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Test

von  Jan "DasJan" Schneider
27.08.2011
Harveys Neue Augen
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
88%

Edna ist Kult. Selbst wer dem Adventure-Debüt von Jan „Poki“ Müller-Michaelis persönlich nichts abgewinnen konnte, kommt nicht umhin, die Einzigartigkeit des Überraschungshits von 2008 anzuerkennen. Bar jeder Kenntnis dessen, was sich heutzutage Genrekonvention schimpft, schien das Spiel entstanden zu sein. Die absurd vielen Interaktionsmöglichkeiten machten einige der Rätsel, die sich oft im Randbereich der Logik tummelten, zur Tortur, die bonbonbunt ins Unreine gezeichneten Hintergründe standen zum grafikgeilen Gaming-Markt in ähnlich krassem Widerspruch wie die USK-0-Einstufung zum bitterbösen Handlungsbogen. So manche Nebenrolle musste mangels Budget mit Daedalics Büropersonal besetzt werden und der fragile Java-Unterbau trieb technikaffinen Spielern die Mitleidstränen in die Augen.

Im kreativen Pokistan

Doch nichts von alledem wurde Edna Bricht Aus am Ende angekreidet. Kritiker überschlugen sich in Lobeshymnen, Wertungen jenseits der 90 purzelten und das viel gelesene Spielemagazin Gamigo zückte gar die historische Bestnote von 9,9/10. Damit wurde Edna Bricht Aus auch über Genregrenzen hinweg zu einer beeindruckenden Demonstration der Macht, die von einer mitreißenden Spielwelt ausgeht, von faszinierenden Charakteren, von brillant geschriebenen Texten. Und letztlich dürften die Wertungen auch ein Ausdruck der Freude darüber gewesen sein, im Moloch des Kommerzes, der die Spielebranche längst geworden war, noch ein wahres Autorenspiel zu entdecken. Entstanden als Diplomprojekt von Jan Müller-Michaelis, ist das Spiel in einer schöpferischen Monarchie entstanden, im kreativen Pokistan sozusagen – nicht ohne Hilfe von außen, aber ohne durch kommerzielle Erwägungen oder das Diktat vermeintlich schlauer Gamedesign-Bücher weichgespült worden zu sein. Das sind letztlich die Gründe, warum Edna zum Kult wurde.

Das sind aber auch die Gründe, warum dieser Effekt prinzipiell unwiederholbar ist. Teil 1 konnte glaubwürdig das Gefühl von einem jungen Spieldesigner vermitteln, der quasi im Alleingang sein ganz persönliches Spiel erfindet, schreibt, malt und programmiert, denn der größte Teil von Edna Bricht Aus war lange fertig, als Daedalic gegründet wurde. Jetzt, einige Jahre später, ist jedoch alles anders. Daedalic ist im deutschen Adventuremarkt etabliert und Jan Müller-Michaelis hat bereits einige Projekte hinter sich. Ein Edna-Sequel mit vergleichbarem Garagen-Appeal war also nicht an den Mann zu bringen, gleichzeitig würde ein Mainstream-Adventure von der Stange dem Vorgänger alles andere als gerecht werden. Die Ankündigung, Edna Bricht Aus fortzusetzen, war demzufolge recht mutig, obwohl sie nach dem Erfolg des ersten Spiels nicht überraschend kam. Man durfte also gespannt sein, wie Daedalic in Harveys Neue Augen mit diesen Widersprüchen umgeht.

Für den Kopierschutz wird die beiliegende<br /><br />Codescheibe benötigt. Damit nicht zu viel <br /><br />Aufwand entsteht, wird die Eingabe nur<br /><br />einmal am Tag verlangt.

In der Ruhe liegt die Kraft

Um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, setzt Harveys Neue Augen gleich nach dem Überwinden der Kopierschutzabfrage ein Zeichen. Ein Zeichen, das sagt: Vergesst andere Adventures, ich bin anders. Wo ein Blick ins Spieleentwickler-Handbuch dazu rät, die Spieler gleich zu Beginn mit einem Knalleffekt gefangen zu nehmen, was sich üblicherweise in mehr oder weniger pompösen Introsequenzen manifestiert, zeigt dieser Titel gut vier Minuten lang einen blauen Wollfaden, der sich langsam durchs Bild zieht. Dazu werden gemächlich die Mitwirkenden eingeblendet und Poki höchstselbst trällert den melancholischen Titelsong „Nadel und Faden“, der einen Hauch Amateurmusik-Feeling transportiert, dann aber doch so eingängig ist, dass man ihn gleich in seine Musiksammlung übernehmen möchte. Minimalistischer kann ein Intro kaum sein, der Ton des Spiels wird aber schon treffsicher angestimmt.

