Test

von  Hans Pieper
03.05.2013
Anna – Extended Edition
Getestet auf Windows, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch
85%

Ein dreiviertel Jahr nach der Veröffentlichung ihres ersten Adventures Anna legen die Entwickler von Dreampainters nun mit einer Extended Edition nach. Darin wurden viele Schwächen angegangen, die beim Testen der ersten Version den Spielspaß eingeschränkt haben. Also haben wir uns mutig noch einmal in die dunklen Tiefen der alten Mühle begeben.

Nach dem Start der Extended Edition fallen sofort zwei Dinge auf:<br /><br />Das Intro wurde überarbeitet und die erste Rätselkette stark verbessert

Wieder eine Frage der geistigen Gesundheit

Am Spielablauf selbst hat sich nicht viel verändert: Noch immer erkundet der Spieler zunächst den hell erleuchteten Außenbereich der Mühle und dringt dann immer tiefer in das dunkle, gruselige Innere des Gebäudes ein, das sich ständig verändert. Auch das Verhalten des Spielers bei paranormalen Ereignissen spielt wieder eine wichtige Rolle: Wird man von einer Erscheinung erschreckt und bewegt die Maus schnell, so schadet dies der geistigen Gesundheit. Und auch wenn man zu genau wissen möchte, was da gerade im Hintergrund knistert, jammert oder stöhnt, kann der Verstand darunter leiden. Im Gegensatz zur ersten Version kann die geistige Gesundheit des Protagonisten nun direkt im Inventar eingesehen werden. Das verschafft schnell einen guten Überblick und ist komfortabel. Erlebt der Spieler zu viele Schockmomente und der Balken sinkt auf Null, verlässt die Hauptperson Hals über Kopf das Haus und will nie wieder zurückkehren – wodurch eines von acht alternativen Enden ausgelöst wäre. Das kann eventuell etwas nervig werden, da sich die Enden nicht abbrechen lassen. Deshalb sollte man darauf achten, im Spielverlauf die geistige Gesundheit einigermaßen hoch zu halten, um nicht ständig mit der Endsequenz in voller Länge konfrontiert zu werden. Manche Entdeckungen führen aber auch zu einem Anstieg der geistigen Gesundheit, sodass nicht ständig gespeichert werden muss.

Die geistige Gesundheit wird im Inventar <br /><br />an der linken Seite angezeigt

Umwege beseitigt: Komfortable Steuerung

War die Interaktion mit der Umwelt in der ersten Version des Adventures noch sehr umständlich, sorgt nun ein einfacher Klick auf das Mausrad dafür, dass sich das Inventar öffnet. Betrachtet wird klassisch mit der rechten, verwendet mit der linken Maustaste. An einigen Stellen müssen nach wie vor Türen durch Klicken und Ziehen der Maus geöffnet werden. Auch hier wurde das Verhalten der Türen deutlich verbessert. Insgesamt spielt sich der Titel nun sehr angenehm und kann sich dabei durchaus auch mit großen Produktionen messen.

Die Steuerung bietet nun den gewohnten Komfort <br /><br />von anderen Adventure-Titeln

Und plötzlich ergab das Ganze einen Sinn

Einer der stärksten Kritikpunkte an der ursprünglichen Version war das Rätseldesign, das streckenweise konfus, abgehoben und unlogisch erschien. Hier haben die Entwickler bei der Extended Edition am meisten nachgebessert. Der Protagonist führt ein übersichtliches Journal, das die wichtigsten Ereignisse und Informationen enthält. Bücher und Briefe informieren über die teilweise abstrusen Rituale, die im Laufe des Spiels durchgeführt werden müssen. Damit behält das Spiel seinen gruseligen, dunkeln und verschrobenen Charakter, ermöglicht es aber erfahrenen Adventure-Spielern, gut voran zu kommen. So entsteht der kuriose Umstand, dass die Aktionen für das Vorankommen in der surrealen Mühlen-Welt zwar nicht logisch sind (und das könnten sie für diese Art von Geschichte auch gar nicht sein), aber dennoch klar ist, was als Nächstes getan werden muss. Der Schwierigkeitsgrad bewegt sich dabei auf fortgeschrittenem Niveau, vor allem geübte Spieler werden hier ihre Freude haben. Stolpersteine bietet nun höchstens noch das Übersehen kleinerer Gegenstände in etwas dunkleren Ecken, denn eine Hotspot-Anzeige gibt es nicht. Doch hierbei sollte meist ein zweiter, aufmerksamer Blick in den Raum reichen, falls man einmal nicht weiterkommt. Ansonsten hilft eine integrierte Hilfefunktion per Taste oder Zeitintervall weiter. Allerdings ist diese an einigen Stellen nicht konkret genug oder bezieht sich auf eine andere Aufgabe, sodass diese nur häufig und nicht immer hilfreich ist.

