Test

von  Michael Stein
07.09.2010
Tale of a Hero
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
85%

Von einem, der auszog, das Heldsein zu lernen

Olaf ist Fischer und der Sohn eines Kriegers, der zu Lebzeiten im Dienste des Königs den Feuerdrachen Arioch besiegt hat und damit zum Helden wurde. Auch Olaf spürt, dass er zum Abenteurer geboren ist und als sein Dorf vom Steinriesen Nog heimgesucht wird, ergreift er die Gelegenheit und lässt sich durch einen Brunnen in dessen Höhle abseilen, um dem Monster den Garaus zu machen. Doch leider bricht der Balken, an dem sein Seil befestigt ist, und er stürzt ab. Mit dieser kleinen Zwischensequenz beginnt das Fantasy-Adventure Tale of a Hero des tschechischen Spiele-Entwicklers Future Games, welches hierzulande von Publisher Daedalic veröffentlicht wird. Danach muss Olaf einen Weg finden, den schlafenden Riesen Nog unschädlich zu machen. Dies ist jedoch nicht der eigentliche Hintergrund des Spiels. Das Problem mit Nog hat Olaf schnell gelöst. Doch kaum ist dieser Auftrag erledigt, erhält er Besuch von der Hexe Pripogala, die ihm eröffnet, dass der Eisriese Krugell die Tochter des Königs entführt hat und außerdem sowieso sauer auf Olafs Familie ist, denn der von Olafs Vater getötete Drache Arioch war zufällig Krugells Bruder. Angriff ist die beste Verteidigung, und so macht sich Olaf auf den Weg, Krugell ein für alle mal aus dem Weg zu räumen und die drohende Gefahr von sich, seiner Verlobten Alia und dem Dorf abzuwenden.

Eine Reise ins Land der Wunder

Tale of a Hero ist ein Fantasy-Märchen, wie es klassischer nicht sein könnte. Es gibt Riesen, Drachen, Hexen, Geister, sprechende Tiere und viel Magie. Gleichzeitig kommt aber auch der Humor nicht zu kurz, denn die vielen skurrilen Gestalten, denen Olaf auf seiner Reise begegnet, sind teilweise sehr gut ausgearbeitet und haben jeweils ihre eigene Geschichte. Immer wieder gibt es kleine Seitenhiebe auf das Fantasy- und Adventure-Genre, diese wirken aber weder deplatziert noch albern. Das Spiel unterteilt sich im Grunde in vier unterschiedlich lange Kapitel, von denen das erste, die Geschichte mit Nog, das kürzeste ist und eher als Prolog angesehen werden kann. Die mittleren beiden Kapitel sind ungleich länger und verfügen jeweils über eine wesentlich größere Anzahl von Kulissen, weshalb dort auch eine Karte zur besseren Navigation und zum Abkürzen der Wege eingeblendet werden kann. Insgesamt liegt die Spielzeit bei knapp 10 Stunden.

Die Hexe Pripogala hilft Olaf bei seiner Reise.

Never change a running system

Future Games setzt, wie auch bei seinen anderen Titeln, auf vorgerenderte 2D-Hintergründe und 3D-Charaktere. Ihre Handschrift erkennt man auf den ersten Blick allein an den Bewegungen und Animationen der Figuren. Auch Tale of a Hero nutzt die hauseigene AGDS-Engine, mit der schon Black Mirror und die nachfolgenden Spiele umgesetzt wurden. Dementsprechend erscheint auch die Bedienung sofort vertraut. Mit der linken Maustaste werden so ziemlich alle Funktionen ausgeführt, die rechte Maustaste bewirkt in der Regel genau das gleiche, außer dass sie im Inventar zum näheren Betrachten von Gegenständen dient. Selbiges wird eingeblendet, wenn der Mauszeiger an den oberen Bildrand bewegt wird, eine Bewegung zum unteren Bildrand sorgt dafür, dass die Menü-Schaltfläche erscheint. Im Menü kann geladen oder gespeichert werden, außerdem findet sich dort die Auswahl für das Optionsmenü. Dieses bietet allerdings kaum Einstellungsmöglichkeiten, man kann hier lediglich den Detailgrad in 3 Stufen modifizieren, die Lautstärke regulieren und die Untertitel ein- oder ausschalten. Zum Speichern stehen insgesamt 48 Plätze zur Verfügung, was sich im Test als mehr als ausreichend erwiesen hat. Auch bei der Steuerung hat man nicht experimentiert. Ein Klick zum Laufen, ein Doppelklick zum Abkürzen der Wege an den Ausgängen, Dialogzeilen können einfach weggeklickt werden und die Zwischensequenzen lassen sich mit der Escape-Taste abbrechen.

Hässliches Entlein oder schöner Schwan?

