Steve Bovis ist Creative Director der britischen Firma Majestic Studios, die in diesem Monat das Adventure Limbo of the Lost veröffentlicht.
Adventure-Treff: Nachdem die meisten unserer Leser Deine Firma vermutlich noch nicht kennen, könntest Du kurz ein bisschen was über Majestic Studios, die Leute dahinter und den Entstehungsprozess von Limbo of the Lost erzählen? Ich habe gehört, dass es eine ziemlich lange Entwicklungszeit hinter sich hat?
Steve Bovis: Klar! Um die Frage zu beantworten, muss ich weit in die 90er zurückgehen. Ich und ein Freund (Tim Croucher) waren begeisterte Adventurespieler auf dem Atari ST. Wir spielten beinahe alle für dieses System verfügbaren Titel so exzessiv, dass wir uns dachten: Warum erschaffen wir nicht selbst eins? Wir haben uns Tri-Logic Studios genannt und eine Grundstory und eine Idee für ein Grafikadventure ausgearbeitet. Tim begann mit der Recherche für Ideen und ich programmierte und machte die Artworks. Irgendwann kam dabei LIMBO of the LOST heraus - basierend auf Fakten und Fiktion rund um den Mythos von Mary Celeste.
Nun war der ST aber vom neuen Amiga A500 überrundet worden - also haben wir vor der Fertigstellung 1995 alles zum Amiga transferiert. Jetzt hatten wir eine Plattform mit mehr Farben, besserer Animation und wir konnten auch Point & Click machen. Wir haben auch Laurence Francis angeheuert, um uns mit dem Puzzledesign und der Musik zu helfen. Wir haben eine Demo für den A1200 und den CD32 produziert und jeden Publisher angebettelt das Spiel zu veröffentlichen. Letztendlich bekamen wir einen Vertrag mit Rasputin Software, eine Schwesterfirma von Grandslam Entertainment. Alles lief wunderbar... Zeitschriftenberichte, Demo-CDs, Vorführung auf der ECTS 1995 in London und das Spiel entwickelte sich gut. Aber Rasputin bekam Schwierigkeiten und wir wurden ohne Publisher fallen gelassen - und als ob das noch nicht genug war, brach wegen dem fehlenden Support von Commodore auch noch der Amiga-Markt ein. Viele Entwickler wurden nervös und haben sich aus der Amiga-Szene verabschiedet - und mit ihnen die Publisher. Das Spiel landete im Schrank...
Aber wie das Mysterium um Mary Celeste wurde es nicht komplett vergessen. Wir drei machten zwar jetzt andere Sachen, aber wir hielten immer noch an dem Projekt fest, das wir so liebten - und stiegen auf den PC um, lernten 3D-, Artwork- und Sound-Programme kennen und im Januar 2004 (unter dem neuen Namen Majestic Studios) bekam ich die Jungs wieder zusammen und zeigte ihnen ein kleines Demo der Engine für eine mögliche PC-Version des Projekts. Innerhalb von Sekunden waren wir wieder zusammen als ob die 9 Jahre gar nicht vorbeigezogen wären und wir begannen an LIMBO of the LOST. Der Rest ist, wie man so schön sagt... Geschichte.
A.T.: Die Geschichte ist also mit dem bekannten Geisterschiff Mary Celeste verknüpft. Was bietet uns das Spiel hier auf Seiten der Story?
Bovis: Du hast Recht, die ganze Idee war es, eine Basis aus Fakten und Fiktion zu haben - also haben wir die Fakten von Mary Celeste genommen, die Crew, sogar den Kapitän und den Platz, wo das Schiff verschwunden ist. Wir entwickelten daraus eine Geschichte, die dem Spieler zeigt, was mit dem Schiff, der Crew und dem Kapitän passiert ist, Benjamin Spooner Briggs - unser Hauptcharakter, den der Spieler durch das Land der Toten zum BERGFRIED DER VERLORENEN SEELEN leiten wird, umgeben vom Königreich LIMBO. Der Spieler wird viel über diesen Ort lernen, seine Geschichte und worum es in dem Spiel, das er oder sie spielt eigentlich geht. Betrachte es als ein Puzzle, wo man nur am Ende das wahre Bild erkennen kann. Aber man wird die ganze Reise mit Briggs über gut unterhalten werden, während man versucht einen Fehler wieder gutzumachen, in der Hoffnung, dabei die Menschheit zu retten.
A.T.: Das Adventure spielt also an einem Ort namens Limbo - ein Reich zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten. Welche Atmosphäre und welches Gameplay können wir bei dieser Location denn erwarten?
