Interviews

Bill Tiller
Gesprächspartner: Jan 'DasJan' Schneider
Sprache:
Vom: 22.11.2008

Über

Bill Tiller war lange Grafiker bei LucasArts und für die Optik von Monkey Island 3 verantwortlich. Inzwischen hat er seine eigene Firma Autumn Moon Entertainment, mit der er zur Zeit das klassische Comicadventure A Vampyre Story veröffentlicht. Wir haben mit ihm über seinen Werdegang, die Zeit bei LucasArts und seine aktuellen Projekte gesprochen.



A-T: "Hi Bill! Bevor wir zu deinen aktuellen Projekten kommen, lass uns ein wenig tiefer in deiner Vergangenheit graben. Wie bist du überhaupt in die Spielebranche gelangt?"

Bill: "Als ich noch zur Schule ging, dachte ich erst, ich würde Romanautor werden, später Spieldesigner, dann Filmregisseur. Ich schrieb einen Roman, ich programmierte ein paar kleine Spiele und ich drehte eine Hand voll 16mm-Schwarzweißfilme. Und natürlich lief ich die ganze Zeit mit einem Sketchbook herum und machte blau, um Bücher zu lesen: Ray Bradbury, Der Herr der Ringe und Ursula K. Leguin. Einmal fand ich diese Ausgabe des Smithsonian Magazine mit einem Artikel über Cal Arts. Diese Kunstschule war von Disney ins Leben gerufen worden und sie akzeptierten dich dort allein wegen deines Portfolios und nicht aufgrund guter Noten – was gerade in Bezug auf Mathe oder Wirtschaftslehre enorm wichtig für mich war, denn meine Noten waren horrormäßig.

Ich habe also Unterrichtstunden geschwänzt, um in die Bibliothek zu gehen. Cal Arts war toll! Ich konnte dort mit großartigen Animatoren, Grafikkünstlern und Textern rumhängen und ich habe Disneys Methode, Geschichten zu erzählen gelernt. Außerdem bin ich mit Dpaint am Amiga vertraut geworden und ich füllte meine Mappe mit Computergrafik und -animationen in 2D. Mit 3D-Grafik hatte ich dagegen nie wirklich was zu tun, das war einfach nichts für mich.

Dann kam LucasArts an meine Schule, um ein paar Animatoren für die The-Dig-Version von Brian Moriarty anzuheuern. Da ich Dpaint bereits kannte, bekam ich sofort den Job. Ich wollte ein paar LucasArts-Titel spielen, bevor ich mit der Arbeit anfing, und ging zu Egghead Software [ehem. Spieleeinzelhandelskette, d. Übers.], um mich dort nach dem neuen Fate-of-Atlantis-Spiel zu erkundigen, doch es war ausverkauft. Ich habe nach irgendwelchen anderen Spielen gefragt und der Typ empfahl mir Monkey Island 2. Also nahm ich es mit nach Hause und verliebte mich gleich: Es war animiert, hatte großartige Hintergrundgrafiken, war lustig, erzählte eine gute Story und war ein Spiel – alles zugleich!

Das war's dann, weshalb ich mich entschied, eine Spielekarriere zu starten, anstatt mich weiter mit Film, Animation oder Literatur zu beschäftigen."

A-T: "Du warst eine ganze Zeit lang bei LucasArts, doch du hast nicht zu denen gehört, die den Grundstein der Firma legten, wie etwa Ron Gilbert, David Fox oder Aric Wilmunder. War es anfangs schwer sich innerhalb der Firma zu etablieren, als Teil der »zweiten Generation«?"

Bill: "Tja, als ich am 13. Juli 1992 dazustieß, da waren Ron und David Fox längst weg. Und LucasArts hatte zwei Gebäude, ein A- und ein B-Gebäude. Als ich dort anfing, befand ich mich mit allen Grafikern in B. Ich bin etwas scheu, deshalb dauerte es ein kleines bisschen bis ich Leute kennen lernte. Aber sie waren alle sehr cool und weil wir ja alle Grafiker waren, hatten wir auch jede Menge gemeinsam. Das machte es wirklich einfach. Ich habe die Projektleiter oder Programmierer überhaupt nicht zu sehen gekriegt, denn sie kamen praktisch nie rüber – und wir kaum zu ihnen.

