Wenn man nach den besten Escape-Rooms und Live-Experiences in der Welt sucht, dann tauchen eigentlich immer wieder drei Länder ganz weit oben auf: Griechenland, Spanien und die Niederlande. Ende 2021 haben wir endlich einen bereits 2019 geplanten Escape-Room-Trip nachgeholt und sechs Spiele bei unseren niederländischen Nachbarn gespielt.
In Holland zählt der Anbieter DarkPark zu den beliebtesten Betreibern von Live-Games. Erst letztes Jahr hat man mit dem neuen Mega-Adventure „Stay in the Dark“, für das ein stillgelegtes Fabrikgelände angemietet wurde, die Spieler-Szene in helle Aufregung versetzt. Für uns steht zu Beginn des Trips aber erst mal ein klassischer DarkPark-Raum an.
Unsere Aufgabe im „Honeymoon Hotel“ (Trailer) ist es, das rätselhafte Verschwinden einer Braut in der Hochzeitssuite aufzuklären. Schon bald stellt sich heraus, dass die Herberge und der angebliche Bräutigam mehr dunkle Geheimnisse beherbergen, als es die unscheinbare Lobby zunächst erscheinen lässt.
Der Raum eröffnete bereits vor über fünf Jahren und so sind die ersten Rätsel alle noch recht klassischer Natur, wie man sie aus vielen Escape-Rooms kennt: Schlüssel finden, Sachen sortieren, Schalter in richtige Reihenfolgen drücken. Soweit so bekannt. Doch schon bald zündet das „Honeymoon Hotel“ ein kleines Feuerwerk an immer kreativeren und auch immer gruseligeren Aufgaben.
Auch die Szenerie ist heute noch auf extrem hohem Niveau: Geheimräume, Geistererscheinen, gruselige Soundeffekte und satte sieben, völlig unterschiedliche Räume überzeugen weiterhin und machen den Raum zu einem idealen Erlebnis für alle Freunde von klassischer Rätselkunst. Das „Honeymoon Hotel“ steht damit ganz im Zeichen des Übergangs von Knobelräumen hin zu richtigen Abenteuererlebnissen, wie uns der zweite Raum bei Darkpark beweisen sollte.
Direkt im Anschluss spielen wir The End (Trailer), eines der bestbewerteten Erlebnisse in den Niederlande – zu Recht!
Das Spiel beginnt in einem Bestattungsinstitut, das ein cleveres Nebengeschäft für sich entdeckt hat: Leichen in willige Untote zu verwandeln. Verkauft werden diese „Sklaven“ in hübschen Puppenboxen an den geneigten Konsumenten. Wie es sich für uns gehört, rätseln wir uns vom Institut langsam zum geheimen Labor vor. Schon bald stellt sich heraus, dass dort einiges schief gelaufen ist.
Auch The End beginnt zunächst wie ein herkömmlicher Rätselraum, aber schon ab der zweiten Location verändert sich das Spielgeschehen radikal. Zuviel darf und soll nicht verraten werden, aber wir können sagen, dass ein (lebendiger) NPC genauso zum Repertoire gehört wie die Tatsache, dass man als Spielergruppe mehrfach und auf sehr clevere Weise getrennt wird. All das passiert, ohne dass es übermäßig ins Horror-Genre abdriftet. Thriller trifft es vermutlich am ehesten.
Freunde von „Westworld“ dürften sich darüber freuen, dass die Macher der HBO-Serie auch an „The End“ mitgearbeitet haben – und so spiegelt sich ein philosophischer Subplot auch in dieser Live-Experience wider. Das Finale ist dann auch noch selten fulminant gelöst und lässt im wahrsten Sinne ein „Feuerwerk“ auf einen los.
The End zählt zweifelsohne zu den ganz Großen und sollte auf der Pflichtliste von Escape-Room-Fans stehen. Und wer sich vor allem an spannenden, storyintensiven Live-Experiences mit filmreifen Sets sowie genialer Licht- und Geruchstechnik (!) erfreut, für den führt eh kaum ein Weg an eine Reise ins holländische Zoetermeer vorbei.
Ebenfalls zu den schon älteren Räumen zählt diese Hinrichtungs-Geschichte bei Escape Room Rijswijk (Trailer). Aber auch hier beeindrucken heute noch die Qualität, die Größe des Gefängnistrakts und das kreative Rätseldesign.
