296]Anfang Juli konnten wir zum ersten Mal mit den Erfurter Entwicklern der TML-Studios über ihr Adventure-Projekt Sunrise sprechen. Ein neuartiges Spielprinzip, bei dem verschiedene Elemente, wie man sie sonst nur aus Simulationen kennt, Einzug halten sollen: Eine mitdenkende Spielfigur, die nur dann Aktionen ausführt, wenn diese logisch erscheinen, die nur dann bereit ist, Objekte aufzunehmen, wenn diese auch wirklich gebraucht werden und ein missionsartig aufgebauter Spielablauf. Dabei soll auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommen, weshalb Protagonist Rydec und seine Freunde nicht gerade zurückhaltend im Umgang mit flapsigen Kommentaren sind und immer wieder filmische Zwischensequenzen eingeschoben werden. Auf der Games Convention konnten wir erstmals selbst Hand anlegen, eine der Missionen anspielen und dabei die Entwickler mit Fragen löchern.
Es kann losgehen
Nach einer ausführlichen Beschreibung von Steuerungsprinzip und Missionszielen landen wir mit Rydec und Max am Rande eines Piers des New Yorker Hafens. Wir sollen ein paar Elektrospulen besorgen, und müssen Max zunächst dazu bewegen, mit uns zu kommen, da wir ohne seine Hilfe aufgeschmissen wären. Nachdem wir mehrfach das Gespräch mit unserem vorlauten Freund gesucht haben, besteigen wir unseren Pickup und begeben uns in die Nähe des Time Squares, wo wir die Spulen vermuten. Dort angekommen sehen wir uns erst mal um. In einer der Nebenstraßen, stoßen wir auf eine Garage, die die gesuchten Spulen enthält. Um hineinzugelangen zücken wir mittels Rechtsklick unser Multitool und öffnen das Tor. Und tatsächlich, da sind ja die gesuchten Objekte. Damit es keine bösen Überraschungen gibt stellen wir zunächst den Strom ab. Blöd nur, dass die Dinger so unhandlich sind. Was ist also als nächstes zu tun? Für ein intensives Krafttraining im Fitnessstudio ist keine Zeit. Zum Glück hat Max einen besseren Vorschlag parat und schlägt Rydec vor, einen Kran aufzutreiben. Während wir uns auf die Suche nach einem solchen Gefährt machen, verspricht Max freundlicherweise schon mal, sämtliche angeschlossenen Kabel zu entfernen. Mit dem Auto wäre die Suche wohl angenehmer, doch wir wollen schließlich nicht nachher noch mal zu unserem Auto latschen müssen. Also entschließen wir uns, direkt zu Fuß zu gehen. Auf der kleinen Erkundungstour durch den Straßenzug entdecken wir einen LKW mit Kranaufsatz - genau das, was wir brauchen. Die Fahrertür ist unverschlossen, jetzt nur noch den Schlüssel finden, starten und nichts wie zurück zu Max. Gott sei Dank, nur noch die Spulen aufladen und es kann endlich weitergehen. Doch halt, nicht so schnell. Von Zauberhand auf den Truck bewegen sich die schweren Objekte dann auch nicht. Max steckt uns, dass es Sinn machen würde, das Fahrzeug aufzubocken und den Kran auszurichten. Also wieder rein in die Karre. Die Schalter da am Armaturenbrett sind bestimmt hilfreich, mal ausprobieren wofür die gut sind. Mit diesem hebt sich der Kran, den brauche ich also nicht, vielleicht später. Ah, das ist er, die Stelzen sind schon mal draußen. Den Arm ausrichten, ausfahren und fertig. Okay, vielleicht erst noch die Spulen daran befestigen, dann kann aber endlich das Zeug aufgeladen werden - Mission erfüllt!
Ein Spielkonzept für Adventure-Fans?