Eines Tages bin ich mal Dave Grossman begegnet, als er an mir vorbeilief, während ich Monkey Island 2 spielte. Er half mir mit ein paar Rätseln. Und mit Tim Schafer und Larry Ahern bin ich relativ oft essen gegangen, wodurch ich sie ziemlich gut kennen lernte. Ich habe auch öfters mal Softball mit Aric gespielt, wodurch wir ebenfalls Freunde wurden, aber das war's dann auch schon.

Die »alten Jungs« lernte ich nie kennen – ich hatte dazu überhaupt keine Gelegenheit, weil sie LucasArts verlassen haben, um eigenen Firmen aufzubauen... Dafür kam ich gut in die neue Mannschaft rein. Tatsächlich sind viele von ihnen immer noch Freunde und wir stehen in Verbindung."

The Dig, Bill Tillers Einstieg in die Spielewelt.

A-T: "Soweit ich weiß war das erste Projekt, dem du zugeteilt wurdest, The Dig. Zumindest »eine« Version von The Dig. Was waren deine persönlichen Erfahrungen mit dem Steven-Spielberg-Spiel?"

Bill: "Ich war davon begeistert, an »einem Spielberg« zu arbeiten! In George Lucas' Firma in Marin County, Tür an Tür mit ILM [Industrial Light & Magic; Special-Effects-Abteilung von Lucasfilm, d. Übers.]! Aber es gab einige Probleme mit The Dig, wie ich bald feststellen durfte. Lucas wollte SCUMM fallen lassen und eine neue Engine namens ... entweder Landru oder Storydroid verwenden. Doch wie immer sie hieß, sie funktionierte nicht und wir haben niemals irgendeine unserer Grafiken im Spiel gesehen.

Als nächstes kam, dass Brian und Bill Eaken eine dieser traditionellen kreativen Differenzen hatten und nach ungefähr einem Jahr auseinander gingen. Sie bekamen gute Angebote, für andere Projekte tätig zu werden, die weniger beschwerlich verliefen, und ich dachte deshalb schon, das Spiel würde gecancelt werden. Ich war darüber ziemlich deprimiert, weil ich jede Menge Grafiken und Animationen erstellt hatte.

Doch George Lucas sagte: nein, bringt das Spiel raus, und so arbeitete ich denn auch an der von Sean Clark geleiteten dritten Version des Spiels, die es ja letzten Endes in die Läden schaffte. Dieses Mal pinselte ich viele der neuen Hintergründe und war obendrein leitender Grafiker.

Aber mittlerweile hatte jeder in der Firma das Spiel gründlich satt und so waren wir nicht gerade populär: die Grafikdesigner hätten abgelehnt, am Spiel zu arbeiten, darum mussten wir nahezu eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen. Es lief schon recht zäh mit den beiden Versionen von The Dig... Wenn ich alles noch mal hätte machen müssen, glaube ich, hätte ich uns alle Grafiken neu und in höherer Auflösung einscannen lassen und gleich zu Beginn einen neuen Chefanimator geholt, was dem Spiel zu einem größeren Erfolg verholfen hätte. Es ist ein gutes Spiel, aber es sah zum Release einfach alt aus, weil eben viele der Grafiken alt waren und wir die alte Version von SCUMM nutzten."

Unvergessen bleibt Bill Tiller Grafik für Monkey Island 3.

A-T: "Du wirst in den Credits zahlreicher LucasArts-Spiele genannt, doch jenes, wodurch dich die meisten Leser kennen dürften, ist The Curse of Monkey Island (alias Monkey Island 3). Nimmt es in deinem Portfolio immer noch einen besonderen Stellenwert ein oder ist es für dich, mehr als 10 Jahre danach, einfach nur ein Spiel, für das du mal die Hintergrundgrafiken gezeichnet hast?"

Bill: "Nein, Monkey 3 – oder wie wir es nannten: CMI – war ein Durchbruch für mich. Schließlich durfte ich im Gegensatz zum eher realistisch gehaltenen The Dig abgedrehte Comicgrafik zeichnen. Und ich musste mich nicht mit Animation oder Charakterdesign beschäftigen, Larry Ahern kümmerte sich darum. Cool war auch, dass Larry und ich beide einen einzigartigen Stil wollten – und wir brauchten ja dann auch ein paar Monate bis wir den richtigen gefunden hatten. Ich denke, diese Extrazeit half wirklich. Aber wenn ich nicht an CMI gearbeitet hätte, glaube ich nicht, dass ich jemals A Vampyre Story aus der Taufe gehoben hätte.

