Entwickler: Supermassive Games
Supermassive Games, die bisher eher für kleinere (Party-)Spiele und diverse Ports innerhalb des Playstation-Kosmos verantwortlich waren, brachten am 26.8.2015 einen großen Titel exklusiv für die PS4 heraus. Endlich! Denn eigentlich sollte Until Dawn schon vor einigen Jahren in Verbindung mit dem Move Controller für die PS3 erscheinen. Nachdem man sich aber doch dagegen entschied und das Gameplay noch einmal komplett umänderte, kam es nun für die aktuelle Generation auf den Markt. Doch hat sich das Warten für die Spieler gelohnt?
Wer damals in den Neunzigern gerne Horrorfilme geschaut hat, wird sich sofort wohl fühlen. Denn die Story des Titels ist quasi eine Hommage an eben jene. Acht Freunde treffen sich am Jahrestag einer Tragödie, dem Verschwinden zweier Mädchen, am Ort des Geschehens. Einerseits, um zu reminiszieren, aber andererseits - wie amerikanische Teenies nun mal so sind - auch eine gute Party zu feiern und sich “näher zu kommen”. Welcher Ort könnte für so ein Vorhaben besser sein als eine weit abgelegene Ski-Lodge auf einem verschneiten Berg? Auf dem Weg dorthin finden ein paar der Freunde Hinweise auf einen Verbrecher, der hier irgendwo auf dem Berg hausen soll. Zwar glauben sie, dass es eine Verbindung zum Vorfall von vor einem Jahr geben könnte, doch die Stimmung soll das erstmal nicht trüben. Also auf ins Verderb… äh, Vergnügen!
Ein Kernelement von Until Dawn sind die Entscheidungen, die man häufig treffen muss. Sei es in normalen Gesprächen oder actionreichen Passagen - jede Wahl nimmt Einfluss auf den Verlauf der Geschichte. Manche machen sich sofort bemerkbar, etwa im Status der aktuellen Figur. Dort kann man sehen, wie sehr die Eigenschaften und die Beziehungen zu den anderen ausgeprägt sind. Ein weißer Strich mitten im Balken zeigt den Normalwert an. Ist man drüber, kann das positive Auswirkungen auf bestimmte Ereignisse haben. Fällt man drunter, ist das Gegenteil der Fall. Andere Entscheidungen lösen einen Schmetterlingseffekt aus und werden auch deutlich als solcher gekennzeichnet. Blättert man sich durch das Statusmenü, kann man Schmetterlinge betrachten. Dort sind wichtige Entscheidungen und deren Verlauf vermerkt. Auch hier spielen die Beziehungen eine große Rolle. Man sollte also vorsichtig sein, wie man mit seinen Mitmenschen redet. Allerdings ist das nicht so einfach, denn manchmal ist es besser, bestimmend zu sein, aber manchmal sollte man auch nachgeben. Menschen sind schon sehr kompliziert… Deshalb gehen viele zu einem Psychiater. So auch eine vorerst unbekannte Person, mit der man zwischen den Episoden ein paar Tests bei einem gewissen Dr. Hill durchlaufen muss. Mit jeder weiteren Sitzung ändert sich das eine oder andere Detail im Büro - abhängig von den dort getroffenen Entscheidungen und dem Fortschritt in der Geschichte.
Wie schon bei den PS3 exklusiven Titeln Heavy Rain und Beyond: Two Souls von Quantic Dream ist auch dieses Spiel mehr auf cineastische Inszenierung als auf freie und vollständige Interaktivität fixiert. Man bewegt sich im aktuellen Gebiet zwar frei umher, in Actionszenen allerdings läuft alles automatisch ab und der Spieler wird zum Zuschauer, der ab und zu die bei vielen Spielern eher unbeliebten Quick Time Events (QTE) absolvieren muss, um einen schlechten Ausgang der Situation zu vermeiden. Auch die Kamera ist kaum beeinflussbar und lässt sich nur minimal bewegen, um die Blickrichtung des Charakters anzudeuten. Dies ist allerdings notwendig für die Aufrechterhaltung der durchgängig guten Gruselatmosphäre. Denn jeder weiß - der wahre Horror spielt sich außerhalb des Sichtfeldes ab. Man kann es mögen oder nicht. Aber innerhalb dieses Titels funktioniert es sehr gut und anders wäre es nur schwer vorstellbar. Wenn dem Spieler dann doch mal mehr abverlangt wird, als den linken Stick in die gewünschte Laufrichtung zu schieben, was manchmal etwas schwammig wirkt, dann ist es das Drücken der X- oder R2-Taste oder das Wischen über das Touchpad. In QTEs sind dann sogar auch die anderen Symboltasten gefragt. Es gibt also keine komplizierte Steuerung, die erst mühselig erlernt muss. Dennoch gibt es anfangs ein Tutorial zu verschiedenen Situationen. Auch lernt man, dass es manchmal besser ist, nichts zu tun… Was man auch tut, es sollte gut durchdacht sein. Denn in besonders gefährlichen Abschnitten kann jede der acht Figuren sterben. Und da das Spiel regelmäßig den Fortschritt speichert, ist ein Verlust nicht so ohne Weiteres rückgängig zu machen. Wer also alle den nächsten Sonnenaufgang erleben lassen will, muss weise entscheiden und stets einen kühlen Kopf bewahren.
