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Das Ende ist noch immer nicht geschrieben - URU Ages Beyond MYST lebt weiter
Vom: 29.02.2012

 


Sonnenaufgang in einer neuen Welt:
Auch nach neun Jahren bietet URU noch Neues



Im November des Jahres 2003 erschien mit URU – Ages Beyond MYST ein Spiel, dass das soziale Leben zahlreicher Spieler nachhaltig verändern würde. Die Idee, Welten mit kniffligen Rätseln zu entwickeln, die mehrere Spieler online gemeinsam lösen konnten, war genial. Und trotzdem stand das Projekt nie unter einem guten Stern. Zweimal versuchten die Entwickler bei Cyan Worlds, die Online-Variante von URU kommerziell erfolgreich zu machen. Zweimal scheiterten sie. Und doch kann man heute gemeinsam mit Freunden mehr Welten bereisen als je zuvor. Denn URU lebt immer noch durch seine Fans, die mit jedem Jahr mehr unglaubliche Funktionen zum Spiel hinzugefügt haben. Ganz getreu dem ursprünglichen Spiele-Motto: „Vielleicht wurde das Ende noch nicht geschrieben“. Doch langsam scheint den Fans die Puste auszugehen. Schuld daran sind viele unterschiedliche Faktoren.


Das gemeinsame Erforschen von Welten und das Lösen knackiger
Rätsel verleiht URU seit der Veröffentlichung seinen besonderen Reiz



Eine kurze Geschichte im Scheitern

Alles begann mit dem vorzeitigen Aus der ersten URU Online-Variante im Februar 2004, nur wenige Monate nach dem Start. Publisher Ubisoft sah keine andere Möglichkeit, als die Notbremse zu ziehen, um weitere Verluste zu vermeiden. Doch findige User stellten eigene Server auf die Beine. Cyan tolerierte dies, so lange die Authentifizierung über die firmeneigenen Server lief. Die „Until URU“-Bewegung war zum Leben erwacht. Bis es wieder eine Online-Variante geben würde, sollten diese Server weiterhin als Treffpunkt für Forscher dienen. Dies war hauptsächlich einem cleverer Programmierer zu verdanken, der den Client und den Server von URU bereits zu Beginn genau untersucht hatte. Seine Arbeit führte dazu, dass die Until URU-Bewegung überhaupt gestartet werden konnte. Allerdings konnte sein Werk auch die Authentifizierung durch die Cyan-Server umgehen, die zu Beginn der Until URU-Zeit als Bedingung festgelegt wurde. Damit war eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die künftige Entwicklung des Spiels innerhalb der Fangemeinde geschaffen, doch der Programmierer machte sich damit bei einem Großteil der Gemeinschaft mehr als unbeliebt. Die Möglichkeit, vor Until URU auch ohne Cyans Segen zu spielen war auch in der Fanbasis nicht gerne gesehen. Selbst als Cyan nachzog und für Until URU eigene Server zur Authentifizierung schaffte, stand der Schöpfer der neuen Online-Bewegung noch in der Kritik. Bis heute wurde seine Arbeit kaum lobend erwähnt.
Schließlich schaffte es Cyan, den Spieleanbieter Gametap mit ins Boot zu holen und URU nochmals offiziell online zu bringen. Die Until URU-Server wurden abgeschaltet und „MYST Online: URU live“ (kurz: MO:UL) wurde veröffentlicht. Es enthielt für monatlich zahlende Nutzer neue Welten und neue Objekte in bereits bekannten Umgebungen. Doch auch dieses Geschäftsmodell rechnete sich nicht: Nach knapp einem Jahr war auch MO:UL am Ende. Zurück blieben Vollblut-Spieler, die an der erneuten Schließung der gemeinsamen Spielewelt hart zu kauen hatten.


MO:UL war geprägt durch eine recht wirre Geschichte,
das langsame Hinzufügen neuer Welten und Funktionen,
und die ständige Befürchtung, der Server könne wieder abgeschaltet werden



Die neue Ära

Einige wenige Nutzer hatten parallel zur offiziellen MO:UL-Variante ihre eigenen, privaten Server behalten. Wer Glück hatte, wurde nach dem Ende von MO:UL auf einen privaten Server eingeladen und konnte dort weiterspielen. Cyan wusste wohl von diesen Servern, deren rechtlicher Status in der Grauzone lag, unternahm aber nichts gegen sie. Zur selben Zeit schrieben Fans weiter an ihren Welten für die Offline-Version. Außerdem wurden im Verborgenen offizielle Zeitalter verbessert. Auf einem geheimen Server wurden sogar neue Geschichten geschrieben und mit speziellen Avataren aufgeführt. URU blühte im Geheimen wie nie zuvor und viele enttäuschte Nutzer fanden dort eine neue Heimat. Immer beeindruckender wurden die Möglichkeiten, die findige Programmierer in das Spiel integrierten. Durch das sogenannte pyPRP-Plugin für die Open-Source Software Blender war es bereits vor MO:UL möglich geworden, eigene Zeitalter zu erstellen und in URU aufzusuchen. Während diese Welten anfangs technisch noch stark beschränkt waren, wurden die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Autoren immer ausgefeilter, sodass es heute Zeitalter gibt, die weder optisch noch rätseltechnisch von den offiziellen Welten Cyans zu unterscheiden sind. Mit immer besser werdenden Tools und Plugins entstanden wahre Perlen, die entweder durch riesige Areale, wundervolle Grafik oder ausgeklügelte Rätsel überzeugten. Immer mehr schien möglich in der Welt von URU. Nach dem Ende von MO:UL gelang es Programmierern und Administratoren, weitere Welten aus anderen Spielen von Cyan auf den Servern spielbar zu machen. So wurden Reisen in die Zeitalter von MYST V, sowie in die Welten aus den anderen Cyan-Titeln „Cosmic Osmo’s Hex Isle“, „Magic Quest Online“ und „The Well of Tears“ möglich.