In Anbetracht aktueller Grafik halte ich es allerdings für schlampig umgesetzt – ich entdecke nichts als Fehler darin! Ich mag seinen Stil immer noch, aber ich denke, es hätte viel besser koloriert werden können."

A-T: "Wenn man mit ehemaligen LucasArts-Angestellten redet, kommt man immer wieder auch darauf zu sprechen, was für ein außergewöhnlicher Ort die Firma doch war. Wie war das zu deiner Zeit? War es da noch so oder wandelte es sich bereits zu »reinem Business« und »Arbeit«?"

Bill: "Nein, es war cool, als ich da hinkam, weil es sich anfühlte wie das Filmemachen in der Schule, außer dass wir eine bessere Ausstattung hatten und für's Arbeiten bezahlt wurden. Und doch war es ein relaxter Ort, wo die Leute beim Mittagessen im Konferenzraum Street Fighter spielten, oder wir länger blieben, um Cartoon-Jams, Comic-Malwettbewerbe oder Rollenspiele zu veranstalten. Es war spaßig. Zumindest so lange ich dort war, ging das nie verloren.

Was stattdessen abhanden kam, waren die kreativen Spiele – verglichen mit all den Star-Wars- und Indy-Titeln. Wir wurden so groß, dass immer mehr Producer eingestellt und Deadlines eingehalten werden mussten. Ein Teil des Spaßes ist dem natürlich zum Opfer gefallen, aber die Spiele wurden einfach immer teurer und teurer und so hielt eben langsam das Business Einzug.

Der Anspruch blieb dabei erhalten, wir verloren einfach nur die entspannte Atmosphäre, die der Kreativität so förderlich war und konnten keinerlei originäre Spielideen mehr umsetzen. In den alten Tagen machten wir Star-Wars-Spiele, weil wir es wollten – und nicht weil das Marketing es forderte. Aber das änderte sich... und dann ruinierte George Lucas Star Wars mit seinen neuen Filmen, so dass es einem die gesamte Motivationsgrundlage entzog: nämlich die, für eine berühmte Firma zu arbeiten, die für großartige Filme bekannt ist – Die Dunkle Bedrohung war wirklich keine moralische Unterstützung. Solche Veränderungen schmerzen natürlich etwas..."

Im Gespräch auf der Games Convention 2007.

A-T: "Warum hast du LucasArts verlassen?"

Bill: "Lucas hat einen EA-Manager angeheuert, der sich nicht in diese großartige, kreative LucasArts-Kultur einbringen konnte und es sehr schwer machte, überhaupt noch originäre Spiele zu entwickeln. Ich hatte dass Gefühl, dass das Schiff sinken könnte, wenn dieser Typ Einfluss auf all die kreativen Prozesse im Unternehmen erhielt. Für mich war Simon Jeffrey ein großartiger Firmenpräsident, der sein Bestes gegeben hatte, um LucasArts wieder das zurück zu geben, was es in den alten Tagen so besonders machte. Doch dieser neue EA-Verantwortliche verstand es einfach nicht – er hätte besser Hollywood-Agent werden sollen, nicht Spieldesigner. Also sagte ich mir, Zeit das hinter dir zu lassen. Neun Jahre sind reichlich Zeit bei einer Firma."

A-T: "Du hast danach an einigen Nicht-Adventurespielen mitgewirkt, etwa EAs Herr der Ringe: Die zwei Türme. Gab es dort in den neuen Firmen grundlegende Veränderungen für dich oder hast du im Prinzip dasselbe Zeug gemacht, nur halt für andere Spiele?"

Bill: "Ich bin zu ArenaNet gegangen, um dort an Guild Wars zu arbeiten, aber sie waren dort noch nicht bereit für einen Art Director. Es war zwar lustig – aber auch nicht einfach, weil noch gar kein Spieldesign existierte und ich nicht wusste, für was ich überhaupt Grafiken erstellte. Dazu kam, dass ich von einem sehr guten Programmierer angeleitet wurde, der keinerlei Ahnung von Gestaltung hatte, so dass das Ganze nicht gerade ideal für mich war. Trotzdem: Ich habe großen Respekt vor deren Geschäftssinn und ihrem Programmiertalent. Es überrascht mich nicht, dass sie damit Erfolg haben. Wie ich die Lage sah, war die Firma jedenfalls auf einem guten Weg.