Die Sunrise-Entwickler haben das Spiel, den ersten Eindrücken nach, so umgesetzt, wie es bereits länger angekündigt war. Die Spiellogik ist allgegenwärtig. Will man, dass Max etwas tut, und sei es nur Rydec zu begleiten, muss man ihn auch von Sinn und Zweck der Aktion überzeugen. Unser Spielcharakter bedient sich auch nicht des Kranwagens, solange er nicht weiß, dass er ihn benötigt. Etwas enttäuschend dabei ist, dass die Logik im spielbaren Abschnitt nicht immer verlässlich erschien. So hätte man wohl bei einer sehr konsequenten Umsetzung Rydec auch verbieten müssen, an den Knöpfen des Kranwagens rumzuspielen, ohne vorher einen Blick in eine Bedienungsanleitung oder Ähnliches zu werfen. Dennoch stellt das den Spieler vor keine Probleme, da das Spielprinzip ansonsten einen sehr simplen Eindruck hinterließ. Zwar wurden wir zunächst mit einer Darstellung der zahlreichen unterschiedlichen Mauszeiger konfrontiert, die Befürchtungen hervorrief, die Steuerung von "Sunrise" wäre eventuell sehr komplex, jedoch bestätigte sich dies keineswegs. Eher das Gegenteil ist der Fall: Der Cursor verändert, nicht viel anders wie in anderen Spielen auch, seine Form, sobald man einen der Hotspots damit überlagert. Einzig und allein, wenn wir uns per Rechtsklick des Multitools bedienen, hat der Spieler einen echten Einfluss auf dessen Funktion, also ob der Mauszeiger sich etwa orange verfärbt und damit eine alternative Aktionsmöglichkeit anzeigt. Ansonsten schreibt es das Spiel grundsätzlich vor, ob und in welcher Weise Aktionen möglich sind oder zum Beispiel lediglich ein Kommentar von Rydec beim Anklicken des jeweiligen Hotspots erfolgt. Zur Lösung der Aufgaben bzw. Freischaltung neuer Aktionsmöglichkeiten ist, wie bereits angedeutet, eines sehr zentral: Information. An die jeweils relevanten Informationen gelangt man auf verschiedene Arten. Zum einen durch Gespräche mit anderen Charakteren, zum anderen durch die Kommentare der steuerbaren Spielfigur, die man sozusagen per Mausklick dazu bewegt, "laut nachzudenken". Das Prinzip mit dem nicht einsehbaren Inventar ist anfangs vielleicht ungewöhnlich, stellte uns aber vor keine Probleme. Situationen, in denen, wie man vielleicht hätte befürchten können, plötzlich ein Art von Gegenstand gebraucht wird, nach dem wir dann erst noch mühselig die einzelnen Bildschirme absuchen müssten, ergaben sich beim Spielen nicht. Ob dies im gesamten Spiel ebenfalls so sein wird, bleibt abzuwarten. Der spielerische Anspruch in der Demo von Sunrise litt aber unter dem beschriebenen Spielprinzip recht deutlich. Abgesehen von der weiter oben beschrieben Situation beim Ausrichten des Krans, ist der Spieler selten wirklich dazu angehalten selbst mitzudenken, und sich nicht mehr oder weniger von Info zu Info und Aktion zu Aktion zu klicken. Dennoch haben die Entwickler zusätzlich noch eine Hilfsfunktion in Form eines aufrufbaren PDAs eingebaut. Diese liefert sehr eindeutige Hinweise und richtet sich damit besonders an Spieler, die in erster Linie einfach die Geschichte erleben wollen. Live-Eindrücke von optionalen Inhalten bzw. Storyverläufen konnten wir anhand der kurzen Mission noch nicht gewinnen.
