Rabbi Russel Stone hadert mit seinem Glauben. Auf der Kanzel seiner Synagoge überfällt ihn ein Gefühl der Schwere, er bricht daraufhin seine Predigt ab und zieht sich in sein Büro zurück. Kaum ist er dort angekommen, erhält er Besuch von einem Detective, der ihm Fragen zum gewaltsamen Tod eines gewissen Jack Lauder stellt. Der Name ist Rabbi Stone nicht unbekannt, scheinbar verbindet ihn mit Mr. Lauder eine gemeinsame Vergangenheit. Als der Rabbi nun auch noch erfährt, dass Mr. Lauder ihm und der Synagoge einen Betrag von 10.000 $ hinterlassen hat, wächst sein Erstaunen um so mehr und er beginnt, die Hintergründe von Lauders Ableben zu hinterfragen Dabei gerät er in eine sehr unangenehme Geschichte.
Angesichts der kurzen Entstehungszeit des Originalspiels und der Tatsache, dass für die Deluxe-Version keine großartigen grafischen Änderungen vorgenommen wurden, darf man selbstverständlich keine auf Hochglanz polierte Rendergrafik erwarten. The Shivah kommt ausschließlich mit 640 X 480 handgepixelten Bildpunkten daher, was nach heutigen Verhältnissen und vor allem auf aktuellen Bildschirmen sehr grob aussieht. Dazu wurde bei der Erstellung der Grafiken noch mit einem Trick gearbeitet; es ist nie der vollständige Bildbereich mit Grafik gefüllt. Schwarze Balken am oberen und unteren Bildrand gibt es immer, je nach Raum auch links und rechts. Die Grafiken sind recht hübsch und ausreichend detailliert. Damit erfüllen sie ihren Zweck als Hintergrund und bieten eine gute Kulisse für die ordentlich gestalteten und schön animierten Sprites im Vordergrund. Grafisch massiv aufgewertet wird das Spiel aber vor allem durch die schön gezeichneten und animierten Charakterportraits, die während der Dialoge in der oberen Bildschirmhälfte eingeblendet werden.
Akustisch bietet The Shivah qualitativ durchsetzte Hintergrundmusik, wenige, aber passende Soundeffkte sowie eine Sprachausgabe, die man trotz des ausschließlichen Einsatzes von Laiensprechern und offensichtlich nicht gerade professionellen Aufnahmegeräten dennoch als rundum gelungen bezeichnen muss.
Dave Gilbert hat selbst eine Sprechrolle übernommen, aber auch andere aus der Adventure-Szene bekannte Namen wie etwa Francisco 'Grundislav' Gonzalez stehen auf der Sprecherliste. Am Ende des Spiels bekommt man zusätzlich noch eine Sammlung von Outtakes der Aufnahmesessions, die zeigen, dass trotz des recht ernsten Spiels doch zumindest bei den Sprachaufnahmen der Humor nicht zu kurz gekommen ist.
The Shivah spielt im Umfeld der jüdischen Gemeinschaft New Yorks. Der Protagonist ist Rabbi und mit Begriffen aus der jüdischen Religion wird nicht gespart. Wer sich mit der Materie nicht auskennt, braucht aber nicht zu befürchten, das Spiel nicht zu verstehen. Alles was man wissen muss, steht in einem 'Yiddish Dictionary', das Rabbi Stone in seinem Inventar mit sich herumträgt. Überhaupt sind Dokumente das wichtigste Hilfsmittel im Spiel. Alle Gegenstände, die sich nach und nach im Inventar ansammeln, sind irgendwie aus Papier. Somit gibt es auch keine Rätsel, bei denen irgendwelche Gegenstände manipuliert werden müssen. Auch Logik-, Schalter- oder Schlüsselrätsel sucht man vergebens. Das Rätseldesign von The Shivah beruht fast ausschließlich auf Kommunikation und Kombinationsgabe. Durch Dialoge erhält man Schlüsselworte, die man widerum miteinander oder mit Inventargegenständen kombinieren kann. Dadurch werden neue Dialogoptionen oder Schauplätze freigeschaltet. Fährt man an den oberen Bildschirmrand, wird eine Leiste aufgeblendet, die neben den Schaltflächen zum Laden, Speichern und dem Optionsmenü auch eine Fläche enthält, die zwischen physikalischem Inventar und Hinweisen umgeschaltet werden kann. Auch innerhalb der Dialoge gibt es hin und wieder die Option, auf die Hinweise zurückzugreifen. Das hört sich zwar insgesamt recht langweilig an, tatsächlich entsteht dadurch aber ein sehr tiefes Spielgefühl, denn die Rätsel sind auf natürliche Art mit der Geschichte verwoben, wie man sie bei bisher kaum einem Adventure erlebt hat. Im Spiel entsteht nie das Gefühl, ein Gegenstand, eine Bemerkung oder ein Rätsel würde hier nicht hingehören. The Shivah fühlt sich an, als wäre es aus einem Stück gegossen.
Spielerisch ist The Shivah eine runde Sache. Es geht leicht von der Hand und stellt den Spieler vor keine unlösbaren Probleme. Der Schwierigkeitsgrad ist zu Gunsten des Spielflusses eher am unteren Ende der Skala angesiedelt. Das heißt aber nicht, dass man als Rabbi Stone ungefährlich lebt. Gerade gegen Ende des Spiels kann man leicht Bekanntschaft mit dem Sensenmann machen. Auch falsche Aktionen können dazu führen, dass das optimale Ende nicht erreicht werden kann. Glücklicherweise legt das Spiel vor kritischen Situationen einen automatischen Spielstand an, der nach dem vorzeitigen Ableben wieder geladen werden darf. Zur Vermeidung solcher Momente empfiehlt es sich vor allem, auf die Tugenden eines geistigen Führers zu zählen. Wie oft im Spiel liegt die Lösung auch hier wieder in der geschickten Kommunikation.
Wer The Shivah mit seinen knapp 2 Stunden Spielzeit zu kurz findet und/oder auf aktuelle Technik nicht verzichten kann, sollte lieber gleich die Finger davon lassen. Liebhabern einer tiefgründigen Story mit ausgereiften Charakteren und einem stimmigen Spielgefühl muss man The Shivah aber unbedingt empfehlen, vor allem wenn man den Downloadpreis von nur 4,99 $ berücksichtigt. Besonders witzig und interessant ist übrigens der in den Optionen zuschaltbare 'Kibbitz-Mode', der beim Durchspielen an vielen Stellen ein Portrait von Dave Gilbert einblendet, während Dave selbst ausführliche Audiokommentare zur aktuellen Szene abgibt.
Ein toller Einstand für Wadjet Eye und eine Bereicherung für den Adventure-Markt, das ist mein abschließender Eindruck von The Shivah. Was vielen Großproduktionen fehlt, schafft Dave Gilbert mit einfachen Mitteln; eine tiefgründige Geschichte mit glaubwürdigen Charakteren und Rätseln auf die Beine zu stellen, die nach Spielende einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Hier dürfen sich einige andere Hersteller gerne mal eine Scheibe abschneiden.
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