Doch ich war auf der Suche nach etwas, das es dort nicht gab. Deswegen bin ich zu Stormfront gegangen, wo ich an der Spielumsetzung des Herr-der-Ringe-Films arbeitete. Ich konnte mir vorstellen, das mit das Spaß machen würde – und Stormfront war sehr cool. Electronic Arts war sogar sehr hilfreich dabei, das Spiel zu einem Erfolg zu machen, daher schätzte ich auch den EA-Produzenten, Neil Young. Er machte ein tolles Spiel draus. Doch das Projekt war riesig und nichts konnte angegangen werden ohne ein Meeting, und praktisch meine gesamte Arbeit war einer ständigen Kontrolle unterworfen sowie von plötzlichen Sinneswandeln betroffen. Dadurch wurde das recht schnell frustrierend.

Letzten Endes bin ich ausgeflippt, habe meine Kaffeetasse durch den Raum geschleudert und bin aus der »Sturmfront« gestürmt. Ich war anschließend bei Aggressionstherapien und jetzt stürme ich aus Meetings nur noch, ohne meinen Kaffeebecher zu werfen. Aber das war der Tag, an dem ich sagte: Ich muss meine eigene Firma aufmachen. Das war im Mai 2002. Ich habe mein Erspartes abgehoben und entwickelte eine 2D-Demo zu AVS. Als mir das Geld ausging, hielt ich mich mit einem Beraterjob bei Midway für das Design eines Haufens von Spielen über Wasser, bis ich schließlich auf Crimson Cow stieß."

In der Vorproduktion war Bill Tiller auch an Guild Wars beteiligt.

A-T: "Wie hast du dich als Freelancer all die Jahre vor der Gründung von Autumn Moon Entertainment durchs Leben geschlagen?"

Bill: "Meine unabhängige Designerkarriere ging gar nicht erst los. Ich hatte keinerlei Beziehungen, weswegen ich in den paar Jobs, die ich bekam, nicht besonders gut war, z.B. das Erstellen von Rapper-Webseiten. Zusammen mit Mike Levine und Dan Connors hätte ich LucasArts fast dabei geholfen, online Episoden-Adventures zu verkaufen – der Ursprung von Telltale. Lucas hatte diese Idee einer »Adventure Street«, einer Webseite, auf die man gehen können sollte, um sowohl alte Spiele herunterzuladen als auch Episoden neuer Adventurespiele zu kaufen. Ich wollte das ebenso, außer dass ich das alles kostenlos hergeben und die Entwicklung mit Werbeeinnahmen finanzieren wollte. Doch Anzeigen hätten die Entwicklungskosten nicht alleine bedienen können, wie ich ziemlich bald erkannte.

Ich brauchte eine Arbeitsstelle, um meine Rechnungen zu zahlen, nachdem meine Rücklagen aufgebraucht waren. Also arbeitete ich drei Jahre für Midway, half bei The Suffering und Spy Hunter sowie einer ganzen Menge anderer Spiele – zu viele, um sie aufzuzählen. Es war kein toller Job, aber ich lernte vieles über den Geschäftsbetrieb und die Spieleentwicklung, bekam mit, wie Spielefirmen funktionierten, und schloss zahlreiche Dauerfreundschaften."

A-T: "Wann hattest du die Idee zu AVS?"

Bill: "Ich hatte schon immer Spaß daran, in Sketchbooks rumzukritzeln – heute nehme ich dafür einfach meinen Laptop. Als Kind habe ich das gruselige Buch Das Geheimnis der Zauberuhr gelesen [von John Bellairs, d. Übers.] – ein klasse Buch, ich kann es absolut empfehlen – und die Illustrationen von Edward Gorey darin waren großartig. Als ich 1995 während einer Kreuzfahrt wieder in mein Sketchbook kritzelte, entschied ich mich, eine Vampirfrau im Edward-Gorey-Stil zu skizzieren. So kam ich auf Mona und ihren Begleiter Froderick.

Dann überlegte ich mir eine Geschichte dazu: Wie sie so drauf ist und weshalb sie ein Vampir ist. Vampire sind für gewöhnlich böse Schurken, doch ich war neugierig, ob man nicht eine Geschichte über eine Frau schreiben konnte, die rein gar nichts über ihr Vampirdasein wusste und niemanden umbringen wollte. Ich habe in den 1970ern einen gruseligen Comic über eine Frau gelesen, die nicht wusste, dass sie Vampir war und deren Ehemann ihr das Blut als Medizin verabreichte. Ich dachte, das würde eine coole Idee für den Charakter abgeben.