'The Big Apple'
Der gespielte Abschnitt zeigte uns nur einen kleinen Ausschnitt der angekündigten etwa 130 Hintergründe. Diese wussten durchaus zu gefallen, da sie schön das New York einfangen, wie man es aus dem Fernsehen oder Reiseführern kennt, nur eben ohne Menschen. Obwohl die Straßen der Metropole menschenleer sind, hat man es geschafft, den Eindruck von einer lebendigen Umgebung zu erzeugen. Zumindest die detaillierte Umsetzung des Time Squares und seines näheren Umfelds ist als gelungen zu bezeichnen. Hier haben sich die Vor-Ort-Besuche der Entwickler in New York zwecks Motivsuche offenbar ausgezahlt. Sollte dies auch für die übrigen Locations im Spiel gelten, braucht man sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Zwar ist der gute Detailgrad nicht in gleichem Maße für jeden Hintergrund vorhanden, die Seitenstraße, in der wir die Spulen finden, wirkt zum Beispiel vergleichsweise karg, jedoch wäre das wohl auch in der Realität nicht anders zu erwarten. Am ein oder anderen grafischen Detail mag man sich stören können, etwa dem teilweise 'plastikähnlichen Look' der Fahrzeuglackierungen oder der manchmal etwas kantigen Objektgestaltung, einen wirklichen Aufreger gibt es aber nicht. Die Spielfiguren selbst sind nicht ganz so hübsch wie die Hintergründe und könnten vielleicht die ein oder andere aufwändigere Gesichtsanimation vertragen. Deren sonstige Bewegungsabläufe sind aber ansehnlich. Sehr schön waren die zahlreichen Cutscenes in Spielgrafik, von denen bereits einige in der Demo untergebracht waren. Ob diese ihre Funktion als "Belohnung des Spielers" im fertigen Spiel erfüllen können, wird die Vollversion zeigen. Der erste Eindruck stimmt in dieser Hinsicht aber zuversichtlich.
Entertainment pur?!
Wie bei allen Spielen handelt es sich auch bei Sunrise um ein Unterhaltungsprodukt. Die TML-Studios formulieren den Anspruch ihres Spiels aber etwas drastischer: "Sunrise ist Entertainment pur!" Zu diesem Zweck sorgte man schon früh für eine hochkarätige Sprecherliste, die den vier Charakteren Leben einhauchen sollte. Darauf befinden sich u.a. mit Andreas Fröhlich und Torsten Michaelis, den Standardsprechern von John Cusack und Wesley Snipes, zwei bekannte Könner ihres Fachs. Die große Menge an Dialogen und Kommentaren aus der Feder von Chef-Entwickler Thomas Langelotz umfassen insgesamt ca. zwölf Stunden Tonmaterial. Alleine in der Demo kamen unzählige Sprachfiles zum Einsatz. Viele davon waren auch in der Tat sehr witzig, insgesamt war deren Umfang allerdings vielleicht schon etwas zu viel des Guten. Der Stellenwert der humorigen Dialoge scheint sehr hoch zu sein in Sunrise. Deshalb würde es keinen Sinn ergeben, diese einfach wegzuklicken, obwohl die Möglichkeit dafür vorhanden ist. Das birgt aber auch die Gefahr, dass es mit der Zeit nerven könnte, da Sprüche bereits in der gespielten Mission ab und zu nur gezwungen lustig wirkten. Aber wollen wir die Kirche im Dorf lassen. Die Qualität der Sprachausgabe der GC-Version ist jedenfalls auf einem sehr hohen Niveau, das nur wenige Spiele erreichen. Und das will schon etwas heißen, wo Adventurespieler in den letzten Jahren nicht gerade selten mit großartigen deutschsprachigen Synchronisationen verwöhnt wurden. Auch falsch bzw. schlecht betonte Sätze sind uns beim Spielen keine aufgefallen. Dabei dürfte es sich ausgezahlt haben, dass der Dialogschreiber auch gleichzeitig die Regie im Tonstudio übernommen hat.
Kommentar
Nach dem ersten Interview waren wir sehr zuversichtlich, dass die Entwickler mit Sunrise ein innovatives Adventure vorlegen, das vor allem mit seinem neuartigen Spielprinzip und der humorvollen Darbietung punkten kann. In Bezug auf den Unterhaltungsfaktor bleiben wir auch weiterhin zuversichtlich und hoffen zudem, dass die noch nicht in Einzelheiten bekannte Story überzeugen kann. Das Spiel hinterließ insgesamt immer noch einen guten Eindruck. In einem Punkt allerdings müssen wir ein kleines Fragezeichen machen. Der Abschnitt hat uns Spaß und auch durchaus Lust auf mehr gemacht, die zu Beginn beschrieben Mission verlangte dem Spieler jedoch etwas zu wenig ab. Deshalb senken wir unsere Erwartungshaltung ganz leicht nach unten und hoffen auf einen insgesamt höheren spielerischen Anspruch in der Vollversion. Im Dezember wissen wir mehr.
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