Nach dem Intro schlüpft der Spieler in die Rolle der schüchternen Klosterschülerin Lilli, die mit blonden Zöpfen samt rosa Schleifchen in ihrem japanischen Schulmädchen-Outfit kaum ein unschuldigeres Erscheinungsbild hätte haben können. Sie steht im Garten des Klosters, in das nach dem Vorgänger auch Edna verbannt wurde, und bekommt von der despotisch brüllenden Oberin Ignatz niedere Frondienste wie das Harken des Laubes befohlen. An dieser Stelle werden wir mit einem Kunstgriff konfrontiert, der dem Spiel eine weitere ganz eigene Note verleiht. Denn Lilli sagt praktisch über die gesamte Spielzeit kein Wort. Wenn möglich, reagiert das zurückhaltende Mädchen nur mit Kopfnicken respektive Kopfschütteln, gelegentlich auch mit enttäuschtem Seufzen oder verhaltenen Grummeln. In Dialogen – die gibt es durchaus in ordentlicher Menge – beginnt sie immer mal wieder mit einem Satz („Ähm ...“), nur um dann ein weiteres Mal von ihrem Gegenüber unterbrochen zu werden: „Bevor du etwas sagst: Ich glaube, es gibt da ein Versteck in der Kapelle ...“

Das Reden übernimmt „Der Erzähler“, wunderbar gesprochen von Götz Otto, der als garstiger Mr. Stamper schon James Bond in „Der Morgen stirbt nie“ vermöbeln durfte. Statt wie bei Erzählern üblich eine neutrale Beobachterrolle einzunehmen, paraphrasiert er vielmehr Lillis Unterbewusstsein. Dabei ist er zwar weitgehend an deren eingeschränkte Weltsicht gebunden, trotzdem würzt er seine Kommentare immer wieder mit einer eigenen Persönlichkeit, sodass eine reizvolle Spannung zwischen Lilli, dem Erzähler und dem Spieler entsteht. Als plötzlich ein Clown im Kloster auftaucht, erfahren wir zum Beispiel: „Toll! Lilli hatte noch nie einen lebendigen Clown gesehen. Nur den Toten, der nachts immer vor ihrem Fenster steht.“

Hoffentlich passiert hier kein Unglück...

„Ich kann Kinder nicht bluten sehen“

Das hervorstechendste Charaktermerkmal der Protagonistin ist ihr ausgeprägter Eskapismus. Böses will sie nicht nur nicht sehen, sie kann es gar nicht. Wenn sie auf irgendetwas Schlimmes trifft, eine Leiche beispielsweise, sieht Lilli – genau wie wir als Spieler – lediglich die bizarren Zensurgnome, die Anstößiges mit pinker Farbe überpinseln. Und Anstößiges gibt es in Harveys Neue Augen zuhauf. Anders als die zuckersüße Grafik mit ihrer zarten Heldin vermuten lässt, bietet das Spiel nämlich bitterbösen Humor, weit böser, als man ihn von der Konkurrenz gewohnt ist. Bei den Rätseln, die sie im Kloster löst, kommt es nämlich immer wieder zu bedauerlichen Unfällen, die manch einen Mitschüler das Leben kosten. Mal lockt Lilli versehentlich Termiten an, die ein anderes Kind bis auf die Knochen wegfressen, mal wird einer von einer herabstürzenden Steinfigur erschlagen. Obwohl Lilli für die derben Unfälle verantwortlich ist, kriegt sie nichts davon mit, denn die Konsequenzen ihres Handelns kann sie nicht sehen. Wie sehr sie Schlechtes aus ihrer Welt ausblendet, wird schon ganz am Anfang klar: Beim Umgraben des Gartens stoßen Edna und sie auf einen „Schatz“, den sie sogleich plündern. Nur der Spieler ahnt, dass der Schatz nichts Gutes verheißt, denn der Hotspot heißt bereits „Fliegerbombe“.

Harveys Neue Augen zwingt den Spieler immer wieder, sich zu überwinden. Wenn „Benutze spitzes Stuhlbein mit Person“ die einzige Aktion ist, die einen weiterbringt, oder Rätsel nur durch das Vergießen von Blut gelöst werden können, dann mündet Lillis Flucht aus der Realität in einer moralischen Bürde für den Spieler. Dabei ist dieses innerhalb der Spielwelt unausweichliche Dilemma nicht nur reiner Selbstzweck und billige Effekthascherei, sondern die perfide Methode, mit der das Spiel seine Botschaft übermittelt.