Doch dann überlegte ich, was wäre, wenn offensichtlich war, dass sie ein Vampir ist, aber das ganz einfach zu ignorieren versuchte und weiter vorgab Mensch zu sein. Ich sah in diesem Setting eine Menge Möglichkeiten für lustige Szenen. Ich hatte auch ein Buch von Edward Gorey namens The Gilded Bat gelesen, über einen Ballettstar in Paris. So was wollte ich auch für Mona, nur dass sie stattdessen Opernstar sein sollte. Aus diesen Ideen entwickelte sich die Story."

A-T: "Warum ein klassisches Adventurespiel? Ich meine, wir sind echt glücklich darüber, aber das Marktumfeld ist ziemlich schwierig..."

Bill: "Nun, ich habe das Spiel nicht gemacht, um damit reich zu werden oder einen Haufen Kohle zu scheffeln. Ich hoffe nur, dass unsere Spiele genug Geld einbringen, dass alle, die ihres investiert haben, es wieder rausbekommen und dabei etwas Gewinn machen. Hätte ich ein Spiel machen wollen, das Geld fabriziert, hätte ich wohl ein Rollenspiel oder einen Egoshooter entwickeln sollen. Ich wollte eine Geschichte erzählen und das Adventure-Genre ist aus meiner Erfahrung der beste Weg, um das zu tun. Filme sind in Wirklichkeit einfach nicht-interaktive Adventurespiele: Du hast Charaktere auf die Probleme zukommen, und sie lösen diese Probleme, indem sie schlau und heldenhaft agieren... Hört sich doch ganz nach Adventurespiel an! Für mich ist dies das beste Format, um eine Geschichte zu erzählen."

Auf den ersten Bildern zu A Vampyre Story war Mona noch gezeichnet.

A-T: "Das erste Mal, als wir von AVS gehört haben, liegt mehr als 4 Jahre zurück. Das bedeutet nicht, dass das Spiel so lange in Produktion war, aber warum dauerte es so lange, bis die Produktion überhaupt anlief? Hat es was mit diesem Publisher zu tun, dessen Namen ich komplett vergessen habe?"

Bill: "Zwei Worte: Geld und Engine. Ich bin da einige Risiken eingegangen – was sich wohl ausgezahlt hat, aber es hatte auch seine Schattenseiten. Tatsächlich arbeite ich an AVS seit 1995, bloß habe ich bis Juli 2004 nichts davon der Presse erzählt und ich habe bis zum August 2006 auch kein Geld dafür bekommen. Es dauerte zwei Jahre, um das Geld für die Produktion zu kriegen. Und dann nahm es zwei Jahre in Anspruch, die AVS-Engine zu schreiben. Wäre die Engine fertig gewesen, bevor wir mit dem Design begonnen haben, denke ich, wäre das Spiel in 16 Monaten fertig gewesen.

Aber wie schon meine Erfahrung mit dem ersten The Dig zeigt: Eine Adventure-Engine von Grund auf neu zu schreiben ist keine leichte Aufgabe, das braucht Zeit und Geld. Der Grund, weshalb ich an die Öffentlichkeit ging, war, dass ich keinen Erfolg damit hatte, hinter den Kulissen einen Publisher zu finden. Ich hatte weder Büro noch Engine noch irgendwas, was den Publishern die Zuversicht gegeben hätte, dass ich das Spiel auf die Reihe bekäme. Doch ich wusste, Fans von LucasArts-Adventures würden Spiel, Story und Design lieben – darum machte ich diesen großen Inventory-Artikel [ehemaliges PDF-Adventure-Fanzine, d. Übers.].

Danach dauerte es zwei Jahre, bis ich endlich einen Publisher finden konnte, der Willens war, die gesamte Produktion zu bezahlen. Wir hatten zwar schnell einen »Publisher« gefunden, der das Spiel wollte, aber der zahlte niemals auch nur einen Cent, weshalb das offensichtlich nichts werden konnte."

A-T: "Wie hast du dann endlich zu Crimson Cow gefunden?"