Die Neugestaltung der Rätsel ist fair. Wer aufmerksam liest <br /><br />und die Umgebung erkundet, wird kaum Hänger haben

Lesen und Lesen lassen

Die Extenden Edition wartet mit einer vollständigen und gelungenen deutschen Übersetzung auf, die per Untertitel eingeblendet wird. Die wenigen Sätze, die im Spiel gesprochen werden, sind auf Englisch, doch das trübt die Atmosphäre keineswegs, da diese meist durch starke Effekte ohnehin schwer zu verstehen sind und als bedrohliches Gemurmel im Hintergrund zur Gänsehaut beitragen. Die Übersetzung ist hierbei gegenüber der vorherigen Version verbessert worden und transportiert nun auch konsequent die altertümlichen Formulierungen des Originals.

Alle Texte werden auf Deutsch eingeblendet

Licht aus, Grusel an!

Auch die Extenden Edition verzichtet zum Großteil auf plakativen, visuellen Horror, sondern setzt vielmehr auf das Grauen im eigenen Kopf. Das Innere der Hütte liegt im Halbdunkel, Musik, Licht und Stimmen schaffen eine unheimliche Atmosphäre. Neu sind einige Nebendarsteller, die nach Belieben in der Mühle auftauchen und wieder verschwinden, bevorzugt plötzlich im Rücken des Spielers, sodass er beim Umdrehen zusammenzuckt. Angst vor plötzlichen, lauten Schock-Effekten muss man auch in der neuen Version nicht haben. Die Hintergrundgeschichte wurde stark verbessert, erweitert und nachvollziehbarer gestaltet. Schafft man es zum Ende mit der längsten Spielzeit, wartet dort ein nette Wendung auf den Spieler. Wie auch bei der ursprünglichen Version reißt der Spannungsbogen der Geschichte während der gesamten Spielzeit von nun etwa vier bis sieben Stunden nicht ab. Und danach möchte man sicherlich noch die alternativen Enden auslösen, was teilweise auch noch einmal mit Rätseln verbunden ist. Das „beste“ Ende ist dabei am schwersten zu erreichen.

Neue Elemente wie eine Holzpuppen-Version von Anna, die ständig ihren <br /><br />Aufenthaltsort wechseln, sorgen für Spannung und Grusel

Immer noch stimmungsvoll: Soundtrack und Geräusche

Mit ein paar zusätzlichen Stücken wurde der ohnehin schon sehr gute Soundtrack von Anna nochmals erweitert. Die Diskrepanz, die sich zwischen der beunruhigenden Atmosphäre und den fast schon fröhlich-beruhigenden Musikstücken entwickelt, trägt viel zum Horror des Spiels bei, besonders, wenn die Musik plötzlich abbricht. Auch die Geräusche sind sorgsam ausgesucht und gut in Szene gesetzt.

Bewegt man die Maus bei einem gruseligen Ereignis schnell weg, <br /><br />zum Beispiel, weil man sich erschrocken hat, erkennt dies<br /><br />das Spiel und zieht Punkte von der geistigen Gesundheit ab

Fazit

Die Extended Edition von Anna gibt dem Spiel den nötigen Feinschliff. War die ursprüngliche Version ein Geheimtipp für hartgesottene Horror- und Adventure-Fans, die am besten noch die Lösung neben dem Bildschirm liegen hatten, hat sich die Extended Edition zu einem echten Adventure-Tipp entwickelt, der definitiv einen Blick wert ist und sich rund anfühlt. Den Spieler erwarten klassische Rätsel in einer surrealen, gruseligen Umgebung mit schöner Grafik und einer guten Steuerung sowie eine interessante Hintergrundgeschichte. Negativpunkte sind die nicht überspringbaren Intro- und Endsequenzen und die nicht immer passende Hilfefunktion. Doch diese Punkte wirken sich kaum auf den Gesamteindruck aus. Denn insgesamt betrachtet ist Anna in der Extended Edition einfach nur eines: Gelungen.

thumb
Verschiedene Versionen Anna – Extended Edition ist digital unter anderem auf Steam, Desura, Zodiac und Just Adventure verfügbar. Die Steam-Version wird von Kalypso Media vertrieben und enthält definitv die Deutsche Übersetzung, sowie den Soundtrack und weitere Extras. Die anderen Versionen haben wir nicht geprüft. Die Box-Version mit Soundtrack, Poster und Artbook von Kalypso Media gibt es auf Amazon. Käufer der ersten Version von Anna erhalten eine digitale Version der Extended Edition kostenlos.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Obwohl ich das Spiel schon kannte, hat es mich an vielen Stellen überrascht und gefordert. Die Rätsel sind gut machbar, aber anspruchsvoll. Zahlreiche Neuerungen in der Umgebung haben mehrmals ein Zusammenzucken vor dem Bildschirm verursacht – genauso wie es bei einem Horrorspiel sein soll. Wenn man sich auf das Spiel einlässt, entwickelt die neue Version eine tolle Atmosphäre und hat mit den verschiedenen Enden auch einen hohen Wiederspiel-Wert. Kurz gesagt: So sieht ein gutes Horror-Adventure aus.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöne Grafik
  • Gruselige Atmosphäre
  • Tolle Musik
  • Alternative Enden
  • Vielseitige Hilfefunktion...
  • ...die nicht immer hilfreich ist
  • Start- und Endsequenzen nicht überspringbar
  • Zwangs-Ende beim Leerwerden des Gesundheits-Balkens