1986 war das Jahr, in dem durch die neuen 16-Bit-Homecomputer langsam die alten 8-Bit-Systeme verdrängt wurden. Während die alten Textadventure-Spieleschmieden wie Infocom langsam an Boden verloren, veröffentlichte Sierra On-Line den dritten Teil von King's Quest und Lucasfilm Games (später LucasArts) brachten ihr erstes Adventure Labyrinth heraus. Zu dieser Zeit war auch Activision erfolgreich auf dem Adventuremarkt unterwegs, zum Beispiel mit Tass Times in Tonetown, welches mit einigen Innovationen aufwarten konnte. Zum einen wird das Spiel als erster offizieller Titel auf dem Apple II GS angesehen, zum anderen bot es eine für seine Zeit recht fortschrittliche Maussteuerung - selbst auf Systemen, die zu dieser Zeit kaum dafür vorgesehen waren. Wir haben uns die Versionen für MS DOS, Amiga und Commodore 64 angesehen.
Der Begriff Tass entspringt gemäß Autor Michael Berlyn seinen Studenten für kreatives Schreiben and der Universität Harvard. Das Motto der Universität, 'Veritas' (Wahrheit), wurde dort erst in 'very tass' (für 'sehr wahr'), dann in etwas wie 'sehr cool' oder 'sehr hip' gewandelt. Tass Times in Tonetown lässt sich also im Grunde übersetzen mit 'Coole Zeiten in Tonetown'. Dabei erinnert die Geschichte ein klein wenig an den ein Jahr zuvor veröffentlichten Film Zurück in die Zukunft, denn auch hier hat es der Spieler mit einem Wissenschaftler, einem Hund und einer Parallelwelt zu tun. Auch wenn es sich dabei nicht um eine Zeitreise handelt, fallen die Gemeinsamkeiten von Anfang an auf.
Tass Times in Tonetown kann grundsätzlich auf allen Plattformen als Textadventure gespielt werden. Auch bieten alle von uns getesteten Versionen eine Mausunterstützung und Icons für die verschiedenen Aktionen und Inventargegenstände. Direkte Aktionen mit der Maus in den Spielszenen sind allerdings nicht möglich. Außerdem hat sich das Spielen über die Tastatur in der Praxis als einfacher herausgestellt. Wer möchte, kann auch mit einmaligem Drücken der Eingabetaste in allen Versionen zwischen Grafik- und reinem Textmodus hin- und herschalten, was besonders beim Commodore 64 für erheblich beschleunigte Ladezeiten sorgt.
Bei allen Versionen ist der Bildschirm in fünf verschiedene Bereiche aufgeteilt, allerdings bei jedem System leicht anders angeordnet. Grundsätzlich sitzt jedoch die Spielgrafik links oben und die Textausgabe mit der Eingabezeile links unten. Das Inventar wird bei der DOS-Version und beim Amiga dazwischen eingeblendet, beim C64 wurde es in die obere rechte Ecke verbannt. Spielerisch geben sich die Versionen nicht viel, grafisch sind allerdings gewaltige Unterschiede festzustellen. Während die Amiga-Version recht bunt daherkommt, ist die grafische Präsentation bei PC und C64 eher spärlich. Das ist selbstverständlich der limitierten Hardware geschuldet, denn der C64 hatte im Grafikmodus nur eine eingeschränkte Farbpalette zur Verfügung. Die PC-Version setzte noch auf CGA-Grafik, was sich auf den ersten Blick an der verwendeten Farbpalette erkennen lässt. Interessant ist allerdings, dass die niedrig aufgelösten Versionen von PC und Commodore 64 lebendiger gestaltet sind, weil sie über mehr Animationen verfügen. So ist direkt in einem der ersten Bildschirme unser Hund Spot zu sehen, der immer wieder durch einen Reifen springt. Diese und auch andere Animationen fehlen beim Amiga vollständig. Dieser kommt dafür mir einem echten Titelscreen und einer besseren Sounduntermalung.
Die Spielzeit von Tass Times in Tonetown liegt bei ein bis zwei Stunden, je nachdem, wie man mit dem Parser zurechtkommt. Dabei ist es absolut von Vorteil, eine Karte zu zeichnen, da einige Regionen nicht ganz so einfach zu merken sind. Hat man das Territorium einmal vollständig erforscht, ist das Erledigen der Aufgaben kein Problem mehr, denn diese sind durchweg sehr einfach. Größere Kopfnüsse gibt es nicht zu lösen, eine Schwierigkeit ist es jedoch, am Anfang zu überleben. Unser Gegenspieler Franklin Snarl, ein übellauniges Wesen mit dem Kopf eines Krokodils, findet es nämlich sehr lustig, uns einfach mal so ohne Vorwarnung um die Ecke zu bringen. Vor allem am Anfang des Spiels, wenn man noch keine Tonetown-typische Kleidung trägt, stirbt man des Öfteren, weil Snarl keine Touristen mag. Auch im späteren Verlauf kann man sterben, oft wird man jedoch vorher gewarnt. Auf jeden Fall sollte man aber oft speichern.
Grundsätzlich ist die Idee einer abgefahreren und durch Punk und Cyberkultur inspirierten Welt mit seltsamen Fabelgeschöpfen keine schlechte Idee. Leider nutzt Tass Times in Tonetown seine Möglichkeiten diesbezüglich nicht richtig aus. Nur wenige Orte im Spiel sind belebt, es gibt nur eine Handvoll Charaktere, mit denen man interagieren kann und die kurze Spielzeit erlaubt der Geschichte nicht, sich richtig zu entfalten.
Da wäre mehr möglich gewesen. Bedenkt man, dass Tass Times in Tonetown bei Erscheinen 1986 ein Vollpreistitel eines namhaften großen Publishers war, erstaunen der knappe Inhalt und die offensichtlichen Mängel im Storytelling. Vergleicht man das Spiel direkt mit etwa King's Quest III aus dem gleichen Jahr, so wird hier wesentlich weniger geboten. Noch ein Jahr zuvor hatte das Gespann Interplay/Activision mit Borrowed Time einen atmosphärisch wesentlich interessanteren Adventuretitel abgeliefert und es ist schade, dass sie diesen Standard nicht halten konnten.
Irgendwie hatte ich Tass Times nie fertig gespielt und jetzt nachgeholt. Ich bin ein wenig enttäuscht, dass die Story so wenig hergibt. Anfangs ist das Spiel tatsächlich interessant und erzeugt einige nette Aha-Effekte, das lässt dann aber schnell nach. Wenigstens steht das Ende in Sachen Absurdität der Spielwelt in nichts nach.
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