Interviews

Steve Ince
Gesprächspartner: Jan 'DasJan' Schneider
Sprache:
Vom: 04.05.2005

Über

Steve Ince hat 11 Jahre für Revolution Software gearbeitet und wichtige Rollen in der Entwicklung der Baphomets Fluch Reihe und Beneath a Steel Sky gespielt. Jetzt hat er seine eigene Firma gegründet, mit der er an einem Adventure zu seinen Comicstrips arbeitet.



Adventure-Treff: "Toll dass du wieder Spiele machst! Wieso hast du Revolution verlassen?"

Steve Ince: "Es ist wirklich klasse, wieder die Hauptrolle im Design eines Spiels übernehmen zu können. An meinem eigenen Projekt arbeiten zu können ist besser als alles, was ich mir erhoffen konnte."

A-T: "Dein letztes Projekt bei Revolution war Baphomets Fluch 3, das einige gemischte Kritiken bekam. Wie zufrieden bist du mit dem Spiel?"

Steve: "Im Großen und Ganzen: sehr zufrieden. Es gibt zwar eine Menge Dinge, die ich gerne noch verbessert hätte - mehr Kistenrätsel zum Beispiel :) - doch es gab auch viele Sachen, die gut funktioniert haben. Besonders glücklich bin ich über die Tatsache, dass wir es geschafft haben, gut ausgearbeitete interaktive Dialoge mit einem cineastischen Ansatz einzubauen."

A-T: "Lass uns jetzt zu deinem neuen Projekt kommen. Kannst du denjenigen, die nicht so oft deine Comics lesen, was über Scout the One-Eyed Cat erzählen? Was für ein Kater ist er?"

Steve: "Abgesehen von der Tatsache, dass er sich machmal ziemlich menschlich benimmt, ist Scout eigentlich ein ganz normaler Kater, der seine Zeit am liebsten damit verbringt, irgendwo in der Sonne rumzuliegen. Natürlich nur, wenn er anderen nicht gerade eine seiner Geschichten erzählt. Zum Beispiel weiß niemand, wie er sein Auge verloren hat - jedes Mal, wenn er danach gefragt wird, erzählt er eine andere Geschichte."

A-T: "Du zeichnest ein paar verschiedene Comicstrips. Warum hast du Scout als Hauptcharakter für Junipers erstes Spiel ausgewählt?"

Steve: "Scout hat mich in der ein oder anderen Form schon begleitet, bevor ich zu Revolution gegangen bin, auch wenn er erst ein paar Jahre später in meinen Comicstrips aufgetaucht ist. Die Idee zu dem Spiel hatte ich vor ein paar Jahren und hab sie damals sogar Revolution angeboten, die sich aber zu der Zeit auf andere Projekte konzentriert haben. Danach habe ich dann mit den Sapphire-Claw-Comics angefangen. Als ich mich dann für mein erstes eigenes Spiel festlegen musste, lag es nahe, Sapphire Claw auszuwählen and das Design mit modernen Mitteln zu überarbeiten."

A-T: "Auf deiner Homepage sagst du, dass du eine hohe Interaktionsdichte vorziehst, auch wenn das zu einer kleineren Spielwelt führt. Was bedeutet das für The Sapphire Claw?"

Steve: "Größe ist relativ. Ich glaube nicht, dass du sagen würdest, die Spielwelt von Baphomets Fluch 1 war klein, nur dass keine Location nicht voll ausgenutzt wurde. Wenn du den Anfang von Baphomets Fluch 1 mit Nicos erstem Kapitel in Baphomets Fluch 3 vergleichst, dann fühlen sie sich ungefähr gleich groß an, obwohl im ersten Spiel dazu viel weniger 'Screens' nötig waren. Das heißt, die Interaktionspunkte waren im ersten Teil viel dichter gesetzt. In Juniper Crescent – The Sapphire Claw wird es eine große Zahl verschiedener Locations geben, die über exotische Orte auf der ganzen Welt verteilt sind."

A-T: "The Sapphire Claw wird kein Adventure, sondern eine 'Escapade-Spiel' sein. Was bedeutet das für das Gameplay?"

