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  • Cognition: An Erica Reed Thriller Episode 1: The Hangman

Test

von  Sascha "nufafitc" Pongratz
25.11.2012
Cognition: An Erica Reed Thriller Episode 1: The Hangman
Getestet auf Windows, Sprache Englisch
85%

Phoenix Online Studios haben sich durch ihr ambitioniertes Fanadventure-Projekt The Silver Lining nun mit Cognition: An Erica Reed Thriller an ihr erstes kommerzielles Produkt gesetzt. Im Episodenformat und mit Hilfe von Jane Jensen als Story Consultant soll es in die Fußstapfen von Sierras ernsteren Genre-Vertretern wie Gabriel Knight treten. Ob die erste Episode The Hangman ein würdiger Auftakt für die Serie ist, erfahrt Ihr in unserem Test.

Profil eines Selbstmörders und der Weg zur Selbstfindung

Erica Reed ist eine FBI Agentin mit besonderen Fähigkeiten: Sie kann Tathergänge rekonstruieren und Zeugen helfen, sich an verdrängte oder vergessene Teile ihrer Vergangenheit zu erinnern. In ihrem neuesten Fall muss sie die Hintergründe von Selbstmorden aufklären, die sie aber bald auf die Fährte von einem mysteriösen Serienkiller führen.

Cognition kommt mit einem furiosen, schweißtreibenden Anfang, in dem Erica eine persönliche Tragödie miterleben muss. Den Rest des Spiels verbringt sie mit dem Finden von Beweismitteln, Recherchen nach Indizien, sowie Verhören von Zeugen und Verdächtigen. Außerdem übt sie den Umgang mit den eigenen Fähigkeiten, denn diese Kräfte müssen erst einmal kontrolliert werden, bevor sie sie gezielt einsetzen kann.

Verbindungen in der Kognitionswelt

Obwohl sich die Geschichte erst langsam entwickelt, ist sie spannend inszeniert. So bekommt Erica Hinweise auf geschichtliche Gräueltaten, die von einer unbekannten Person in Form von Emails an sie weitergeleitet werden, und auch sonst sind noch einige Geheimnisse um den Täter und seine Motive aufzuklären. Stück für Stück arbeitet sich der Spieler voran und stößt auf mehr Fragen als Antworten.

Zurück in die Vergangenheit zum Rekonstruieren und Kombinieren

Cognitions Gameplay unterscheidet sich von typischen Thriller-Adventure-Vertretern in einigen Bereichen. So kann der Spieler mit einem Klick auf ein Icon Ericas Cognition-Sicht, einer Art Traumwelt mit wenig Farben, aktivieren. Diese lässt die Umgebung in eine andere Welt wechseln, in der es möglich ist, sowohl einzelne Interaktionspunkte auszuwählen und Rückblicke in die Vergangenheit zu bekommen, als auch Objekte miteinander zu verknüpfen und so einen Tathergang zu rekonstruieren.

Desweiteren hat Erica später die Möglichkeit, in einer sehr originellen Art und Weise, einem Zeugen zu helfen, seine bruchstückhaften Erinnerungsbilder zusammenzufügen. Dies erfolgt durch kleine Änderungen wie dem Auswählen der Farbe eines Kleides, dem richtigen Einstellung der Uhrzeit etc. in den jeweiligen Abschnitten. Stupides Ausprobieren funktioniert aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten nicht, nur durch Gespräche und dem korrekten Zeigen von bestimmten Gegenständen gibt das Gegenüber Informationen preis. Dies erfordert ein hohes Maß an Konzentration, ist aber vollständig logisch nachvollziehbar und setzt sich wohltuend von typischen Inventarrätseln ab.

Erinnerungen in Bildersprache

Von diesen gibt es natürlich auch einige im Spiel, allerdings halten sich hier die Innovationen stark in Grenzen. Zum größten Teil sind die Aufgaben gut in die Handlung integriert, nur vereinzelt ist etwas unnötige Laufarbeit gefordert. Umständliches Kombinieren von Gegenständen, wie es in manchen ernsten Adventures passiert, gibt es nicht. Weiterhin müssen auch noch Reeds Computer zum Auffinden von alten Akten und auch ihr Smartphone in vielen weiteren Rätseln verwendet werden.

