Das Flash-Game TRAUMA des deutschen Entwicklers Krystian Majewski bietet ein kurzes, sehr ungewöhnliches Spielerlebnis. Die Geschichte um eine Patientin, die nach einem Autounfall im Krankenhaus liegt und in ihren Träumen Erinnerungen verarbeiten muss, überrascht durch unkonventionelle Steuerung, Grafik und Erzählweise. Kürzlich erschien eine Special Edition von Headup Games, die endlich auch eine deutsche Sprachausgabe liefert. Wir haben daher unser Feature zu dem Titel aktualisiert.
Eine kalte Nacht in einer dunklen Stadt. Drei Menschen steigen in ein Auto, fahren durch die Stadt, wechseln auf die Autobahn. Lichtspuren der Scheinwerfer ziehen sich durch die Nacht. Alles scheint ruhig. Dann der Unfall. Lichtblitze. Und schließlich nur noch Schwärze.
Bereits in den ersten Sekunden vermag TRAUMA eine starke Atmosphäre aufzubauen. Die filmische Qualität des Intros und die Effekte sind sehenswert, auch wenn die Videosequenzen zwischen den Kapiteln bei hohen Bildschrimauflösungen teilweise ein wenig kriselig wirken. Der auf das Wesentliche konzentrierte Soundtrack sorgt für die richtige Stimmung.
TRAUMA ist in insgesamt vier kurze Episoden aufgeteilt, die alle unterschiedlich benannt sind und sich mit verschiedenen inhaltlichen Themen auseinandersetzen. In jedem der vier Abschnitte schlüpft der Spieler in die Rolle der verunglückten Autofahrerin und bereist Orte ihrer Erinnerung. Die Schauplätze sind allerdings stets mit allerlei merkwürdigen Objekten gespickt. So gilt es beispielsweise im ersten Abschnitt, einen Teddybären zu retten, der unter einer seltsam verzierten Steinkugel eingeklemmt ist. Der Entwickler greift im gesamten Spiel auf nachbearbeitete Fotos zurück. Farben und Effekte fügen sich dabei zu einem stimmungsvollen Gesamtbild und vermitteln eindrucksvoll den geistigen Zustand der Patientin. Zwischensequenzen beim Erreichen eines regulären Endes runden das Gesamtbild ab.
In jedem Traum gibt es ein reguläres und drei alternative Enden zu entdecken. Zusätzlich können bis zu neun zum Teil extrem schwer versteckte Polaroid-Fotos eingesammelt werden. Auf diesen Bildern wird entweder eine Geste zur Steuerung erklärt oder ein Stück Vergangenheit der Patientin aufgearbeitet. Außerdem werden in verschiedenen Träumen unterschiedliche Fähigkeiten erlernt, die dann auch in anderen Träumen angewandt werden können. Beispielsweise ermöglicht es eine Art gezeichnetes „Z“ dem Spieler, sich einen Weg durch ein undurchdringliches Dickicht zu schlagen.
Gespielt wird aus der Sicht der Krankenhauspatientin. Mit Linksklicks an den Rändern des Bildschirms bewegt man sich nach rechts, links, oben und unten. Kann man den Bildschirm auf einer Seite verlassen, blinkt der Rand kurz auf, sobald der Spieler mit der Maus darüberfährt. Zusätzlich gibt es mehrere Symbole zur Fortbewegung, die mit gedrückter linker Maustaste auf den Bildschirm gemalt werden müssen. Eines davon ist ein senkrechter Strich von oben nach unten, mit dem man aus einem Schauplatz herauszoomen kann. Diese Gesten werden entweder auf den Polaroid-Fotos oder direkt in der Szenerie erklärt. Führt man einen Klick oder eine Geste aus, wird eine sanfte Bewegungsanimation zum nächsten Bildschirm gezeigt. Hinzu kommt das Auslöse-Geräusch einer Kamera. Der Spieler bewegt sich also zwischen einzelnen Momentaufnahmen im Gedächtnis der Patientin. MYST-Spielern dürfte die Grundsteuerung schnell vertraut sein, die Gesten sind am PC etwas gewöhnungsbedürftig. Doch auch diese fühlen sich mit der Zeit immer natürlicher an. Die Kombination der konventionellen und der Gesten-Steuerung führt zu einem interessanten Spielerlebnis. Die weichen Übergänge zwischen den Bildschirmen tragen zusätzlich viel zur Atmosphäre bei. Allerdings gelingt es dem Spiel nicht, die Gesten vollständig in die Steuerung zu integrieren: Während der Navigation durch die Schauplätze nimmt man diese immer noch eher als Fremdkörper war.
