Der britische Publisher Lace Mamba Global geriet mit dem überraschenden europaweiten Release von Jonathan Boakes „The Lost Crown“ fast über Nacht in das Blickfeld von Adventureenthusiasten und hat sich seitdem zu einem großen, englischsprachigen Publisher für das Genre entwickelt. Wir haben die Jungs von der Insel auf der gamescom besucht und zu ihren neuesten Machwerken befragt.
Es ist schon einige Zeit her, dass sich ein Adventurespiel ganz bewusst einer Jugendfreigabe verweigerte. Der letzte große Titel war wohl Phantasmagoria, als Sierra mit viel Splatter und Sex eine Freigabe ab 18, später sogar eine Indizierung für das sonst so kinderfreundliche Genre billigend in Kauf nahm. Lace Mamba wagt die gleiche Schiene nun mit dem gewalttätigen Lucius.
Man selbst spielt dabei einen kleinen, unscheinbaren Jungen, der durch einen verflixten Bund mit dem Satan dazu verführt wird, in seinem herrschaftlichen Elternhaus einige Morde zu begehen. Dabei erscheint Luzifer dem Satansbraten höchstselbst immer wieder in mysteriösen Zwischensequenzen, um das nächste Attentat in einer Art Missionbriefing zu erklären. Sukzessive macht man sich danach auf, die gestellte Aufgabe zu lösen.
Da Lucius noch nicht wirklich mit klassischen Handwaffen umgehen kann und man ja auch um Himmelswillen jede Aufmerksamkeit von sich lenken muss, sind nicht Geschicklichkeit und ein schneller Finger sondern Köpfchen gefragt. Man manipuliert also fortlaufend in klassischer Kombinationsmanier verschiedene Gegenstände im Haus, um sicher zu gehen, dass der aufgetragene Mord gelingt. Dabei steuert man die Figur in Echtzeit-3D und der WASD-Steuerung, kombiniert mit Maus, über den Bildschirm. Sobald Gegenstände in Reichweite sind, werden sie visuell umrandet und lassen sich mit einem weiteren Tastendruck benutzen bzw. ins Inventar stecken. Point & Click-Fetischisten sollten sich von Lucius also lieber fern halten.
Ist ein Mord geglückt, gibt es als Belohnung eine Zwischensequenz zu sehen. In dieser wird, durchaus spannend erzählt, der eigentliche Mord sowie die spätere Tatortsicherung in Szene gesetzt. Hat man alles richtig gemacht, geht der gute Detective - gleichzeitig übrigens auch der Erzähler des Spiels - immer wieder von einem Unfall oder unglücklichen Zufällen aus. Die Szenen sind zwar nicht auf dem höchsten Level der Renderkunst, aber trotzdem sehr cineastisch, ganz gut texturiert und atmosphärisch geschnitten. Immer wieder wird mit filmischen Effekten, Kamerafahrten, Weichzeichner und Partikeleffekten eine schöne Dramaturgie aufgebaut, die später sicherlich auch einiges an Rechenleistung erwartet.
Nicht nur, dass man in Lucius auf fieseste Weisen Menschen in die ewigen Jagdgründe schickt, auch diese besagten Zwischensequenzen könnten die Jugendschützer schnell auf die Barrikaden bringen. Lucius geizt nicht mit Splatter- und Gewaltszenen, bei der die Kamera immer schön feste drauf hält. Während sich Horrorfans darüber vielleicht freuen, ist es zarteren Gemütern womöglich schon etwas zu viel des Guten. Auch einige visuelle Ecken und Kanten des Spieles könnten polarisieren: Hin und wieder wirken die Bewegungen der Darsteller etwas steif, die Mimik etwas sehr emotionslos und vor allen Dingen das Herrenhaus selbst, in dem sich nahezu das ganze Spiel abspielt, etwas arg karg. So schön die filmische Inszenierung also auf der einen Seite ist, umso einfallsloser sind einige Räumlichkeiten des Spieles auf der anderen Seite. Positiv fällt auf, dass die Charaktere in Echtzeit ihren Tagesabläufen nachgehen und in der manchmal sehr sterilen Welt dadurch wieder ein wenig mehr Leben entsteht.