Bill: "Die haben mich gefunden. Sie haben mich angerufen und wir haben mit den Verhandlungen begonnen. Es gab da noch ein paar andere Publisher, die schon vorher mit uns gesprochen haben, Crimson Cow konnte mir aber das bieten, wonach ich gesucht habe, und so dachten wir, dass sie die beste Wahl wären – und es hat sich bestätigt. Die Produktion verlief zwar infolge der Unsicherheiten bei der Engine-Erstellung holprig, aber die Engine ist jetzt fertig und arbeitet anständig. Jetzt entwickeln sich die Dinge großartig!

Meine Erfahrung mit beiden The Digs hat mich gelehrt: Wenn du die Basis hast – gute Story, ansprechende Charaktere, gutes Spieldesign – dann wird sich am Ende auch dein Spiel als richtig erweisen. Spiele versagen nicht wegen der Programmierung, es kommt schlicht darauf an, ob schon die Grundidee ein Hit ist oder nicht. Es gab Spiele, die großartige Engines hatten und Millionen von Dollar, jedoch scheiterten, weil die Grundidee Schrott war. Ich denke, unsere war gut – weswegen ich zu Zeiten, als die Dinge frustrierend liefen, weiter am Ball blieb, wissend, dass wir im Wesentlichen ein gutes Produkt hatten."

A-T: "Du bist nicht der einzige in AVS eingespannte frühere LucasArts-Entwickler. Bill Eaken z.B. stieß zu euch. War es schwer, deine Ex-Kollegen zu überzeugen, an deinem Spiel mitzuarbeiten? Ich vermute, sie hatten in der Zwischenzeit alle andere Jobs."

Bill: "Na ja, ich denke, dasselbe was die Adventure-Fans am Spiel begeistert hat, hat ebenso das Team begeistert. Es war also gar nicht so schwierig. Tatsächlich hielt mich einzig das Geld davon ab, all die Ex-LucasArts-Leute einzustellen, die ich wollte. Das und der Umstand, dass viele bereits sehr mit ihren eigenen Projekten beschäftigt waren.

Aber ich bekam schnell ein paar zusammen wie Paul Mica, Anson Jew, Kyle Balda, Livia Knight und Julian Kwasneski. Und ich fand einen Pulk neuer Leute, die Adventures lieben und ebenfalls am Spiel arbeiten wollten, wie Zeno Gerakinis, Jeremiah Grant, Gene Mocy, Marc Brownlow oder Alan Sperling. All diese Leute sind sehr talentiert und lieben es, an den Produkten zu arbeiten, die wir machen. Weil sie unverbraucht und kreativ sind, lustig und angenehm für's Auge."

Die deutsche Seite von A Vampyre Story: Crimson Cow bei der Arbeit.

A-T: "Autumn Moon Entertainment hat einige Gemeinsamkeiten mit Telltale Games. Die sind ebenso ein nordamerikanischer Adventure-Entwickler – obwohl sie's in 3D und episodisch machen – und sie beschäftigen ebenso einige frühere Kollegen von dir. Hast du Kontakt mit Telltale?"

Bill: "Nein, nicht wirklich. Anfangs haben wir diskutiert, inwiefern Telltale uns mit unserer Technik helfen kann, aber die Kosten waren für uns zu diesem Zeitpunkt zu hoch. Im Nachhinein wäre das wahrscheinlich ein kluger Schritt gewesen, doch am Ende haben wir jetzt eine sehr gute Engine, die genau das tut, was wir wollen, und wir können sie in den verschiedensten Spielen einsetzen. Wir haben ihnen auch eine Spielidee angeboten, aber aus irgendeinem Grund wollten sie sie nicht. Sie haben mir nie wirklich erklärt, warum. Aber die Tür von AME steht offen, also wer weiß, vielleicht werden wir eines Tages..."

A-T: "Es ist kein Geheimnis, dass AVS eine ganze Menge mit den 1990er-LucasArts-Adventures gemein hat, obwohl es auch einige Neuerungen gibt wie das Ideeninventar. Was habt ihr beibehalten und was habt ihr geändert?"

Bill: "Ich habe keine besonderen Vorstellungen, wenn es um Interfaces und grafische Benutzeroberflächen geht. Ich mag einfach die von CMI und Vollgas und wollte sie daher für unser Spiel, so einfach. Ich frage mich, ob ich mit etwas Neuem, Experimentellerem hätte aufwarten sollen, aber ich hatte nunmal keine Riesenidee und will auch ehrlich gesagt nicht das Risiko für was eingehen, das möglicherweise nicht funktioniert. Die Benutzeroberfläche funktionierte gut bei CMI und so sollte sie auch bei AVS funktionieren.