Brauche Unterstützung und Ratschlag

Das Smartphone ist wie in der realen Welt ein Allround-Hilfsmittel, mit dem Erica u.a. nach Stichworten im Internet suchen, Notizen machen (welche vom Spieler auch selbst über die Tastatur eingetippt werden müssen) und natürlich telefonieren und Emails schreiben kann (die allerdings automatisch von ihr geschrieben werden). Letzteres gibt ihr auch die Möglichkeit, mit ihrem Vater in Kontakt zu treten, der als Spielehilfe fungiert, indem er zur gegenwärtigen Situation ein paar Lösungsansätze gibt. Allerdings sind auch diese Hinweise keine direkte Komplettlösung und fordern doch noch eigene Denkarbeit.

Smartes Denken mit dem Phone

Obwohl das Spiel zum größten Teil logisches Rätseldesign besitzt, kann es doch aufgrund eines recht hohen Schwierigkeitsgrades häufiger vorkommen, dass viele Schauplätze mehrmals etwas planlos durchsucht werden müssen. Gerade bei Dialogen muss aufgepasst werden, ob es da nicht schon wieder neue Optionen gibt, einen Gegenstand zu bekommen oder die Handlung weiter voranzutreiben. Dies ist zwar nicht so schlimm wie es bisweilen bei Gray Matter war, aber Frust kann durchaus vorkommen, so dass das Spiel eher etwas für Fortgeschrittene und Profis ist.

Steuerung der Zukunft

Wie von den meisten Adventures gewohnt lässt sich Erika mit einem bloßen Linksklick hin und herbewegen, mit derselben Maustaste klappt bei Gegenständen auch eine Menüleiste mit Aktionen wie Anschauen, Benutzen, Einsammeln und bei Personen die Möglichkeit zum Reden auf.

Oben links kann direkt das Smartphone aufgerufen werden, dessen Menüpunkte sich auch recht einfach mit der Maus navigieren lassen. Daneben gibt es auf Knopfdruck (oder mit der Leertaste) eine Hotspotanzeige.

Mit Hilfe eines Buttons am unteren linken Bildschirmabschnitt kann zwischen der realen und für die Kognitionsfähigkeiten wichtigen anderen Welt hin und her geschaltet werden. Das Inventar selbst befindet sich auf der rechten Seite und ist etwas gewöhnungsbedürftig und umständlich zu handhaben.

Denn in einer Leiste sind alle Objekte abgebildet, die aber erst angeklickt werden können, wenn zuvor auf einem separaten Abschnitt daneben die für Betrachten (im Zoom-Modus können Gegenstände übrigens weiter in 360 Grad gedreht werden, was zur Lösung von einigen Puzzles notwendig ist), Benutzen oder Kombinieren erforderlichen Icons ausgewählt wurden.

Technik der Vergangenheit

Grafisch bietet der Titel eine interessante Verbindung von Cel-Shading-Optik und gemalten Hintergründen. Letztere sind stellenweise sehr liebevoll gestaltet (wie ein melancholischer Gang auf einem Friedhof beweist), während andere (im Büro oder in der Poststelle) eher weniger begeistern können. Die Figuren sind leider ein weiteres Relikt aus der Fanadventure-Zeit, denn obwohl Lippensynchronität gegeben ist, enttäuschen die wenigen Gesichtsanimationen und abgehakten Bewegungen der Charaktere.

Und die Lippen bewegen sich doch.

Zeitlose Comic-Ästhetik für Erwachsene

Weitaus besser als die Spielgrafik fügen sich die vielen Zwischensequenzen ein, die aus Comic-Strips bestehen (durch die übrigens auch der Prolog als eComic nach Kauf nachzulesen ist). Diese sind nicht nur toll gezeichnet, sondern sorgen mit ihrer Dynamik aus Bewegungen der Bilder, Musikuntermalung, Sprachausgabe und Hintergrundgeräusche für einige berührende als auch schockierende Momente. Denn Cognition geizt nicht mit der ein oder anderen Gewaltdarstellung.

Zartbesaitete Gemüter bitte wegschauen

Aufgrund der Thematik sollten sich Adventure-Fans mit zartem Gemüt auf jeden Fall vorher im Klaren sein, dass es bisweilen recht heftig zur Sache geht. Dies artet zwar nicht wie bei Telltale Games' The-Walking-Dead-Serie in Morden aus, aber die Art, wie die Comic-Szenen gestaltet sind, wie sich die Geschichte entwickelt und wie der Spieler mit dem Tod konfrontiert wird, kann zugleich schockieren und auch ein mehr als nur ungutes Gefühl hinterlassen.

