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Test

von  Hans Frank
20.05.2006
The Secrets of da Vinci
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Bei der Entwicklung von "Das Geheimnis der vergessenen Höhle", dem letzten Adventure von Kheops Studio (Spieldesign) / Totm Studio (Storyline) / MZone Studio (Grafik) wurde der Wunsch geäußert, doch einmal ein Spiel in der Renaissance anzusiedeln. Die Idee nahm Formen an, als sich Leonardo da Vinci als italienisches Universalgenie eben jener Epoche als perfekte Handlungsgrundlage herauskristallisierte. "The Secrets of da Vinci" war geboren. Ob das Spiel auch ohne geniehafte Anwandlungen zu genießen ist und was es sonst noch zu bieten hat, lest ihr in unserem Test.

Nach dem Tod des Meisters

Die Handlung des Spiels setzt erst drei Jahre nach da Vincis Tod ein. Wir schreiben das Jahr 1522. Der junge Italiener Valdo besucht das Manoir du Cloux, das heute Château Clos Lucé heißt und auf dem da Vinci die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte. Valdo ist auf der Suche nach einem Manuskript, das da Vinci dort versteckt hat. Bewohnt wird die Residenz von Babou de la Bourdaisière, der Geliebten von König Francois I. Bei der Ankunft Valdos ist es schon dunkel, doch trotzdem beschließt er, im Anwesen einen nächtlichen Erkundungsgang zu machen. Sein Hauptziel: Das Arbeitszimmer von Leonardo da Vinci.

Kein historisches Spiel

Die Entwickler haben versucht, den Schauplatz des Spiels so originalgetreu wie möglich nachzubilden. Um dies zu realisieren besuchten sie zuerst das Château Clos Lucé und machten viele Fotografien. Um das Spiel jedoch so realistisch wie möglich zu gestalten, musste die Spielewelt so gestaltet werden, wie sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts tatsächlich ausgesehen hat. Unterstützt wurden die Entwickler von Mzone Studio, die sich für die Grafik verantwortlich zeigen nicht zuletzt von Francoint Saint Bris, dem Besitzer des Châteaus, der viele aufschlussreiche Informationen über das damalige Leben geben konnte.

Doch trotz der realistischen Rahmenpunkte bleibt die Handlung des Spiels reine Fiktion. Die von Leonardo da Vinci konstruierten Maschinen bieten eine gute Grundlage für eine Vielfalt an Rätseln. Außerdem wird Gebrauch von einem Rollenspielelement gemacht: Die Gewissensanzeige. Sie informiert über den derzeitigen Gewissenszustand Valdos. Der Clou: Je nach Handeln des Spielers verändert sich das Gewissen. Die Anzeige für schlechtes Gewissen steigt zum Beispiel beim Eindringen in ein verschlossenes Zimmer über eine Leiter. Somit verändert sich dann auch der weitere Spielverlauf, das Spiel ist also nicht

linear, was sich auch sehr gut auf die Wiederspielbarkeit auswirkt.

Einzelheiten aus dem Leben da Vincis erfährt Valdo durch Träume oder Visionen, die ihn ab seiner Ankunft am Château ereilen. Diese Art, die Geschichte weiterzuspinnen ist zwar zweckmäßig, wirkt aber etwas seltsam, da die Träume einfach als Realität dargestellt werden.

"Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft."

Dieses da Vinci zugeschriebene Zitat trifft perfekt auf Valdo zu, der indirekt auch ein Schüler da Vincis ist. Zumindest sein Lehrmeister Francesco Melzi war begeisterter Schüler des Genies. Valdo muss viele Rätsel lösen, die in Zusammenhang mit Erfindungen von da Vinci stehen. Und so bietet sich dem Spieler eine Vielfalt an Aufgaben, die sehr abwechslungsreich ist.

