Interviews

Christian ""Chrisse"" Schneider
Gesprächspartner: Michael 'Feuer' Feuerstein
Sprache:
Vom: 13.06.2000

Über

Um ein erstklassiges Computerspiel auch im deutschsprachigen Raum gut verkaufen zu können, reicht heutzutage ein gutes Spiel fast schon nicht mehr. Immer wichtiger werden – vor allem im Zeitalter von „unbegrenzten audiovisuellen Möglichkeiten“ – die Lokalisierungen (Übersetzungen) der Spiele. Eine mehr als führende Rolle spielt dabei seit Jahren die Firma Softgold (zuständig für sämtliche LucasArts Spiele), die schon immer durch makellose, fehlerfreie Übersetzungen überzeugen konnte. Ihr letztes Produkt ist das Spiel Star Wars: Episode1, Obi-Wan, der 3. Teil in der erfolgreichen Dark-Forces-Reihe. Wir haben exklusiv mit Christian „Chrisse“ Schneider, einem der führenden Köpfe bei Softgold gesprochen, seines Zeichens Voice Producer und verantwortlich für die Übersetzung von Hits wie The Curse of Monkey Island und Grim Fandango.



A-T: Hi Chrisse! Als Eingangsfrage: Wer bist du und was machst du?

Chrisse: Mein Name ist Christian „Chrisse“ Schneider und ich bin Voice Producer bei Softgold/THQ. Dort bin ich somit für Sprachregie, Besetzung der Rollen, Schnitt und Teile der Übersetzung verantwortlich.

A-T: Wie bist du damals auf den Job bei Softgold aufmerksam geworden, als Computerspiele noch in den Kinderschuhen steckten?

Chrisse: Ich bin mehr oder weniger darauf aufmerksam gemacht worden. Softgold war damals auf der Suche nach Testern und über diese Schiene bin ich dann irgendwann fest angestellt worden.

A-T: Wie läuft das Testen eines Adventures? Ist das eine knochenharte Arbeit oder Spaß ohne Ende?

Chrisse: Eine Mischung aus beidem. Einerseits ist es klasse, mitzuerleben, wie das Spiel langsam Gestalt annimmt, andererseits kann es auch ganz schön nerven, ein und dieselbe Stelle auf der Suche nach Fehlern 50 bis 100 Mal spielen zu müssen.

A-T: Heute bist du ja Voice Producer bei THQ. Wie ist es zu dem Wechsel gekommen, und bist du froh darüber, Spiele nicht mehr 302 Mal spielen zu müssen?

Chrisse: Also spielen muss ich natürlich immer noch. Wenn eine Beta verfügbar ist, ist dies die einzige Möglichkeit, um zu überprüfen, ob die Übersetzungen auch gut sind und alles gut klingt. Außerdem versuche ich jedes Spiel, wenn es die Zeit erlaubt, auch in der deutschen Version zu spielen. Dadurch erkenne ich mögliche Fehler, die ich dann beim nächsten Projekt vermeiden kann.

A-T: Bei welchem Spiel hast du das erste Mal bei der Lokalisation mitgearbeitet? Welches war dein letztes großes Projekt?

Chrisse: Also das letzte Projekt war Obi-Wan und mein erstes Projekt Sam & Max (Testing).

A-T: Wie sehr hat sich die Aufgabe eines Voice Producers und Mitarbeiters einer Lokalisierungsfirma seit Sam & Max geändert? Hat sich auch das Team verändert oder nur die Arbeit? Kannst du uns einen deiner Tagesabläufe einmal genauer schildern?

Chrisse: Die Abläufe sind straffer koordiniert und durch das hohe Arbeitsaufkommen und das zunehmende Alter sind einige von uns „etwas“ ruhiger geworden. Der Tagesablauf sieht etwas so aus: Aufstehen, gähnen, Zähne putzen, in den Spiegel sehen und schockiert feststellen, wie alt ich geworden bin, in den Spiegel sehen und schockiert feststellen, wie fett ich geworden bin, vornehmen nicht noch fetter zu werden, vornehmen mit dem Altern aufzuhören. Den Rest wollt ihr gar nicht wissen …

A-T: LucasArts hat in diesen Tagen Escape from Monkey Island angekündigt. Was für Räder beginnen sich nun bei THQ und bei dir, solltest du die Projektleitung bekommen, zu drehen?

