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Über den Tellerrand: The Last of Us
Vom: 17.06.2013

Entwickler: Naughty Dog

 

Das kalifornische Entwicklerstudio Naughty Dog steht seit Mitte der neunziger Jahre für hochqualitative Spieletitel für Sonys Playstation. Standen bei den Jump ’n’ Run-Titeln Crash Bandicoot und Jak and Daxter noch Action und Spaß im Vordergrund, erweiterte spätestens die Uncharted-Reihe auf der PlayStation 3 den Fokus auch auf adventuretypische Elemente wie Geschichte, Dialoge und Rätsel. Das neueste Werk der Sony-Hausentwickler verspricht eine weitere Ausrichtung auf packende Atmosphäre und tolles Gameplay - ob der Exklusivtitel The Last of Us auch für Adventurefans einen Blick wert ist, erfahrt ihr in unserem Über-den-Tellerrand-Test.

Packender Anfang

Schon die ersten Spielminuten legen die Qualitäts-Messlatte sehr hoch. Selten war der Einstieg in ein Spiel so intensiv wie im Prolog von The Last of Us. Die Entwickler wissen, was sie tun und der erste Gänsehautmoment lässt nicht lange auf sich warten. Das Thema Zombie-Apokalypse hat in den letzten Jahren ja einen regelrechten Aufschwung erlebt, trotzdem schafft es das Spiel mit neuen Ansätzen zu überzeugen. Die Geschichte spielt zwanzig Jahre nach dem Ausbruch des Virus. Die Menschheit hat diesen langen Zeitraum zwar überlebt, so wirklich lebenswert sind die Umstände auf der Erde jedoch nicht. Das Militär hat Sicherheitszonen errichtet und ist vor allem am eigenen Machterhalt interessiert. Lebensmittel gibt es nur gegen Bezugskarten, die Todesstrafe wird ohne Verhandlung und Zögern bei Verdacht auf Infektion oder auch nur Verletzung der Ausgangssperre durchgesetzt. Parallel zum Militär haben sich noch einige andere Gruppen wie die Fireflies etabliert und eigene Zonen errichtet. Die verschiedenen Fraktionen verfolgen die unterschiedlichsten Ziele, haben aber alle gemeinsam, brandgefährlich zu sein. Das Interesse am Sieg über den Virus in Form eines Gegenmittels scheint in den Hintergrund getreten zu sein.


Man sieht deutlich, wie die Natur einst intakte Infrastruktur zurück erobert


Die Protagonisten Joel und Tess haben sich den Lebensumständen gut angepasst und versuchen sich als Schmuggler über Wasser zu halten. Über die Vergangenheit der beiden ist zunächst wenig bekannt, erst einmal steht ein neuer Auftrag im Mittelpunkt. Dieser stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass es diesmal nicht um den Transport von Waffen oder Drogen geht, sondern darum, die Teenagerin Ellie quer durch ein unsicheres Gebiet voller Infizierter zu einem Lager der Fireflies zu bringen. Eher widerwillig nimmt Joel diesen Auftrag an und ahnt noch nicht, wie sehr ihn die folgenden Erlebnisse auch mit der eigenen Vergangenheit konfrontieren werden. Sowieso haben die Entwickler ganz im Gegensatz zu Uncharted extrem viel Wert auf die Entwicklung einer wendungsreichen Geschichte und eine sehr detaillierten Charakterzeichnung gelegt. Es gibt sehr viele geskriptete Szenen, die die Geschichte weiter erzählen. Diese sind extrem gut gestaltet, wirken filmreif, sind aber gleichzeit perfekt mit der Umgebung verknüpft. Man fühlt sich als Spieler an keiner Stelle aus dem Spielgeschehen gerissen. Alles in allem führt das zu einer tollen Atmosphäre. Nicht selten schleicht man mit der Taschenlampe im Anschlag durch dunkle Gänge oder die Ruinen einer fast vergangenen Zivilisation, die die Natur schon langsam zurück erobert, und wünscht sich, jetzt bloß auf keinen Gegner zu treffen. Die Munition ist nämlich so gut wie immer knapp bis sehr knapp und es gilt, Infizierte oder andere Feinde entweder lautlos auszuschalten oder zu umgehen. Deshalb ist das Nahkampfsystem für ein Vorankommen im Spiel auch sehr wichtig. Verschiedene Gegnertypen mit unterschiedlichen Talenten erfordern außerdem zielgerichtetes Vorgehen in jeder Situation, dazu gehört zum Beispiel auch das Ablenken von Feinden durch den Wurf eines Ziegelsteins oder das Verharren in Deckung, während man versucht, über akkustische Signale die Position der Gegner zu orten. Implementiert ist das im Spiel mit einer Art Blick durch die Wand. In ruhigeren Spielabschnitten fangen die Charaktere immer wieder kleine Gespräche an oder schnappen Dialogfetzen von unbeteiligten Passanten auf. Die Dialoge können nicht aktiv gesteuert werden, wirken aber nie aufgesetzt sondern immer passend zur Situation. So durchquert man als Spieler die verschiedensten Areale, von Metropolen wie Boston bis hin zu bezaubernder Natur in den Rocky Mountains.