Töne der Neuzeit

Musikalisch verdient Cognition die Höchstnote, da alle Stücke sehr atmosphärisch und zu jeder Szene passend wirken. Seien es treibende Orchesterklänge mit Chören, Gitarrenriffs, melancholische Pianotöne, bedrohliche Synthesizerstücke. Hier wird aus dem gesamten Spektrum an kinoreifer Präsentation geschöpft und lässt den Spieler jederzeit in diese Welt eintauchen.

Die englische Sprachausgabe hinterlässt hingegen einen etwas zwiespältigen Eindruck. Obwohl die meisten Stimmen gut gewählt sind, strengen sich einige Sprecher teilweise doch ein wenig zu viel an und legen mehr Pathos in ihre Rollen als eigentlich nötig wäre. Gerade zu Anfang ist dies etwas ungewohnt, legt sich aber später ein wenig und ist bei den ruhigeren Dialogpassagen dann doch auf einem konstant hohen Niveau.

Ein ungeschliffener Diamant von Gamedesign

Trotz einer tollen Präsentation, packenden Story und sehr gutem Rätseldesign trüben einige Designschnitzer den Gesamteindruck, die hoffentlich entweder durch einen Patch oder in weiteren Folgen ausgebügelt werden.

Neben ein paar Grafikfehlern stört vor allem die Karte, die das Besuchen von Schauplätzen nicht jederzeit möglich macht. Erst muss ein Ort verlassen werden, was sich wegen nicht abbrechbaren Laufanimationen etwas träge gestaltet. Dann zeigt diese dem Spieler auch nur einen Distrikt der Stadt, so dass er sich erst zum nächsten klicken muss, was aufgrund von etwas längeren Ladezeiten zur nervigen Geduldsprobe wird und einfach durch eine jederzeit aufrufbare Karte mit Gesamtausschnitt der Stadt komfortabler hätte gelöst werden können.

Stadtkarten sind nicht einfach zu benutzen

Weiterhin wiederholen sich einige Sätze von Erika beim Betrachten von Gegenständen oder dem Unterhalten mit anderen Charakteren. Beim Anhören einer Audiokassette war es übrigens auch nicht möglich, diese recht lange Passage beim wiederholten Male abzubrechen.

Ein erfolgreicher Einstieg

Mit der ersten Episode The Hangman von Cognition beweisen Phoenix Online Studios, dass sie aus ihrer langjährigen Entwicklung von The Silver Lining einiges über Storytelling und Rätseldesign gelernt haben. Jane Jensens Mitwirkung sollte vielleicht nicht überbewertet werden, aber trotzdem haben es die Entwickler geschafft, für Fans von ernsteren Adventures wie Gabriel Knight einen würdigen Einstieg zu schaffen. Obwohl technisch etwas veraltet und nicht in allen Bereichen perfekt, schafft es der Titel doch, die Messlatte von episodischen Adventures in Sachen Umfang und Anspruch ein ganz weites Stück nach oben zu legen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ich selbst war skeptisch, ob der Titel das wird, was er versprach. Nach Jane Jensens für mich enttäuschendem Gray Matter (sowohl vom Rätseldesign, Storytelling als auch der Präsentation) und der Ankündigung, sie würde bei der Story mithelfen, waren die Erwartungen sogar noch niedriger. Allerdings wurde ich positiv überrascht, denn was The Silver Lining bei jeder Dialogzeile und der Inszenierung andeutete, zeigt sich hier deutlich: eine konsequente Weiterentwicklung des Adventure-Genres im Episodenformat. Eine spannende Geschichte, eine interessante Hauptfigur, anspruchsvolle Rätsel und eine grandiose Atmosphäre machen für mich diese erste Episode zu einem würdigen spirituellen Nachfolger der Gabriel-Knight-Reihe, die hoffentlich mit jeder weiteren Folge noch besser wird. Neben The Walking Dead für mich bisher die beste (ernste) Adventurespiel-Erfahrung des Jahres.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Abwechslungsreiche und knackige Rätsel
  • Gut ausgearbeitete Dialoge und spannende Story
  • Spezielle Kognitionsfähigkeiten sinnvoll integriert
  • Atmosphärische Musik und Comic-Zwischensequenzen
  • Lange Spielzeit für das Episodenformat
  • Spielgrafik nicht zeitgemäß
  • Unnötige Laufwege durch nicht optimate Kartenfunktion
  • Sprecher teilweise etwas zu pathetisch
  • Teils wenige oder nicht ausreichende Lösungshinweise
  • Einige Grafikfehler