„Harveys Neue Augen – Demnächst in<br /><br />Ihrem Kinderspieleregal.“

Die acht Gebote

Die eigentliche Spielhandlung ist anfangs von eher geringer Bedeutung. Zunächst gilt es, der Oberin zuzuarbeiten, die in der Kantine sitzt und „SELBSTBEHERRSCHUNG IST WICHTIG“ krächzend an ihrem Beruhigungstee nippt, sowie Lillis bester Freundin Edna einige Gefallen zu tun. Das Drama beginnt aber spätestens, als es der Kinder hassenden Oberin zu bunt wird und sie Dr. Marcel, bekannt aus dem Vorgängerspiel, ins Haus holt. Der verspricht, Unruhestifter mit seiner Hypnosetechnik unschädlich machen zu können. Gegen Ende des Auftaktkapitels kann sich Lilli dieser speziellen Behandlung, deren zentraler Bestandteil eine diabolische Version von Ednas Harvey-Stoffhasen ist, nicht mehr entziehen. Als Folge besitzt sie einige innere Blockaden, die es ihr unmöglich machen, sich den Anweisungen des Hypnotiseurs zu widersetzen. So darf das ungehorsame Balg nicht mehr mit Feuer Spielen, keine spitzen Gegenstände benutzen, keine gefährlichen Orte betreten, und so weiter.

Doch wo wäre der Spaß, wenn man solche Verbote nicht auch aufheben könnte? Und das geht so: Wenn sich Lilli mithilfe des Hypno-Harveys selbst in Trance versetzt, trifft sie in einer imaginären Parallelwelt auf die Dämonen, die für die Blockaden zuständig sind. Wenn sie diese überzeugt, dass hin und wieder das entsprechende Verbot auch gebrochen werden muss, dann lösen sich die inneren Dämonen in Wohlgefallen auf und Lilli darf in der realen Welt gegen das Verbot verstoßen. Dazu bietet Harveys Neue Augen neben dem Inventar ein zweites Menü, in dem ausgewählt wird, welches der insgesamt acht Verbote gerade außer Kraft gesetzt werden soll. Tun und lassen was sie will kann die Hypnotisierte nämlich nicht, es darf immer nur eine Regel gleichzeitig gebrochen werden. Diese Einschränkung war nicht wirklich notwendig, denn bei kritischen Aktionen ist stets klar, welche der Regeln dafür gebrochen werden muss, störend ist sie aber genauso wenig.

In bizarren Parallelwelten muss Lilli<br /><br />Harvey-farbene Dämonen besiegen.

Erstaunlich gewöhnliches Gameplay

Von dieser Besonderheit abgesehen gibt sich das Rätseldesign erstaunlich routiniert. Von den zahllosen Hotspots des Vorgängers sind nur ein paar wenige pro Bild übrig geblieben, das riesige Areal aus Edna Bricht Aus musste einer linearen Kette von mittelgroßen Kapitel-Locations weichen. In Kombination mit den in aller Regel logischen Rätsellösungen und der überschaubaren Inventargröße bleibt der Schwierigkeitsgrad auf einem für ein breites Publikum angenehm verdaubaren Level. Zu leicht hat Daedalic es dann aber auch nicht gemacht, genaues Nachdenken über die aktuellen Ziele und die eigenen Möglichkeiten ist immer noch notwendig.

Leider ist auch ein dicker Pluspunkt des Vorgängers der Schere zum Opfer gefallen. Da hatten noch so gut wie alle denkbaren Interaktionen eigens geschriebene Reaktionen, was eine gewaltige Menge an Sprachaufnahmen nach sich zog. Hier haben die Entwickler es sich jetzt einfacher gemacht. Völlig sinnfreie Aktionen werden über das Zwei-Maustasten-Interface gar nicht erst angeboten und bei Item-Kombinationen greift der Erzähler häufiger mal zum selben Kommentar.

Aufgelockert wird das klassische Adventure-Gameplay mit inventar- und dialogbasierten Aufgaben gelegentlich von „Minispielen“, die allerdings niemals Geschicklichkeit abverlangen, sondern von traditionellen Rätselheft-Logeleien über Labyrinthe bis hin zu brettspielartigen Intermezzi reichen. Die sind zwar allesamt hübsch aufbereitet, bieten im Kern aber weitgehend Altbekanntes. Wer für solche Einschübe nichts übrig hat, darf diese netterweise durch Anklicken eines „Skip“-Knopfes überspringen. Unabhängig davon beschäftigen die drei umfangreichen Kapitel aber auch erfahrene Spieler locker 10 Stunden und mehr – ein guter Wert im heutigen Genreumfeld.

