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Test

von  Mithrandhir
17.01.2011
Alchemia
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

""Etwas kreieren, das die Köpfe der Spieler zum Rauchen bringt"" - so ähnlich beschreibt Entwickler Tomas Kaleta in einem Interview seine Beweggründe, Adventures zu machen. Das von ihm 2009 mitgegründete Springtail Studio entstammt zudem dem Bedürfnis, etwas Tiefgründiges und Innovatives zu schaffen. Als eine maßgebliche Inspiration wird neben Hieronymus Bosch und slowakischen Märchen vor allem Amanitas Samorost-Reihe genannt.

Springtail Studio hat bereits mit der Haluz-Serie auf sich aufmerksam gemacht und bringt nun mit Alchemia einen weiteren Ausflug in bizarre, verträumte und surreale Welten. Eine kürzere und kostenlose ""Basis""-Version konnte man bereits auf der Homepage spielen; nunmehr liegt die erweiterte Fassung mit mehr Schauplätzen und Rätseln vor.

Wie du mir, so ich dir

Die Geschichte beginnt auf einem fernen Planeten. Der langnasige Protagonist mit dem treffenden Namen Noses sitzt vor seinem Wohnhaus und brutzelt sich einen schönen Braten. Doch die Ruhe ist nicht von Dauer: Da sein Haus genau auf der Flugroute eines Schwarms mechanischer Vögel liegt, wird Noses plötzlich von genau diesem überrascht und gezwungen, ins Haus zu flüchten.

Leider muss er den Braten zurücklassen und mit ansehen, wie ein frecher Vogel seine Mahlzeit vertilgt. Aus Frust schmeißt Noses einen Gegenstand aus dem Fenster, erwischt den Dieb in flagranti und bringt ihn dadurch zu Fall. Als Noses den Unfallort untersucht, muss er feststellen, dass der mechanische Bursche derart beschädigt ist, dass er nur noch mit dessen Seele sprechen kann. Diese bittet ihn, ihn wieder heile zu machen und zeigt ihm den beschwerlichen Weg zur Stätte seiner eigenen Erschaffung. Doch ist es damit getan...?

Noses erhält einen ungewöhnlichen Auftrag.

Bilder, so weit weg

Wer Alchemia das erste Mal sieht, wird ohne Zweifel direkt an Spiele wie Samorost, Machinarium oder das von Springtail stammende Haluz erinnert. Die einzelnen Szenen verfügen über eine verträumt und detailliert gemalte Optik, die sehr surreal daherkommt und über reichlich sensitive Stellen verfügt. Hier gilt es, diese Stellen zu finden und ihre Bedeutung sowie die richtige Reihenfolge zum ""Durchqueren"" der Screens zu entdecken. Es wimmelt von fremden Pflanzen, seltsamen Gerätschaften und eigenartigen Tieren.

Die fremdartige Umgebung, die aus überzeichneten und veränderten Fotografien besteht, ist ebenso mit zahlreichen Animationen angereichert, die sich jedoch nie in den Vordergrund drängen und dezent daherkommen: Glühwürmchen, die umherschwirren, kleine Laternchen, die glimmern oder Augen, die aus Felsen stieren - Alchemia würzt durch Liebe zum Detail und nicht durch Masse.

Das Eingangsvideo ist recht kurz und eindeutig: Unser Held wird schnell und mit einem klaren Auftrag losgeschickt. Weitere Zwischensequenzen gibt es nicht. Da das Spiel komplett browserbasiert ist, wird nach Spielstart der vom Spieler standardmäßig genutzte Browser geöffnet. Dabei steht zur Auswahl, ob man im Fenstermodus oder Vollbild spielen möchte. Leider geht Alchemia dabei über eine Auflösung von zirka 1024 mal 800 Bildpunkten nicht hinaus; der Vollbild-Modus wird mit schwarzen Balken ergänzt.

Die Szenerie ist stets etwas fremdartig, aber voller interessanter Details.

Still und leise ist diese Welt

Die klangliche Pracht ist sehr dezent im Hintergrund gehalten. Bei der Interaktion mit der Landschaft oder Gegenständen sind je nach Umgebung zahlreiche Geräusche zu hören; gelgentlich surrt, klackert, rattert und quietscht es ganz ordentlich. Eine entscheidendere Rolle nimmt jedoch die Spielmusik ein. Diese ist thematisch im Ambient-Bereich anzusiedeln, d.h. das Spielerlebnis wird mit stets passenden Akustikklängen unterstrichen. Für diese Aufgabe konnte Springtail Studio den Musiker Julian Winter verpflichten, der bereits Erfahrungen auf dem Gebiet des Instrumental Ambient Folk hat und eine stets stimmige Untermalung zum Spielgeschehen konstruiert.

Eine Sprachausgabe gibt es hingegen nicht - die wenigen Textpassagen werden in Sprechblasen-Form angezeigt. Die erweiterte Version liefert jedoch zumindest deutsche Texte. Gerade für den Fall, dass man doch mal die Lösungshilfe bemühen muss, ist dies durchaus eine Bereicherung. Ab und an stünde Noses jedoch ein gesprochenes Wort durchaus gut zu Gesicht.

Dialoge und Gedanken erscheinen stets in Sprechblasen-Form.

Von Wort zu Wort.