Chrisse: Also zu Monkey 4 kann ich euch verständlicherweise wenig Auskünfte geben, aber ich versuche es mal anhand von Grim Fandango: 1. Die Materialien sichten. 2. Wenn möglich, das Spiel anspielen, ansonsten mittels der Scribbles einen ersten Eindruck von den einzelnen Charakteren verschaffen. 3. Die Übersetzung wird vom Projektleiter aufgeteilt und dann an die einzelnen Übersetzer verteilt. 4. Nach Abschluss der Übersetzungsarbeiten werden die Texte lektoriert. 5. Projektleiter und Voice Producer gehen die einzelnen Sätze durch, besprechen Änderungen und gleichen die Texte der Übersetzer aneinander an. 5.5. Texte werden auf „Lippe“ geschrieben. 6. Das Studio-Skript wird vorbereitet und ausgedruckt. 7. Der Voice Producer besetzt die einzelnen Figuren mit den entsprechenden Synchronsprechern. 8. Buchung der Sprecher. 9. Aufnahme 10. Schnitt, Nachbearbeitung, Effekte. 11. Einbau der Sprache. 12. Testing. 13. Master.

A-T: Wie sah ein typischer Arbeitstag bei der Lokalisierung von Grim Fandango oder The Curse of Monkey Island aus? Unbezahlte Überstunden, übernächtigte, gereitzte Mitarbeiter und Pizzas und Cola als Grundnahrungsmittel?

Chrisse: Also Überstunden gab es bei Grim und bei Monkey in Hülle und Fülle. Aber die Firma war so nett, uns am Wochenende die Pizza-Rechnung auszugleichen … Gereizt waren wir eigentlich nicht, nur sehr übermüdet.

A-T: Gab es dabei irgendwelche besonders lustigen Vorkommnisse, die unsere Leser unbedingt erfahren sollten?

Chrisse: Also bis auf den berüchtigten Stromausfall fällt mir auf Anhieb nur der Funkeffekt bei Rebel Assault II ein. Wir saßen im Studio und ich kam nach einigem Überlegen auf die Idee, das Rauschen im Funkverkehr mit dem Radio zu erzeugen, das bei uns in der Firma stand. Wir sitzen also da und Christian dreht lustig zwischen den Sendern hin und her. Es rauscht wie die Hölle. Nachdem wir ca. 15 Samples fertig hatten, fiel uns beim Abhören auf, dass zwischen dem Rauschen und den Funksprüchen noch leise Musik zu hören war. Tja, wir hatten leider bei einigen Samples, ohne es zu merken, den Sender BFBS gestreift und konnten nochmal von vorne anfangen. Klang echt witzig!

A-T: Wie lief das Aufnehmen der einzelnen Songs (Rostiger Anker in Grim Fandango oder Barbershop in Curse of Monkey Island) über die Bühne?

Chrisse: Also nachdem ich den Rostigen Anker so gut wie möglich übersetzt hatte, haben wir die Tonspur mit dem Klavier genommen und das Ding dem Sprecher unter die Nase gehalten. Wir haben den Song in einer Art Jam Session aufgenommen und es war wirklich ein Heidenspaß. Dass der Song am Schluss vom Gesang etwas schief endet, ist übrigens Absicht gewesen. Ich war der Meinung, dass dies einfach besser zu Glottis passt.

A-T: Stichwort Zwischensequenzen: Wie bringt man es fertig, dass der Text lippensynchron wird? Laufen im Studio die fertig animierten Zwischensequenzen auf einem Schirm?

Chrisse: Die Sprecher bekommen die Filme auf einem Bildschirm zu sehen. Die Texte werden dafür extra auf „Lippe“ umgeschrieben. Dann arbeitet man sich Satz für Satz durch den Film.

A-T: Ist das Übersetzen von Wortspielen schwierig (z.B. bei Sam and Max)? Werden da auch neue Wortspiele extra für die deutsche Version erfunden?

Chrisse: Es dürfte jedem klar sein, dass man nicht alle Wortspiele aus dem Englischen retten kann. Es kann daher schon vorkommen, dass man bis zu 20 Minuten über einem Satz brütet. „to sprout“ aus Grim Fandango ist uns mit „ersprießen“ meiner Meinung nach ganz gut gelungen.

A-T: Wie viel wisst ihr bei THQ vom wirklichen Spiel eigentlich? Lässt euch LucasArts alles nur häppchenweise zukommen?