Bovis: Das Reich von LIMBO ist ein Platz zwischen unserer Welt (der Sterblichen) und der Unterwelt (auf der anderen Seite). Eingequetscht dazwischen ist dieses Reich, im Mittelpunkt eine schnell rotierende Zitadelle, die BERGFRIED DER VERLORENEN SEELEN genannt wird. In diesem Bergfried landen die meisten Seelen auf ihrem Weg von der sterblichen Welt in die Unterwelt. Dieser Ort ist mittlerweile auch Spielplatz für die zwei Kräfte FATE (Schicksal) und DESTINY (Vorhersehung). Sie benutzen den Platz und seine Insassen als Pfand im Spiel um Leben und Tot, Gut und Böse, Licht und Schatten. Briggs wird in diese Welt katapultiert und spielt nun als ein Auserwählter das Pfand für das Spiel der Menschlichkeit. Fate wählt als seine Waffe all die dunklen Einwohner und Rätsel, die er Briggs später in den Weg legt. Auf der anderen Seite wählt Destiny dich als Spieler als seine Waffe aus, um Vernunft und Intellekt zu nutzen, um Briggs und der Menschheit zu helfen. Die Atmosphäre ist unheimlich und ein bisschen merkwürdig, hat aber als Unterton einen schwarzen Humor, der aus dem Spiel kein Horror-, Blut- und Gedärmefest macht, sondern eine Welt voller fantastischer Kreaturen und Orte, die der Spieler noch nach dem Spielen fühlen wird - nämlich dass sie wirklich in LIMBO waren und Seite and Seite mit Briggs durch schaurige Korridore des Bergfrieds gewandert sind.
A.T.: Wenn man die Screenshots mit vielen Kreaturen und Monstern anschaut, könnte man schnell an ein Action-Adventure denken. Gibt es Kampfsequenzen oder ist es ein traditionelles Adventurespiel?
Bovis: Das Spiel ist ein traditionelles Point-and-Click Adventure. Es gibt keine Kampfsequenzen - man kann Niemandem mehr weh tun, der schon tot ist! Es gibt keine Actionsequenzen, keine Schluchten zu überspringen oder Kisten zu schieben. Das ist absolut 100% old school Point and Click Adventure Gaming - mit einer up-to-date Präsentation, Sound und einem Interface, dass so einfach zu benutzen ist, dass sich Spieler in Minuten wohlfühlen werden... nun, zumindest bis sie einigen der Bewohner des Bergfrieds begegnet sind.
A.T.: Wenn Du einen Aspekt beschreiben müsstest, der bei Limbo of the Lost gegenüber anderen Spielen heraussticht, was wäre das?
Bovis: Sehr gute Frage und ich freue mich, dass Du sie gefragt hast. Es gibt ein paar Aspekte, welche das Spiel anders als die Norm machen. Zuerst einmal: Man kontrolliert nicht den Hauptcharakter, BRIGGS. Man spielt seinen unsichtbaren Geister-Mentor, und man fordert ihn über das Interface auf, bestimmte Aktionen zu tun. Aktionen, die er manchmal tun wird, aber bei denen er sich auch manchmal weigert! Dazu kommt noch die Tatsache, dass er eine Phobie hat, über die der Spieler noch mehr herausfinden wird und die er überwinden muss.
Zum zweiten glaube ich, dass dies ein wahres Adventurespiel ist, mit einer Story und einer Narration, welche die Spieler in die Welt ziehen wird. Die Charaktere, die man trifft und die Sounds, die man hört geben jedem Spieler, der es spielt, ein unterhaltsames aber einzigartiges Erlebnis. Einzigartig in der Hinsicht, dass unterschiedliche Spieler am Ende auch unterschiedliche Gefühle darüber haben werden - einige lieben diesen Charakter, andere lieben einen anderen, einige lieben dieses Level, andere ein anderes. Das Spiel kann mit selbst festgesetzter Geschwindigkeit gespielt werden und somit kann man auf unterschiedliche Weise etwas darüber lernen: Tiefgründige und fantasievolle Spieler werden mehr über den Mythos von LIMBO und seine Charakteren erfahren als andere. Nicht so tiefgründige Spieler, die unterhalten werden wollen, werden sich mehr an dem Humor und dem Setting des Spiels erfreuen.
Letztendlich werden alle unterhalten werden. Niemand, der dieses Spiel spielt und beendet wird nicht sagen können, er sei nicht auf einer Reise gewesen... auf einem Abenteuer! Wie bei allen guten Filmen denkt man über das erlebte Spiel nach - dieser Charakter, dieses Puzzle, dieser Level usw... Das war es, was Adventures in den 80ern großartig machte und wir hoffen, wir haben das eingefangen.
A.T.: Chancen auf ein deutsches Release?
Bovis: Tja, von dem was ich von G2 gehört habe (sie machen die Lokalisierung für verschiedene Territorien) ist auch eine deutsche Version geplant. Die Antwort ist also ja.
A.T.: Vielen Dank für das kurze Interview!
Bovis: Gerne.
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