Während Beyond: Two Souls Hollywoodstars wie Ellen Page (Juno, Inception) und Willem Dafoe (Spider-Man, John Carter) verpflichten konnte, so hat Until Dawn eine nicht minder talentierte Hayden Panettiere (Heroes, Nashville) für die Rolle der Samantha bekommen können. Sie und die anderen Schauspieler, die den Charakteren per Motion-Capturing Leben eingehaucht haben, leisten hier gute Arbeit und spielen die Teenies größtenteils glaubwürdig. Durch das ''Upgrade'' zur PS4 sind die Grafik und die Charaktermodelle auch sehr hübsch anzusehen und so detailliert, dass die verschiedenen Emotionen echt wirken. Auch die Umgebungen sind sehr stimmungsvoll beleuchtet und detailreich ausgearbeitet, sodass man sich in diese Welt hineingezogen fühlt. Gelegentlich gibt es Clippingfehler, aber diese fallen nicht sonderlich ins Gewicht. Das Sounddesign ist gerade in Horrorspielen sehr wichtig, da es maßgebend zur Atmosphäre beiträgt. Das ist hier durchaus gelungen. Zumindest was Musik, Geräusche und Laute angeht. Die Tonspuren der Sprecher allerdings sind etwas seltsam abgemischt und klingen wie ältere Tonbandaufnahmen. Das stört das Gesamtbild dann doch ein wenig. Ob beim Abmischen tatsächlich etwas schief gelaufen ist oder ob es sich um einen Bug handelt, ist derzeit unklar. Eine Verbesserung wäre jedenfalls wünschenswert. Verbesserungswürdig ist auch die Arbeit der deutschen Sprecher. Wie so oft hatten sie wohl wieder nicht genug Zeit bekommen, um sich auf die Situationen im Spiel einzulassen. So wirken viele Dialoge aus dem Kontext gerissen und teilweise etwas lustlos vorgetragen. Schade eigentlich, denn die Sprecher sind an sich nicht schlecht. Der englische Sprachausgabe, die man in den Optionen jederzeit einschalten kann, ist da dann doch besser und passender.
Wer gerne Dinge sammelt, kann hier viel entdecken. Über das ganze Spiel verteilt findet man Totems, Hinweise zu Geschehnissen von vor vielen Jahren und Bilder und andere Dinge von Hannah, einer der beiden verschwundenen Mädchen. Während die Hinweise und Bilder Hintergrundinformationen liefern, die sich auch teilweise auf manche Spielgeschehnisse auswirken, haben die Totems verschiedene Farben und unterschiedliche Bedeutungen. Schwarz sagt den eigenen Tod voraus, Braun den Verlust einer nahe stehenden Person, Rot deutet auf Gefahr hin, Gelb gibt Hinweise auf spätere Entscheidungen und Weiß zeigt Glücksmomente. Man kann diese ''Tipps'' also dankend annehmen und hat es in späteren Situationen leichter mit der richtigen Wahl oder schaut während der Visionen weg, um wirklich alles ohne Einfluss selbst zu entscheiden. Und hat damit ganz nebenbei wieder eine für den Spielverlauf wichtige Entscheidung getroffen! Die Totems geben dem Spieler aber noch mehr als das. Denn für jede gefundene Holzschnitzfigur erhält man auch einen kleinen Schnipsel einer Art Dokumentation. Erst mit dem Fund der letzten Schnitzerei kann man sich das Video vollständig anschauen und mehr über die grausige Vergangenheit des Berges erfahren. Wer im ersten Durchlauf nicht alles bekommen hat oder generell ein paar Entscheidungen umändern will, der darf nach dem Beenden des Spiels jede Episode einzeln anwählen und die Geschichte ab dem Punkt abändern und verpasste Gegenstände aufsammeln. Wer übrigens eine PS4-Kamera besitzt und diese angeschlossen hat, kann sie auch ohne Stream vor sich aufbauen. Denn eine gewisse Option erlaubt es den Spielern, sich in bestimmten Szenen mit ganz besonders erschreckenden Jumpscares automatisch aufzeichnen zu lassen. Die Ergebnisse können dann jederzeit im Menü angesehen werden.
Man nehme ein Heavy Rain, mische es ordentlich mit so ziemlich allen (Teenie-)Horrorfilmen der 90er Jahre und gebe noch eine Prise Telltale Games drüber - und fertig ist Until Dawn, der spielbare Trashhorrorfilm. Aber guter Trash! Ich fühlte mich gut unterhalten und war mit wenigen Pausen bis zum Ende am Spiel dran. Für Fans von oben erwähnten Spielen und Entwicklern, die auch noch eine Portion Horror vertragen können, ist das Spiel bestens geeignet. Rätsel sucht man hier zwar vergebens, dafür sorgen so manche Entscheidungen ordentlich für Kopfzerbrechen. Und da diese das Spiel teilweise komplett anders verlaufen lassen können, ist der Wiederspielwert sehr hoch und fesselt den Spieler noch länger an den Titel als 8 Stunden, die man für den ersten Durchgang ungefähr braucht.
"Genau so habe ich mir das Spiel vorgestellt. Zumindest was das Gameplay angeht. Der Plottwist kam für mich doch recht überraschend, obwohl ich etwas Ähnliches schon vermutete. Nach dieser Wendung lässt das Spiel für mich aber leider etwas nach. Leider ist es schwer zu erklären, ohne zu spoilern. Ich mag einfach nicht, was da noch dazukommt. Aber dennoch ist das Spiel ziemlich gut gelungen und genau das Richtige für einen (langen) Gruselabend, wenn man sich mit der geringen Interaktivität arrangieren kann. Im Nachhinein habe ich es bereut, so viele Trailer und Vorschauvideos angeschaut zu haben, da ich mir dadurch manche Überraschung verdorben hatte. Wer sich also für dieses Spiel interessiert, sollte nach dem Lesen des Tests direkt zum Kauf übergehen und so unwissend wie möglich bleiben. Denn dann entfaltet sich der volle Genuss des Titels."
Adventure-Treff-Wertung:
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Until Dawn Steelbook Edition auf Amazon
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