Immer wieder werden derartige Minispiele<br /><br />eingeschoben. Wer auf Rätselheft wenig Lust <br /><br />hat, darf sich mit dem Skip-Button oben rechts<br /><br />die Lösung vorgeben lassen.

Minimalistische Grafik

Optisch ist der schwierige Spagat zwischen seriengerechtem Simpel-Look und zeitgemäßem HD-Anspruch hervorragend gelungen. Auf den ersten Blick wirken die Szenen hastig gezeichnet und ohne große Mühe koloriert. Die Striche variieren in der Dicke und sind alles andere als gerade. Details gibt es kaum mehr als die nötigsten. Erst beim zweiten Hinsehen wird klar, wie klug die Szenen arrangiert sind. Der Blick wird meist automatisch auf die wichtigen Elemente gelenkt. Zudem passen die im selben Stil gezeichneten Figuren perfekt in ihre Umgebungen, was bei aufwändigerer Technik oft nur deutlich holpriger gelingt. Letztendlich wirken die Bilder durchgehend einfach, aber niemals billig.

Lediglich im Bereich der Animation hätte man sich ruhig einen Schritt vom minimalistischen Ansatz entfernen können. Sicher passen übertrieben aufwändige Animationen à la Disney nicht zum visuellen Konzept dieses Spiels, ein wenig ausgefeiltere Bewegungen hätten aber sicher nicht geschadet. Zieht man einmal Charaktere und Zensurgnome ab, sind die meisten Hintergründe reine Standbilder. Schön: Auch auf großen Monitoren mit 1920x1080 Bildpunkten wirken die Szenen gestochen scharf.

Immer wieder wechselt Harveys Neue Augen auch zu Vollbild-Zwischensequenzen. Die passen stilistisch sehr gut ins übrige Bild und sorgen so für einen nahtlosen Übergang zwischen verschiedenen Abschnitten. Nur hin und wieder knirscht der technische Visionaire-Unterbau etwas, wenn zum Beispiel Figuren bei Bildwechseln zu früh ausgeblendet werden oder die Engine kurzzeitig falsche Bildelemente anzeigt. Funktionale Probleme entstehen durch derlei Fauxpas aber nicht.

Die Zwischensequenzen sind zwar<br /><br />nicht gerade voller Details, lockern aber die<br /><br />sonst recht starre Präsentation gelungen auf.

Nadel & Faden & Mehr

Nach dem mit jedem Anhören besser werdenden Titelsong „Nadel & Faden“ bleibt das Niveau der musikalischen Untermalung auf hohem Niveau. Während in Kapitel 1, der Klosterschule, die Akustikversion des melancholisch-nachdenklichen Titelsongs dominiert, manchmal abgelöst von einem kraftvollen Orgelstück, das die Rolle von Oberin Ignatz' Imperial March einnimmt, wird der Soundtrack in späteren Abschnitten weiter variiert. Dabei passt die Hintergrundmusik immer sehr gut zur Stimmung der Location, ohne aber zu aufdringlich oder gar nervig zu werden. Bei so einer gelungenen Vertonung kann man auch leicht darüber hinwegsehen, dass die Zahl der verschiedenen Stücke nicht sonderlich groß ist.

Für die Sprachausgabe hat Daedalic jetzt gänzlich auf professionelles Personal zurückgegriffen, das unter der Regie des Autors zur Höchstform aufläuft. Allen voran glänzt der herrlich naive Götz Otto als stimmgewordenes Unterbewusstsein der Hauptfigur, der mit der äußerst einsilbigen Lilli-Sprecherin Sinikka Compart auch akustisch ein echtes Traumpaar bildet. Alte Bekannte wie Edna (wieder eine tolle Alianne Diehl), Droggelbecher oder der Bienenmann haben ihre ursprünglichen Stimmen, neue Figuren sind ebenfalls gelungen besetzt.