Die Steuerung ist recht intuitiv über die Maus gelöst. Die Charakterbewegung und die Objektanwendung lässt sich (unter Anderem wohl auch wegen des Browsers als Plattform) mit wenigen Linksklicks vollziehen. Eine Speicherfunktion entfällt, da jede Szene mit einem Codewort, welches beim Betreten kurz eingeblendet wird, verschlüsselt ist. Zu Spielbeginn lässt sich daher über das richtige Wort eine Szene gezielt anspringen.

Schade dabei ist, dass manipulierte und verstellte Rätselobjekte sich nur darüber zurücksetzen lassen. Ebenso störend kann sein, dass man sich unmittelbar beim Betreten eines Screens das dazugehörige Wort merken muss - angezeigt wird es nämlich nicht dauerhaft.

Alle Level können per Codewort angesprungen werden.

Surrealität mal ganz einfach

Die Rätsel sind als eher leicht einzustufen. Das liegt vor allem daran, dass man alle notwendigen Objekte oder Rätselteile im aktuellen Bild findet. Da man sich von einem Screen zum nächsten hangelt, entfällt der Rückbezug oder die erst spätere Verwendung eines Gegenstandes. Alles, was man aktuell braucht, liegt in der Regel direkt zu Füßen. Stimmig wirken die Rätsel insofern, als dass sie gut in die surreale Umgebung eingearbeitet sind. So muss man unter Anderem eine kryptische Sonnenuhr einstellen, Steinscheiben drehen oder mechanische Puppen in einem Garten so einstellen, dass ein Jahreszeitenwechsel einsetzt und Früchte wachsen. Spannend ist dabei, zunächst einmal herauszufinden, wie ein bestimmter Mechanismus überhaupt funktioniert oder auf welche Weise ein an sich einfacher Zusammenhang passend zur Kulisse verfremdet wurde. Auch die Abwechslung der verschiedenen Herausforderungen ist angenehm hoch: Das eine Mal muss Noses einen renitenten Hund mit einer Wurst ablenken, ein anderes Mal hingegen sieht er sich einer mechanischen Uhr mit Innenleben konfrontiert oder muss zeitkritisch bestimmte Ingredenzien mischen.

Das Inventar am Bildschirmrand ist zweckmäßig, wenngleich es zu keinem Zeitpunkt nennenswert mit Objekten gefüllt wird. Ebenso gibt es keine Inventarrätsel - alles, was man findet, braucht man unmittelbar. Falls man für die an sich einfachen Rätselaufgaben doch mal Hilfe braucht, bietet Alchemia eine ""Walkthrough""-Schaltfläche an; diese zeigt jedoch den Lösungsweg für die gesamte Szene und keine kontextsensitive Lösung.

Auch die Rätsel machen einen surrealen Eindruck.

Ein kurzer, intensiver Traum

In Sachen Atmosphäre weiß Alchemia auf besondere Weise zu punkten. Mit dem Motto ""weniger ist mehr"" entsteht vor der surrealen Kulisse ohne viel Menü-Tamtam eine sehr ruhige, fast melancholische Stimmung, die mit dem Tod des mechanischen Vogels seinen Anfang nimmt und auch nach dessen Wiedererweckung fortgeführt wird. Die verträumte Kulisse in Kombination mit der Musik nimmt den Spieler gekonnt in eine fremde Welt mit.

Leider gilt in Sachen Spielzeit das gleiche Motto: Je nach Rätselerfahrung hat man den Protagonisten bereits nach anderthalb Stunden in das Teilziel gebracht, mit welchem die kostenlose ""Basis""-Version endet. Der zusätzliche Inhalt der Vollversion macht nochmal etwa eine Stunde aus - hier hätte es etwas mehr sein dürfen.

Alchemia zaubert einen ganz eigene Stimmung auf den Bildschirm.

Fazit

Alchemia ist definitiv eine Bereicherung im Spieleschrank all derer, die sich für Spiele wie Samorost, Haluz und Ähnliche begeistern können. Fernab vom Adventure-Einheitsbrei erhält man hier eine künstlerisch angehauchte Reise, die zwar kurz, aber mal anders ist. Das leichte bis bestenfalls mittlere Niveau der Rätsel macht das Spiel recht zugänglich für Einsteiger; Rätselprofis dürften jedoch nicht ausreichend gefordert werden.

thumb
Springtail Studio hat für die musikalische Untermalung von Alchemia den Komponisten Julian Winter verpflichtet; als besonderes Feature steht der Soundtrack zu Alchemia auf dessen Hompepage als Download zu Verfügung.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ja, zugegeben, das Spiel ist kurz. Aber lieber 2 Stunden gut am Bildschirm gefesselt als 20 Stunden schlecht mit künstlichen Längen und endlosen Füllsequenzen gelangweilt. Alchemia war für mich eine ideale Ergänzung für das Machinarium-/Samorost-Regal und zeigt, das Independent-Adventures mit innovativen und alternativen Ideen ihren berechtigten Platz haben. Wem die Ladenversion für derzeit zirka 12 € zu teuer erscheint, der sollte zur englischen Download-Version greifen, die aktuell für unter 6 € zu haben ist. In jedem Fall sollte die etwas verkürzte Gratis-Fassung einen Blick wert sein!

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Individueller Grafikstil
  • Atmosphärische Musik
  • Interessantes Rätseldesign...
  • ...mit überflüssigem Inventar
  • Sehr kurz
  • Keine Sprachausgabe