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Test

von  Axel Kothe
26.09.2015
Dropsy
Getestet auf Windows, Sprache Englisch
85%

Es gibt Spiele, die sind so abgefahren, dass es sie nur im Bereich der Indiespiele und Crowdfunding geben kann. Letztes Jahr hatten wir das über Indiegogo finanzierte, monochrome Stop-Motion-Musical Dominique Pamplemousse, in diesem Jahr ist es der Entwickler Jay Tholen, der über Kickstarter Geld für das „Hugventure“ Dropsy sammelte, welches nun über diverse digitale Anbieter erhältlich ist.

Am Grab der Mutter.

All he needs is love

Dropsy war ein glücklicher Clown, weil er mit Mama und Papa zusammen im Zirkus auftreten durfte. Bis zu dem einen Schicksalstag, als das Zirkuszelt in Flammen aufging, seine Mutter starb und der ganze Ort ihn für das Unglück verantwortlich machte. Dies ist nun einige Jahre her, und Dropsy plagen immer noch jede Nacht Alpträume, ganz besonders heute, an Mamas Geburtstag. Auf dem Weg zum Friedhof merken wir, dass niemand Dropsy leiden kann, dabei will Dropsy nur eines: Liebe empfangen und Liebe geben – in seinem Fall sind das feuchtwarme, herzliche Umarmungen. Doch niemand will umarmt werden, alle im Ort sind schlecht gelaunt oder traurig, weil ihr geliebter Partner gestorben ist, sie verzweifelt nach einer Schallplatte suchen oder ihnen niemand zuhören mag.

Dropsys Alpträume sind nichts für Kinder.

Umarme mich!

Und damit sind wir auch schon mitten im Spiel, denn Dropsys Herzensangelegenheit ist auch unsere Aufgabe, die Menschen im Ort glücklich zu machen, sie dazu zu bringen, Dropsy zu mögen, und natürlich, sie zu umarmen. Dass uns diese Taten auch letztendlich im Spiel voran bringen, weil wir nun weniger Widerstand von diesen Personen erfahren, ist eigentlich Nebensache. Richtige, dauerhafte Unterstützung erhält Dropsy übrigens auch: In Form eines Hundes, einer Maus und einem Vogel, die Dropsy mehr oder weniger ständig begleiten und an Gegenstände oder Orte herankommen, die Dropsy selbst nicht erreichen kann.

Tierischer Helfer in Aktion: Der Vogel.

Offene Welt

Eingebettet ist die Clownsgeschichte in ein relativ klassiches Point-and-Click-Adventuregameplay, wobei nur die linke Maustaste genutzt wird, um Gegenstände aufzuheben, anzusehen oder zu benutzen. Mit einem Extraicon kann man alles umarmen, was sich nicht dagegen wehrt – von Personen über Tiere bis hin zu Bäumen und Statuen. In seiner Clownshose versteckt Dropsy sein Inventar, dessen Gegenstände zwar nicht miteinander, aber sehr wohl mit der Umgebung kombiniert werden können und müssen. Ungewöhnlich ist der Open-World-Ansatz, der schon bei der Kickstarterkampagne den Titel herausstechen ließ. Im Prinzip steht Dropsy direkt von Beginn an der komplette Ort zur Erkundung offen, auch wenn sich die Bereiche auf der Übersichtskarte noch unter Wolken verstecken und sich der Nebel erst nach und nach legt. Selbstverständlich ist es so, dass manche Bereiche erst zugänglich werden, wenn bestimmte Rätsel gelöst wurden, aber im Großen und Ganzen liegt der Fokus in den ersten Stunden auf der Erkundung der Karte und dem Finden neuer Geheimnisse und Rätsel. Dabei steht es dem Spieler frei, welche Rätsel er zuerst angeht, das Spiel macht einem da praktisch keine Vorgaben – nicht einmal, dass alle auch gelöst werden müssen, einige sind für das erfolgreiche Beenden der Geschichte nicht erforderlich. Dazu kommt, dass das Spiel mit einem Tag- und Nachtwechsel ausgestattet ist und die Welt sich um ihn herum dementsprechend verhält, sodass viele Rätsel auch von der Tageszeit abhängig sind.

Übersetzung: Rockmusik ist böse!

Niedrige Auflösung, großes Herz

Die Rätsel an sich sind oft gar nicht mal so schwer, das größte Problem ist oft, überhaupt zu verstehen, was das Problem der Charaktere ist. Denn statt Text oder Sprache verwendet das Spiel Symbole, um darzustellen, was die Personen sich wünschen. Das ist – teils auch aufgrund der niedrig aufgelösten Grafik, manchmal durchaus eine Herausforderung. Davon abgesehen ist die Grafik ein Pluspunkt des Spiels, gerade viele unterschiedliche, individuelle Animationen überzeugen. An manchen Stellen drängt sich der Vergleich mit Lucas Arts' Sam & Max auf, der Stil ist teils sehr ähnlich. Was beim Spielen ewas untergeht ist die umfangreiche Musik des Spiels, weil viele Lieder nur in Form von Kassetten im Spiel gefunden werden und diese dann abgespielt werden können (und während der Autofahrt zwischen zwei Locations).

Diese zwei hat Dropsy schon glücklich gemacht.

Fazit

Dropsy ist sicherlich kein Spiel für jedermann. Dazu ist es zu ungewöhnlich, bricht zu sehr aus, aus dem Gerüst der klassischen Adventures mit stark linearen Geschichten und klaren Aufgaben. Aber wer sich darauf einlassen kann, den erwartet ein denkwürdiges, unvergessliches Abenteuer, mit dem abstößigsten, aber gleichzeitig auch liebenswertesten Clown der Adventuregeschichte.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ungewöhnlich, liebenswert, verstörend, emotional, krank, überwältigend und lustig sind die Worte, die mir zu Dropsy einfallen. Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit es der Entwickler geschafft hat, all diese gegensätzlichen Gefühle in ein einziges Spiel zu packen, ohne dass Elemente fehl am Platz wirken. Mit unglaublicher Liebe zum Detail kreierte er eine umfangreiche Welt, die wir als Spieler erkunden dürfen. Sicher, einen Großteil der Spielzeit verbringen wir damit, etwas planlos hin- und herzulaufen und die etwas weiteren Entfernungen hinter uns zu bringen (bis wir nach circa der Hälfte des Spiels Zugriff auf ein Auto haben, mit dem wir direkt von Ort zu Ort springen können), doch das hat mich hier nicht im Geringsten gestört. Der ungewöhnliche Open-World-Ansatz funktioniert hier für mich erstaunlich gut und ich war richtig traurig, dass ich nicht alle Menschen glücklich machen konnte, bevor das Finale eingeläutet wurde – meine Motivation, es direkt noch einmal von vorne zu versuchen ist bei Dropsy so hoch wie noch bei keinem anderen Adventure. Und: Ich habe Dropsy in mein Herz geschlossen, den gruseligen Clown, der nur geliebt werden wollte.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Nichtlineares Open-World-Adventure
  • Herzzerreißend tragischer Hauptcharakter
  • Gelungene Pixeloptik
  • Umfangreiche Animationen
  • Toller Soundtrack
  • Lange Laufwege
  • Unklare Piktogramme
  • Keine deutsche Sprache