Bereits 1989 erschien das erste Spiel mit dem Namen Last Half of Darkness; seinerzeit trug es lediglich die römische Ziffer I als Namenszusatz. Es war ein Spiel, das in zwei unterschiedlichen Versionen sowohl für MS-DOS als auch für die damals aktuelle dritte Version von Microsoft Windows ausgeliefert wurde. Dem Spiel folgten 1992 und 1993 Nachfolger, Last Half of Darkness II und III. Diese drei Spiele erschienen noch unter dem Label SoftLab und sind heute nicht mehr erhältlich. Grund dafür ist, dass Autor William R. Fisher III, heute bekannt als WRF Studios, nicht mehr mit der Qualität dieser frühen Werke zufrieden ist. 2005 erschien Last Half of Darkness: Shadows of the Servants und damit begann eine völlig neue Serie mit neuer Spielmechanik, verbesserter Grafik und einer völlig anderen Geschichte..
Die Geschichte reicht bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Die Wissenschaftlerin Dr. Muretta war zu dieser Zeit auf einer Forschungsreise durch den Amazonas. Dort lief ihr ein Affe zu, den sie als Haustier aufnahm und Jaja nannte. Noch während der gleichen Reise wurde Jaja von einer anderen Affenart in einen Kampf verwickelt und gebissen. Sein Zustand verschlechterte sich so sehr, dass es auch nach der Rückkehr ins heimatliche New Orleans noch lange dauerte, bis er wieder vollständig genesen war. Gleichzeitig begann sich aber sein Wesen zu verändern. Er wurde bösartig, biss, kratzte und sein Gesicht wurde immer öfter zu einer grimmigen Fratze, bis er für Dr. Muretta untragbar wurde und sie beschloss, ihn zu töten. Doch Jaja kehrte als Geist zurück und suchte das Muretta-Anwesen und auch das angrenzende Dorf heim. Sie verbrannte seine sterblichen Überreste, doch das war nicht die Lösung des Problems, sondern ein großer Fehler. Dr. Murettas Tochter Mira, eine Malerin, die sich mit den Künsten von Voodoo und Magie beschäftigte, fand heraus, dass zur endgültigen Austreibung des Fluchs das Herz von Jaja benötigt wird. Da dieses aber nun verbrannt war, forschte Dr. Muretta bis in die 1990er Jahre nach einer Lösung. Schlussendlich begann sie, den Affen anhand seiner DNA zu klonen, um ein Herz für das endgültige Ritual zu erhalten, was sie vor ihrem Tod jedoch nicht mehr zum Abschluss bringen konnte. Ihre Tochter trat nicht in die Fußstapfen der Wissenschaftlerin und hat sich stattdessen den magischen Künsten verschrieben, mit deren Hilfe sie allerdings Fremde herbeibeschwören kann. An diesem Punkt kommt der namenlose Spieler zum Zuge, denn genau dieser ist einer der Unglücklichen in einer langen Reihe von unfreiwillig herbeigerufenen Helfern, die bisher vor ihm versagten.
Grafisch fällt als erstes auf, dass das Spiel mit zwar farblich ausgeprägten, aber insgesamt sehr düsteren, vorgerenderten Grafiken umgesetzt wurde. Schon zu Beginn sieht man Videosequenzen, die dunkel, neblig und unheimlich daherkommen, unterstützt durch unheilvolle Umgebungsgeräusche und stark durch Echo und Störungsrauschen verfremdete Stimmen. Das Spiel schafft es von der ersten Sekunde an, den Spieler durch seine gruselige Atmosphäre in seinen Bann zu ziehen. Es dauert auch nur einige Spielzüge, bis der erste Schockmoment den Forscherdrang unterbricht und kurzzeitig das Blut in den Adern gefrieren lässt. Die Ego-Perspektive trägt ihren Teil dazu bei, diese Effekte noch zu verstärken. Insgesamt setzt das Spiel des Öfteren auf plötzliche Schreckmomente. Interessant daran ist, dass sich diese auch kaum abnutzen. Wenn plötzlich ein Skelett aus einer Wand bricht oder sich ein menschlicher Schatten aus dem Nichts schnell auf den Spieler zubewegt, kann der Adrealinspiegel für einen Moment schlagartig steigen. Auch beim späteren Besuch der gleichen Stelle kann es passieren, dass man sich wieder und wieder im fast gleichen Maße erschreckt.