Am Ende des Spiels soll Lucius neben der erlernten Fähigkeit, Gegenstände mit Telekinese schweben zu lassen, auch noch rund 20 Todesfälle auf dem Gewissen haben. Die deutsche Version ist bereits fertig und steht beim Distributor Koch Media für eine Veröffentlichung im Oktober diesen Jahres bereits in den Startlöchern. Ob einem Lucius gefällt hängt stark vom persönlichen Gusto ab. Spielerisch wirkt es eher wie ein missionsbasiertes Manhunt auf Rätselbasis als ein waschechtes Adventure. Bei der Grafik kann Lucius zudem nicht mit Titeln wie Sherlock Holmes oder Memento Mori 2 mithalten. Wer jedoch endlich wieder ein erwachsenes Adventure spielen will, welches die Gemüter erhitzen könnte, und nichts gegen kleine, dreckige Machwerke mit Ecken und Kanten hat, die sich dafür nicht am Massengeschmack anbiedern müssen, der kann Lucius näher im Auge behalten.
Klassischer geht es in Murder in Theran's Alleys des iranischen Studios RSK-IR zu. Hier gab es Point’n’Click alter Schule zu sehen, wobei auch die Technik nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist. Erzählt wird eine Kriminalgeschichte im exotischen Setting, eben den Straßen von Teheran, in der Zeit der 30er Jahre. Allzuviel zu sehen gab es noch nicht. Gespielt wird in klassischem 2,5D-Stil. Die Figuren schlitterten noch etwas statisch durch die zum Teil solide gerenderten Grafiken und wirkten noch sehr aufgesetzt. Das Spiel erfindet das Rad dabei nicht neu, macht aber spielerisch dabei eben genauso wenig verkehrt. Es gibt ein klassisches Inventar, Hotspotting und die übliche Rätselkost. Zwischensequenzen werden in Form von sehr spartansichen Comicpanels erzählt. Eine deutsche Version ist denkbar, bislang aber noch nicht sicher. Am Ende wird sich das Spiel wohl an der Geschichte und der Atmosphäre messen müssen, denn technisch darf man sich hier keine Meilensteine erwarten.
Weitere Adventure-Neuankündigungen gab es bei Lace Mamba dieses Jahr für uns nicht. Gezeigt bekamen wir u.a. das Kickstarter-Projekt Lifeless Planet: Ein Indie-Titel, ebenfalls in Echtzeit-3D, der die Geschichte eines gestrandeten Astronauten erzählt. Versucht man auf dem fremden Planeten zunächst noch, erst mal seine Sauerstoffzufuhr wieder zu reparieren, lernt man danach sehr schnell, dass man doch nicht völlig allein in dieser Einöde ist. Also macht man sich auf die Suche, das Rätsel des gar nicht so „leblosen Planeten“ zu lösen. Insgesamt ist der Titel wohl mehr Plattformer als Adventure. Vergleiche mit Klassikern wie „The Dig“ hinken also. Zwar gibt es hier und da durchaus Rätsel zu lösen, ein Großteil der uns gezeigten Sequenzen bestand aber zunächst aus klassischen Geschicklichkeitseinlagen.
Bereits erschienen ist zudem der Titel To the Moon - eine Mischung aus Rollenspiel, Adventure und Visual Novel. Der Titel ist in einer multilingualen Version Ende August auch in deutsch in den Handel gekommen. Die Übersetzung leistet hier übrigens der Ex-House-of-Tales Mitgründer Martin Ganteföhr.
Links:
Video-Variante des Berichts
Trailer von Lucius
Intro-Sequenz von Lucius
Webseite von Laca Mamba Global
Lucius kaufen
To the Moon kaufen
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