Wenn man die beiden Hauptcharaktere des Spiels, Sam, ein großer Hund in Dektektivklamotten, und Max, ein niedlicher weißer Hase, zum ersten Mal sieht, könnte man denken, es würde sich bei dem Spiel um ein nettes, liebes Spielchen handeln, das sich an erster Stelle an Kinder richtet. Weit gefehlt! Das Spiel zeugt von einem pechschwarzen Humor, der sich mit Sicherheit an Erwachsene, oder zumindest an ältere Jugendliche, richtet. Einem zweiten Trugschluß kann man leicht zum Opfer fallen, wenn man erfährt, daß Sam & Max als "Freelance Police" (freischaffende Polizisten) arbeiten. Wenn man nun spontan an zwei edelmüttige Hüter der Gerechtigkeit denkt, irrt man sich nämlich schon wieder: ihr Job als Polizisten haben die beiden allem Anschein nach nur, um einen guten Grund zu haben, heftig auf den Putz zu hauen.
Dies wird zum Beispiel durch einen Dialog am Ende der Intro, nachdem Sam gerade ein Telefonat erhalten hat, prima verdeutlicht:
Max: "Wieder einer dieser verwirrten Volkszähler?"
Sam: "Eigentlich war es der Commissioner mit einem neuen, idiotischen, verwirrenden Auftrag."
Max: "Beinhaltet er auch mutwillige Zerstörungen unsererseits?"
Sam: "Können wir nur hoffen! Weil dieser Auftrag streng vertraulich behandelt werden soll, werden wir einen Kontaktmann draußen auf der Straße treffen."
Max: "Ohh, langsam kommt hier ein wenig Handlung rein."
Und ein wenig Handlung kommt dann tatsächlich ins Spiel: Bei dem Auftrag handelt es sich darum, daß ein Yeti und ein Giraffenhalsmädchen, die Hauptattraktionen von einem Rummelplatz, verschwunden sind. Unsere beiden Polizisten werden beauftragt, diese wiederzufinden. Dabei führt die Spur sie von einer billigen Touristenattraktion zur anderen (z.B. zu dem größten Wollknäuel-Ball der Welt, zu einem Park mit mechanischen Dinosauriern und zu einem Froschfelsen, der überhaupt nicht nach Frosch aussieht) , und endet schließlich bei einem skrupellosen Country-Sänger.
Diese doch eher simple Story dient vor allem dazu, etliche skurille Personen, selstame Orte, beißenden Wortwitz und sarkastische Anspielungen im Spiel unterzubringen, und das ist wirklich gut gelungen! Bei keinem anderen Computerspiel habe ich bis jetzt so oft laut lachen müssen, nicht einmal bei der sehr lustigen Monkey Island Serie. Besonders der amerikanische Lebensstil (heruntergekommene Touristenfallen, billige Fastfoodketten und arrogante Stars) wird stark parodiert, was bei einem Spiel, das in Amerika entwickelt wurde, doch schon recht erstaunlich ist. Der Humor ist an verschiedenen Stellen wirklich sehr düster, und ist wohl nichts für eher zarte Gemüter. Besonders der Hase (oder ist es doch eher ein Kaninchen?) Max neigt häufig zu sinnloser Gewaltanwendung. (Sam, nach einem Kampf zwischen Max und einem Ladendieb, der aber nur durch Geräusche angedeutet wird, und nicht wirklich zu sehen ist: "Ich wußte gar nicht, daß man die Unterlippe völlig über den Kopf ziehen kann!") Dennoch verläßt das Spiel nie die Grenzen des guten Geschmacks, und ist immernoch weniger brutal als die meisten aktuellen Ego-Shooter. Das Spiel enthält außerdem sehr spritzige Dialoge, die einem immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern können; langweilig werden die Dialoge jedenfalls nie. Kostprobe gefällig? Auf die völlig belanglose Frage an einen Fischer, "Sag mal, wie beißen sie denn?", antwortet dieser mit "Oh, sie beißen recht gut! In der letzten Stunde haben sie mir einen Arm, zwei Finger und meine Nase angeknabbert. Wenn sie besser beißen würden, bräuchte ich Protesen."
Das draufgängerische Polizistenduo gab es übrigens schon lange vor dem Jahr 1993, in dem das Computerspiel "Sam & Max: Hit the Road" erschienen ist, und zwar als Hauptfiguren der in Amerika recht beliebten Comichefte, gezeichnet von Steve Purcell, der auch bei der Erstellung des Computerspiels Hand mit angelegt hatte. Kurz nachdem das Spiel in Amerika erschienen ist, wurde auch eine TV-Zeichentrickserie mit Sam und Max gestartet, die unseres Wissens nach aber leider nie auf deutsch übersetzt worden ist.
Die Rätsel im Spiel reichen von einfach bis agbedreht. Wirklich unfaire oder unlogische Puzzles enthält das Spiel aber kaum. Die Steurung hingegen ist ein wenig nervig, da man oft bis zu fünf Mal mit der rechten Maustastaste klicken muß, um das Aktionsverb auszuwählen, das man gerade benutzen möchte. Dennoch gewöhnt man sich recht schnell daran, so daß dies im Laufe des Spiels kaum noch stört.
Auch wenn das Spiel schon ziemlich alt ist, die (natürlich etwas pixelige) VGA-Grafik kann selbst heute noch durch ihre liebevoll gezeichneten Animationen überzeugen. Scrennshots der folgenden Szene, in der Sam und Max gegen einen Leibwächter kämpfen, und Max schließlich via Golfschläger in eine Wassergrube des Miniglofes katapultiert wird, dürften die Qualitäten der Comic-Animationen dieses Spiels gut veranschaulichen: siehe Screenshotpool Bild 7-11.
Auch die fantastischen Jazz-Kompositionen dieses Spiels reißen einen so richtig vom Hocker, und viele dieser Melodien pfeift man noch Stunden nach dem Spielen vor sich hin. Geräuschskulisse und Sprachausgabe sind ebenfalls vom Feinsten. (Aber nur, wenn man sich die CD-Version des Spiels zulegt! Das Spiel ist damals nämlich auch als unvertonte Diskettenversion erschienen.) Auch bei der Lokalistation der deutschen Version wurde nicht gespart: die Stimmen passen zu den Charakteren wie die Faust aufs Auge. Der Wortwitz wurde gut ins Deutsche übernommen. Von der englischen Version kann ich eher abraten, da das Spiel sehr viel amerikanischen "Slang" enthält, der selbst mit durchschnittlichen Englischkenntnissen noch schwer verständlich ist.
Dieses Spiel ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache. Wenn man nach einem Spiel sucht, um in eine tiefe, fesselnde Story einzutauchen, sollte man von Sam & Max lieber die Finger lassen. Wenn man aber auf schwarzen Humor steht, und bei einem Computerspiel mal richtig herzhaft lachen möchte, ist Sam & Max genau das Richtige. In Sachen Slapstick-Humor war dieses Spiel auf jeden Fall ein Meilenstein, der bis heute noch von kaum einem anderen Spiel übertroffen wurde.
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