Auch einer der größten Kritikpunkte fällt direkt ab Spielbeginn auf: Die Wegfindung gestaltet sich extrem schwierig. Das liegt nicht etwa daran, dass Ausgänge schwer zu finden wären, sondern an deren Positionen auf dem Bildschirm und der damit unterstellten geographischen Anordnung der Schauplätze. Es kann durchaus vorkommen, dass man einen Ausgang wählt, dessen Hotspot am linken Bildrand sitzt, der nächste Schauplatz aber eigentlich rechts von dem liegt, von dem man gerade kommt. Auch ein Grund für diese Verwirrung ist, dass jeder Raum nur aus einer Perspektive dargestellt wird, aber in mindestens zwei Richtungen durchlaufen werden kann. Leider sind die Ausgänge nicht durch Pfeile gekennzeichnet, die die Laufrichtung anzeigen, sondern mit dem Namen des Raumes beschriftet, zu dem der Ausgang führt. So ist man als Spieler gezwungen, sich entweder eine Karte zu zeichnen oder die Ausgänge auswendig zu lernen. Letzteres ergibt sich nach einiger Spielzeit zwar automatisch, das Nachdenken über den richtigen Weg reißt den Spieler aber immer wieder aus dem Spielfluss und wirkt sich damit negativ auf die Atmosphäre aus.
Das Spiel kommt mit einer klassischen Point-and-Click-Steuerung daher. Als Cursor dient ein weißer Pfeil, der sich rot färbt, sobald er über einer Stelle schwebt, mit der eine Interaktion möglich ist. Fährt man über einen Punkt, an dem etwas betrachtet oder gelesen werden kann, verwandelt sich der Pfeil in ein Auge. Die meisten Beschreibungen werden einfach am oberen Bildschirmrand eingeblendet und verbleiben dort für ein paar Sekunden. Sie müssen also nicht weggeklickt werden, sondern das Spiel läuft ohne Unterbrechung weiter. Ausgänge haben ein eigenes Symbol in Form eines Kreuzes und sind mit dem Namen der Szene bezeichnet, zu der sie führen. Das Inventar wird permanent am unteren Bildschirmrand angezeigt und kann über zwei Pfeile nach links und rechts durchgescrollt werden. Klickt man auf einen Inventargegenstand, nimmt der Cursor die Form des Objektes an und kann mit einem anderen Inventargegenstand oder einem Objekt im Hintergrundbild kombiniert oder darauf angewendet werden. Mit einem Rechtsklick wandert der Gegenstand wieder zurück ins Inventar. Klickt man mit der rechten Maustaste auf einen Gegenstand im Inventar, wird in eine Nahansicht umgeschaltet, wo der Gegenstand mit einem weiteren Rechtsklick näher untersucht oder mit der linken Maustaste manipuliert werden kann. Etwas unbequem ist hier die Rückkehr zum Spiel, denn in den Nahansichten weiß man nicht direkt, an welcher Stelle man klicken muss, um die Ansicht wieder zu verlassen. Das Spielmenü erreicht man über eine Schaltfläche in der rechten oberen Bildschirmecke. Hier kann der Sound konfiguriert, gespeichert, geladen oder das Spiel verlassen werden. Leider sind einige der Hotspots für herumliegende Gegenstände sehr klein geraten und auch die Gegenstände selbst sind nicht immer mit bloßem Auge zu erkennen. Ein genaues Betrachten der Umgebung ist notwendig, um nicht gegen Ende des Spiels herumzulaufen und sämtliche Orte noch einmal absuchen zu müssen.
Die Rätsel in Shadows of the Servants sind recht vielfältig. Die meisten davon sind logisch und auch nicht zu schwer. Wichtig ist, dass man die gefundenen Schriftstücke und Hinweise genau studiert. Auch sollte man den Personen, denen man begegnet, sorgfältig zuhören und am Besten alles mitschreiben, denn nicht alle Informationen landen im Inventar und können jederzeit abgerufen werden. Überhaupt ist das Sammeln von Informationen ein wichtiger Bestandteil des Rätseldesigns, denn anfangs steht der Spieler relativ ahnungslos da. Das Studieren des Packungsinhalts ist Pflicht; nicht nur das Handbuch enthält wichtige Hintergrundinformationen, auch eine mystisch anmutende Karte steckt mit in der DVD-Hülle und ohne diese lässt sich eines der Rätsel nicht lösen, es fungiert damit als manueller Kopierschutz. An einer Stelle landet der Spieler in einem Labyrinth und muss dort nach einem Hinweis suchen. Hier ändert sich das Spielprinzip grundlegend, denn man hat es plötzlich mit einer vollständigen 3D-Umgebung mit freier Rundumsicht zu tun. Das Inventar verschwindet ebenso wie der Cursor. Hier dient die linke Maustaste zum Vorwärtslaufen, mit der rechten Maustaste bewegt man sich rückwärts. Speichern ist im Labyrinth nicht möglich, es kann aber durch einen Druck auf die Leertaste jederzeit verlassen werden. Auf aktuellen Systemen ist die Bewegung im Labyrinth leider sehr schnell, was zu Orientierungslosigkeit führen kann. Auch sollte man nach dem Studium des Handbuchs im Hinterkopf behalten, dass an manchen Stellen die Eingabe einzelner Wörter über die Tastatur möglich ist. Positiv fällt der nichtlineare Spielablauf auf. Der Spieler kann sich in den meisten Fällen aussuchen, in welcher Reihenfolge Rätsel gelöst werden. Auch können alle Schauplätze jederzeit wieder besucht werden, sodass keine Sackgassen entstehen können. Sterben kann man übrigens nur im Labyrinth und das hat auch nicht das Ende des Spiels zur Folge, sondern bringt den Spieler nur an den Einstiegspunkt zurück.
