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Test

von  Hans Pieper
26.07.2016
Zero Time Dilemma
Getestet auf PlayStation Vita, Sprache Englisch

Es endet. Hier. In wenigen Minuten. Die Herzen der Fans der Zero Escape-Serie schlagen bereits bei den ersten Spielszenen höher. Genau wie gedacht beginnt Zero Time Dilemma mit einer Gruppe von neun Personen an einer Forschungsstation in der Wüste Nevadas. Dort soll Leben auf dem Mars simuliert werden, doch ein unbekannter böser Zwischenfall zieht weitreichende Konsequenzen nach sich.

Fan vs Neuling

Prinzipiell ist der Titel auch für Serien-Neulinge geeignet. Nahezu alle Elemente der Hintergrundgeschichte werden über die Zeit erklärt und teilweise auch wiederholt. Es ist dennoch ein ordentlicher Brocken, der auf Spieler wartet, die nicht wenigstens Virtue’s Last Reward in der Hand hatten. Als in sich geschlossene Geschichte funktioniert der letzte Teil der Trilogie aber dennoch.

Ein Unbekannter inszeniert ein grausames Spiel

Bewährte Zweiteilung

Das Standard-Rezept für die Zero-Escape-Reihe bleibt unverändert: In Story-Abschnitten wird die Hintergrundgeschichte voran getrieben. Hinzu kommen in regelmäßigen Abschnitten Escape-Räume, die es in klassischer Adventure-Manier inklusive Inventarnutzung zu lösen gilt. Der Schwierigkeitsgrad liegt dabei deutlich unter den Räumen von VLR, auch gibt es keine spannenden Alternativlösungen für ein späteres, zusätzliches Ende mehr. Die Rätselräume sind jedoch wieder kreativ und schön in Szene gesetzt und bieten abwechslungsreiche Knobeleien. Lediglich bei den zum Teil sehr nervigen, nicht überspringbaren Minispielen kommt es zu uninspiriert vielen Wiederholungen mit mäßig unterschiedlichem Anstrich. Insgesamt erwartet den Spieler gute, aber eher einfache Rätselkost.

Die Rätselräume bauen auf Minispiele und <br /><br />klassische Inventarrätsel

Abschied vom Lesen

Waren 999 und VLR noch reine Visual Novels, die ihren Text in regelmäßigen Abständen mit Bildern oder Videos aufgewertet haben, setzt ZTD vollständig auf Videosequenzen, um die komplexe Geschichte zu erzählen. Darin eingebettet sind hin und wieder moralisch sehr schwierige Entscheidungen, die der Spieler treffen muss. Leider reichen die grafischen Möglichkeiten für die Zwischensequenzen längst nicht aus. Auch wenn die Grafik insgesamt gut gelungen ist, die Animationen wirken zum Teil lächerlich unbeholfen. Weder Dialoge, noch Gesten oder Rennbewegungen kommen einigermaßen realistisch an. Zudem wurde an einer ganzen Menge von Zwischensequenzen gespart: Häufig ist nur eine Wand oder eine Decke zu sehen, während ein Charakter etwas Bestimmtes tut. Aufgrund der spannenden Erzählweise ist die Grafik schnell vergessen, dass sich die Entwickler hier aber übernommen haben, ist offensichtlich. Zwar mag die Romanversion mehr potenzielle Spieler abgeschreckt haben, mit Einzelbildern und Videosequenzen wie in VLR hätte der Titel in Teilen aber deutlich besser ausgesehen. Hilfreich sind die englischen Untertitel zur englischen Sprachausgabe. Wer möchte, kann auch den Originalstimmen auf Japanisch lauschen und Englisch mitlesen. Die Musik vermischt wenige neue Stücke mit Variationen über Hauptthemen aus VLR. Das ist wunderbar so, denn auch in den Vorgängern war der Soundtrack eine große Stärke. Geräusche wurden wie zuvor auch etwas spärlich, dann aber passend gesetzt.

Die cineastischen Zwischensequenzen sind <br /><br />gut inszeniert, die Animationen aber <br /><br />leider äußerst unglaubwürdig

Hello Brutalität, my old friend

Durch die Zwischensequenzen ist ZTD noch einmal deutlich brutaler in der Darstellung als seine Vorgänger. Auch die hatten viele zum Teil recht ekelhafte Tode, erzählten diese jedoch nur mit Text und Einzelbildern von Blutflecken. ZTD zeigt hier deutlich mehr. Zwar sind auch nach wie vor allzu grafische Szenen nicht zu sehen, da die Kamera nicht direkt auf die Opfer hält. Dennoch gibt es Gewalt, Blutfontänen, Aufnahmen von Leichen und abstoßende Todesszenen en masse. Das Spiel ist daher auch erst ab 18 freigegeben. Ob es diese exzessive Gewaltdarstellung tatsächlich gebraucht hat, darüber lässt sich streiten. Während VLR hier einen Mittelweg gewählt hat, ergehen sich 999 und ZTD doch recht offensichtlich in der heftigen Darstellung verschiedener Todesarten.