Ein großer Teil der gestellten Rätsel sind Inventarrätsel. Mal klassisch, wenn es darum geht, verschiedene Gegenstände mit der Umwelt zu kombinieren, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen - mal innovativ, wenn aus Salpeter und anderen Stoffen Schwarzpulver hergestellt oder aus Honig, Thymian und Zitrone ein Hustensaft für die holde Weiblichkeit gebraut wird. Oft können Anleitungen "erspielt" werden, indem andere Rätsel zuerst gelöst werden. Ein Beispiel: Um zu erfahren, wie eine schwenkbare Brücke funktioniert, kann man sich per Druckmaschine eine Art Bauplan drucken. Dafür sind aber Tinte und Papier notwendig, die natürlich erst hergestellt werden müssen.

Des Weiteren sind Schalter/Logikrätsel enthalten. Diese sind durchgängig auf relativ einfachem Niveau gehalten. Am Anfang des Spiels ermöglicht dies einen einfachen Einstig, im weiteren Verlauf hätte der Schwierigkeitsgrad aber etwas höher sein können. Manche Rätsel dieser Gattung sind in der Dokumentensammlung von Valdo zu lösen, vergleichbar mit einem Konzeptpapier.

Alles in allem sind die gestellten Rätsel logisch aufgebaut und gut nachvollziehbar. Mit Ausnahme der Schalter/Logikrätsel ist der Schwierigkeitsgrad ausgewogen. Die Rätseldichte ist so hoch, dass sich kleine Erfolgserlebnisse sehr schnell hintereinander reihen und sich - in Verknüpfung mit der spannenden Geschichte - oft ein Nur-noch-10-Minuten-spielen Effekt einstellt.

Der Spielverlauf ist nonlinear. Selbst der hauptsächliche Handlungsstrang und das Ende hängen vom Verhalten des Spielers ab. Hier spielt nicht nur die Reihenfolge der gelösten Rätsel und das Verhalten in den Multiple-Choice Dialogen eine Rolle, sondern auch das Gewissensbarometer. Dieses verändert sich je nach Vorgehen des Spielers. Die Skala für gutes Gewissen steigt, wenn der Spieler freundlich und zuvorkommend wirkt, die für schlechtes Gewissen wenn erpresst, eingebrochen oder egoistisch gehandelt wird. Je nach Stand der Skala kann der Spieler dann bestimmte Aktionen nicht mehr ausführen. Ein guter

Spieler kann keine Wache mit einem Fass erschlagen, ein böser einer schnurrenden Katze keine Milch anbieten. Falls dem Spieler seine Einstellung nicht mehr gefällt, kann er sich mit vorher erspielten Punkten wieder freikaufen, die er für Lösung eines Rätsels erhält.

Zu erwähnen sind noch am Ende des Spiels angesiedelte Schleicheinlagen. Adventurepuristen können jedoch aufatmen. Die Lösung dieser Einlagen trägt sehr zur Spannung bei und ist mit ganz klassischen Mitteln zu bewerkstelligen. Bei solchen (und anderen) Szenen kann der Spieler sterben oder das Spiel auf andere Art beendet werden. Dies ist aber kein Problem, da man dann direkt vor der entsprechenden Szene neu startet. Gespeichert werden kann zu jeder Zeit.

Malerei

Die grafische Umsetzung des Spiels kann voll und ganz überzeugen. Alle Hintergründe und Charaktere sind in einer Auflösung von 1024x768 Pixeln vorgerendert, was dem Spieler einen extrem hohen Detailgrad beschert. Animationen sind leider immer noch etwas selten gestreut, die vorhandenen sind jedoch sehr gut umgesetzt. Negativ ins Bild fallen die Animationen der Charaktere beim Sprechen. An Lippensynchronität gar nicht zu denken, wirken die Mundbewegungen sehr unnatürlich. Gesteuert wird aus der Ich-Perspektive mit stufenloser Drehung und Springen von Punkt zu Punkt. Die Hotspots sind teilweise etwas klein und unauffällig geraten, so dass Räume meistens mehrmals abgesucht werden müssen, bis alle Gegenstände gefunden sind.

Neben der technischen Gestaltung der Optik ist natürlich auch die Umsetzung des realen Schauplatzes Château Clos Lucé zu erwähnen. Das Areal wurde auf Grundlage von Fotografien und Besuchen umgesetzt und dann manuell "veraltert", um authentisch zu wirken. Die Gestaltung der Umgebung wirkt sehr liebevoll und detailliert, der Eindruck eines "bewohnten" Anwesens aus der damaligen Zeit wird sehr gut vermittelt. Dazu trägt auch bei, dass im und um das Anwesen herum viele Werke da Vincis eingesetzt wurden. Dies reicht von Konzeptzeichnungen über Kunstwerke bis hin zu technischen Geräten wie einer schwenkbaren Brücke oder einem Flugapparat.