Wir haben vielleicht hier und da etwas dran herumgebastelt, aber ich verstehe nicht, warum es sich grundlegend ändern sollte. Das Ideen-Icon war eine Idee, auf die Brian Moriarty und Bill Eaken für The Dig kamen. Sie machten ja ein ernsthaftes Spiel und wollten, dass es dem Spieler auch möglich war, große Objekte wie einen drei Meter langen Metallträger zu verwenden. So kamen sie darauf, dass der Spieler für das Betrachten eines Objektes eine Idee erhalten sollte, die dieser dann auf ein Problem anwenden konnte. Der Charakter würde dann zum Objekt zurücklaufen, es holen und die Aktion ausführen.

Ich dachte mir einfach, das würde besser funktionieren, als nur den Hund zu schnappen und in die Jacke des Charakters zu stopfen wie in Monkey 2 – dort funktioniert es hervorragend, aber ich denke, diese Art würde nicht zu unserem Spiel passen. Zudem wollte ich einige abstrakte Rätselideen einbauen und Ideen-Icons eignen sich für so was eben gut."

A-T: "Im Spiel wird Mona von der Fledermaus Froderick begleitet. Mein Eindruck ist, dass Froderick für Mona in etwa das ist, was Max für Sam ist. Liege ich da richtig?"

Bill: "Hm, mehr was Sophia Hapgood für Indy in Indiana Jones and the Fate of Atlantis ist, doch auch nicht ganz unähnlich zu Max in Sam & Max Hit the Road. Ich wollte Mona nicht als Einzelgängerin, die mit dem Spieler spricht und die ganze Zeit die vierte Wand [zum Publikum; Bühnenausdruck, d. Übers.] einreißt. Und ich dachte mir, wir könnten ein anständiges Comedy-Team und Scherze haben, vergleichbar mit großer Standup-Comedy wie Abbot & Costello oder den Smothers Brothers. Wir haben Froderick als weiteres Objekt im Inventar, das man verwenden kann, um Rätsel zu lösen. Dazu kriegt er all die lustigen Textzeilen. Eigentlich müsste das Spiel richtiger »A Vampyre and Her Bat Story« heißen, aber das klingt nicht so cool."

A-T: "Wenn man das Spiel betrachtet, so beeindruckt die Pracht der Grafik. Kannst du uns etwas über den Ablauf verraten, in welchem solche Bilder kreiert werden?"

Bill: "Danke! Und nein, ich kann dir nichts verraten. Es ist ein geheimer AME-Prozess, der, würde ich ihn öffentlich bekannt machen, von unseren Mitbewerbern aufgegriffen würde. So kann ich dir nicht erzählen, dass ich die Hintergründe erst mit blauem Holzstift vorzeichne, dann ein Stück Pauspapier drüber lege und mit schönen klaren Linien nachfahre. Ich kann dir auch nicht erzählen, dass ich diese Zeichnung anschließend einscanne und dann unter Verwendung von Photoshop grob mit Farben ausmale. Ich würde dir so gerne alles darüber erzählen, wie ich in der Anfangsphase des Kolorierens ähnliche, sich ergänzende Farben benutze, dann bestimmte Elemente des Bildes auswähle und auf eigene Ebenen bringe, so dass ich sie individuell anpassen und für die 3D-Sets, die wir erstellen, verwenden kann. Und dass das ganze eine Woche und einen Tag in Anspruch nimmt.

Ich würde dir wirklich gerne alles darüber sagen – doch wenn ich das täte, würde es jeder nachmachen! Also, tut mir Leid."

A Vampyre Story

A-T: "Wo nimmst du deine Inspiration her?"

Bill: "Nun, Requisiten und Orte habe ich aus zahlreichen Büchern und von Bildern, die ich im Internet entdeckt habe, oder von Filmen. Ich habe nicht nur eine Inspirationsquelle – ich halte es für das beste, an vielen Stellen nach Ideen Ausschau zu halten. Ich kaufe Unmengen an Büchern. Wenn ich eines sehe, das coole Bilder hat, auf die ich später mal vielleicht Bezug nehmen möchte, kaufe ich es. Das gleiche beim Surfen durchs Netz oder mit der Google-Bildersuche – ich speichere all diejenigen, von denen ich denke, dass sie cool sind und dass sie nützlich sein könnten."