Während in der ersten Ausgabe von TRAUMA auf englisch die Sprachausgabe noch der eindeutige Schwachpunkt des Spiels war, hat sich dies in der Special Edition mit der deutschen Vertonung verbessert. Die Sätze klingen längst nicht mehr so überbetont und gekünstelt. Die Sprecherleistung der Patientin ist insgesamt stabil bis sehr gut, der Doktor in den Zwischensequenzen ist perfekt besetzt. Allein für die Neuvertonung lohnt sich die Special Edition, denn durch die bessere Umsetzung bleibt viel mehr von der Atmosphäre des Spiels erhalten als in der Download-Version.
Werden nur die Haupt-Enden der vier Träume durchgespielt, erreicht TRAUMA eine sehr kurze Spielzeit von etwa 40 bis 50 Minuten. Versucht man zusätzlich, alle alternativen Enden freizuschalten und alle Fotos zu finden, dürfte die Spielzeit bei etwa eineinhalb Stunden liegen. Die einzelnen Zwischensequenzen lassen sich nach dem Abschluss des Spiels über das Hauptmenü nochmals abspielen. Viele Fragen bleiben jedoch auch nach dem Spiel offen. So wird beispielsweise nicht geklärt, was mit den beiden anderen Insassen des Autos geschehen ist. Am Ende bleibt vieles – wie auch schon in den einzelnen Träumen – der Fantasie des Spielers überlassen. So bleibt man auch nach dem Video eventuell ein wenig unbefriedigt zurück, denn TRAUMA baut mehr an Geschichte auf, als es letztlich auflöst.
Als direkten Download kann man TRAUMA DRM-frei ab 5€ auf der Webseite des Entwicklers herunterladen. Dort gibt es auch den Soundtrack ab 2.99 US-Dollar zu kaufen. Alternativ gibt es das Spiel auch auf Steam. Diese Downloads enthalten allerdings nur die von uns im ursprünglichen Test kritisierte englische Sprachausgabe. Die Box-Version von Headup Games bringt sowohl die deutsche als auch die englische Synchronisation mit. Zusätzlich sind der Soundtrack in digitaler Form, eine digitale Bildergalerie, Polaroids mit Autogrammen, sowie ein kurzes, aber sehr sehens- und lesenwerstes Making-Of-Booklet enthalten. TRAUMA läuft in der Download-Version sowohl auf Windows, als auch auf Mac und Linux. Die Box-Version gibt nur Mac und Windows als kompatibel an.
TRAUMA ist definitiv kein klassisches Adventure. Dafür sind die Videos, die Bilder und die Steuerung zu ungewöhnlich, Rätsel kommen in der gewohnten Form überhaupt nicht vor. Vielmehr ist es ein künstlerisch anspruchsvolles Computerspiel, das bewusst andere Wege geht. In der Special Edition bleibt die Atmosphäre besser bewahrt als in der Download-Version. Gegenargumente sind bei beiden Versionen die recht kurze Spielzeit, die letztendlich doch etwas schwach ausgebaute Geschichte und das Fehlen von Rätseln. Spieler, die auf der Suche nach einer anderen Adventure-Erfahrung abseits der großen Masse sind, werden an TRAUMA viel Freude haben. Wer sich nicht sicher ist, kann es vor dem Kauf auf der Webseite ausprobieren.
Unsere Wertung der Special Edition: 76%
Unsere Wertung der Download-Version mit englischer Sprachausgabe: 73%
Links
TRAUMA auf der offiziellen Webseite kaufen
TRAUMA in der Special Edition kaufen
Unser ursprünglicher Test zu TRAUMA
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