äußert unangenehme (Unter-)Welt eintauchte und diese erforschte, beschäftigt man sich in Eurydike mit etwas viel näherem, fast alltäglichem: Dem (eigenen) Körper. Man schwitzt, die Sicht wirkt befremdlich, jeder Schritt ist kompliziert und nicht selten hat man das Gefühl, sich gleich wie ein Elefant im Porzelanladen zu verhalten, weil die Kontrolle zunehmend schwieriger wird. Als Brillenträger hatte ich nach rund der Hälfte der Spielzeit das angesprochene Beschlagproblem. Ab dann war für mich ein Spielen mit der Brille leider nicht mehr möglich. Entsprechend war die Gameplay-Immersion ab diesem Zeitpunkt im wahrsten Sinne etwas getrübt.
Probleme mit der AR/VR selbst hatte ich dabei aber keine. Tatsächlich empfand ich die eingesetzte Technik und die damit denkbaren Möglichkeiten grandios. Schade nur, dass sie eben nicht so eingesetzt wird, wie die AR in O.R.pheus mit einer ganzen Reihe an narrativen Inhalten. Denn während man sich im Vorgänger noch archäeologisch die Welt wie ein Puzzle selbst narrativ zusammensetzen musste, steckt die Narration in Eurydike einen ganzen Schritt zurück und fokussiert sich ganz auf eine fremdkörperliche Erfahrung, die auch nur sehr dezent von weiteren audiovisuellen Einflüssen ergänzt wird und damit ein ganz bewusst anderes Erlebnis bietet. Dazu kommt ein Intro und Extro, das design- und erlebtechnisch wirklich fantastisch ist. Wem das zusagt, der sollte sich schnell ein Ticket für die erweiterte Laufzeit von Eurydike sichern, bevor die Einrichtung – wie einst O.R.pheus auch – plötzlich wieder in der Unterwelt verschwindet.

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