Chrisse: Oftmals werden die Übersetzungen und Sprachaufnahmen gestartet, wenn die Spiele noch nicht fertig sind. Es kann also schon vorkommen, dass man ein Spiel vollkommen „blind“ übersetzt. Da helfen dann nur unsere Erfahrung und die guten Dokumentationen von LucasArts.

A-T: Einige Leser werden sich jetzt sicherlich fragen: Wie kann ich bei Escape from Monkey Island eine Sprecherrolle übernehmen? Gibt es diese Möglichkeit und wenn ja, was für Voraussetzungen sollte man mitbringen?

Chrisse: Ich habe mir einmal zur Regel gemacht, der Qualität zuliebe keine Amateursprecher einzusetzen. Bei unseren Projekten könnt ihr euch also darauf verlassen, dass weder ich noch sonst jemand aus dem Studio eine Rolle übernimmt :-]. Wir liefern eine Qualität, die auf dem Markt als Referenz gilt, und da kann man einfach kein Risiko eingehen und neue Sprecher aufbauen. Glaubt mir, jeder der schon einmal gehört hat, wie meine Stimme klingt, wird heilfroh darüber sein. Sorry!

A-T: Warum gelingen Softgold immer solche makellosen Übersetzungen, während bei anderen Spielen dies meistens nicht der Fall ist, wo die Übersetzer nicht nur schlampig, sondern scheinbar auch ohne Motivation gearbeitet haben? Worauf muss beim Übersetzen besonders achtgegeben werden?

Chrisse: Meiner Meinung nach liegt das daran, dass wir die Spiele auch selbst spielen. Jeder der ein Projekt bekommt, sieht es als sein Baby an. Viele Firmen arbeiten mit Agenturen, die zwar gute Arbeit leisten, aber die wenigsten davon haben jemals selbst gespielt. Wir sind mit Computerspielen groß geworden und vielleicht ist es genau das, was uns einen Vorsprung verschafft.

A-T: Bestehen Unterschiede zwischen dem Vertonen von Adventures und anderen Spielegenres?

Chrisse: Adventures sind häufig witziger als andere Spiele. Aber gerade die Übersetzung und die Vertonung der Force-Commander-Dialoge hat mir eine Menge Spaß gemacht. Es ist irrsinnig spannend, ein gutes englisches Dialogskript zu lesen und die gut konstruierte Rahmenhandlung von FOCO war eine große Herausforderung für uns alle.

A-T: Hat sich LucasArts jemals über eure Arbeit beschwert oder kontrolliert und zur Verbesserung nochmals zurückgeschickt, oder lässt man euch hier freie Hand?

Chrisse: Wie auch beim Filmsynchron ist es so, dass der Auftraggeber natürlich hören möchte, welche Stimmen man einzusetzen gedenkt. Wir schicken also unsere Vorschläge ein, LEC hört sie sich an und ist, glaube ich, auch sehr zufrieden mit unserer Arbeit.

A-T: Softgold-Lokalisationen werden von allen Seiten gelobt – habt ihr von einzelnen Spielern auch schon mal negative Reaktionen und Kritiken bekommen? Nehmt ihr die ernst oder wandern sie nur in den nächsten Papierkorb?

Chrisse: Es gibt natürlich auch negative Kritik. Ich habe bei einem Zeitungsinterview mal eine E-Mail-Adresse angegeben und dazu aufgerufen, mir Verbesserungsvorschläge und Kritik zu schicken. Ich habe dann auch allen Leuten geantwortet, die mir ihre Kommentare geschickt haben. Letztendlich muss das Spiel ja nicht mir, sondern dem Kunden, also euch, gefallen. Wir nehmen hier Kritik und Anregungen sehr ernst.

A-T: Nun genug zu deiner Arbeit – was für Spiele sind zurzeit auf deiner Festplatte installiert?

Chrisse: Baldurs Gate (US-Import), Tales of the Swordcoast (US-Import), Commandos (US-Import), Jagged Alliance 2 (US-Import).

A-T: Als Letztes noch die unausweichliche Frage, die einfach kommen muss: Kannst du uns etwas Neues über Escape from Monkey Island sagen?

Chrisse: Die unausweichliche Antwort: Leider nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es der absolute Hammer wird!

A-T: Vielen Dank für dieses Interview!

Chrisse: Gern geschehen!