Brutal gut

Am Ende ist Daedalic das Unwiederholbare erfreulich gut gelungen. Harveys Neue Augen ist keine Kopie von Edna Bricht Aus, auch nicht der Versuch einer Kopie. Trotzdem kann es einen signifikanten Teil der Underdog-Qualitäten des Vorgängers in die von Anfang an als kommerzielles Produkt konzipierte Fortsetzung retten. Elementare Voraussetzung für den Spielgenuss ist die Kompatibilität mit dem finster-bösen Humor des Adventures, in dem auch mal fröhlich-rosa angepinselte Kinderleichen von der Decke baumeln. Dass die USK hier zum grünen Ab-12-Siegel gegriffen hat, ist da schon beinahe überraschend. Wem die morbide Grundstimmung recht ist, hat dann aber eigentlich nicht mehr viele Gründe, sich Harveys Neue Augen nicht anzusehen.

Klar, man möchte als Spielekritiker an allen Ecken und Enden herummeckern. Man möchte sagen: Gebt mir doch ein paar mehr Interaktionen, bessere Animationen, mehr Soundeffekte, feilt das Spiel auf der technischen Seite noch etwas rund und überhaupt, was soll denn diese simple Grafik? Aber Harveys Neue Augen macht es einem schwer, sehr schwer. Was sind schon solche Nebensächlichkeiten, wenn Jan Müller-Michaelis' geniale Texte von der ersten bis zur letzten Sekunde unterhalten, während sie gleichsam zum Lachen und zum Nachdenken bringen. Das erzählerische Dreieck zwischen Spieler, Erzähler und Hauptfigur verpackt eine durchaus tiefgründige Geschichte über Regeln bzw. das Brechen derselben in eine rabenschwarze wie innovative Komödie, die keine Sekunde langweilt.

Böse Lilli: Hier versucht die Klosterschülerin,<br /><br />eine ihrer einhypnotisierten Blockaden zu umgehen.

Gleichzeitig zeigt Harveys Neue Augen, was viel zu selten gezeigt wird, nämlich dass es nicht die Grafik ist, aber auch nicht das Rätseldesign, sondern die Erzählung, die ein Videospiel zu etwas wirklich Einzigartigem machen kann. Harveys Neue Augen schafft diesen Schritt mit Bravour, was beinahe vergessen lässt, dass sich hinter der Fassade ein gutes, aber nicht außergewöhnliches Gameplay verbirgt, das auch unter Beibehaltung des minimalistischen Konzeptes technisch ausgefeilter hätte umgesetzt werden können. Ganz nebenbei macht Daedalic damit kräftig Werbung für das Genre Adventure, denn kaum ein anderes Genre bietet so viel Raum für die Erzählung – also den Raum, von dem Harveys Neue Augen perfekt zeigt, wie viel Kraft von seiner gekonnten Nutzung ausgehen kann.

thumb
Ausstattung Die Verpackung enthält neben der Spiel-DVD auch eine Soundtrack-CD, auf der der Titelsong „Nadel & Faden“ der einzige Track ist. Die instrumentalen Teile des Soundtracks lassen sich auf der Homepage zum Spiel herunterladen. Dazu gibt es PDFs mit CD-Cover und Aufdruck. Sammler sollten mit dem Bestellen im Internet vorsichtig sein. Händler wie Amazon oder buecher.de verschicken die DVD-Box ohne die Umverpackung aus Pappe, die Käufern der Erstauflage ursprünglich versprochen war. Die Pappschachtel ist zwar nicht essenziell fürs Spielen – Codescheibe für den Kopierschutz, Soundtrack-CD und Handbuch befinden sich in der DVD-Box – für Sammler ist die uneinheitliche Auslieferung aber ärgerlich.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Böse, böse, böse. Und das ist auch gut so. Mir persönlich sagt der morbide Humor von Harveys Neue Augen absolut zu, die Kommentare des Erzählers haben mich immer wieder zum Lachen gebracht. Weder Laufwege noch Pixelhunting ziehen das Spiel in der Länge, bereits Gesehenes oder Gehörtes lässt sich abbrechen. So war ich von der ersten bis zur letzten Sekunde bestens unterhalten, Ärger über den einen oder anderen Makel konnte da gar nicht erst aufkommen. Enttäuscht war ich lediglich von der geringen Zahl an möglichen Interaktionen. Bei Edna Bricht Aus durfte ich noch alles mit allem kombinieren und es kam so gut wie immer eine originelle Reaktion.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Geniale Texte
  • Herrlicher Erzähler
  • Bitterböser Humor
  • Lilli
  • Passende Musik
  • Toller Titelsong
  • Wiedersehen mit alten Bekannten
  • Wenig Möglichkeiten, Gegenstände zu kombinieren
  • Spartanische Animation
  • Technischer Unterbau