Die Kreativität auf den geheimen Servern blühte. So wurden zum
Beispiel von einem Fan geschriebene Geschichten eindrucksvoll inszeniert



Der Niedergang

Leider schrumpfte die aktive Spielerzahl mit der Zeit mehr und mehr zusammen. Das lag zum einen an zwischenmenschlichen Konflikten innerhalb der Nutzer, Programmierern und Administratoren, zum anderen aber auch an Cyans Verhalten. Gerade als mehrere Administratoren darüber nachdachten, ihre geheime Arbeit an verschiedenen Servern öffentlich zu machen und mehr Nutzer einzuladen, kündigte Cyan an, MO:UL als Open-Source verfügbar zu machen. Das war zum einen ein Problem, da sich die Programmstruktur von MO:UL in vielen Punkten von der bisher verwendeten URU-Version stark unterschied und bisherige Arbeit nicht einfach in diese Version übertragen werden konnte. Zum anderen verschärfte Cyan seine Forenbedingungen und untersagte Links und Hinweise auf veränderte URU-Installationen und Server-Software. Zusätzlich kam Cyan seinem Versprechen, die MO:UL-Software öffentlich zu machen, nur sehr langsam und in sehr kleinen Teilen nach. Bis heute sind nur der Client und ein Plugin zur Weltenerschaffung mit 3D Studio MAX freigegeben worden. Dringend benötigte Daten zum Server fehlen noch immer. Auch fehlt bislang jegliche Lizenz, um irgendetwas an den eigentlichen Spiel-Inhalten zu verändern. Diese dürfen weder weiterverteilt, noch angepasst werden. Das frustrierte motivierte Programmierer, die nun nicht mehr mit dem veralteten URU arbeiten wollten, mit der modernen MO:UL-Variante aber aufgrund beschränkter Möglichkeiten nicht beginnen konnten. Aufgrund persönlicher Konflikte zogen sich zusätzlich kreative Köpfe aus der Gemeinschaft zurück. Die URU-Server wurden leerer.


Eine Reise in ein Zeitalter aus MYST V:
Zu den Hochzeiten schien auf den Servern und offline fast nichts unmöglich

 

Neue Hoffnung

Doch wie es bislang am Ende jeder offiziellen URU-Episode hieß, ist das Ende noch nicht geschrieben. Für Interessierte existiert ein mehr oder weniger offiziell zugänglicher Server, basierend auf der älteren URU-Version "The Path of the Shell (TPotS)", beziehungsweise "Complete Chronicles (CC)". Mit über 100 Fanwelten und zahlreichen weiteren Möglichkeiten bietet er stundenlangen Spielspaß. Da auf diesem Server aber durch die Veränderung von Cyans Zeitaltern und die Verwendung von Welten aus anderen Spielen Lizenzen und EULAs verletzt werden, liegt dieser Server in einer rechtlichen Grauzone. Auch die Offline-Variante von URU lässt sich so modifizieren, dass Fan-Ages und andere Zeitalter von Cyan bereist werden können, mit denselben rechtlichen Problemen. Auch gibt es mehrere Server, die auf die neue MO:UL-Technik setzen. Einer davon, der sogenannte „Gehn-Shard“, wirkt besonders vielversprechend. Dort wurden bereits zahlreiche Bugs behoben und sogar ein Fan-Zeitalter integriert. Dieser Server ist vollständig legal, da er die Probleme des rigiden Rechtemanagements von Cyan beachtet. Es wird noch lange dauern, bis dort dieselben Dinge möglich sind, wie auf dem alternativen Server auf TPotS-Basis. Doch theoretisch warten dort noch deutlich größere Möglichkeiten, als auf den alten Servern. Es bleibt zu hoffen, dass sich die wenigen verbliebenen Programmierer lange genug motivieren können, um dieses Projekt weiter zu treiben. Und es bleibt zu hoffen, dass Cyan endlich schnellere und größere Schritte bei der Freigabe seiner Programmcodes und seiner Inhalte macht. Denn dann steht vielleicht eine dritte, nicht minder faszinierende Blüte eines fantastischen Online-Adventures bevor.


Über 100 Fanwelten locken inzwischen mit riesigen Arealen,
wunderschönen Umgebungen, knackigen Rätseln und kreativen Ideen.
In dieser an M.C. Escher angelehnten Welt spielt der Autor mit der Gravitation

Info

URU online spielen


Online spielen:
Variante 1): Offizieller Server von Cyan, auf MO:UL-Basis, ohne zusätzliche Inhalte. Mehr Informationen gibt es hier.
Variante 2): Privater Server auf MO:UL-Basis mit zusätzlichen Inhalten (Gehn-Server): Auf guildofwriters.org kostenlos im Forum anmelden. Dann diese Anleitung befolgen.

Weitere Informationen findet ihr auf der Webseite der Guild Of Writers (auf Englisch).

Links:
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Offizielle Webseite

Hans Duschl