Im Spielverlauf fließt jede Menge Blut. Strittig <br /><br />ist, ob der Grad an Brutalität notwendig gewesen wäre

Das große Finale

Wie bei jedem Teil der Serie kann über die Geschichte nur sehr wenig erzählt werden, ohne etwas zu verraten. Klar war jedoch von Anfang an, dass ZTD eine große Aufgabe hat: Viele offene Stränge aus VLR mussten befriedigend beendet werden. Zudem wirft ZTD selbst noch einmal viele Fragen auf. Die Geschichte ist wieder ähnlich komplex und erfordert viel Hirnschmalz, um sie zu durchdringen. Nicht zuletzt, weil sie erneut nicht chronologisch erzählt wird. Doch wer aufmerksam spielt, hat gute Chancen, am Schluss wieder einen weitreichenden Durchblick zu bekommen. Doch hier setzen die beiden größten Kritikpunkte des Spiels ein: Zum einen rumpelt ZTD bei einem der großen Twists über eine so offensichtliche Logiklücke, dass es fast schon wehtut. Wie man eine bestimmte Auflösung im Laufe des Spiels auch dreht und wendet: Sie fühlt sich sehr, sehr unrealistisch an. Zudem ist diese Ungereimtheit auch vollkommen unnötig, da sich aus dem Spiel heraus zahlreiche Möglichkeiten ergeben hätten, diesen Schwachpunkt anders zu lösen. Hinzu kommen kleinere Ungereimtheiten, mit denen aber bei einer dermaßen komplexen und mit futuristischer Technik und fortgeschrittener Physik- und Philosophie gerechnet werden muss.

Der zweite große Kritikpunkt wiegt indes noch schwerer: Uchikoshi verpasst es, die Serie vernünftig abzuschließen. Für sich allein gestellt ist ZTD ein äußerst gelungenes SciFi-Adventure mit einer wendungsreichen, extrem spannenden Geschichte. Doch sie fügt sich nicht ganz passend in die Trilogie ein. Wichtige Punkte, die in VLR noch mit viel Aufsehen aufgebaut wurden, sind offenbar vergessen worden und fallen unter den Tisch. Hart ausgedrückt ist es sogar so, dass ZTD für VLR-Spieler kaum Neuigkeiten bringt. So gesehen war die Serie schon mit dem zweiten Teil mehr oder weniger abgeschlossen – Lücken in der Erzählung inklusive. Das geht sogar so weit, dass ein Element aus VLR recht gewaltsam in die Geschichte von ZTD integriert wurde, auch wenn dies nicht allzu viel Sinn ergibt. Für Fans, die so lange auf das große Finale gewartet haben, ist dies sicherlich ein Wermutstropfen, der nach den deutlich über 20 Stunden Spielzeit ein leicht schales Gefühl hinterlässt.

Der Titel stellt den Spieler vor schwierige <br /><br />moralische Entscheidungen

Fazit

Eigentlich muss es zu diesem Spiel zwei Zusammenfassungen geben: Eine für alle, die ZTD isoliert von der Trilogie spielen und eine für Fans der Reihe. Für sich genommen ist der Titel ein spannender, gut umgesetzter SciFi-Thriller mit zahlreichen Wendungen und guter Rätselkost, aber auch einer großen, unnötigen Schwäche in der Logik zugunsten einer wenig befriedigenden Wendung.

Für Fans der Reihe fällt das Fazit allerdings kritischer aus. Größere Elemente aus VLR wurden offenbar vergessen und der Titel verpasst die Chance, eine große Klammer um die Reihe zu schwingen. Letztlich bestätigt ZTD nur: Eigentlich war am Ende von VLR alles schon gesagt und ihr hättet euch das Ende hier selbst zusammenreimen können. Offene Fäden, vor allem aus dem Bonusende des zweiten Teils, wurden einfach liegen gelassen. An diesem Fazit orientiert sich übrigens unsere Wertung.

Was bleibt also? Eine gut umgesetzte Geschichte mit hohem Tempo und einigen überraschenden Wendungen. Gute Standardrätsel, brauchbare Grafik und eine insgesamt sehr gelungene Inszenierung. Wer mit der brutalen Darstellung keine Probleme hat, sollte einen Blick auf dieses Visual-Novel-Adventure werfen, das einem das Lesen erspart.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Es gibt wenige Spiele, die ich mit einer derartigen Vorfreude erwartet habe, wie ZTD. Die Prämissen und die komplexen Geschichten der Zero-Escape-Reihe ist faszinierend, die Erzählweise innovativ und gelungen. Wer sich mit anderen über die Titel unterhält, kann einen ganzen Abend lang über die angeschnittenen Theorien diskutieren. Umso enttäuschter war ich, als gegen Ende absehbar wurde, dass weder eine unnötige, auf jeden Fall anders lösbare Logiklücke noch wichtige Elemente aus VLR aufgelöst werden. Uchikoshi hat sich hoffnungslos in seinem eigenen Universum verloren und die Chance verpasst, einen stringenten Kanon zu erschaffen. Vielleicht ist ihm die Geschichte letztlich selbst über den Kopf gewachsen. Dennoch habe ich auch ZTD, abgesehen von den exzessiven Gewaltdarstellungen, sehr genossen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Spannende Geschichte
  • Innovative Erzählform
  • Gute Inszenierung
  • Grafische Schwächen
  • Kein befriedigender Abschluss für Fans der Trilogie
  • Unnötige Logiklücken
  • Hohe Brutalität