Grafisch bietet Shadows of the Servants keine Sensationen. Die leider sehr unbewegten Hintergrundgrafiken sind größtenteils ordentlich, teilweise sogar richtig gut gelungen, vor allem sind sie aber sehr düster gehalten und leisten damit einen guten Beitrag zur Atmosphäre. Gelegentlich werden die Übergänge zwischen zwei Bildern durch eine Videosequenz verbunden, was optisch und auch atmosphärisch einen guten Eindruck hinterlässt. Nicht ganz so gelungen sind die Charaktere, denen man im Spiel begegnet. Sie sind kaum animiert und auch nicht sehr detailliert dargestellt. Ihre Künstlichkeit wird noch dadurch unterstrichen, dass die Gesprächsoptionen stark begrenzt sind. Zusätzlich gibt es häufig Videosequenzen beim Betreten von Räumen oder nach dem Lösen von Rätseln. Die Qualität schwankt hier stark. Einige dieser Sequenzen sind sehr schön anzusehen, andere wiederum wirken deplatziert. Insgesamt und über die gesamte Spieldauer gesehen kann man sich mit der Grafik aber durchaus anfreunden.
Auch akustisch fallen positive und negative Punkte auf. Sehr gut gelungen sind die meisten Hintergrundgeräusche, besonders deshalb, weil fast jeder Hintergrund andere mit sich bringt. Unheimliche Stimmen, schreiende und wehklagende Menschen, krächzende Raben oder einfach bedrohliche Synthieklänge untermalen die optisch sowieso schon gruseligen Hintergrundgrafiken nahezu perfekt und sorgen des Öfteren für eine innere Anspannung, die sich dann noch in der akustischen Untermalung der Schockmomente entlädt. Im Gegenzug ist die Sprachausgabe sehr durchwachsen. Zwar sind die Sprecher an sich nicht schlecht, durch den Einsatz von starken Echoeffekten und stimmverzerrenden Filtern werden sie aber leider oft unverständlich. Das ist schade, denn nicht jeder gesprochene Satz ist untertitelt. Das fängt schon beim Intro an und setzt sich auch während des Spiels fort. Vielleicht wäre hier eine Option sinnvoll gewesen, mit der man die Untertitel ganz ein- oder ausschalten kann.
Horror- und Grusel-Adventures aus der Ego-Perspektive bilden ein ganz spezielles Sub-Genre auf dem Adventure-Markt mit einer sehr treuen Fangemeinde. Deshalb fällt es schwer, eine allgemeine Empfehlung auszusprechen. Wer Spiele wie Dark Fall, Scratches, Barrow Hill oder Rhiannon mag, sollte sich Shadows of the Servants nicht entgehen lassen. Es ist zwar kein Meilenstein, unterhält aber 10-15 Stunden und bietet viel Gruselatmosphäre, die lediglich durch die nicht ganz perfekte Steuerung getrübt wird. Abstriche bei der Grafik und der Sprachausgabe muss man allerdings in Kauf nehmen.
Bedenkt man, dass WRF Studios eigentlich nur aus William R. Fisher besteht, ist Shadows of the Servants ein respektables Endprodukt. Zwar kann das Spiel nicht in der obersten Liga kommerzieller Adventures mithalten, sichert sich aber durch seine ungewöhnliche, sehr eigene Optik einen verdienten Platz bei den Gruseladventures. Mir hat das Spiel Spaß gemacht, auch wenn ich einige Mängel zu kritisieren habe. Unterm Strich bleibt dennoch ein atmosphärisch ordentliches Adventure, das vor allem in dunklen Räumen eine erstaunliche Wirkung zu entfalten vermag.
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