Steve: "Auch wenn ich sage, es ist ein 'Escapade' sage ich damit nicht, dass es kein Adventure wird. Das Spiel wird mit Adventures eine Menge Gemeinsamkeiten haben, könnte aber auch den ein oder anderen Schritt jenseits des Genres wagen."

A-T: "Es ist also im Wesentlichen ein Adventure? Warum dann der Namenswechsel?"

Steve: "Es scheint in der Spielergemeinde eine Bewegung zu geben, die darauf besteht, dass das Adventuregenre einer sehr spezifischen Definition entsprechen muss und ich will nicht, dass ich irgendwelche Sachen umgehen muss, nur weil sie nicht in diese Grenzen fallen. Wenn ich es ganz offen stattdessen Escapade nenne, kann man mir später nicht vorwerfen, ich hätte irgendwen getäuscht, was wir uns bei Revolution nach der Veröffentlichung von Baphomets Fluch 3 anhören mussten. Im Grunde gibt es mir die krative Freiheit, ein unterhaltsames Spiel zu entwickeln, ohne mich a priori mit irgendwelchen Einschränkungen beschäftigen zu müssen."

A-T: "In den letzten Jahren gab es kaum ein Adventure, das nicht wenigstens ein innovatives Element einbringen wollte. Was willst du anders machen als die anderen?"

Steve: "Es wird einen parallelen Gameplay-Strang geben, den der Spieler spielen kann oder auch nicht, es ist absolut optional. Diesen parallelen Weg wird man aber nicht anstatt des eigentlichen Spiels spielen können (nicht dass das irgendwer wollen würde). Um dieses parallele Gameplay mitzubekommen, muss er auch in der Hauptgeschichte weiterkommen. Ich weiß, das hört sich alles noch sehr vage an, aber bis wir in der Entwicklung weiter fortgeschritten sind, würden wir die Details noch gerne für uns behalten."

A-T: "Woher nimmst du deine Inspiration? Was für eine Art Humor können wir erwarten?"

Steve: "Ich habe in den letzten Jahren so viele Arten von Comedy gesehen und gelesen, dass es schwer ist zu sagen, welche davon mich am meisten inspirieren. Mit den größten Einfluss auf mich hatte wohl Bill Wattersons 'Calvin und Hobbes' und die Juniper Crescent Comicstrips verdanken ihm und anderen Strips wie 'Peanuts', 'The Perishers' und 'Bloom County' sehr viel. Ich liebe auch die Art, wie 'Bone' Humor und Intrige mischt und bin ziemlich neidisch, dass Telltale die Gelegenheit hat, ein Spiel zu dieser wunderbaren Comicserie zu entwickeln. Als Fan von Characteren und genauen Charakterzeichnungen wird ein Teil des Humors daher kommen, wie die Akteure im Spiel miteinander interagieren. Tim Schafer ist sehr gut darin und wenn ich nur einen Teil von der Qualität seiner Spiele erreichen könnte, dann wäre ich ein glücklicher Mann."

A-T: "Wie fühlt es sich an, ein Spiel ohne Tempelritter zu machen?"

Steve: "Woher weißt du, dass ich ein Spiel ohne Tempelritter mache? :)

Um ehrlich zu sein hoffe ich, dass ich nie wieder ein Spiel mache, in dem Tempelritter vorkommen. Ich denke, Baphomets Fluch 3 hat der Templersache einen guten Abschluss verpasst. Es ist Zeit, weiterzumachen. Keine meiner vielen Ideen hat etwas mit Tempelrittern zu tun."

A-T: "Entwickelst du das Spiel alleine oder baust du ein Team auf?"

Steve: "Obwohl Geschichte und Design von mir kommen, bin ich dabei, mir ein Team zusammenzusuchen. So ein Spiel zu machen wäre für mich alleine nicht möglich. Meine Animationsfähigkeiten würden zum Beispiel den Charakteren nicht gerecht werden. Einen großen Teil der Arbeit werde ich zu anderen Firmen auslagern, denn die Priorität ist im Moment, das Budget in Grenzen zu halten."