Gleich zu Beginn werden wir von einem texanischen Wärter brüllend „begrüßt“, erhalten unsere Besucherausweise und werden dann zur Hinrichtungsveranstaltung geleitet. Doch schon geht einiges schief: Denn tatsächlich soll einer unserer Teammitglieder ein gesuchter Mörder sein und –schwups- sitzt er auf dem elektrischen Stuhl. Durch glückliche Zufälle wird die Wache für einige Zeit außer Gefecht gesetzt und unser Freund gerade noch gerettet. Die nachfolgende Recherche am Gefängniscomputer zeigt, dass wir in eine riesige Verschwörung hineingezogen wurden.
Was folgt ist ein klassisches Ausbruchsszenario über mehrere Ebenen, die jedoch Rätsel beinhalten, die wir so noch nirgendwo anders gesehen haben. Soviel sei verraten: Wir haben dabei einen Raum nahezu mit Wasser überflutet und einen anderen in Schutt und Asche gesprengt.
Die ein oder andere harte Kopfnuss war durchaus auch dabei, so dass sich The Execution vor allem für Rätselfüchse lohnt, zumal die Geschichte am Ende doch sehr in den Hintergrund rückt. Das ändert aber nichts daran, dass wir zum Finale hochgradig unterhalten waren. Außerdem hatte das Spiel zweifelsohne die beste gebrüllte Einweisung, die wir je erlebt haben. Erstaunlich, wie wir uns innerhalb von Sekunden sofort wie in einem texanischen Gefängnis fühlten. Im Nachgespräch durften wir uns auch noch die Technik hinter den Kulissen anschauen und waren auch da beeindruckt. Das motivierte Team plant bereits den nächsten großen Raum, so dass wir definitiv wiederkommen werden.
The Dome (Trailer) führte lange Zeit die Bestenlisten auf Platz 1 an und wurde erst letztes Jahr von „You’ll Float Too“ aus Spanien vom Thron gestoßen. Der Raum befindet sich in einem Industriegebiet und gefühlt mitten im Nirgendwo. Ein Betreiber sagte uns vorher: „Entweder man liebt ‚The Dome‘ oder es nervt einen wie die Sau.“ Entsprechend hoch waren unsere Erwartungen.
Wir betreten eine Forschungseinrichtung, in der wir verschiedene Aufgaben lösen sollen. Soweit so normal, doch während wir fleißig knobeln hackt sich ein Cyborg in das System ein und setzt ein Halluzinogen frei: Der Raum verändert sich und plötzlich wird aus den typischen Escape-Rätseln immer verrücktere Aufgaben: Mal muss in einem surrealen Diner mit Essen geworfen, mal über zwei Ebenen in Mickey-Mouse-Stimme kommuniziert und mal eine Spielkonsole über einen zimmergroßen Controller gesteuert werden.
Vorweg: Wir haben den Raum nicht geschafft – nicht mal ansatzweise – und das könnte unsere Stimmungslage entsprechend negativ beeinflusst haben. Da die Einrichtung vor Ort im Prinzip nahezu ein vollständiges Self-Service-Angebot ist (bis hin zum selbstständigen Abkassieren) und die Game-Master daher primär in ihren Kontrollzimmern saßen, fehlte uns leider auch ein ausführliches Briefing und Debriefing. Im Prinzip öffnet sich nur die automatische Tür in den Dome und schon geht’s los.
So fanden wir uns ziemlich überfordert und überrascht in einer Situation wieder, die wir erst spät im laufenden Spiel überhaupt begriffen hatten. Erst als wir im Nachgang noch die Geschichte auf der Webseite lasen, wurden ein paar Details klarer. Vieles haben wir allerdings bis heute nicht ganz verstanden. So wurden uns z.B. immer wieder Sequenzen von einer entführten Frau vorgespielt. Wer das ist, warum die da ist und was wir damit zu tun haben? Wir wissen es nicht.
Insgesamt haben wir deswegen gerade am Anfang viel Zeit verloren, weil wir uns erst mal die Geschichte zusammenreimen mussten. Da einige Rätsel auch ganz bewusst nicht zu lösen sind oder richtige Lösungen plötzlich sabotiert werden, hatten wir die erste Hälfte des Spiels immer den Eindruck, mit technischen Problemen zu kämpfen. Dass dann später tatsächlich einige Sachen nicht sofort reagiert haben, machte es uns nicht leichter. Hier wären wir besser abgeholt worden, hätten wir im Vorfeld gewusst, dass ein Hacker gegen uns arbeitet. So war es für uns schwierig, das Spielerlebnis im Verlauf zu akzeptieren, weil wir lange Zeit mehr mit Irritation als mit Rätseln beschäftigt waren.