Auf die Ausarbeitung der Gesichter wurde viel Wert gelegt
 

Auch andere Spielelemente erhöhen die Spannung immens. Neben dem ständigen Munitionsmangel ist auch der Gesundheitszustand Joels immer kritisch. Er kann so gut wie keine Angriffe einstecken. Man kann zwar ab und zu Verbandszeug finden, die Benutzung desselbigen dauert aber lange Sekunden, in denen man ansonsten völlig handlungsunfähig ist. Mal schnell während eines Angriffs verarzten ist also nicht möglich. Diese Medipacks sowie auch andere Utensilien und Waffen muss man oft auch aus Gegenständen selbst herstellen, die man in der Umgebung findet. Auch diese Herstellung dauert Zeit, die man oft nicht hat. Im Spiel ist es also immer wichtig, überlegte Entscheidungen zu treffen - egal ob es darum geht, wie man eine Gruppe von Gegnern angreift oder umgeht oder in welchem Moment und an welchem Ort man Zeit für Verarztung oder Herstellung von Items investiert. Da Gegenstände außerdem verschiedene Verwendungsmöglichkeiten haben, muss man immer aktiv entscheiden, ob man zum Beispiel lieber eine Waffe oder Heilmittel herstellt. Dazu kommt, dass der Platz in Joels Rucksack begrenzt ist und in verschiedenen Sitationen unterschiedliche Waffen am gewinnbringendsten sind. Die Gegner agieren übrigens ziemlich clever, auch wenn kleinere Aussetzer in der KI nicht ganz ausbleiben. Vor allem fällt das auf, wenn unsere Begleiterin Ellie, obwohl "Clicker" (eine Gattung der Infizierten, die vor allem auf Geräusche reagiert) in der Nähe sind, lautstarke Unterhaltungen anfängt und die Gegner trotzdem nicht reagieren.


Soweit sollte man es erst gar nicht kommen lassen
 

Des Weiteren gibt es einige Rätselelemente. Da geht es zum Beispiel darum, den richtigen Schlüssel für eine verschlossene Tür zu finden, die Stromzufuhr wieder herzustellen oder Ellie über einen Abgrund zu helfen. Das sind zwar keine Rätsel im klassischen Adventuresinne, aber doch nette Abwechslungen, die motivieren und Spaß machen.

Wunderschöne Grafik

Auch wenn vielleicht nicht jede Ingame-Szene so toll aussieht wie auf den offiziellen Pressefotos, ist die Grafik erstaunlich gut. Es ist immer wieder überraschend, wie viel aus der acht Jahre alten PlayStation 3 noch herauszuholen ist. Grafisch setzt The Last of Us im Vergleich zur auch schon sehr hübschen Uncharted-Reihe auf jeden Fall noch eines drauf. Die meisten Areale sind unglaublich detailliert, die Szenerien sehr authentisch gestaltet, egal ob man sich gerade auf dem Land oder in einer Stadt aufhält. Besonders die Ausarbeitung und Animation der Gesichter ist super gelungen. Ein wichtiger Faktor in einigen Spielabschnitten sind Licht- und Schatteneffekte, die durch die Verwendung einer Taschenlampe noch verstärkt werden. Die Berechnung der Schatten ist sehr scharf und auch Wasseroberflächen, die auch physikalisch korrekt berechnet zu werden scheinen, tragen ihren Teil zum Gesamtbild bei.