A-T: "Wann ist das Spiel fertig?"

Steve: "Es ist noch kein Release-Termin geplant, aber sobald wir einen festsetzen, lassen wir es alle wissen."

A-T: "Wir alle wissen, dass sich Jump'n'Runs für die Xbox besser verkaufen als Escapades, warum machst du also nicht 'Scout & Blinky Jumpin Fun' oder so was?"

Steve: "Weil ein Escapade alles sein kann, was ich will. Es gibt keinen Grund, wieso ein Jump'n'Run nicht auch ein Escapade sein könnte, wenn es Charakter-Interaktionen und eine gut asgearbeitete Geschichte enthält. Der Grund, warum The Sapphire Claw nicht so ein Gameplay bieten wird ist, dass es gegen die Art und Weise wäre, wie die Charaktere funktionieren. Eines der Dinge, die mich sehr frustrieren, ist dass so viele Spiele mit lizenzierten Charakteren entwickelt werden, die der Serie oder dem Film, auf denen sie basieren, nicht gerecht werden. Die Simpsons sind ein sehr Paradebeispiel dafür."

A-T: "Warum hast du dich für die Wintermute Engine entschieden?"

Steve: "Sie bietet die nötigen Werkzeuge, die mir erlauben, sehr schnell zu implementieren. Ich bin kein Programmierer, also muss die Oberfläche sehr benutzerfreundlich sein. Ich war sehr beeindruckt davon, dass ich mit der Wintermute Engine in relativ kurzer Zeit eine kleine Prototyp-Demo zusammenbauen konnte, die auch noch sehr gut aussieht. Einige Möglichkeiten der Engine haben es mir ermöglicht, ein wenig herumzuexperimentieren und haben mich sogar dazu inspiriert, einige Ideen einzubringen, auf die ich sonst nicht gekommen wäre. Auch der Support war zu jeder Zeit erste Klasse."

A-T: "Können wir mehr Ankündigungen von Juniper Games erwarten oder konzentrierst du dich vorerst auf The Sapphire Claw?"

Steve: "Obwohl ich noch mehr Ideen für Spiele habe, bleibt The Sapphire Claw erst mal im Fokus. Wir wollen nicht, dass durch ein Nebenprojekt die Qualität des Spiels leidet."

A-T: "Irgendeine lustige Anekdote, die du noch nicht erzählt hast? Revolution kann dich ja nicht mehr feuern..."

Steve: "Ich würde niemals was sagen, was die Jungs bei Revolution oder ehemalige Mitarbeiter blamieren würde. Ich habe sehr großen Respekt vor den Leuten und ich bin sehr dankbar für die elf Jahre, die ich dort verbringen durfte.

Na ja, eine der seltsamsten Sachen, die ich dort erlebt habe, war während der Nachforschungen zu Baphomets Fluch 3. Wir wollten Ley-Linien in die Geschichte einbauen und haben erfahren, dass es eine in York gab, die genau durch das York Minster führt. Also haben Tony Warriner und ich uns in einer Mittagspause aufgemacht, um uns dort einmal umzusehen. Außerhalb der Kirche haben wir eine Statue des römischen Kaisers Konstantin in gedankenvoller Pose gesehen, die ein zerbrochenes Schwert ('Broken Sword') in der Hand hält. Dann sind wir auf den Kirchenturm gestiegen und sind dabei an einem Wasserspeier in Form eines Drachens vorbeigekommen. Oben angekommen konnten wir die Ley-Linie sehr deutlich sehen, eine schnurgerade Linie von Kirchturmspitzen, die bis zu einem Stück Land führten, das als St. George’s field bekannt ist. Als ich mich später genauer über das Gebiet informiert habe, kam heraus, dass es früher einmal den Templern gehört hat. Das war mal eine gruselige Anhäufung von Zufällen."

A-T: "Vielen Dank für deine Antworten, Steve. Wir von Adventure-Treff wünschen dir viel Glück mit Juniper Games und hoffen, dass du bald einen guten Publisher findest."

Steve: "Danke, das ist wirklich nett. Es war mir eine Freude, auf die Fragen zu antworten."