Die insgesamt zehn Räume unterscheiden sich enorm – sowohl im Setting wie auch im Rätseldesign. Wir hatten etwas den Eindruck, als wäre jeder Raum von einem anderen Designer entwickelt. So ergab sich für uns leider kein wirklich durchgehend stringentes Spielerlebnis, auch wenn die Räume und Rätsel für sich selbst gesehen sehr beeindruckend waren. Denn was "The Dome" zehn Mal pro Raum liefert kriegt man in manchen Fluchtspielen nicht mal in einem. So blieb bei uns am Ende das Gefühl der Überwältigung und Überforderung.
Das ist ein wenig schade, da mit ein wenig mehr Betreuung, die man für 185 € eigentlich erwarten kann, das Erlebnis sicher viel besser ausgefallen wäre. So öffnete sich für uns in Raum sieben einfach nur die Türe und das Spiel wurde mit einem „Game Over“ aus den Lautsprechern quittiert. Das war’s. Immerhin: Man kann sich später für ein paar Minuten die Überwachungskameras des eigenen Spiels anschauen und so nochmal sehen, wie man sich angestellt hat. Eine tolle Idee, aber klarer macht das die Story auch nicht.
Nichtsdesto trotz gehört „The Dome“ weiterhin mit zu besten und vor allen Dingen anspruchsvollsten Escape-Rooms weltweit. Vielleicht hatten wir einfach nur Pech. Allein die Fülle an zehn komplexen Räumen mit sehr unterschiedlichen Aufgaben und Rätseln beeindruckt. Es sollte einem nur klar sein, dass das Spiel einem keine Fehler verzeiht und zu viel verlorene Zeit praktisch nicht wieder aufgeholt werden kann. Die Erfolgsrate liegt mit 41% daher auch entsprechend niedrig. Für Profis, die auf der Suche nach einer echten Herausforderung sind und sich auf Speed-Rätseln spezialisiert haben, ist eine Reise in den Dome sicherlich trotzdem wert.
Auch unser nächster Halt war im gefühlten Niemandsland. Erneut ging es für uns in ein Hotel. „Kamer237“ (Trailer) ist die niederländische Version von ‚Shining‘ und befindet sich ganz unscheinbar in einer Wohnhaus-Siedlung.
Wie schon bei The Execution gibt es auch bei Kamer237 schauspielerische Begleitung – diesmal durch eine Concierge. Viele Escape-Rooms könnten sich durch die Liebe und das wirklich gelungene schauspielerische Talent der Betreiber in den Niederlanden eine Scheibe abschneiden. Obwohl wir in aller Herrgottsfrühe auf der Matte stehen mussten, fühlten wir uns sofort in ein Altherrenhaus versetzt, vor dessen Fenstern langsam schon der Abendsturm heraufzieht.
Freunde des Films werden Vieles wiedererkennen, aber gesehen oder gelesen haben muss man Shining für den Raum nicht. Kamer237 ist zwar mit fünf Räumen etwas kleiner, hat dafür aber einige grandiose Effekte integriert. Von allen Spielen, die wir gespielt haben, hatte Kamer237 die cleverste Methode, Geheimräume zu verstecken. Wir waren mehrfach erstaunt, wo sich plötzlich eine neue Tür auftut. Genial.
Kamer237 ist weniger eine Story-Experience als ein klassischer Rätselraum in filmreifen Sets und eignet sich daher besonders für Spieler, die mehr Lust auf Knobeln haben, ohne gleichzeitig auf tolle Kulissen verzichten zu müssen. Das ganze Spieldesign hat einen sehr guten Flow, trotz des Horrorthemas nur eine ganz schwache Gruselkomponente und verzichtet erfreulicherweise somit auch auf billige Jumpscares, die man bei dem Thema sonst häufig erwarten könnte.
Unsere Runde schlossen wir mit Amsterdam Catacombs in der Hauptstadt ab (Teaser). Das Spiel liegt zentral am Hauptbahnhof in, oder besser, unter einer Kirche. Zur passenden Zeit klingeln wir an der Kirche und sagen unseren geheimen Spruch auf, um in die Unterwelt eingelassen zu werden.