Tale of a Hero beginnt in der Höhle des Steinriesen Nog und die Grafik kann auf den ersten Blick nicht wirklich überzeugen. Hat man jedoch den Prolog hinter sich gelassen, beginnt das Spiel, seine grafischen Qualitäten erst richtig zu entfalten. Tatsächlich werden die Hintergründe schöner, je weiter man im Spiel voranschreitet. Atmosphärisch kann Tale of a Hero jedoch von Anfang an punkten. Neben der sehr schönen und variationsreichen Musik sind vor allem die Soundeffekte sehr gelungen, die die Szenen mit pfeifendem Wind, zwitschernden Vögeln oder plätscherndem Wasser untermalen. Zusätzlich gibt es immer wieder geschickt platzierte Animationen, wie vorbeiziehende Vogelschwärme, sich bewegende und spiegelnde Wasseroberflächen oder aufsteigende Wasserblasen. All das, gepaart mit der einfachen und intuitiven Steuerung, lässt den Spieler tief in die Spielwelt eintauchen. Dazu kommt, dass jeder der vier Spielabschnitte in einer anderen Umgebung angesiedelt ist, wodurch die Grafik ihr Variationsreichtum entfalten kann. Dazu gesellen sich kurze, gerenderte Zwischensequenzen, die zwar nicht sensationell aussehen, aber gut zur Spielgrafik passen. Insgesamt ist das Spiel als Paket in sich stimmig.

Die Sprachausgabe wurde im Hamburger Periscope Studio aufgenommen, welches sich in der Vergangenheit schon bei der Vertonung von Spielen einen Namen machen konnte. Die Sprecher sind professionell, große Namen findet man in der Liste aber nicht. Im Großen und Ganzen ist die Vertonung gelungen, lediglich kleine Fehlbetonungen bei den Dialogzusammenhängen fallen gelegentlich auf. Die Charaktere sind passend besetzt, alle Sprecher haben gut in ihre Rollen gefunden und transportieren die jeweiligen Charaktereigenschaften anstandslos.

Ein Teil der Geschichte spielt auf dem Meeresgrund.

Rätselbeschaffungsmaßnahmen

Beim Rätseldesign hat man sich bei Future Games offensichtlich sehr viele Gedanken gemacht. Das Ergebnis kann sich insofern sehen lassen, als dass keines der Rätsel das Gefühl vermitteln, nicht zur Geschichte zu gehören und in einzelnen von ihnen interessante Denkansätze stecken. Alles ist logisch nachvollziehbar, keine Aufgabe wirkt deplatziert. Auch wird auf komplizierte Maschinen- oder Schieberätsel verzichtet, und zwar bewusst, denn als Olaf tatsächlich auf ein Schieberätsel trifft, nimmt er einen Hammer und schlägt es einfach kaputt. Bei den Rätseln geht es vielmehr um das Anstoßen der richtigen Dialoge, Kombinieren von Gegenständen oder darum, den richtigen Gegenstand zur richtigen Person zu bringen oder an der richtigen Stelle anzuwenden. Hier zeigt sich einer der wenigen Kritikpunkte - die Rätsel sind so zahlreich, gleichzeitig aber so wenig fordernd, dass sie den Fortgang der Story bremsen. Desweiteren verteilen sie sich oft auf mehrere Spielszenen und müssen in einer relativ starren Reihenfolge abgearbeitet werden, auch wenn es für einzelne Rätsel alternative Lösungsmöglichkeiten gibt. Oft tauchen Hotspots erst auf, wenn Olaf darauf hingewiesen wird oder eine bestimmte Aktion ausgeführt hat. Dazu kommt, dass praktisch jedes zu lösende Rätsel ein neues aufwirft, das zuerst gelöst werden muss. All das führt dazu, dass man die gleichen Räume immer wieder besucht und immer wieder die gleichen Charaktere anspricht, um zu sehen, ob es neue Dialoge gibt, was auf Dauer langweilig werden kann. Glücklicherweise sorgen die Übersichtskarte und die Funktion zum schnellen Verlassen der Räume dafür, dass die Laufarbeit nicht überhand nimmt.

Fazit

Daedalic macht es richtig: Man kann auch mal schauen, was den Weg in die deutschen Regale nicht geschafft hat, denn es könnte die eine oder andere Perle dabei sein. Tale of a Hero ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist ein rundes, gelungenes und humorvolles Fantasyadventure, das klassisches Point and Click mit einer zwar durch stark verschachteltes Rätseldesign leicht in die Länge gezogenen, aber nicht nur durch die vielen witzigen Dialoge dennoch interessanten Geschichte verknüpft. Ein Titel, den sich Freunde von reinen 2,5D-Adventures nicht entgehen lassen sollten.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Nachdem Tale of Hero bei seiner Erstveröffentlichung keinen Publisher für den deutschen Markt gefunden hatte, war ich in Bezug auf die Qualität recht skeptisch, denn wenn man sich die teilweise weitaus schlechteren Spiele ansieht, die seitdem in Deutschland erschienen sind, muss ja irgendwas faul sein. Wie auch immer, Tale of a Hero hat mich positiv überrascht und fast 10 Stunden lang sehr gut unterhalten, auch wenn gewisse Längen, die hauptsächlich dem Rätseldesign geschuldet sind, den Spielspaß kurzzeitig trübten.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöne Grafik
  • Toller Sound
  • Rätsel gut integriert
  • Intuitive Steuerung
  • Teilweise langweilige Rätsel