Test

von  Hans Pieper
24.09.2016
Event[0]
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Eine klassische Science-Fiction-Geschichte im Erkundungsstil ist sehr schnell zusammengebaut. Man nehme: Ein verlassenes Raumschiff, einen einsamen Astronauten, einen suspekt erscheinenden Zentralcomputer und ein Geheimnis hinter der verschlossenen Tür zur Kommandozentrale. Dass Event Zero daraus mehr macht, als nur ein weiteres SciFi-Adventure mit Horror-Elementen, liegt an einem cleveren Spielmechanismus.

Tippen bis die Finger glühen

Nach einem reinen Textintro, wie wir es erst vor kurzem in Firewatch gesehen haben, findet der Spieler nach der Explosion des eigenen Raumschiffs Unterschlupf auf einem verlassenen, unbekannten Flugobjekt aus den 1980ern. Mit an Bord: Die künstliche Intelligenz Kaizen, die das gesamte Schiff steuert. Durch diverse Terminals mit Tastaturen ist eine Interaktion mit ihr möglich. Wie in alten Adventure-Zeiten interpretiert ein Parser die Eingaben des Spielers und spuckt (hoffentlich) passende Antworten aus. Zudem können über die Interaktion Türen geöffnet, Komponenten des Raumschiffs angesteuert und sogar Systeme gehackt werden. Kombiniert mit der 3D-Umgebung inklusive freier Bewegung trifft hier gewissermaßen das alte auf das moderne Adventure. Eine vielversprechende Kombination, die auch die Erzählung der Geschichte einzigartig macht.

Die Inszenierung ist dabei nahezu perfekt: Die Grafik ist ansprechend realistisch und enthält viele Details. Die Steuerung per Maus und Maustaste wirkt ausgereift, das Tippen geht leicht von der Hand, selbst wenn der Charakter nicht direkt vor dem Rechner steht. Der einzige Musiktitel wird gelungen eingesetzt, die überzeugenden Geräusche tragen ebenfalls viel zur Atmosphäre bei.

Dreh- und Angelpunkt des Spiels<br /><br />sind die Computerterminals

Computer essen Seele auf

Eindeutig als Horror-Adventure angelegt, schafft es das Spiel ein subtiles Grauen aufzubauen. Ohne Jumpscares ist es die Atmosphäre, die den Horror transportiert. Durch die Unterhaltungen mit Kaizen und das Lesen von Logdateien in den Terminals fügen sich langsam beunruhigende Informationen zusammen. Auch das Schiff selbst macht eher einen unheimlichen als heimeligen Eindruck.

Die Schauplätze können<br /><br />ziemlich unheimlich werden

Sprachbarriere

Verständlicherweise wurde der Titel nur auf Englisch veröffentlicht. Der Aufwand für eine Portierung wäre durch den Parser deutlich höher als bei einem normalen Adventure. So muss der Spieler sehr gute Englischkenntnisse mitbringen, um wirklich zum Kern der Geschichte und allen drei alternativen Enden vorzudringen. Neben dem passiven ist natürlich auch der aktive Wortschatz gefragt. Und da es eine große Rolle spielt, wie mit Kaizen gesprochen wird, ist auch die Wortwahl zum Teil entscheidend. Zudem schwingen in dem Titel noch größere philosophische Fragen mit, etwa nach Vertrauen, Technisierung und Existenz. Auch diese gelungen eingefügten Elemente erschließen sich nur dem, der sicher in der fremden Sprache unterwegs ist.

Die Rätsel basieren auf <br /><br />der Manipulation der Umwelt

Nachteile eines Alleinstellungsmerkmals

Die innovativste Idee an Event[0] ist zugleich auch die größte Schwachstelle des Spiels. Der Textparser stößt schnell an seine Grenzen. So antwortet Kaizen zum Beispiel auf Fragen zum Raumschiff stets mit historischen Daten, unabhängig vom Kontext. An anderen Stellen reagiert die KI dann wieder überraschend natürlich auf den Gesprächsverlauf und kommt sogar mit kurzen Antworten oder Floskeln klar. Dennoch kann es hin und wieder frustrierend sein, sich mit einer Maschine zu unterhalten, die einen in manchen Dingen einfach nicht versteht. Zwar haben die Entwickler versucht, hier storytechnisch gegenzusteuern, indem erklärt wird, dass Kaizen nicht richtig fertig gestellt wurde, ein Trost ist das bei konstanten Missverständnissen aber nicht. Dennoch sollte man diesen Kritikpunkt nicht zu hoch hängen: Für den Spielablauf an sich, die Geschichte und das Vorankommen spielt er nämlich keine Rolle. Hauptsächlich überrascht die KI mit ihrer Auffassungsgabe und das Spiel entwickelt dadurch eine enorme Tiefe. Dazu trägt auch viel bei, dass Kaizen genau darauf achtet, wie der Spieler mit ihr umgeht und spricht.

Neben Aussetzern bei der Texteingabe gibt es noch einen zweiten Kritikpunkt: Im Finale leistet sich das Spiel einen unnötigen Patzer. Extrem wichtige Texte erscheinen rot auf rot und sind unscharf. Das Lesen fällt so unnötig schwer – oder ist überhaupt nicht möglich.

Leider reden Spieler und KI<br /><br />häufiger aneinander vorbei

Fazit

Nach etwa drei bis fünf Stunden, je nachdem, wie der Spieler auf die KI eingeht, flimmert der Abspann eines der Enden über den Bildschirm. Das war eine sehr gute Entscheidung, denn länger hält der gut gespannte Spannungsbogen nicht. Auch wenn der Textparser schnell an seine Grenzen stößt und das Ende unnötig schwer lesbar ist: Die innovative Kombination aus Text- und 3D-Adventure bietet eine spannende Grundgeschichte mit interessanten philosophischen Fragen, die sehr schön inszeniert wurde. Zudem handelt es sich hier endlich wieder um einen Horrortitel, der den Gruselfaktor ohne auffällige Effekte, sondern über seine Geschichte und Akteure erzeugt.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Als ich das Spiel auf der gamescom kurz vor dem Release angespielt habe, war ich überrascht von der tollen Leistung des Parsers. Diese hohe Erwartung kann Event[0] zwar nicht immer vollständig erfüllen, doch die Art der Erzählung, der subtile Horror und die grafische Qualität machen den Titel zu einer gelungenen Symbiose aus klassischem Textadventure und moderner 3D-Umgebung.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Innovatives Spielkonzept
  • Gelungene Verbindung von Text- und 3D-Adventure
  • Hübsche Grafik
  • Subtiler Horror
  • Tolle Atmosphäre
  • Parser stößt schnell an seine Grenzen
  • Sehr gute Englischkenntnisse notwendig
  • Ende zum Teil schlecht lesbar