Die Location ist dann auch einer der ganz großen Pluspunkte von Amsterdam Catacombs: Welches Spiel kann schon von sich behaupten, tatsächlich in realen Katakomben unter einer aktiven Kirche zu spielen? Noch dazu, wenn es jetzt unsere Aufgabe ist, einem verschwundenen Wissenschaftler nachzuforschen und uns letztlich den dort noch herumgeisternden Dämonen zu stellen. Dabei schreckt Amsterdam Catacombs nicht vor satanistischem Gruselambiente zurück: Grablichter, satanistische Artefakte, Särge, Totenköpfe, Pentagramme, Weihwasser und noch dazu ein lebender Dämon aus der Hölle – all das zur reinen Unterhaltung unter einer realen Kirche? Für die Macher von Amsterdam Catacombs kein Problem!
Entsprechend düster geht es dann auch zu. Als einziges Spiel auf unserer Runde kamen hier zwei Schauspieler zum Einsatz. Amsterdam Catacombs ist somit eine spannende Mischung aus Escape-Room und Theater. Die Schauspieler übernehmen zwar auch Aufgaben als Game-Master, fallen dabei aber nie aus ihrer Rolle. Das Spiel ist damit ein ganz eigenes, spezielles, gruseliges und recht intimes Erlebnis.
Die Theatersequenzen ummanteln dann auch die Spielsequenz. Als sich nach einiger Zeit unser Mitstreiter verabschiedet, sind wir relativ lange auf uns allein gestellt. Die folgenden Aufgaben sind dann längere Zeit eher rätsellastig, bis dann am Ende wieder ein wirklich fulminantes Theater-Finale die Geschichte abschließt. Dadurch wirkt das Erlebnis etwas bruchstückhaft. Es gibt zwar eine weitere, kurze Theatereinlage auch während der Rätselphase, aber diese kommt erst sehr spät. Hier hätte man vielleicht durch eine etwas ausgewogenere Verteilung die drei disgruenten Blöcke „Intro“-„Spielen“-„Extro“ noch harmonischer zusammenführen können – aber das ist Kritik auf sehr hohem Niveau, zumal die beiden Darsteller sich parallel auch noch um den ganzen technischen Ablauf kümmern müssen.
Die Rätsel selbst sind durchaus anspruchsvoll und insgesamt gibt es sehr viel zu tun. Uns war zunächst nicht klar, dass man zum Gewinnen nicht alles gelöst haben muss. Das Spielprinzip bei Amsterdam Catacombs ist, dass man zur Bezwingung des Dämons eine gewisse Schwelle an Rätseln überschreiten muss. Wer es nicht schafft, wird in die Hölle geschickt. Da wir uns an ein paar Sachen sehr aufgehängt haben, ist uns das dann auch tatsächlich so passiert, wobei das Erlebnis darunter nicht leidet, weil man auch hierbei eine spektakuläre Show geboten bekommt. Hätten wir von dieser Schwelle vorher gewusst, wären wir vielleicht aber eine andere Strategie gefahren.
Alles in allem ist Amsterdam Catacombs ein Erlebnis, das vieles anders macht. Es hat klassisches Escape-Gaming, aber mit anderen Regeln. Es hat auch klassisches Theater, aber in einem intimen und völlig uniquen Setting. Es kommt nicht ganz an eine Immersive Experience wie „The End“ heran, zumal es eigentlich auch kaum Kulissen gibt (es werden einfach die tatsächlichen Kellergewölbe genutzt), will aber eben auch ganz bewusst etwas anderes sein. Wem das Konzept zusagt und wer in Amsterdam verweilt, kann sich mit den Katakomben für eine Stunde in eine völlig andere (Unter-)Welt einbuchen!
Auch wenn jeder von uns seine eigene kleine Bestenliste aus den sechs gespielten Räumen aufgestellt hat: Sehr gut bis grandios waren eigentlich alle Erlebnisse – und alle auf ihre Art einzigartig. Es stimmt also, was man sagt: Eine Reise in die Niederlande für ein paar Live-Game-Experiences lohnt sich auf alle Fälle. Seit unserer ursprünglichen Planung kamen viele neue Top-Spiele hinzu. Wir kommen wieder.
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