Auch unterschiedliche Wetterverhältnisse tragen zur Atmosphäre bei
 

Auch Sound und Vertonung sind gelungen. Die Musikkulisse ist eher dezent aber gelungen, Sounds passen eigentlich immer zur jeweiligen Situation. Das Spiel verfügt über deutsche Sprachausgabe mit guten Sprechern, einzig und allein die optional aktivierbaren Untertitel werden manchmal nicht zur korrekten Zeit angezeigt. Naughty-Dog-typisch gibt es außerdem viele Objekte einzusammeln, die für den Spielfortschritt zwar nicht relevant sind, in Form von Tagebüchern oder alten Zeitungen aber weiter über die Spielwelt informieren und somit zur Atmosphäre beitragen.

Die Steuerung birgt keine Überraschungen und geht gut von der Hand. Im ersten Spielabschnitt nach dem Prolog lernt man immer wieder neue Aktionen und Taktiken hinzu, zu denen sich dann über das Menü jederzeit später kleine Beschreibungen abrufen lassen. Gesteuert wird meist aus der Verfolgerperspektive wobei die Kamera in Nahkämpfen auch ab und zu die Position wechselt und das Geschehen von der Seite aus zeigt, was solche Aktionen besonders in Szene setzt.


Selbstgebastelte Waffen sind in den verschiedensten Situationen nützlich
 

Achtung, Gewalt

Von einem Zombie-Survival-Spiel erwartet man es ja schon fast, dennoch ist auch die Gewaltdarstellung in The Last of Us sehr explizit. Die USK-Freigabe “ab 18” ist gerechtfertigt. Körperteile fliegen durch die Luft, ganze Rümpfe explodieren und gerade in den Nahkämpfen wird die Tötung zum Beispiel durch ein Messer sehr detailliert dargestellt. Auch in den Zwischensequenzen geht es ordentlich zur Sache, aber eben nicht leicht übertrieben wie zum Beispiel bei Uncharted, sondern sehr realistisch und kalt.

Fazit

The Last of Us überzeugt auf ganzer Linie. Allem voran ist die Geschichte überzeugend und mitreißend, die Atmosphäre leistet sich von Anfang bis Ende keine Aussetzer. Das liegt auch am Szenario, das authentisch ist. Die dargestellte Welt zwanzig Jahre nach dem Ausbruch der Infektion ist so denkbar, wenn auch beängstigend. The Last of Us ist kein Ballerspiel, es geht ums Überleben in einer Welt ohne vertrauenswürdige Menschen, mit knappen Ressourcen, in der ein Leben scheinbar nicht viel zählt. Wem die dargestellte Gewalt nichts ausmacht und wer Endzeitszenarien und/oder sehr gute Geschichten (auch mit Zombies oder Infizierten, wie sie hier genannt werden) mag, der sollte dem Spiel eine Chance geben und wird mit ein paar intensiven Spielstunden belohnt.

Adventure-Treff-Wertung: 91%

 

Kommentar

Die Chancen standen ganz gut, dass mir The Last of Us gefallen würde. Ich mochte auch The Walking Dead und außerdem andere Spielereihen des Entwickler Naughty Dog. Trotzdem hat mich das Spiel noch positiv überrascht, bietet es doch im Gegensatz zur Uncharted-Reihe nicht nur nette Grafik kombiniert mit Action, sondern eine ergreifende Geschichte und die Notwendigkeit, fast jeden der eigenen Schritte gut zu durchdenken. The Last of Us ist für mich ein gutes Beispiel, wohin Resident Evil sich nach dem dritten Teil entwickeln hätte sollen. Survival vom Feinsten mit toller Optik, guter Steuerung, herzergreifender Story und realistischer Handlung. Gerade die ganz unterschiedlichen Areale, die man durchqueren muss, haben mir neben der Handlung sehr gut gefallen - atmosphärisch gibt es kaum vergleichbare Titel. Überraschend war, dass das Spiel keine Installation benötigt, man kann sofort anfangen zu spielen. Dafür scheinen die ab und zu auftretenden Ladezeiten etwas höher zu sein. Den Spielfluss stört das aber kaum.

Hans Frank

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