Sound & Lokalisation

Die akustische Untermalung von Das verbotene Manuskript kann als äußerst gelungen bezeichnet werden. Die Hintergrundmusik ist abwechslungsreich, aber nie aufdringlich und passt sich der jeweiligen Handlung perfekt an. Die Geräusche wirken realistisch und vielfältig.

Die Synchronisation ist im Großen und Ganzen ebenfalls gelungen, auch wenn wenige Besetzungen noch einmal überdacht werden hätten sollen. Gerade Figuren wie der König, die nur kleinere Nebenrollen spielen, sind mit unpassenderen Sprechern besetzt. Die Sprecher von den Hauptdarstellern machen ihre Arbeit aber sehr gut.

Steuerung

Wer schon andere Adventures dieser Art gespielt hat, wird auch hier keine Probleme haben. Die Steuerung ist schnell erlernt. Gesteuert wird ausschließlich mit der Maus, der Cursor verändert bei Hotspots sein Aussehen. Leider gibt es keine Möglichkeit, alle Hotspots genauer zu untersuchen. Dies klappt nur bei bestimmten Gegenständen. Wie man mit allen anderen Hotspots interagiert, erfährt man erst nach dem Klick. Auch die Gegenstände im (großen) Inventar lassen sich nicht genauer untersuchen. Es wird aber bei Auswahl eine kleine Beschreibung angezeigt. Abgesehen von dieser Einschränkung funktioniert die Steuerung sehr gut, die Navigation durch das Areal ist einfach.

Fazit

Das neueste Spiel der französischen Spieleschmiede kann voll und ganz überzeugen. Die Geschichte wird sehr spannend erzählt und mithilfe der Grafik und Sounduntermalung eine gute und spannende Atmosphäre aufgebaut, die den Spieler vor dem Bildschirm fesselt. Die Vermischung von Realität und Fiktion funktioniert sehr gut, einzig und allein die Art, wie Valdo die Geschehnisse aus der Vergangenheit erlebt, wirkt etwas deplatziert. Außerdem sind die Animationen der Charaktere beim Sprechen misslungen. Dies sind aber nur kleine Minuspunkte in einem ansonsten sehr guten Spielerlebnis.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Kheops hat aus seinen Fehlern gelernt und auf die Wünsche der Adventurefans reagiert. Ich gebe zu, meine Erwartungen waren auf Grund des Vorgängerspiels Das Geheimnis der vergessenen Höhle, das durchaus Schnitzer im Spieldesign aufwies, niedriger angesiedelt. Ich wurde eines Besseren belehrt! Die Grafik ist gewohnt gut und detailliert, und jetzt stimmen auch die Animationen. Die Rätsel sind ausgewogen und abwechslungsreich, die Geschichte wird gekonnt erzählt und ein Spannungsbogen über die gesamte Spielzeit aufgebaut. Besonders interessant ist die Möglichkeit, das Spiel mehrmals zu spielen und so einen anderen Handlungsverlauf zu erleben. Durch Ausnutzen dieser Möglichkeit erhöht sich die Spielzeit, die bei einmaligem Durchspielen rund 10 bis 15 Stunden beträgt. Der Gesamteindruck wird durch die gelungene Synchronisation abgerundet. Die Rätsel hätten zwar teilweise schwieriger sein können, dafür sind sie in hoher Anzahl und Qualität vertreten.
Wer gerne 1st-Person Adventures spielt und im realistischen Gebiet angesiedelte Geschichten mag, für den ist dieses Spiel fast uneingeschränkt zu empfehlen.
Alle anderen können aber ruhigen Gewissens auch einen Blick wagen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Grafik
  • Umgebung
  • Atmosphäre
  • Nonlineare Handlung
  • Rätsel
  • Charakteranimation beim Sprechen
  • Valdos Visionen