A-T: "Künstlerisch hatten wir nie Zweifel an AVS, doch waren wir ein wenig besorgt über die technische Seite. Crimson Cow hat erzählt, dass der Engine-Programmierer in der Mitte der Entwicklung ersetzt wurde. Warum war dieser Schritt notwendig und wie seid ihr mit der neuen Situation zurecht gekommen?"

Bill: "Zu Anfang haben wir einen guten Programmierer eingestellt, der unglücklicherweise zu unerfahren war, dass alleine zu stemmen, weswegen wir eine ganze Menge mehr anheuern mussten. Aber die Engine ist jetzt rundum gelungen und wir fügen für künftige Spiele gerade zusätzliche Features hinzu. Die Engine-Basis ist geschafft – Dank an Geoff Goldberg und Nick Pavis' fantastisches Team bei Munky Fun!

Alles was wir nach dem Release von AVS noch mit der Engine machen müssen, ist lediglich neue Features hinzufügen. Dieser Prozess entspricht fast völlig meinen Erfahrungen bei The Dig und während meiner Aufsicht über die Entwicklung von Grim Fandango: Wann immer du eine neue Engine für Spiele erschaffen musst, verdopple deine Produktionszeit. Wir sind natürlich froh, dass das vorbei ist."

A-T: "Uns wurde auch erzählt, dass AVS nur der Beginn einer größeren Story sei. Wie ist der aktuelle Status von Teil 2? Kannst du uns schon etwas über den Nachfolger erzählen?"

Bill: "Wir haben AVS 1 und 2 zur gleichen Zeit designt, damit waren eine Menge Grafiken und die Vorproduktion bereits fertig. AVS 2 befindet sich jetzt aktuell in Entwicklung und ich hoffe, es wird nächstes Jahr zur gleichen Zeit rauskommen – sofern wir nicht eine neue Engine machen müssen. Ich lag ja in der Vergangenheit nachweislich falsch bei Veröffentlichungsdaten, also erachtet das nicht als offizielle Ankündigung oder irgendwas in der Art."

A-T: "Es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass ihr neben AVS noch an etwas anderem arbeitet, das von einem deutschen Publisher angekündigt werden soll. Ich schätze mal, du kannst vor der offiziellen Verkündung nichts darüber sagen?"

Bill: "Du liegst richtig – es ist weiter geheim, sorry."

A-T: "Ich stelle mir vor, wenn man Adventurespiele entwickelt, ist es sicherlich wichtig, sich im Klaren darüber zu sein, was die anderen gerade tun. Wenn du also nicht gerade entwickelst, spielst du dann ebenfalls Adventurespiele? Welches gefällt dir?"

Bill: "Nö, mach ich nicht. Eine eigene Firma zu gründen und zu leiten ist sehr, sehr zeitaufwändig. Das mag seltsam erscheinen, aber ich bin tatsächlich zu beschäftigt, um andere Spiele zu spielen. Die einzige Zeit, in der ich Spiele spiele, sind die gemeinsamen Wochenenden mit meinen Kids. Aktuell sind das LEGO Batman, World of WarCraft, Sims 2 und RollerCoaster Tycoon 3. Wir spielen auch Töff-Töff und Fritzi Fisch, und jetzt, da meine Tochter älter wird, spielen wir Nancy-Drew-Adventures.

Aber das war's auch schon. Andere Teammitglieder, die keine Kinder haben oder nicht so superbeschäftigt sind, kommen eher dazu, all die coolen Spiele zu spielen und sie erzählen mir dann davon. Wir haben alle bedeutenden Adventurespiele im Büro und schauen von Zeit zu Zeit rein, aber unglücklicherweise habe ich persönlich nicht die Zeit dazu. Ich baue da auf meine Spiel- und Produktionserfahrung mit LucasArts-Titeln, um dabei zu helfen, unsere Spiele zu machen."

A-T: "Danke Bill, dass du dir die Zeit genommen hast unsere Fragen zu beantworten! Wir wünschen dir viel Erfolg mit AVS und deinen anderen Projekten!"

Bill: "Dank dir! Es hat Spaß gemacht. Und entschuldigt die Tippfehler, ich bin etwas legasthenisch und mache tonnenweise davon. Außerdem hab ich – um Herr der Ringe zu lesen – auch noch den Englischunterricht geschwänzt. Und das merkt man."

Übersetzung: Norman 'monkeyboobs' Frey